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Veröffentlicht am 22.02.2022

Neues vom magischen Kreuz

Das Kreuz des Pilgers
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Dies ist der Auftakt zur neuen Pilger-Reihe von Petra Schier. Schon ein erster Blick auf das umfangreiche Personenverzeichnis zeigte mir, dass ich hier einige „alte Bekannte“ treffen würde, nämlich aus ...

Dies ist der Auftakt zur neuen Pilger-Reihe von Petra Schier. Schon ein erster Blick auf das umfangreiche Personenverzeichnis zeigte mir, dass ich hier einige „alte Bekannte“ treffen würde, nämlich aus der Kreuz-Trilogie. Wie schon diese, so spielt auch der neue Roman in Koblenz. Zwischen der Handlung im letzten Band der Kreuz-Trilogie (1362) und dem hier besprochenen Geschichte (1379) liegt eine Zeitspanne von siebzehn Jahren.

In der besagten Trilogie hatte ich einen Nebencharakter ins Herz geschlossen und habe nun zu meiner Freude festgestellt, dass der damalige Straßenjunge Palmiro, inzwischen ein erwachsener Mann, diesmal eine Hauptrolle spielt bzw. eigentlich die wichtigste Person überhaupt ist. Der Name Palmiro stammt aus dem italienischen und bedeutet so viel wie „Der Pilger“. Betrachtet man nun den Buchtitel, wird schnell klar, worum es in der Geschichte geht, denn auch die alte Reliquie, das magische Kruzifix, das ja für die Kreuz-Trilogie quasi namensgebend war, kommt wieder ins Spiel. Es war für mich interessant, zurück zu blicken, mich zu erinnern und Verbindungen zu ziehen, aber zum Verständnis dieses Romans ist es nicht zwingend nötig, dass man die Kreuz-Trilogie gelesen hat, denn wichtige Informationen sind immer wieder geschickt in die Handlung eingebaut.

In ihrer unnachahmlichen Art haucht Petra Schier ihren Protagonisten Leben ein. Ihre Charaktere sind vielschichtig und die meisten von ihnen liebenswert. Klar agieren auch Menschen in ihren Büchern, die so gar nichts Sympathisches an sich haben, aber es gibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, denn auch im wahren Leben gibt es ja nicht nur gut oder böse, sondern viele Abstufungen dazwischen, und so zeigt auch die Autorin ihre Protagonisten in bunter Vielfalt.

Ich lese die Bücher der Autorin alle sehr gerne, aber ihre historischen Romane sind immer besondere Highlights für mich, denn sie sind packend und sehr lebendig erzählt und vermitteln sehr stark den damaligen Zeitgeist. Sofort, von der ersten Seite an, wird man in die Handlung hinein gezogen und fühlt mit den Protagonisten. Vor allem die weiblichen Charaktere haben oft ungewöhnliche Lebenswege oder benehmen sich ein wenig anders als man es zur damaligen Zeit von Frauen erwartet hätte. Sie zeichnen sich durch moderne Ansichten aus, ohne jedoch dadurch „aus der Zeit zu fallen“, denn vieles, was sie erreichen wollen, regeln sie sehr dezent und diplomatisch.

Es kommen auch Themen und menschliche Eigenschaften in der Geschichte zur Sprache, die für uns heutzutage ganz normal und selbstverständlich sind, für die Menschen der damaligen Zeit jedoch in einer Katastrophe hätten enden können. So wurde zum Beispiel Homosexualität damals als Ketzerei angesehen, und die Betroffenen mussten ständig um ihr Leben bangen und befürchten, entdeckt zu werden.

Die Handlung entwickelt sich zum Teil sehr emotional, und es geschieht viel Zwischenmenschliches. Da geht es um Verluste und Trauer, um Witwenschaft und neue Liebe, um Geheimnisse und um aufrichtige Freundschaft. Durch die Reliquie kommt auch immer ein wenig Mystik ins Spiel.

Mir erging es mit diesem neuesten Roman der Autorin wieder so, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte, und wenn ich doch zwischendurch eine Pause machen musste, so habe ich mich nur ungern von der damaligen Welt und den Menschen gelöst, um wieder in die Gegenwart und ins reale Leben aufzutauchen. Das macht für mich ein gutes Buch aus, wenn man regelrecht darin versinken kann! Kleine Hinweise am Ende des Romans deuten schon auf die Fortsetzung hin. Diese wird, soweit ich informiert bin, im Sommer 2022 erscheinen, und ich kann es kaum erwarten.

