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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2021

Zeitgemäßer detektivischer Finanzwirtschaft-Thriller

Montecrypto
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Dieser Thriller schafft Assoziationen zu Ready Player One von Ernest Cline und Daemon von Daniel Suarez: Vorkehrungen eines Milliardärs für seinen Tod, mit Schnitzeljagd und Nerdfaktor, ohne Game-Optik ...

Dieser Thriller schafft Assoziationen zu Ready Player One von Ernest Cline und Daemon von Daniel Suarez: Vorkehrungen eines Milliardärs für seinen Tod, mit Schnitzeljagd und Nerdfaktor, ohne Game-Optik und 80er-Charme, fast ohne Verfolgungsjagden und Schießerei, dafür mit vielfältigen zeitgemäßen Digital-/Internetmedien und Input zur Finanzindustrie und zu Kryptowährungen.
Spannend, verstrickt, bodenständig, zum Analysieren und Miträtseln, schwer vorhersehbar, informativ.

Man erlebt alles im Bewusstseinshorizont von Ed Dante, einem auf Vermögensfragen spezialisierten, alternden, scharfsinnigen, nach außen hin kühlen Privatdetektiv. Ich erlebte ihn als realistischen, facettenreichen Charakter mit reger Vergangenheit, mit Ecken und Kanten. Es macht ihn cool und besonders, dass er viele Szenen mit punkigem Soundtrack und alkoholischen Getränken hinterlegt, zu Fehlern steht und seine Meinung zu einzelnen Mitmenschen dem Leser elegant preisgibt. Der intelligente, britisch-trocken-humorige Sprachstil ist gut lesbar und passt optimal zur Figur.
Als besonders bereichernd empfand ich den Schlagabtausch mit der charmanten und cleveren Mercy Mondego.
Die Kapiteleinteilung und die betont lässigen Kapitelüberschriften sind ganz nach meinem Geschmack.
Gern habe ich mitverfolgt, wie Dante den Brotkrumen folgt, wie er interviewt, herumwühlt, analysiert und kombiniert. Man ist angehalten, sich eigene Eindrücke von der Glaubwürdigkeit und Motivlage der Nebenfiguren zu verschaffen. Es ist kein dramatisches Actionfeuerwerk, sondern nah am tatsächlich Möglichen. Ich hatte meinen Spaß dabei. Highlights bilden die Eindrücke und Denkanstöße in Las Vegas sowie der packende Showdown.

Im Vergleich mit Hologrammatica von Tom Hillenbrand finde ich das dortige futuristische Umfeld inklusive technischer Möglichkeiten faszinierender und den Ermittler noch aufregender und individueller, was Jammern auf hohem Niveau ist.

Dank greifbarer Figuren und eines durchdachten Plots habe ich mich über die gesamte Länge gefordert und gut unterhalten gefühlt. Gleichzeitig habe ich dank fundierter Recherche und eingängiger Schilderungen einen Kenntniszuwachs zu Digitalwährungen, Mechanismen in der heutigen Geldpolitik und IT-Sicherheit erzielt. Ein Nachwort rundet gelungen ab. Meinen Dank und knappe 5 Sterne dafür.

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Veröffentlicht am 02.03.2021

Erweiterter Horizont und Faszination bei hochgestochener Sprache

DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021
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Gleich auf den ersten Seiten fallen die gewöhnungsbedürftige, hochgestochene Wortwahl (z. B. sekkant, kalmiert, hibernieren, amikabel) und die langen Satzkonstruktionen auf. An der Übersetzung kann es ...

Gleich auf den ersten Seiten fallen die gewöhnungsbedürftige, hochgestochene Wortwahl (z. B. sekkant, kalmiert, hibernieren, amikabel) und die langen Satzkonstruktionen auf. An der Übersetzung kann es nicht liegen, denn Raphaela Edelbauer kommt aus Wien. Dementsprechend hatte ich ein Stopp-Schild vor Augen: Achtung, nicht gedacht für Personen ohne Studienabschluss. Schade, denn mit einem normalen Erzählstil könnten mehr Interessierte ermutigt werden, an der faszinierenden Story teilzuhaben.

