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Veröffentlicht am 12.11.2024

Thomas Mann – kein Sherlock Holmes, aber ein echter Dichterfürst

Gefährliche Betrachtungen
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Tilo Eckardt hat sich bewusst für eine an Mann-Jubiläen reiche Zeit entschieden. In diesem Jahr feiert „Der Zauberberg“ sein einhundertstes Erscheinungsjahr, vor 95 Jahren wurde er für die „Buddenbrooks“ ...

Tilo Eckardt hat sich bewusst für eine an Mann-Jubiläen reiche Zeit entschieden. In diesem Jahr feiert „Der Zauberberg“ sein einhundertstes Erscheinungsjahr, vor 95 Jahren wurde er für die „Buddenbrooks“ mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Das Jahr 2025 feiert Thomas Manns 150. Geburtstag, betrauert seinen 70. Todestag und in Lübeck wird man gewiss der kurz vor seinem Tode verliehenen Ehrenbürgerschaft gedenken. Ein Dichtergenie, das nicht vergessen werden kann, da sind nicht nur die unzähligen seiner Bücher, Essays, Reden, Briefe und Tagebucheintragungen gemeint, die Konvolute des Schreibens und Filmens über ihn und seine Familie noch unerwähnt. Thomas Mann bleibt, im Kopf und in der Seele.
Nun also von Tilo Eckardt – literaturverbundener und -verliebter Deutsch-Schweizer – ein Kriminalroman, den der Autor zu einer hochbrisanten Zeit spielen lässt und mit Nidden, der Mann‘schen Zuflucht an der litauischen Ostsee, einen idyllischen Ort des Geschehens wählt. Ich konnte gar nicht anders, als dieses Buch auszuwählen, mit dem Zauberberg als ewiges Lieblingsbuch und mit der Zeit der 1930er Jahre und dann noch mit einem Kriminalfall, waren alle Register meines Interesses gezogen.
Zum Geschehen: 1930: Thomas Mann weilt mit Ehefrau Katia und den beiden jüngeren Kindern Elisabeth und Michael in Nidden, das Haus wurde erworben mit dem Nobelpreisgeld und bietet knapp hinter der deutschen, ostpreußischen Grenze in Litauen eine schöne Rückzugsfläche, wenn auch noch nicht vollends komfortabel. Es fehlt der Telefonanschluss. In Nidden zu dieser sommerlichen Jahreszeit befinden sich diverse Künstler, vor allem Maler, und ein junger Litauer, der es auf die Bekanntschaft mit Thomas Mann abgesehen hat, weil er sich erträumt, die Buddenbrooks adäquat ins Litauische übersetzten zu dürfen. Schon sein Name ist ein wahrer Zungenbrecher, Žydrūnas Miuleris, der von Mann brutal eingedeutscht wird und forthin Müller heißt. Dieser junge Mann kann eigentlich froh sein ob dieses Namens, denn offenbar hat Mann ansonsten so gar kein Namensgedächtnis. Das Fischerdorf Nidden ist klein, die Wege kreuzen sich und dem Miuleris fallen buchstäblich die Dinge in den Schoß. Er fängt ein paar windgezauste Seiten von Thomas Mann im Fluge ein und sein phänomenales fotografisches Gedächtnis prägt sich jedes Wort und jeden Tintenklecks für immer ein. Brav gibt er die Blätter dem Dichter in seinem Strandkorb zurück, später wird er sie aus seinem Gehirn hervorholen und Faksimiles erstellen. Und damit beginnt das Drama dann auch. Bei erstbester Gelegenheit verliert er seine Faksimiles und gerät in Erklärungsnot. Bis aus dem Verlust dieser drei Blätter dann tatsächlich ein Kriminalfall wird, dauert es jedoch eine ganze Weile. Miuleris geht derweil (auch mit dem angebeteten Dichter) spazieren, fährt mit einem Miele-Rad (ich wusste gar nicht, dass es Miele-Räder gab) seiner Wirtin Bryl durch widerspenstige Dünen und abgelegene Waldwege. Er ist ununterbrochen auf die Suche nach seinen Seiten, die ein klarer Ehrverlust für ihn und ein großes Wagnis für Thomas Mann sind, aber sie bleiben verschwunden.
