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Veröffentlicht am 12.07.2022

Geistreich, unterhaltsam und voll mit wertvollen Denkanstößen

Von hier betrachtet sieht das scheiße aus
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"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. ...

"Von hier betrachtet sieht das scheiße aus", der Debütroman von Autor Max Osswald, sticht bereits durch seinen Titel aus der Menge heraus. Und der Name ist Programm:
Ben Schneider (29) ist im Leben festgefahren. Genauer noch befindet er sich in einer ermüdenden Endlosschleife aus Belanglosigkeit und Erschöpfung. Erschöpfung durch die immer gleichen Sorgen, die immer gleiche Arbeit in der seelenvernichtenden Wirtschaftsprüfungskanzlei und die immer gleiche, allumfassende Einsamkeit, die in seinem Leben Einzug gehalten hat.
Aber Ben hat die Schnauze voll von diesem "Kreislauf beschwerlicher Scheiße" und trifft einen folgenschweren Entschluss: Er will sterben.
Und noch eine Sache steht fest: Sein Tod soll keineswegs so mittelmäßig werden, wie sein Leben. Also engagiert Ben einen Auftragskiller, der ihn in genau 50 Tagen die Lichter ausknipsen soll.
Klingt düster? Ist es auch. Max Osswald hat sich hier ein sehr ernstes Thema zum Schreiben gewählt und trifft damit genau den Zahn der Zeit. In einer Gesellschaft, die uns bereits von Klein auf einzutrichtern versucht, das Geld und Karriere der Maßstab allen Seins sind und die Chancen im Leben an die eigene Leistung und Produktivität gebunden sind, haben sicher schon so einige im Laufe ihres Lebens an ihrem Werdegang gezweifelt und sich auf die Suche nach persönlichen Glück begeben.
In einer ganz ähnlichen Ausgangslage begegnen wir dem Protagonisten dieses Romans. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass Ben vom Leben nichts mehr erwartet. Mit seinen 29 Jahren ist er verbittert, von Zynismus zerfressen und hat sich jedwedes Schönreden erfolgreich abtrainiert. Für ihn gibt es nur die gnadenlose, zuweilen bitterböse und ungefilterte Wahrheit. Doch genau diese kompromisslose Ehrlichkeit des Protagonisten gibt dem ganzen Roman eine herrlich humorvolle Note.
Mir hat „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ wirklich gut gefallen und ich finde es ist ein außergewöhnliches und beeindruckendes Roman-Debüt. Es ist diese Kombination aus Düsternis und humorvoller Spitzzüngigkeit, die mir auf Anhieb gefallen hat.
Der Schreibstil ist packend und modern und die Seiten fliegen binnen kürzester Zeit nur so dahin. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen, weil ich es nicht beiseitelegen könnte.
Ich sollte dabei erwähnen, dass sich Osswald sehr expliziter Sprache bedient (was angesichts des Titels keine Riesenüberraschung ist) und damit vielleicht nicht jedermanns Geschmack trifft. Meiner Meinung nach hat das aber auch sehr gut zum Charakter der Geschichte und des Protagonisten gepasst.
Zuletzt haben mir auch die Kapitel und einzelne Gestaltungselemente im Buch sehr gefallen, sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.

Geschrieben wird in der Ich-Perspektive, sodass man uneingeschränkten Zugang zu den Gedanken und Gefühlen Bens bekommt. Das fand ich super, denn so erhält seine Figur schnell Kontur und wird nahbarer. Dadurch wurde es auch um einiges leichter seinen düsteren Gedanken zu folgen und sich in ihn hineinzuversetzen. Mit seiner sarkastischen und der negativen Grundeinstellung wirkt er zwar nicht immer sympathisch, aber als Figur sehr echt.
Ben ist in der Tat ein außergewöhnlicher Protagonist und hat eine sehr mitreißende Entwicklung gemacht. Von seiner anfänglichen Lähmung durch die Last seines eigenen Lebens beginnt er in seinen letzten 50 Tagen weitere drastische Veränderungen vorzunehmen und scheint sich dabei nach und nach aus seinem Käfig zu befreien. Dabei fand ich wirklich gut, dass der Autor hier auf jedwede rosarot geschmückte Szene neuentfachter Lebensfreude verzichtet hat und Ben sich stattdessen langsam und ausführlich mit seiner Situation befassen musste.
Dabei ergibt sich so manch eine überraschende Situation oder neue Begegnung, die auch den Leser den ein oder anderen Denkanstoß mit auf den Weg gibt.
Unterm Strich ist „Von hier betrachtet sieht das scheiße aus“ ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Kurzweilig und doch ungewöhnlich lädt es seine Leser ein auf eine Suche nach den Sinnbringenden Dingen des Lebens und macht Mut sein Leben einzig nach den eigenen Ansprüchen und Wünschen auszugestalten.
Ich hoffe, wir werden noch einiges von Max Osswald hören, bis dahin kann ich aber nur jedem nahelegen, diesem Roman eine Chance zu geben.