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Veröffentlicht am 21.02.2022

Gelungene Fortsetzung, wenn auch nicht ganz so stark wie der erste Band

Kein Weg zu weit
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Dies ist die Fortsetzung zum ersten Band „Weiter als der Ozean“. Die Handlung dreht sich auch hier wieder um die Familie McAlister. Im ersten Band ging es hauptsächlich um die Situation, wie es dazu kam, ...

Dies ist die Fortsetzung zum ersten Band „Weiter als der Ozean“. Die Handlung dreht sich auch hier wieder um die Familie McAlister. Im ersten Band ging es hauptsächlich um die Situation, wie es dazu kam, dass die drei jüngeren McAlister-Kinder nach Kanada verschickt wurden, obwohl sie keine Waisen waren und die Mutter sowie ihre größere Schwester Laura einfach vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Auch hat man damals mehr über das Schicksal der Zwillinge Katie und Garth erfahren. Dieser neue Band dreht sich weitgehend um Grace, was aus ihr geworden ist, denn die Familie hat zehn Jahre lang nach ihr gesucht und konnte nichts über ihren Verbleib erfahren. Grace wurde von einem wohlhabenden Ehepaar adoptiert, aber ihre Adoptiveltern wünschen nicht, dass sie über ihre Vergangenheit spricht, denn sie fürchten um ihren guten Ruf, wenn bekannt würde, dass Grace nicht ihre leibliche Tochter, sondern ein ehemaliges englisches Heimkind ist. Grace stellt heimlich Nachforschungen an, und eines Tages erlebt sie eine Überraschung.

Garth von den McAlister-Zwillingen war im Krieg. Als er zurückkehrt, möchte er nicht nur seine verschollene kleine Schwester wieder finden, sondern er macht sich Sorgen um seine geliebte Emma, die auf der gleichen Farm wie er gearbeitet hat. Während des Kriegs riss der Briefkontakt zwischen ihm und Emma ab, und nach seiner Rückkehr nach Kanada macht er sich auf die Suche nach den beiden jungen Frauen, die ihm nahe stehen.

Die Charaktere, um die es geht, kannte ich, mit wenigen Ausnahmen, bereits aus dem ersten Band. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und es war schön, zu erfahren, wie es Laura, Katie und Mrs. McAlister inzwischen ergangen ist. Nun stehen aber die Menschen im Mittelpunkt, die man in Band 1 ein wenig aus den Augen verloren hatte. Die kleine Grace hat eine enorme Entwicklung durchgemacht. Sie ist zu einer selbstbewussten jungen Frau geworden, die im Wohlstand lebt, der aber etwas Wichtiges im Leben fehlt, denn sie weiß nichts über den Verbleib ihrer Familie, und von den Adoptiveltern fühlt sie sich nicht hundertprozentig anerkannt. Vor allem bei ihrer Adoptivmutter hat sie das Gefühl, deren Ansprüchen nie genügen zu können.

Die Geschichte ist lebendig erzählt und entwickelt sich spannend. Besonders hat mich Emmas Schicksal berührt, und ich konnte ihre Verzweiflung gut nachvollziehen. Vermutlich war es damals nicht selten, dass sich Menschen auf verschiedenen Kontinenten aus den Augen verloren haben, gerade zu Kriegszeiten. Sowohl Emma als auch Garth stellen Nachforschungen an, haben aber auch beide ihre Zweifel, ob ihre Liebe immer noch auf Gegenseitigkeit beruht. Auch Grace findet ihren Weg, wenn mir das auch manchmal etwas zu glatt und zu schnell ging. Mein liebster Charakter war in diesem zweiten Band Rob, Garth‘s Freund, der selbstlos und treu zu den Menschen steht, die er liebt. Alle Protagonisten haben ein starkes Gottvertrauen gemeinsam. Der christliche Glaube spielt überhaupt im ganzen Roman eine wichtige Rolle.

Manche Ereignisse waren für mich vorhersehbar, und auch diesmal gibt es eine Gerichtsverhandlung, so dass Anwalt Andrew Fraser wieder einen starken Auftritt hat. Der Ablauf dieses Prozesses war m. E. etwas unglaubwürdig, denn alle Verdächtigungen waren eher willkürlich und dürften einen echten Richter kaum beeindruckt haben.