Die Handlung gerät manchmal langatmig, mit trockenen Exkursen, z. B. wissenschaftliche Abhandlungen, Aktenvermerke. Ab Kapitel 3 (Prolog nicht mitgerechnet) wurde es für mich verständlicher, interessant und spannend. Hauptfigur Syz soll fortan als geistig emotionale Blaupause für eine Künstliche Intelligenz herhalten, um dieser zu einer höheren Bewusstseins- und Kreativitätsebene und Urteilsfähigkeit zu verhelfen. Ablauf, Gedankengänge und Ängste sowie die Lobbyarbeit verschiedener Gruppierungen zu übergeordneten Zielen für die KI sind hochinteressant, nachvollziehbar, faszinieren und lassen eine gewisse Genialität erkennen. Manchmal fehlt es den ethischen, philosophischen und technischen Gedankenspielen und Gesprächen an Selbstverständlichkeit, erkennbar dienen diese der Aufklärung der Leserschaft.

Für mich als technikaffinen Laien entsteht der Eindruck, dass sich die Autorin intensiv mit den Anfängen von Computern und mit möglichen Wegen, Konflikten, Chancen und Risiken befasst hat. Jedem Nerd (ich mag Nerds) dürfte zu dem Bogen, der hier gespannt wird, das Herz aufgehen, vorausgesetzt, den Profis fallen keine üblen Fehler in der Darstellung auf. Anscheinend spielt der Roman am Ende des 20. Jahrhundert: Es wird über das „kommende Jahrhundert“ gefachsimpelt, während der Handlung zugrundeliegende Technik veraltet wirkt und Innovationen wie z. B. Smartphones nicht vorkommen.
Der sich stückchenweise offenbarende Weltenbau (Postapokalypse, Dystopie, Leben und Arbeiten in einem riesigen, hierarchisch geordneten 5-stöckigen Gebäude) führt zu Wow-Effekten und animiert zum Nachdenken. Das gelungene Ende verschafft Aufklärung.

Humor wird dezent eingesetzt. Treffsicher, mit Anspruch, gern mal bissig, zum Beispiel als die KI in einer Simulation Subjekt und Objekt verwechselt und dem Braten den zerlegten Gast serviert.
Surreale Begegnungen und Entdeckungen häufen sich. Ich bin geneigt, Syz zu bemitleiden. Man rätselt, inwieweit der aufkommende Verfolgungswahn berechtigt ist.
Die Nebenfigur Khatun bereichert die Handlung mit charmantem Zauber und mit Rätseln und Wendungen. Auch weitere Nebenfiguren mit umfangreichen Lebensläufen (Pawel, Fröhlich, …) faszinieren.
Was ich nicht mag, ist die gelegentlich eingestreute Vorausschau, inwieweit der personale Erzähler bestimmte Entscheidungen im Nachgang als positiv oder negativ wertet. Das hemmt die Spannung. Ich bin beim Lesen lieber unvoreingenommen live dabei.
Im Vergleich mit dem Autor Clemens J. Setz finde ich „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ ähnlich ausschweifend und einprägsam, dabei eingängiger und kurzweiliger, dafür ist „DAVE“ thematisch reiz- und wertvoller.

Dieser Roman ist etwas Besonderes und dürfte nachhaltig in Erinnerung bleiben. Surreal und - je nach Neigung des Lesers - mit Potenzial für einen großen Kenntniszuwachs. Ich habe es geliebt und gehasst. Als mein Interesse entfacht war, konnte ich besser darüber hinwegsehen, dass er streckenweise trocken, kompliziert und für Unterhaltungsbelletristik anstrengend zu lesen ist.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Rebellion und Selbstfindung – düster, spannend, mit Informationsdefizit und Logikschwächen

Exit this City
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Dies ist ein abgeschlossener dystopischer Nahe-Zukunft-Thriller inklusive Rebellion. Thematisiert werden Änderungen am Klima und am Essverhalten, ein mächtiger Lebensmittelkonzern, genmanipulierte Bienen ...

Dies ist ein abgeschlossener dystopischer Nahe-Zukunft-Thriller inklusive Rebellion. Thematisiert werden Änderungen am Klima und am Essverhalten, ein mächtiger Lebensmittelkonzern, genmanipulierte Bienen und der Einfluss von Technik (z. B. Drohnen), Künstlicher Intelligenz und sozialen Medien.
Der Einstieg weckte bei mir positive Assoziationen zu Tribute von Panem (Suzanne Collins), c23 (Ralph Edenhofer), Die Optimierer (Theresa Hannig) und Hologrammatica (Tom Hillenbrand).
Es gibt zwei kapitelweise wechselnde Erzählperspektiven: Die fünfzehnjährige Waise Paksha im Main-Gebiet und der geheimnisvolle Kurierfahrer Marti in Delhi.

