Profilbild von Klusi

Klusi

Lesejury Star
offline

Klusi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Klusi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.11.2016

Winterglück

Winterglück
0

„Winterglück“ ist der erste Teil von Debbie Macombers „Rose-Harbor-Tetralogie“, deren Bände aktuell nach und nach erscheinen.
Dazu eine wichtige Information, um Doppelkäufe zu vermeiden: Dieser Roman ist ...

„Winterglück“ ist der erste Teil von Debbie Macombers „Rose-Harbor-Tetralogie“, deren Bände aktuell nach und nach erscheinen.
Dazu eine wichtige Information, um Doppelkäufe zu vermeiden: Dieser Roman ist im Februar 2014 bereits unter dem Titel „Rose Harbor und der Traum vom Glück“, ebenfalls bei Blanvalet, erschienen.
Eigentlich ist der Winter ja schon lange vorbei, aber da ich den zweiten Band „Frühlingsnächte“ bereits vorliegen habe, wollte ich natürlich das erste Buch vorab lesen, um die Handlung in der chronologischen Reihenfolge zu erfahren. Trotz des winterlichen Covers, das sogar ein wenig weihnachtlich wirkt, ist dies kein reines Winter- oder gar Weihnachtsbuch, denn die geschilderten Ereignisse könnten auch zu jeder anderen Jahreszeit stattfinden. Die Handlung beginnt im Januar, als die Protagonistin und Ich-Erzählerin Jo Marie Rose gerade dabei ist, ihr Leben grundlegend zu verändern. Nach dem Verlust ihres geliebten Mannes Paul, mit dem sie gerade einmal neun Monate verheiratet war, bevor er durch einen Unfall ums Leben kam, war die junge Frau zuerst vor Schmerz und Trauer wie betäubt. Aber irgendwie musste es weitergehen, und so beschloss sie, in dem kleinen Küstenort Cedar Cove ganz neu zu beginnen und ein gemütliches Bed and Breakfast zu eröffnen. Rose Harbor Inn, wie sie es nennt, macht seinem Namen alle Ehre, denn es erweist sich bald als Hafen für verletzte Seelen, als gemütlicher, beschaulicher Rückzugsort für Menschen, die zur Ruhe kommen wollen.
Ihre ersten beiden Gäste sind Abby Kincaid und Joshua Weaver. Beide stammen aus Cedar Cove und sind nun aus unterschiedlichen Gründen zurück in ihren alten Heimatort gekommen. Während Abby angereist ist, um bei der Hochzeitsfeier ihres Bruders dabei zu sein, ist Josh zurück gekehrt, um seinen Stiefvater aufzusuchen, der im Sterben liegt. Beide haben ihre Zweifel, ob ihre Entscheidung, nach Cedar Cove zu kommen, richtig war, denn Abby wird immer noch von schweren Schuldgefühlen geplagt und weiß nicht, wie sie ihren alten Freunden begegnen soll, und Josh befürchtet, dass sein Auftauchen den Stiefvater nicht gerade begeistern wird, denn das Verhältnis zwischen ihnen war nie zum Besten.

Die Geschichte wird immer abwechselnd aus Jo Maries Sicht und aus der Perspektive von Abby und Josh erzählt. Man begleitet jeden der drei Protagonisten bei seiner jeweiligen Aufgabe.
Jo Marie ist noch dabei, sich in ihrem neuen Heim einzuleben und erhält handwerkliche Unterstützung von Mark. Der eher verschlossene und launenhafte Mann wurde ihr als guter Handwerker empfohlen. Er macht seine Arbeit prima, aber Jo Marie wird oft nicht schlau aus seinem Verhalten. Ihre beiden Gäste sieht sie selten, denn diese sind dabei, ihre eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Sie treffen alte Freunde wieder und machen so manche überraschende Erfahrung.