Tilo Eckardt hat sich an seinem Thomas Mann gut geschult, er hat einen Schreibstil und eine Wortwahl entwickelt, die dem Dichter zu Ehren gereichen würden. Als Leser amüsiert man sich über längst nicht mehr gebräuchliche Ausdrücke, wenn „fürderhin Eindringlinge abzuschrecken“ sind, Frau Bryl den einen oder anderen „Choc“ bekommt, sich einen „Shawl“ umlegt oder ein Herr ein „Plastron“ trägt. Mich erinnerte diese Art des Schreibens jedenfalls sehr an die Mann’sche Art, alles langsam und mit einem Gespür fürs Detail zu erzählen. Nicht umsonst zählt der Zauberberg rund tausend Seiten, auch die Buddenbrooks brachten es auf über siebenhundert. Da hat Tilo Eckardt seinen Kriminalroman regelrecht kurzweilig zum Ende gebracht, inklusive der Anmerkungen des Autors, die man unbedingt noch lesen sollte, wurden es gerade einmal 298 Seiten. Mir kamen sie gelegentlich trotzdem etwas lang vor, aber ab Kapitel Sechzehn bekam das Buch doch noch einen enormen Schwung und das Lesen machte wieder Spaß.
Der Blick auf den sich 1930 gerade in die Höhe schwingenden Nationalsozialismus, auf Bespitzelungen und Anfeindungen von politischen Gegnern, auf den Versuch, sich nicht mundtot machen zu lassen, auf die Künstlerschaft in Nidden und die einfachen Leute, das wurde alles sehr fein zu Papier gebracht und lohnt das geduldige Lesen.
Abgesehen von Thomas Mann und Familie, über die ich bereits viel und interessant gelesen habe, gefielen mir die Protagonisten sehr, die mir schnell vertraut wurden mit ihren Eigenheiten und Marotten und ihrem merkwürdigen Gebaren. Ganz egal, ob der grummelige Kutscher Pinkis oder der Maler Pfaffenkogel, ob Frau Bryl oder Miuleris, das sind lesenswerte Charakterzeichnungen. Nur der Dalia fehlt das letzte Quäntchen Pfiff, an sie werde ich mich nicht so oft erinnern, wie an die vorher Genannten. Über die Lösung des Kriminalfalles will ich nichts schreiben, aber dass der Autor die Atmosphäre selbst erlebt und ausgekostet haben könnte, dessen kann man sich nach der Lektüre sicher sein. Geschrieben hat er dort auf jeden Fall. Nur der Vergleich mit Sherlock Holmes und Dr. Watson ist aus meiner Sicht zu arg strapaziert.
Der Erzähler der ganzen Geschichte ist der unterdessen Hundertjährige Žydrūnas Miuleris, der noch einmal nach Nida reist, wie Nidden nun 1989 heißt. Ich glaube ihm gerne, dass dieser Ort und die Erinnerungen ihm ans Herz und an die Nieren gehen.
Dieser Kriminalroman hat historische Hintergründe, aber es ist eine fiktive Geschichte, dass sie sehr wohl auch die Seelenpein eines großen Denkers im Angesicht des Nationalsozialismus beschreibt, ist eine wertvolle Zugabe. Manch einer wird sicher angeregt sein, z. B. die „Deutsche Ansprache“ von 1930, die Mann als Appell an die Vernunft bezeichnete, anzusehen oder einen seiner Romane oder vielleicht die Novelle „Tod in Rom“ zu lesen. Eine komplette Bibliografie hätte den Rahmen jedes Buches gesprengt, das Quellen- und Literaturverzeichnis bietet aus meiner Sicht eine sehr gelungene Auswahl.
Zuletzt noch ein Wort zum Buch: Ein Schutzumschlag, wie man sich keinen schöneren vorstellen kann, der fein gekleidete Herr mit Stock am Strand, das muss ja einfach Thomas Mann sein, sehr gerade, Brust raus, schreitet er zum Ufersaum. Auswahl von Farben und Schrift sind gut gelungen, die erhabenen und lackierten Buchstaben haben eine edle Haptik. Die Typografie ist klassisch und damit einfach hervorragend eingesetzt, nichts Übertriebenes lenkt vom Lesen ab. Für mich eines der am schönsten gestalteten Bücher der letzten Zeit.
Im Mai 2025 wird mit „Unheimliche Gesellschaft“ ein weiterer Kriminalroman von Tilo Eckardt erscheinen, man darf sehr gespannt sein, was das Jahr 1933 für Mann & Müller auf der Kurischen Nehrung für Unwägbarkeiten bereithält. Ich freue mich darauf.
Fazit: ein Roman ganz im Stile Thomas Manns, der erst zum Ende hin ein echter Kriminalroman wird und den gewogenen Leser sehr in seinen Bann zieht. Gute vier Sterne.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