Stärken: Vielversprechender Einstieg. Interessante Themen und viele futuristische Eindrücke. Rätsel sowie Figuren mit mysteriösem Hintergrund animieren zum Nachdenken und Spekulieren. Reizvolle Verortung in Deutschland und Indien im Jahr 2158. Auflockernder Humor (z. B. Hund). Flüssig lesbar. Gelungenes Zusammenführen der Handlungsstränge. Unterhaltsam und spannend. Schnell gelesen, weil ich wissen wollte, wie sich alles entwickelt, zusammenfügt und auflöst.

Schwächen: Zu wenig reflektiert, zu einseitig, zu wenig Hintergrundinformation zum Weltenbau, zu Abläufen und zu Figuren. Irgendwie fühlte ich mich ständig gedrängt, welche Meinung ich einnehmen soll. Beispiele:
- Es bleibt unverständlich, was an den Galionsfiguren der Rebellion so toll sein soll. (Ruhm entspringt leider Ereignissen von vor dem Buchstart.) Zuneigung ist einfach da. Es irritiert, dass Anhänger ihr Leben riskieren auf Basis unbestimmter Phrasen. Alltägliche Missstände sind lückenhaft (intensiv und unaufdringlich dargestellt z. B. in Die Geschichte der Bienen (Maja Lunde)).
- Versorgungslage, Druckmittel (z. B. Waffen, Auswirkungen des Streiks) und Ziele der an die Spartakusbewegung erinnernden Rebellion bleiben lange offen. Klärungen erfolgen nur teilweise.
- Influencer, soziale Medien und Kommunikationstechnik sind toll und unmanipulierbar.
- Künstliche Intelligenz im Jahr 2158 (!) agiert dumm, z. B. limitierte Aufmerksamkeitsspanne.
- Man kann nur vermuten, wie eingesetzte Technik funktioniert bzw. was sie bewirkt. Ständig werden Displays bedient. Erläuterungen im Text oder ein Glossar hätten geholfen.
- Die Identifikation der Nebenfiguren fällt schwer. Ein Personenverzeichnis wäre hilfreich.

Die Autorin ist offensichtlich Indien-Fan, erzeugt mystischen Flair und propagiert selbstbewusste Frauen.

Der Weltenbau fasziniert anfangs, kratzt dann aber zu sehr an der Oberfläche, um Kenner des Genres zu begeistern. Es war mir zu viel Heroismus, Influencer-Lobhudelei und “Klimakirche“. Dabei missfällt, dass die „Guten“ schlechte Vorbilder sind. Um Denkanstöße zu generieren, wäre es wertvoll gewesen, ein gelungenes Beispiel für futuristischen Städtebau, Industrie und Zusammenleben gegenüberzustellen.

Fazit: Moderne, coole Handlung mit Rätseln und individuellen Hauptfiguren in einem reizvollen Umfeld, bei dem einiges zu oberflächlich bleibt oder gewollt wirkt. Weil ich trotz stilistischer und inhaltlicher Kritik doch viel Freude beim Lesen hatte, vergebe ich knappe vier Sterne.

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Veröffentlicht am 02.02.2021

Hard Science Fiction – laienkompatibel, rätselhaft, informativ, faszinierend

Die Störung
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Beim Griff zu diesem Roman sollte man wissen, dass Brandon Q. Morris einen nüchternen Erzählstil verkörpert, welcher ein gewisses Interesse an naturwissenschaftlichen, insbesondere astrophysikalischen ...

Beim Griff zu diesem Roman sollte man wissen, dass Brandon Q. Morris einen nüchternen Erzählstil verkörpert, welcher ein gewisses Interesse an naturwissenschaftlichen, insbesondere astrophysikalischen Phänomenen und Astronautik voraussetzt. Ich habe schon viel von ihm gelesen und war mir dessen bewusst. Auch wenn ich Gefühle in Romanen grundsätzlich wichtig finde, lasse ich mich immer wieder gern in Morris‘ realistische „Was wäre, wenn …?-Szenarien“ inklusive hohem Informationsgehalt entführen.

Am Anfang braucht es Geduld. Dies ist eben keine vor Action sprühende Space Opera. Bei stets akkurater, anständiger Sprache und Political Correctness wird die Mission am Rande des Universums beschrieben. Man lernt die Hauptfiguren - abwechselnd die vierköpfige Astronautencrew und ihr CapCom Rachel in Houston - ein bisschen kennen und baut eine Beziehung zu ihnen auf. Keine innige, aber doch so, dass ich sie unterscheiden kann und Individuen vor dem inneren Auge sehe, deren Schicksal mich interessiert.