Im Großen und Ganzen hat mir dieser erste Band wirklich gut gefallen. Die Autorin schafft in ihrer Geschichte eine schöne Atmosphäre, so dass man sich damit wohlfühlt. Da Jo Maries Gäste nicht zum Vergnügen angereist sind, sondern beide ein größeres Problem zu bewältigen und einiges aus ihrer Vergangenheit zu klären haben, entwickelt sich der Roman vielschichtig und keineswegs oberflächlich, ganz im Gegenteil. Wenn sich nach und nach herausstellt, was den Protagonisten früher widerfahren ist, kann man ihre widersprüchlichen Gefühle durchaus verstehen und ihre Handlungen nachvollziehen.
Insgesamt kann ich also sagen, dass es ein unterhaltsamer, stellenweise auch sehr berührender Roman ist.
Allerdings gibt es auch eine Sache, die mich irritiert bzw. gestört hat. Jeder der Protagonisten scheint den siebten Sinn zu haben, denn sowohl Jo Marie als auch Abby und Josh machen gewisse übersinnliche Erfahrungen, und das Schicksal spielt mir allzu viele Zufallskarten aus. Das gibt dem Roman einen irrealen Anstrich, der für mein Empfinden etwas zu dick aufgetragen ist.

Dieser Kritikpunkt wird mich aber nicht davon abhalten, auch die Folgebände zu lesen, denn grundsätzlich habe ich mich in Cedar Cove und besonders im Rose Harbor Inn sehr wohl gefühlt und bin gespannt, wie sich alles weiter entwickelt und welche neuen Gäste Jo Marie im Frühling begrüßen kann.

Veröffentlicht am 21.11.2016

Frühlingsnächte

Frühlingsnächte
0

Es ist Frühling in Cedar Cove. Die junge Witwe Jo Marie Rose hat sich mittlerweile in dem kleinen Städtchen gut eingewöhnt. Ihr Bed & Breakfast, das "Rose Harbor Inn", läuft bestens, und sie ist dabei, ...

Es ist Frühling in Cedar Cove. Die junge Witwe Jo Marie Rose hat sich mittlerweile in dem kleinen Städtchen gut eingewöhnt. Ihr Bed & Breakfast, das "Rose Harbor Inn", läuft bestens, und sie ist dabei, einen Tag der offenen Tür zu planen. Zu gerne hätte sie für dieses Ereignis auch ihren Rosengarten fertig gehabt, den sie mit der Hilfe eines Freundes anlegen möchte. Aber da kommt es zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten.
Auch haben sich wieder einige Gäste angemeldet, deren Geschichte hier im zweiten Band der Rose-Harbor-Reihe erzählt wird.
Als die elegante Mary im Cedar Cove ankommt, merkt Jo Marie gleich, dass die Frau von einer schweren Krankheit gezeichnet ist. Was mag sie in der kleinen Stadt wollen?
Der zweite wichtige Gast, für den es einen eigenen Handlungsstrang gibt, ist Annie. Sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ein denkwürdiges Fest zur Goldhochzeit ihrer Großeltern zu arrangieren. Doch als die alten Herrschaften im Rose-Harbor ankommen, wirkt ihre Beziehung ganz und gar nicht wie eine harmonische Ehe, die schon fünfzig Jahre überdauert hat.
Es wird wieder turbulent in dem kleinen Bed & Breakfast, und Jo Marie hat alle Hände voll zu tun, nicht nur mit ihren Gästen, sondern auch sonst gibt es für sie so manche Überraschung.
Die Rahmenhandlung ist auch diesmal wieder aus Marie Jo's Sicht in der Ich-Form geschrieben, während die Handlungsstränge um Mary und Annie in der 3. Person geschildert werden.
Mary und Annie, die beiden unterschiedlichen Frauen, müssen sich mit Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, was nicht immer leicht ist. Die beiden Fälle sind sehr einfühlsam und auch mit einem leisen Humor gezeichnet. Annie ist eine resolute junge Frau, die es leichter haben wird, ihr Glück zu finden. Aber auch auf Mary, deren Lebensgeschichte dramatisch und deren aktuelle Situation nicht gerade rosig ist, warten einige schöne Überraschungen.
Bei Jo Marie werden alte Wunden wieder aufgerissen, denn sie wird wieder mit dem Unfall konfrontiert, bei dem ihr Mann in Afghanistan umgekommen ist.
Drei Frauen – drei Schicksale! Man hat auch diesmal den Eindruck, als hätte das Rose Harbor Inn eine heilsame Wirkung auf seine Gäste und auch auf seine Inhaberin, denn Jo Marie findet hier, in ihrem eigenen Reich, Ruhe und Geborgenheit. Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme ist der Roman auch diesmal wieder geprägt von Hoffnung.
Die Geschichten der drei Frauen bewegen sich parallel und kreuzen sich an einigen Stellen. Entstanden ist auch hier wieder ein Buch, das einen nicht loslässt, das man möglichst nicht mehr aus der Hand legen möchte, bis man weiß, wie alles ausgeht. Dieser zweite Teil hat mir noch ein wenig besser gefallen als „Winterglück“, denn im ersten Band haben mich die stärkeren übersinnlichen Einflüsse gestört, die der Geschichte einen etwas unrealistischen Anstrich gegeben haben. Dies ist hier nicht der Fall. Zwar kommt es auch diesmal zu gewissen Ahnungen und zu einer geistigen Zwiesprache zwischen Marie Jo und ihrem verstorbenen Mann, aber alles in einem glaubwürdigen Rahmen.
Besonders gut an dieser Reihe gefällt mir, dass Marie Jo immer als Konstante dabei ist, während in jedem Band wieder neue Schicksale von Gästen aufgewickelt werden. Man begegnet vertrauten und auch neuen Charakteren, und besonders gut finde ich, dass man auch von den Gästen aus dem ersten Band hört, wie es ihnen weiterhin ergangen ist. Zwar kann man jeden Band gut für sich alleine lesen, aber wenn man die vier Bände in der chronologischen Reihenfolge liest, erschließen sich einem auch die kleinen Bemerkungen, die man nur wahrnimmt, wenn man die Vorgeschichte bereits kennt.