Ich empfehle auf jeden Fall, mit dem ersten Band einzusteigen, denn man sieht vieles klarer, wenn man die Vorgeschichte kennt. Schon dort erfährt man ja, dass Heimkinder aus England in Kanada einen schlechten Ruf hatten, aber dass sich dieser auch über die Jahrzehnte gehalten haben soll, da hatte ich ehrlich gesagt meine Zweifel. Natürlich sind das nur so meine Gedanken, denn wie es in Wahrheit aussieht, das weiß ich nicht.

Insgesamt konnte mich dieser zweite Teil nicht ganz so stark mitnehmen wie Band 1, aber er ist auf jeden Fall sehr lesenswert und bereichernd.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Großartiges Romandebüt, sprachlich perfekt umgesetzt

Krone des Himmels
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Der Roman beginn in Frankreich Ende des 12. Jahrhunderts mit zwei Handlungssträngen. In einem davon lernen wir Étienne d‘Arembour kennen. Als Drittgeborener hat er keinen Anspruch auf das Erbe, auch wird ...

Der Roman beginn in Frankreich Ende des 12. Jahrhunderts mit zwei Handlungssträngen. In einem davon lernen wir Étienne d‘Arembour kennen. Als Drittgeborener hat er keinen Anspruch auf das Erbe, auch wird er von seinem Vater nicht anerkannt, denn er hat einen verkrüppelten Fuß und muss ständig Demütigungen einstecken. Eines Tages hat er genug von den ewigen Prügeln und Erniedrigungen und verlässt heimlich das väterliche Anwesen. Nach einem Überfall, bei dem er fast sein Leben verliert, nimmt sich der Wundarzt Caspar seiner an, und sie setzen die Reise, die sie ins Heilige Land führt, gemeinsam fort. In Caspar findet Étienne einen guten Lehrer und das erste Mal in seinem Leben einen Menschen, der wie ein Vater zu ihm ist.

Im zweiten Handlungsstrang lernen wir Aveline kennen. Die junge Frau ist ebenfalls auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit. Sie schließt sich einer Pilgergruppe an, denn sie möchte am Grab Jesu um Vergebung für ihre Sünden und um Seelenrettung beten.

Vor den Mauern von Akkon finden die beiden Handlungsstränge zusammen. Da gewisse Umstände während Avelines Reise dazu geführt haben, dass man sie für einen jungen Mann hielt, der zudem sehr gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann, ist sie letztendlich als Bogenschütze ins Heilige Land gekommen und kämpft im christlichen Heer. Davon ahnt Étienne bei ihrer ersten Begegnung noch nichts, aber im Lauf der Geschichte erfährt er Avelines gefährliches Geheimnis.

Es ist die Zeit des 3. Kreuzzugs, an dem viele wichtige historische Persönlichkeiten beteiligt waren, so zum Beispiel Richard Löwenherz und Friedrich Barbarossa. Die Autorin nimmt einen mit in dieses fremde Land und die damalige Zeit, und es ist ihr gelungen, mich vollends mit diesem Roman zu fesseln. Sie hat sehr genau recherchiert und erzählt detailreich und plastisch. Viele historische Ereignisse rund um die Belagerung von Akkon finden wir in diesem Roman wieder, und man erfährt nicht nur sehr viel über das christliche Heer, sondern man lernt auch die Sichtweise der Muslime kennen.

Neben den großen Ereignissen der Weltgeschichte kämpft jeder der Protagonisten seinen eigenen, persönlichen Kampf. Da entstehen innige Freundschaften, und sogar die Liebe kommt ins Spiel, aber es gibt auch eine andere Seite, und so mancher offenbart Neid, Wut und gar Hass. In dieser großartigen historischen Kulisse haben die fiktiven Charaktere ihren Platz gefunden und agieren sehr glaubwürdig. Besonders gut hat mir gefallen, dass es hier keine harten Fronten, keine Schwarz-Weiß-Malerei gibt, sondern dass man sowohl auf Seite des europäischen Heers als auch bei den Sarazenen Gutes wie Schlechtes findet. Mit Étienne und Aveline aber auch mit Caspar, dem scharfzüngigen, oft ein wenig mürrischen Wundarzt, der aber im Grunde seines Herzens ein gütiger, loyaler und hilfsbereiter Mensch ist, hat Juliane Stadler wunderbare und vielschichtige Charaktere geschaffen, die perfekt in die Kulisse des ausgehenden 12. Jahrhunderts passen, sich behaupten müssen und nicht nur einmal über sich hinaus wachsen. Wenn man dann noch weiß, dass es sich hier um den Debütroman der Autorin handelt, kann man ihr nur gratulieren, wie großartig er gelungen ist.