50. Geburtstag ist doch kein Unglück

Das Fest
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Ich habe mir von diesem Hörbuch mehr versprochen, ein 50. Geburtstag kann ja so oder so verlaufen. Jakob hat augenscheinlich mit seinem nun erreichten Lebensalter sehr zu kämpfen, feiern mag er nicht und ...

Ich habe mir von diesem Hörbuch mehr versprochen, ein 50. Geburtstag kann ja so oder so verlaufen. Jakob hat augenscheinlich mit seinem nun erreichten Lebensalter sehr zu kämpfen, feiern mag er nicht und alles andere ist ihm echt zu viel. Eine Badehose als Geschenk ist da auch nicht gerade willkommen, aber er macht gute Miene zum (bösen, nein aufreizenden) Spiel und ab geht es bei schönstem Wetter ins Freibad. Irgendwie finden sich alle möglichen Leute ein, die ihm immer noch, oder ehemals recht nahe standen.
Irgendwie entwickelt sich die Geschichte dieses Sommertages recht chaotisch und es wird vielleicht am Ende doch noch eine Party. Eine kurze Geschichte liebevoll erzählt von Lucy Fricke und unterhaltsam gesprochen von Bettina Hoppe.

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Krimineller Lesespaß

Wir finden Mörder (Wir finden Mörder-Serie 1)
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Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ...

Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen Büchern. Jetzt wurde umgesattelt, "Wir finden Mörder" ist seine neue, gänzlich anders geartete Krimi-Serie.
Das Buch startet am Pool, Amy Wheeler, Bodygard für die alternde und momentan schutzbedürftige Krimischriftstellerin Rosie D'Antonio, fühlt sich eher als Anstandsdame oder Babysitter. Beide Frauen geraten im Laufe der Handlung dann aber doch in securitywürdige Situationen. Amys Schwiegervater und Ex-Kriminalkommissar ist einer der unzähligen Protagonisten, es gibt da noch den sehr eloquenten, die Handlung vorantreibenden Kriminellen François Loubet, seine Marionetten, einige Polizisten und ab und an einen Toten. Man kann die Geschichte mit ihren minütlich wechselnden Wendungen, Handlungen und Personen nicht nacherzählen. Einerseits würde anderen Lesern die Spannung genommen und andererseits ist es kaum möglich, den feinen Spott und Humor von Osman zu kopieren.
Für meinen Geschmack wechselten Protagonisten und Ereignisse zu häufig, meine Konzentration ließ leider auch dann nach, wenn Loubet sich selbst beweihräucherte. Die zumeist kurzen Kapitel lesen sich aber flüssig und lassen einen bei der Lektüre nicht nur einmal schmunzeln.
Das Buch hat bei mir für gute Unterhaltung gesorgt. Das halte ich besondere den beiden Sprechern zu Gute, die sich adäquat in die einzelnen Szenen hineinlasen. Ich habe nämlich parallel das Hörbuch gehört. Wer also lieber hört als liest, nehme dies als Empfehlung.
Ich bin gespannt, was diesem fulminanten Feuerwerk an Ideen in einem zweiten Band folgen wird. Osman-Fan bleibt Osman-Fan!