Veröffentlicht am 18.11.2016

Die Honigtöchter

Die Honigtöchter
0

Angelica Senes ist eine reisende Imkerin. Sie liebt das ungebundene Leben und ihren Beruf, und sie fährt mit ihrem Campingbus überall dorthin, wo es darum geht, Imkern bei auftauchenden Problemen mit ihren ...

Angelica Senes ist eine reisende Imkerin. Sie liebt das ungebundene Leben und ihren Beruf, und sie fährt mit ihrem Campingbus überall dorthin, wo es darum geht, Imkern bei auftauchenden Problemen mit ihren Bienenstöcken zu helfen, die Bienen zu erhalten und zu betreuen. Eines Tages erfährt sie, dass sie von ihrer Patentante als Alleinerbin eingesetzt wurde. Margherita hat ihr das Anwesen auf Sardinien vermacht, wo sie ihre Kindheit verbrachte und wo ihr die Patin das Wissen über die Imkerei und die Sprache der Bienen gelehrt hat.
Die Nachricht von der Erbschaft stürzt die junge Frau in Verwirrung, denn sie lebte in der Überzeugung, Margherita wäre schon vor langer Zeit gestorben. Erst mit der Nachricht von der Erbschaft und durch einen Brief, den ihr Margherita hinterlassen hat, erfährt sie, dass die geliebte Patentante noch bis vor wenigen Wochen gelebt hat.
Mit einer ungeheuren Wut auf ihre Mutter, die sie damals mit einer Lüge abgespeist hatte, macht sich Angelica auf den Weg nach Sardinien. Dabei ist sie unsicher, wie sie sich verhalten soll, ob sie wirklich in der Lage ist, das Erbe anzunehmen.
Als sie bei Margheritas Cottage ankommt und dort deren Notizbuch findet, wo die alte Frau all ihr Wissen rund um die Bienen, über Heilweisen, Rezepte und alte Bräuche Sardiniens aufgezeichnet hat, wird Angelica bewusst, wo ihr Platz ist. Sie möchte in Margheritas Fußstapfen treten und deren Wissen und Werte an die Frauen Sardiniens weitergeben.
Aber nicht alle hier sind ihr freundlich gesinnt. Da gibt es einen Cousin, der ihr das Erbe streitig machen möchte, und ein Unternehmer hat es auf den alten Besitz abgesehen und versucht mit allen Mitteln, Angelica zu bewegen, das Cottage samt Grundstück zu verkaufen.
Dann trifft sie ihre Jugendliebe wieder. Einerseits spürt sie erneut die Verbindung zu Nicola, fühlt sich zu ihm hingezogen, aber sie weiß nicht, ob sie ihm noch vertrauen kann oder ob er inzwischen die Seiten gewechselt hat. Angelica muss sich auf einen zermürbenden und kräftezehrenden Kampf um Margheritas Erbe einlassen. Hier geht es um viel mehr als um das alte Cottage, denn wenn sie aufgibt, werden einige Schätze der Natur unwiederbringlich verloren gehen.