Ich habe das Hörbuch, gesprochen von Tobias Kluckert, gehört und jede Minute genossen. Der Sprecher ist mir schon von anderen historischen Hörbüchern bekannt, und ich finde die Art, wie er den Geschichten Leben einhaucht, wie er Stimmungen und Emotionen wiedergibt und wie feinfühlig er Dialoge spricht, grandios.

Ich lese gerne und viele historische Romane und kann sagen, hier war alles stimmig, und die Autorin braucht sich mit ihrem Debüt auch vor den Großen des Genres nicht zu verstecken.

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Veröffentlicht am 04.02.2022

Spektakuläres Wiedersehen mit Enja

Der Weg der Highlanderin
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Nach einem großartigen ersten Band, den ich im vergangenen Sommer gelesen habe, gab es nun ein Wiedersehen mit der mutigen Kriegerin Enja, die als Kind aus dem hohen Norden kam, Schiffbruch erlitt und ...

Nach einem großartigen ersten Band, den ich im vergangenen Sommer gelesen habe, gab es nun ein Wiedersehen mit der mutigen Kriegerin Enja, die als Kind aus dem hohen Norden kam, Schiffbruch erlitt und von Sklavenhändlern gerettet wurde, um dann in den Orient verkauft zu werden. Über ihr Schicksal dort, über ihre Ausbildung zur Assassinin und ihre Verbundenheit zu Hassan I-Shabbah ging es im ersten Band.
Der zweite Teil spielt weitgehend in Schottland in den Jahren 1306 bis 1314. Es gibt zwar auch Rückblicke, in denen wir mehr über die Reise von Enja und ihrem treuen Freund Cathal erfahren, als sie beschlossen, den Orient zu verlassen und nach Schottland zu gehen. Hier erlebt man auch die Begegnung und den Beginn einer Freundschaft mit Sir Colin Alexander Maxwell, der Enja sehr verbunden ist, nachdem sie ihm medizinische Hilfe geleistet hat.
Enjas Geschichte fügt sich nahtlos in die historischen Ereignisse um den schottischen Unabhängigkeitskampf gegen die Engländer. Bei der Verteidigung ihrer Burg Caerlaverock und für den Schutz der Menschen, die dort leben und ihr am Herzen liegen, beweist sie stets großen Mut und Einfallsreichtum. Im Verlauf der Handlung wird man immer wieder Zeuge ihrer Heldentaten, und sie lässt sich so manchen Schelmenstreich einfallen. Sie ist schon eine ganz besondere Frau, wenn auch nicht frei von Selbstüberschätzung, die ihr nicht nur einmal fast zum Verhängnis wird. Ich mag Heldengeschichten, vor allem wenn sie so gut geschrieben sind wie dieser Roman. Frauen kommen in derartigen Romanen meist zu kurz, darum finde ich es außerordentlich gut, dass wir es hier mit einer Heldin zu tun haben. Enja steht ihren männlichen „Konkurrenten“ in nichts nach. Sie ist ebenso tapfer und wagemutig, sie hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und steht immer für die Unterdrückten und Wehrlosen ein. Sie hat ein großes Herz, und sie ist schön. All diese Attribute verleihen ihr das Zeug zum Heldenstatus. Natürlich ist auch ihr Jugendfreund Cal wieder mit dabei, den ich von Anfang an sehr gerne mochte. Auch er ist ein außergewöhnlicher Mensch, nach außen eine Kampfmaschine, jedoch sehr sensibel und mit einem weichen, liebenden Herzen. Es würde Seiten füllen, wenn ich auf all die interessanten und zum großen Teil liebenswerten Charaktere eingehen würde, denn es gibt viele davon in diesem Roman. So wundervoll wie das schottische Land, so sind auch die Menschen beschrieben, die dort leben. Die Autorin schreibt so bildhaft und lebendig, dass ich stets das Gefühl hatte, unmittelbar dabei zu sein, gerade bei Ereignissen wie den Highland-Games.
Die historischen Fakten, die dem Roman ein solides Grundgerüst geben, sind tadellos recherchiert, und die Autorin hält sich sehr eng an die realen Daten. Bei kleinen Terminverschiebungen hat Eva Fellner aber auch schon mal ihre künstlerische Freiheit in Anspruch genommen.
Auch dieser zweite Teil hat mir wieder sehr gefallen. Es ist eine großartige Geschichte, reich an Abenteuer und Spannung, manchmal humorvoll aber zum Teil auch hoch dramatisch. Die Protagonisten durchleben die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen, von Liebe, Hoffnung, Freude und Treue bis hin zu Trauer, Ängsten, Wut und Hass.
Zum Ende des Romans schreibt die Autorin im Nachwort noch einige Erklärungen, denn der Schluss von Enjas Geschichte ist sehr emotional und phantastisch, ja fast märchenhaft, sagenumwoben. Man kann nun sagen, er ist unrealistisch, aber ich finde, wieso sollte nicht auch einmal eine Frau den Stoff zu einer Heldensage liefern. Enja hat auf jeden Fall das Zeug dazu!

