Auf den Spuren des legendären Räuberhauptmanns Schinderhannes
Die RäuberbrautDer neue Roman von Astrid Fritz erzählt die Geschichte von Juliana Blasius, der Braut des berühmt-berüchtigten Räuberhauptmanns Schinderhannes, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Gegend um den Hunsrück ...
Der neue Roman von Astrid Fritz erzählt die Geschichte von Juliana Blasius, der Braut des berühmt-berüchtigten Räuberhauptmanns Schinderhannes, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Gegend um den Hunsrück sein Unwesen trieb.
Es beginnt damit, dass Hannes sein Julchen, wie er sie später liebevoll nennt, bei einer Festlichkeit kennenlernt, wo die junge Frau, zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester, singt und musiziert. Als Hannes sie fragt, ob sie auf ewig bei ihm bleiben will, bricht sie alle Brücken hinter sich ab und folgt ihm. Dass er ein gesuchter Räuber ist, stört die junge Frau in ihrer Verliebtheit nur am Rande. Dass es bei den Überfällen, die Hannes mit seinen Kumpanen unternimmt, auch zu brutalen Übergriffen kommt, verdrängt sie einfach. Zwischendurch, wenn es ihr bewusst wird, ist sie zwar schockiert, aber das ändert nichts an ihrer großen Liebe zu Hannes. Trotz ständiger Gefahr, entdeckt und verhaftet zu werden, verbringt das junge Paar eine schöne, fast unbeschwerte Zeit, aber das Glück ist nicht von Dauer.
Man begleitet den Räuberhauptmann und seine Anhänger quer durch den Hunsrück und ist bei allen Raubzügen „hautnah“ dabei, bis zum bitteren Ende. Die allgemeine Lage lernt der Leser aus Julchens Sicht kennen, aber mit der Zeit wird klar, dass der Schinderhannes, so gefühlvoll und sanft er mit seinem Julchen auch umgehen mag, letztendlich doch zu schlimmen Taten fähig ist. Die Autorin hat sehr gründlich recherchiert und bewegt sich mit ihrer Geschichte sehr nahe an den Fakten. Sie zeigt deutlich die zwei Seiten dieses Lebens, das der Schinderhannes und auch seine Freunde gewählt haben. So mancher rücksichtslose Räuber ist zugleich auch ein zärtlicher Familienvater. Man muss die Situation der Räuberbanden natürlich auch vor dem damaligen sozialen Hintergrund sehen, denn nicht wenige Menschen, vor allem bei der Landbevölkerung, waren bitterarm, und da kommt man leicht auf kriminelle Gedanken. Für die Räuber war das, was sie taten, in gewisser Weise schon fast wie „Arbeitsalltag“.
In der ganzen Geschichte spielen Emotionen eine große Rolle, denn aus Liebe zu seinem Julchen tut der Hannes so manches, was seine Kumpane nicht gutheißen. Sehr intensiv kann man sowohl die Gefühle Julchens, aber auch die Gewissensnöte des Schinderhannes nachvollziehen. Letztendlich müssen sich jedoch alle ihrem Schicksal stellen, und erst gegen Ende des Romans wird es Juliana richtig bewusst, welch schlimme Taten ihr geliebter Hannes verübt hat und wie sehr die Opfer darunter litten.
Befasst man sich ein wenig näher mit der Figur des Schinderhannes, so stellt man fest, dass seine Person von Anfang an stark verklärt und in einem romantischen Licht gesehen wurde. Wenige Jahre nach seinem Tod gab es bereits jede Menge an Schundliteratur über ihn, und die fahrenden Leute führten auf den Jahrmärkten Schauspiele auf, in denen sie seine Taten verherrlichten und ihn quasi zum Volkshelden machten. Bis in die Gegenwart hat der Räuberhauptmann schon fast so etwas wie Kultstatus erreicht, denn es sind Gaststätten und Gerichte auf Speisekarten nach ihm benannt, es gibt Literatur und Schauspiele über ihn, es wurden Lieder komponiert und Filme gedreht, und ihm wurde sogar ein Denkmal in Form einer Bronzebüste gesetzt. Dass er in seiner Heimat eine gewisse Berühmtheit erlangt hat und sich die Region, in der er sein Unwesen trieb, die Faszination, die diese sagenumwobene Gestalt auf die Touristen ausübt, zunutze macht, ist einerseits verständlich.
Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen habe, kann ich jedoch diese starke Verklärung seiner Person nicht so ganz nachvollziehen, denn seine Taten waren abenteuerlich, aber alles andere als rühmlich.
Die Autorin hat in ihrem Roman ein klares und authentisches Bild der damaligen Ereignisse geschaffen, ohne den Schinderhannes auf einen Heldensockel zu stellen. So lebendig und facettenreich wie sie alles beschreibt, kann es durchaus gewesen sein.