Christina Caboni schreibt über ihre Leidenschaften. Sie liebt Rosen und Bienen, und waren die Blumen und Düfte in ihrem ersten Roman das große Thema, so stehen diesmal die Bienen und ihre vielfältigen und wunderbaren Produkte im Vordergrund. Die beiden Bücher der Autorin folgen von der äußeren Aufmachung her den gleichen Konzept. Jedes Kapitel wird mit einem kleinen Kommentar eingeleitet. Drehten sich diese kurzen Beschreibungen im ersten Buch „Die Rosenfrauen“ um Blumen und Kräuter mit ihren vielfältigen Aromen und Duftstoffen, so erfährt man diesmal beim Lesen alles über die verschiedenen Honigsorten, ihre Eigenschaften und die Unterschiede in Farbe, Konsistenz und Aroma. Da ich mich sehr für diese Schätze interessiere, welche die Natur uns bietet, gefällt mir die Aufmachung schon sehr gut.
Am Ende des Buches findet man die Beschreibungen auch noch einmal in alphabetischer Form aufgelistet, als Honigtagebuch.
Angelicas Geschichte ist sehr berührend. Das Verhältnis zu ihrer Mutter, die ihr so einiges verschwiegen hat, ist kompliziert, und all die Jahre war die junge Imkerin rastlos, ständig auf der Flucht vor sich selbst, vor ihrer Vergangenheit und vor festen Bindungen. Erst die Erbschaft öffnet ihr die Augen für das Wesentliche. Sie erkennt, was ihr wirklich wichtig ist und wie sie ihr Leben künftig gestalten möchte. Ihre Patentante hat ihr so viel hinterlassen, nicht nur das Anwesen, sondern es sind die ideellen Werte, die wirklich zählen.
Angelicas innere Zerrissenheit, ihre Zweifel und Ängste, das alles wird hier tiefgründig zum Ausdruck gebracht. Ihr Verhältnis zu Nicola ist gespannt, was nicht wundert, wenn man erfährt, wie abrupt die Trennung der jungen Liebenden vor vielen Jahren vonstatten ging. Dementsprechend schleichen die Protagonisten lange Zeit vorsichtig umeinander herum, denn beide haben Angst, sich selbst oder den Anderen mit Worten oder durch ihr Verhalten zu verletzen.
Wenn es um die Natur Sardiniens und ihren Schutz geht, findet die Autorin wunderschöne, poetische Worte, um all das auszudrücken, was die Welt der Pflanzen und Tiere dieser Insel zu bieten hat. Der schöne Schreibstil, der so leicht anmutet, dabei aber ganz und gar nicht oberflächlich ist, hat mich das Buch so richtig genießen lassen. Außerdem habe ich viel Neues über die Bienen und ihr goldenes Produkt erfahren. Honig ist für mich schon immer nicht nur lecker, sondern faszinierend, und ich bin beim Lesen richtig auf den Geschmack gekommen, all die wundervollen Sorten zu probieren, die hier beschrieben sind. Für alle, die sich für die nützlichen kleinen Insekten interessieren und von ihrem süßen Produkt fasziniert sind, bietet sich hier nicht nur eine spannende, kurzweilige Geschichte, sondern auch noch jede Menge an Hintergrundinformationen. Auf alle Fälle bekommt man durch die detaillierten und farbigen Schilderungen Lust, nach Sardinien zu reisen und Land und Leute kennenzulernen.