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Wer oder was ist Chevalier d’Eon de Beaumont?

Die militante Madonna
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Man könnte sagen, dies ist ein biografischer Roman, denn es geht darin um Chevalier d’Eon de Beaumont, ein Mann bzw. eine Frau mit vielen Gesichtern, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. Ich verwende für ...

Man könnte sagen, dies ist ein biografischer Roman, denn es geht darin um Chevalier d’Eon de Beaumont, ein Mann bzw. eine Frau mit vielen Gesichtern, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. Ich verwende für ihn das maskuline Substantiv, weil er, historischen Quellen zufolge, männlichen Geschlechts war, auch wenn man sich zu seinen Lebzeiten da nie sicher sein konnte.
Er erzählt über sein Leben und seine Erlebnisse. Da geht es um seine Geschäfte und Intrigen und um sein Verhältnis zu anderen Zeitgenossen, beispielsweise zu König Louis XV von Frankreich. So schildert er auch seine Begegnungen mit Pierre de Beaumarchais, wobei laut seinen Worten die Beziehung zu ihm sehr zwiespältig und kompliziert war. Auch die Witwe Cole, bei der er zeitweilig lebte, hat es wirklich gegeben. D‘Eon schildert die Ereignisse kurzweilig. Sein Leben ist turbulent, und genauso erzählt er auch darüber. Aber er bleibt eigentlich immer sehr distanziert und lässt sich nicht wirklich in die Karten schauen. Die Beschreibungen der verschiedenen Charaktere, mit denen er zu tun hat, sind meist eher oberflächlich. Da gibt es beispielsweise seinen Freund Morande und einen Lord X, der seinen Namen nicht genannt haben möchte, und beide spielen eine große Rolle in Eons Leben, aber ich muss gestehen, dass ich aus keiner der genannten Personen wirklich schlau geworden bin. Es geschieht sehr viel in diesem Roman, aber letztendlich dreht sich alles um die Wetten, die auf Eons wahres Geschlecht abgeschlossen wurden. Was mir jedoch am meisten Rätsel aufgegeben hat, ist nicht, ob Eon nun ein Mann, eine Frau oder auch beides gewesen ist, sondern in welcher Form er zu den Lesern des 21. Jahrhunderts spricht.
Ich zitiere: „Jetzt, wo ich jahrhundertealt bin und schon vor langer Zeit den endgültigen Sieg über meinen Pierre Caron de Beaumarchais für mich reklamiert habe, in dem ich ihn überlebt und mich unter die wirklich langlebigen Genies wie Voltaire und Franklin eingereiht habe, jetzt wo die Wetten auf mein Geschlecht längst Vergangenheit sind und die Börse in Jonathons Kaffeehaus zu Staub zerfallen ist, jetzt wo sich absolut niemand mehr an mich erinnert, kann ich mich bei Morande für seine Hilfe am Ende meines sterblichen Lebens bedanken.“
Später geht es dann um seinen Tod, über den er ebenfalls eine Bemerkung macht. In welcher Form spricht er zu den Menschen in der Gegenwart, als Geist oder aus dem Grab heraus? Die Sichtweise ist originell wenn auch etwas kompliziert. Ansonsten habe ich auch immer mal wieder Logikfehler in der Geschichte entdeckt, die mich gestört haben.
Letztendlich ist es ein kurzweiliger, historischer Roman mit biografischen Zügen, der amüsant zu lesen ist, mich aber nur mittelprächtig beeindrucken konnte.

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