Ich bin nicht vom Fach (Diplom-Verwaltungswirtin) und fand sehr angenehm: a) überschaubare Anzahl relevanter Figuren, b) Namensgebung für die Figuren und deren Habitate, c) Sinnabschnitte, die in kurzen Abständen sinnvolle Lesepausen ermöglichen. Das ist sehr anwenderfreundlich und hat geholfen, mir viel von den Geschehnissen und den physikalischen und technischen Erläuterungen einzuprägen.

Ab Seite 80 zieht die Spannung merklich an. Ab der Mitte freute ich mich dann über mehrere krasse und
letztendlich erklärbare Wendungen. Die Spannung wird auf eine neue Ebene gehoben, wo sie angenehm zum Rätseln und Mitfiebern animiert und sich bis zum gelungenen und abgeschlossenen Ende konstant hält. Trotz der anspruchsvollen Materie empfand ich das Lesen gar nicht mehr als anstrengend.
Als Fan habe ich mich über beiläufige Querverweise zu The Hole, Enceladus, Proxima usw. gefreut.
Herzlichen Dank auch für das erklärende Nachwort und die umfangreichen Erläuterungen zur Quantentheorie im Anhang. Ich war nie ein Freund von Physik, aber so lasse ich mir das gefallen.

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Veröffentlicht am 22.01.2021

Brutal, der Weltenbau fasziniert, das unlogische und sprunghafte Verhalten der Figuren nervt …

Opus Eins
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Cover und Klappentext schaffen positive und passende Assoziationen zu Werken wie „Ready Player One“, „Surrogates“, „Die Optimierer“, „I, Robot“, „Daemon“ und „Hologrammatica“. Stichworte: Endzeitthriller, ...

Cover und Klappentext schaffen positive und passende Assoziationen zu Werken wie „Ready Player One“, „Surrogates“, „Die Optimierer“, „I, Robot“, „Daemon“ und „Hologrammatica“. Stichworte: Endzeitthriller, Nahe-Zukunft-Thriller, Dystopie, verseuchte Erde, Direktiven einer Künstlichen Intelligenz, Augmented Reality.

Großartig finde ich die erdachte Welt mit vielen kreativen Ideen zu Alltag, Arbeitswelt, Augmented Reality, Mobilität usw. in der Zukunft. Die Beschreibungen sind bildhaft und eindringlich. Eine stimmige dystopische Atmosphäre zieht sich hindurch. Gleichzeitig generieren die Vorzüge dieses von einer KI gesteuerten Systems willkommene Denkanstöße und Diskussionen. Auch wenn die ausführliche Darstellung oft Spannung und Tempo herausnimmt und Selbstverständlichkeit vermissen lässt (z. B. wenn eine Figur seitenlang aus dem Fenster sieht und Wahrnehmungen wiedergibt, ohne Auswirkung auf die Handlung), gehören diese Stellen trotzdem zu den besten des Romans.

Sprachlich überzeugend. Das Schriftbild beim Taschenbuch ist angenehm zu lesen, bloß die Systematik bei Kapitelüberschriften und -einteilung habe ich nicht durchschaut.

Spannung und Komplexität sind grundsätzlich vorhanden. Meine Lieblingsfiguren sind Ska, Ivon und Rifka. Die Schicksale einiger naturverbundener Nebenfiguren sind anrührend.

Schwächen sehe ich in der Charakterzeichnung und in der Logik des Handlungsverlaufs. Link und weitere im Mittelpunkt stehende Figuren sind ständig schlecht gelaunt. Es fällt schwer, zu sympathisieren und sich zu identifizieren. Es berührt kaum, wenn jemand in Gefahr gerät oder sogar stirbt. Es gibt viele Gewaltszenen, die zu wenig Sinn und gefühlsmäßige Würdigung erfahren (Kanonenfutter). Untätigkeit und Aktion finden zu merkwürdigen Zeiten statt. Motive bleiben nebulös. Vertrauen scheint einfach da zu sein, oft lässt sich nicht nachvollziehen, wodurch sich eine Haltung ändert. Die Widerstandsgruppe (eigentlich doch Kernpunkt der Geschichte) brilliert mit Halbwissen und ohne Konzept, wie es weitergeht, falls ihr (vergleichsweise einfach gestrickter) Plan gelingt. Die tragende Rolle von Link überzeugt nicht.

Das Buch endet abgeschlossen. Das Ende ist nicht meins. Trotz aller Kritik bin ich insbesondere aufgrund der Eindrücke mit Mehrwert froh, den Roman gelesen zu haben. Drei Sterne mit Tendenz zu vier Sternen. Der Weltenbau bietet grundsätzlich Potenzial für eine Fortsetzung.

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