Die Wahrheit ist wie eine Ähre in Wind
Distel und RoseJulia Kröhn hat hier einen wunderbaren historischen Roman verfasst, der auf zwei verschiedenen Zeitebenen spielt, welche geschickt miteinander verflochten werden:
1791: Magdalene reist mit gemischten Gefühlen ...
Julia Kröhn hat hier einen wunderbaren historischen Roman verfasst, der auf zwei verschiedenen Zeitebenen spielt, welche geschickt miteinander verflochten werden:
1791: Magdalene reist mit gemischten Gefühlen von Edinburgh in die schottischen Highlands, wo ihr kürzlich angetrauter Ehemann David MacBrannan als Lord über weite Landstriche herrscht. David ist fest entschlossen, seiner Meinung nach dringend notwendige Reformen durchzusetzen, doch diese haben zur Folge, dass die ansässige Bevölkerung ihre Heimat sowie ihre traditionelle Lebensweise aufgeben muss. Entsprechend groß ist der Widerstand dagegen, für den auch Magdalene mehr und mehr Sympathien entwickelt.
Eine Ablenkung zu ihrem Alltag bieten einige Rollen alten Pergaments, die sie nach und nach in der Bibliothek ihres neuen Zuhauses findet und die eine Geschichte aus dem mittelalterlichen Alba (damals der Name für Schottland) erzählen.
Diese Geschichte bildet den zweiten Handlungsstrang:
1078: Aelswith führt ein friedliches Leben am Hof von König Malcom und seiner strenggläubigen Ehefrau Margaret – bis sie aus heiterem Himmel von Drostan, einem ehemaligen Kampfgefährten des berühmt-berüchtigten König Macbeth, und seinem Ziehsohn Tarain entführt wird. Denn sie soll der Schlüssel zur Zukunft Albas sein. Nach Drostans gewaltsamen Tod machen sich Aelswith und Tarain auf in den Norden, um das Geheimnis ihrer Herkunft zu enträtseln. Doch dabei werden sie von gefährlichen Gegnern verfolgt.
Der Roman ist sehr lebendig geschrieben, man kann sich leicht in die einzelnen Personen hineinversetzen und mit ihnen mitfiebern. Es wird viel Spannung aufgebaut und durch den häufigen Wechsel der Perspektive erhält die Geschichte eine interessante Note.
Auch kann man während des Lesens gut miträtseln, wie sich diverse Hinweise und Andeutungen zu einem Gesamtbild zusammenfügen werden. Dabei gibt es immer wieder überraschende Wendungen, vieles ist nicht so wie es auf den ersten Blick scheint.
Aber dieses Buch hat mehr zu bieten als „nur“ fesselnden Lesespaß. Die Handlung wirft eine Reihe brisanter Fragen auf: War Macbeth ein guter König, der über ein reiches, friedliches Land herrschte, oder ein Scheusal, wie seine Gegner verbreiteten? Darf man Menschen zu ihrem Glück zwingen? Ist es zulässig, gewaltsam vorzugehen, um ein ehrenwertes Ziel zu erreichen? etc – Solche und ähnliche Überlegungen tauchen auf und der Versuch, Antworten darauf zu finden, verlangt den Protagonisten wie auch den Lesern vieles ab und lässt sie letztlich doch oft ratlos zurück. Es zeigt sich, dass die Wahrheit einer Ähre im Wind gleicht, die sich mal in die eine, mal in die andere Richtung biegt.
Dazu passt auch, dass der Roman kein typisches Happy End, dafür aber immerhin einen insgesamt stimmigen Abschluss hat.