Veröffentlicht am 11.11.2016

Kalte Havel

Kalte Havel
0

Wie schon der Titel des Buches unschwer erkennen lässt, spielt die Handlung in der Gegend um Potsdam und weitgehend an der Havel.
Es ist Oktober. Hauptkommissar Toni Sanftleben kommt aus seinem unbezahlten ...

Wie schon der Titel des Buches unschwer erkennen lässt, spielt die Handlung in der Gegend um Potsdam und weitgehend an der Havel.
Es ist Oktober. Hauptkommissar Toni Sanftleben kommt aus seinem unbezahlten Urlaub zurück, als die Staatsanwältin Caren Winter ihn um Hilfe bittet, denn ihr Sohn ist verschwunden. Alexander war am Abend zuvor mit seinem Freund Hendrik zur Sacrower Heilandskirche gefahren, wo dieser am Morgen erschossen aufgefunden worden war, während von Alexander jede Spur fehlt. Sie wendet sich an Toni, weil sie weiß, dass er Erfahrung darin hat, verschwundene Personen aufzustöbern, war er doch viele Jahre lang auf der Suche nach seiner eigenen Frau, und da waren seine Recherchen von Erfolg gekrönt.
Toni kniet sich in den neuen Fall, auch wenn seine spontane Rückkehr in den Beruf nicht von allen Kollegen gerne gesehen wird. Er weiß, dass die Zeit drängt und Alexander schnell gefunden werden muss, falls er überhaupt noch lebt. Die Spuren führen ihn an düstere, einsame Orte, beispielsweise zu den Beelitzer Heilstätten. Der tote Hendrik war ein Rebell, und in den maroden Gebäuden dort traf er sich mit Gleichgesinnten. Welche Rolle spielte Alexander Winter dabei? Wen wollten die beiden jungen Männer an der Sacrower Heilandskirche treffen und was ist dort passiert? Warum wurde Hendrik erschossen und wo ist Alexander jetzt? Es stellen sich Fragen über Fragen zu diesem mysteriösen Fall.

Dies ist Toni Sanftlebens zweiter Fall, und ich habe mich sehr gefreut, wieder von dem sympathischen Hauptkommissar zu lesen und Neues über ihn zu erfahren. Toni hat es nicht leicht, denn eigentlich ist er beurlaubt, um sich um seine Frau zu kümmern, deren Gesundheit noch nicht wieder hergestellt ist und die für vieles noch Hilfe benötigt. Wie es zu dieser Situation kam und wie das alles zusammenhängt, ist das große Thema des ersten Bandes. Was man aktuell wissen muss, erfährt man durch eingestreute Bemerkungen und Erinnerungen, so dass man „Kalte Havel“ auch lesen und die Zusammenhänge erfassen kann, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt. Allerdings ist es schöner, wenn man die Bücher in chronologischer Reihenfolge liest, denn dann wird die Beziehung zwischen den Protagonisten einfach klarer, und man kann sich von den einzelnen Personen ein besseres Bild machen. Die Protagonisten sind ausführlich charakterisiert und sehr realistisch dargestellt, und doch kann man sie oft nicht auf Anhieb richtig einschätzen; man lernt sie erst mit der Zeit kennen. Diese kluge Taktik, wichtige Details erst nach und nach zu offenbaren, führt den Leser immer wieder auf falsche Fährten und erhöht die Spannung. Dazu tragen auch kleine Cliffhanger bei, die geschickt an manchen Kapitelenden angebracht sind. Man rätselt mit, man zerbricht sich den Kopf, und oft erhält man im nächsten Kapitel Informationen, die einen alle bis dahin angestellten Vermutungen wieder verwerfen lassen.
Auch in Tonis Privatleben tut sich so einiges, und es ergeben sich auch hier erstaunliche Wendungen, mit denen ich für meinen Teil nicht gerechnet hätte.
Neben einer fesselnden Handlung bietet dieser Roman aber auch noch einiges mehr, denn der Autor führt seine Leser zu außergewöhnlichen, manchmal auch ein wenig unheimlichen Schauplätzen, zu alten, teilweise verfallenen Gebäuden mit historischem Hintergrund. Die geschilderten Orte strahlen einen morbiden Charme aus, und es hat mich fasziniert, die Protagonisten in diesem Umfeld zu „beobachten“. Wer, so wie ich, gerne Bilder betrachtet, um sich die Atmosphäre und die Handlungsorte noch besser vorstellen zu können, sollte es nicht versäumen, auf Tim Piepers Website vorbei zu schauen, denn dort hat er ergänzend einige interessante und sehr brillante Fotos veröffentlicht, die einem die Schauplätze noch besser und intensiver nahe bringen.
Dies ist ein rundum gelungener Krimi, bei dem ich mitraten und mitfiebern konnte. Das Ende bot für mich einige Überraschungen und lässt mich nun ganz ungeduldig auf den dritten Band warten, denn ich möchte unbedingt wissen, wie es Toni, seiner Familie und seinen netten und auch weniger netten Kollegen weiterhin ergeht. Aber bis dahin ist Geduld gefragt, denn der nächste Band wird wohl erst Anfang 2018 erscheinen.

