Der Anfang eines steinigen Weges
Die Frauen vom Reichstag: Stimmen der FreiheitDr. Marlene von Runstedt ist Anfang 30, ledig und promovierte Juristin. Sie arbeitet in der Rechtsberatung für Frauen in der Kanzlei ihres Vaters, ganz im Sinne ihrer verstorbenen Mutter. Als promovierte ...
Dr. Marlene von Runstedt ist Anfang 30, ledig und promovierte Juristin. Sie arbeitet in der Rechtsberatung für Frauen in der Kanzlei ihres Vaters, ganz im Sinne ihrer verstorbenen Mutter. Als promovierte Juristin kann sie zur Zeit des Buchs (1918/1919) noch nicht eigenständig arbeiten und ist immer auf das Wohlwollen ihres Vaters bzw. die Unterstützung von dessen Partner Max von Emden angewiesen.
Als 1918 das Wahlrecht für Frauen eingeführt wird, sieht Marlene darin ihre Chance die Rechte der Frauen als Parlamentarierin zu vertreten. Auf dem Weg dahin begegnet sie ihrer ehemals besten Freundin, der Schauspielerin Sonja Grawitz, die heutzutage ihre Konkurrentin ist und ihrer Jugendliebe Justus von Ostwald.
Das Cover des Buches und sein Titel haben mich neugierig gemacht und angesprochen.
Vom Titel des Buches und dem Klappentext her hatte ich mir eine Geschichte über Marlenes Weg in den Reichstag und die Herausforderungen erwartet, die ihr anschließend dort begegnen. Das Buch handelt jedoch von Marlenes beruflicher und politischer Entwicklung bis zum Einzug in den Reichstag und den ersten Monaten, jedoch nicht mehr.
Marlene ist als selbstbewusste, intelligente und gut aussehende Frau dargestellt. Ich empfinde sie als Respektsperson und Vorbild. Sie wird mit ihrer Art auch von den Männern um sie herum sehr geschätzt, allen voran ihrem Vater und dessen Partner, Max von Emden. Nur im Umgang mit Justus von Ostwald wird Marlene manchmal sehr naiv dargestellt. Sie verfällt ihm immer wieder, entgegen jeder Vernunft.
Justus von Ostwald wirkt oftmals wie der typische Junker aus der Zeit und nimmt Marlenes Belange auch nicht immer für voll. Auch finde ich, wirkt es, als rate er Sonja Granits zum Schritt in die Politik, um sich von ihr zu befreien. Er wirkt auf mich nicht ganz aufrichtig.
Wunderbar dargestellt, fand ich Max von Emden. Er liebt Marlene und respektiert sie absolut. Sicher hat er manchmal auch ein bisschen zu viel Beschützerinsinkt und stellt sie deswegen als etwas naiv dar. Ich denke, das ist jedoch seinen Gefühlen geschuldet.
Die Autorin schildert auch sehr gut die derzeitige politische Lage, die Unruhen, die Lage der Frauen, deren Ansehen und die Meinung der Männer zu Frauen in Berufen und in der Politik.
Es ist interessant und gleichzeitig bedauernswert zu sehen, welchem Kampf sich Frauen unterziehen musste bis zum Frauenwahlrecht und der Ausübung politischer Ämter.
Für mich ein toller historischer Roman, mit guten Einblicken zur Politik nach dem 1. WK und der beginnenden Weimarer Republik. Vor allem aber ein toller Roman über bemerkenswerte, junge Frauen, die bedacht ihren Weg gehen.