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Veröffentlicht am 10.11.2024

Krimineller Hörgenuss

Wir finden Mörder (We Solve Murders-Serie 1)
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Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen ...

Wer würde zugeben, nicht den Donnerstagsmordclub von Richard Osman zu kennen? Keine Frage, Osman hat sich in den letzten Jahren mit dieser Serie einen Leserkreis erobert, der wirklich angetan ist von seinen Büchern. Gelesen wurden diese von Johannes Steck. Jetzt wurde umgesattelt, "Wir finden Mörder" ist seine neue Serie, Richard Barenberg und Wolfgang Wagner sind die neuen Lesestimmen.
Das Hörbuch startet am Pool, Amy Wheeler, Bodygard für die alternde und momentan schutzbedürftige Krimischriftstellerin Rosie D'Antonio, fühlt sich eher als Anstandsdame oder Babysitter. Beide geraten im Laufe der Handlung dann aber doch in securitywürdige Situationen. Amys Schwiegervater und Ex-Kriminalkommissar ist einer der unzähligen Protagonisten, es gibt da noch den sehr eloquenten, die Handlung vorantreibenden Kriminellen François Loubet, seine Marionetten, einige Polizisten und ab und an einen Toten. Man kann die Geschichte mit ihren minütlich wechselnden Wendungen, Handlungen und Personen nicht nacherzählen. Einerseits würde anderen Hörern die Spannung genommen und andererseits ist es kaum möglich, den feinen Spott und Humor von Osman zu kopieren.
Für meinen Geschmack wechselten Protagonisten und Ereignisse zu häufig, meine Konzentration ließ leider auch dann nach, wenn Loubet sich selbst beweihräucherte.
Aber insgesamt hat das Hörbuch bei mir für gute Unterhaltung gesorgt. Das halte ich besondere den beiden Sprechern zu Gute, die sich adäquat in die einzelnen Szenen hineinlasen. Ich bin gespannt, was diesem fulminanten Feuerwerk an Ideen in einem zweiten Band folgen wird. Osman-Fan bleibt Osman-Fan!

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Veröffentlicht am 05.11.2024

„Ich hasse Aufträge aller Art“

Ein anderes Leben
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„Ich hasse Aufträge aller Art“ sagt Caroline Peters bei passender Gelegenheit. So ein bisschen die Widerspenstige, die gezähmt werden will, das ist die Autorin und ihr Buch-Ich. Sie liest dieses Familienbuch ...

„Ich hasse Aufträge aller Art“ sagt Caroline Peters bei passender Gelegenheit. So ein bisschen die Widerspenstige, die gezähmt werden will, das ist die Autorin und ihr Buch-Ich. Sie liest dieses Familienbuch auch selbst und das ist wirklich das Allerbeste, was diesem Buch passieren konnte.
Das Buch könnte auch den Titel „Hanna und ihre Töchter und deren Väter“ haben. Caroline Peters berichtet aus der Sicht der jüngsten Tochter aus Hannas letzter Ehe. Die zwei Schwestern sind wesentlich älter und so kommt es, dass die Jüngste auch die Trennung ihre Eltern im noch jugendlichen Alter erlebt. Sie bleibt beim Vater, kümmert sich später auch um ihn bis zu seinem Tod. Ihre Geschichte nimmt seinen Ausgang bei der Beerdigung ihrer Mutter, mit ironischen, traurigen, amüsanten und ernsten Rückblicken. Hanna, die Mutter, ist bei fast allen der Dreh- und Angelpunkt, mit allen ihren Marotten und Schrullen. Obwohl sie bestimmt nicht dem idealen Muttertyp entspricht, sie ist ein echtes Unikum. Wer selbst Kinder von verschiedenen Vätern hat, findet endlich einmal eine echte Patchworkfamilie in der heutigen Literatur, die absolut echt wirkt und es wahrscheinlich auch ist. Autofiktionale Romane machen Spaß, wenn sie so liebenswert und humorvoll herüberkommen.
Fazit: ich empfehle dieses Hörbuch aus ganzem Herzen. Unbedingt 5 Sterne.

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