Veröffentlicht am 09.11.2016

Da wird Geschichte lebendig!

Die Eroberung des Normannen
1

Sommer 1092: Tief im Inglewood Forest lebt Cwen, die jüngste Tochter des Fürsten mac Dolfinn, in einer verborgenen Hütte bei Ymma, einer weisen Frau. Von ihr hat die junge Heilerin ihr Wissen über hilfreiche ...

Sommer 1092: Tief im Inglewood Forest lebt Cwen, die jüngste Tochter des Fürsten mac Dolfinn, in einer verborgenen Hütte bei Ymma, einer weisen Frau. Von ihr hat die junge Heilerin ihr Wissen über hilfreiche und heilende Rezepturen für allerlei Gebrechen und Krankheiten.
Als ihre Brüder sie besuchen und um ihre Unterstützung der Widerstandsbewegung gegen die Normannen bitten, zögert sie nicht. Vor nicht allzu langer Zeit musste sie erst vor einem der feindlichen Krieger im Wald fliehen. Als Schreiberin des Sheriffs de Grande-Île soll Gwen alles über die Pläne der Normannen in Erfahrung bringen und ihre Informationen an die Rebellen weiterleiten.

Mit Tancreid de Grande-Île und Cwenburh mac Dolfinn hat der Roman zwei starke und sympathische Protagonisten, die verfeindet sind, zwischen denen jedoch eine nahezu magische Anziehungskraft besteht. Tancreid befürchtet, verflucht zu sein, weil er sich unwiderstehlich zu seiner jungen Schreiberin mit dem flammend roten Haar hingezogen fühlt. Er ist beeindruckt von ihrem Mut, wenn sie sich für Schwache einsetzt, andererseits nutzt er ihre Wünsche in raffinierter Weise für seine Zwecke aus. Dadurch entstehen immer wieder amüsante Szenen, die mich beim Lesen regelmäßig zum Schmunzeln gebracht haben. Die Annäherung der feindlichen Lager, das Verhältnis zwischen den gegnerischen Fronten, die Situation im Land und die entstehenden Konflikte mit Schottland, das alles ist kurzweilig dargestellt, dabei aber auch sehr informativ. Der historische Hintergrund wurde ausführlich recherchiert, und die fiktive Handlung ist glaubwürdig in die reale Szenerie eingebettet. Man erfährt sehr viel über die damaligen Ereignisse, nachdem die Normannen unter William Rufus das Land erobert und sich untertan gemacht hatten.
Es gibt im Roman auch romantische Szenen, die jedoch alle sehr realistisch und keineswegs kitschig wirken. Die Autorin hat die ideale Balance zwischen guter Unterhaltung und der Vermittlung historischen Wissens gefunden. Mich konnte dieser Roman von der ersten bis zur letzten Seite fesseln. Ich habe viel Neues über die damaligen Vorgänge erfahren und mich dabei sehr gut unterhalten.
Wer noch ausgiebiger in die Geschichte Cumbrias eintauchen möchte, dem kann ich empfehlen, die Website der Autorin zu besuchen. Dort findet man reichlich Informationen zu den historischen Rahmenbedingungen und Tipps für weiterführende Literatur.