Veröffentlicht am 04.07.2022

Jugendroman-Volltreffer

Falling in love was not the plan
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„Falling in Love was not the Plan” von Autorin Michelle Quach ist eine sehr gelungene Mischung aus amerikanischer Teenage-Romcom und gesellschaftskritischem Denkanstoß. Es greift schwierige Themen wie ...

„Falling in Love was not the Plan” von Autorin Michelle Quach ist eine sehr gelungene Mischung aus amerikanischer Teenage-Romcom und gesellschaftskritischem Denkanstoß. Es greift schwierige Themen wie Sexismus, Rassismus und allgemeines Vorurteilsdenken gekonnt auf und ist dabei gleichzeitig herzerwärmend, humorvoll und mitreißend.
Im Zentrum der Erzählung steht Eliza Quan, eine amerikanische Teenagerin chinesisch-vietnamesischer Abstammung, die angestachelt von Fleiß und Ambitionen ungebremst auf den Posten der Chefredakteurin der Schülerzeitung zusteuert. Sie ist entschlossen, qualifiziert und bestens geeignet für den Job – und wie vor den Kopf gestoßen, als er an einen Anderen geht!
Ausgerechnet Len DiMartile, der gutaussehende Ex-Baseball Jock soll die Stelle bekommen, für die sie so hart gearbeitet hat, obwohl er erst seit Kurzem bei der Schülerzeitung ist und im Grunde nichts vorzuweisen hat, außer seiner Beliebtheit.
In einem Artikel schreibt sich Eliza all ihren Frust von der Seele, besonders darüber wie sich gelebter Sexismus nach wie vor durch den Schulalltag zieht und das Menschen wie Len dadurch profitieren.
Als der verhängnisvolle Text – der nie dafür bestimmt war von fremden Augen gelesen zu werden – am nächsten Tag auf der Titelseite der Schülerzeitung erscheint, hängt der Schulsegen auf einmal gefährlich schief und Eliza findet sich in einer Rolle wieder, in der sie sich selbst vermutlich nie gesehen hätte. Sie wird zum Kopf der feministischen Bewegung an ihrer Highschool und bekommt endlich eine reelle Chance, für mehr Gleichheit zu sorgen. Und während sie lernen muss, dass es beim Feminismus nicht immer eindeutig schwarz oder weiß, richtig oder falsch ist, findet Eliza schon bald heraus, dass auch Len weitaus mehr ist als nur ein Profiteur der Geschlechter-Ungerechtigkeit.
Mir hat dieses Buch wirklich gut gefallen. Michelle Quachs Schreibstil ist sehr leichtgängig, mitreißend und spiegelt hervorragend die Denk- und Handlungsweise der Protagonistin wider, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Sie schreibt außerdem sehr humorvoll und gewitzt, sodass man sich all zu leicht von der zeitgenössischen, romantischen und lustigen Atmosphäre einfangen lassen kann. Auch sprachlich war es sehr ansprechend. Die gewitzte Rhetorik und besonders auch die kulturellen Einflüsse (zB Sprichwörter auf Kantonesisch) haben mir sehr gefallen.
Auch interessant war, dass man es mit Eliza nicht unbedingt mit einer super liebenswerten Protagonistin zu tun hat. Sie ist in der Tat nicht perfekt, aber das macht sie und ihre Entwicklung auch so spannend. Einerseits ist sie scharfsinnig, klug und hat ein nahezu unerschütterliches Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten. Andererseits hat sie auch etwas sehr ich-bezogenes, ist schnell damit andere vorzuverurteilen, ohne diese richtig zu kennen und bildet sich sehr viel darauf ein, genau zu wissen, was richtig oder falsch ist. Es ist interessant zu beobachten, dass sie in diese Rolle der feministischen Anführerin der Schulbewegung rutscht, ohne Feminismus in seiner Gesamtheit und in all seinen Nuancen verstanden zu haben (und das hat sie ganz eindeutig nicht, so wie sie teilweise über ihre Mitschülerinnen und Mitschüler urteilt). Aber am Ende des Tages macht das ihre Figur auch so authentisch. Sie macht Fehler, liegt eben nicht immer richtig und muss noch eine Menge lernen. Eliza ist halt noch ein Teenager.
Doch ihre neue Rolle als feministische Anführerin gibt ihr nicht nur die Chance, vielleicht doch den Job zu bekommen, auf den sie so hart hingearbeitet hat, sie zwingt sie auch ihre Eigenbrötlerische, Mit-der-besten-Freundin-zusammen-gegen-den-Rest-der-Welt Haltung zu überdenken. Die vielen Gespräche, die sich dadurch ergeben, besonders die mit Len und Serena helfen ihr im Laufe des Buches sehr dabei zu erkennen, dass es kein genaues Regelwerk gibt, dem man folgen muss, wenn es darum geht, eine Feministin zu sein.
Die Geschichte lebt durch diese vielschichtigen, Makel-behafteten und interessanten Nebenfiguren, die auf die eine oder andere Weise an Elizas Seite landen. Winona hat es mir besonders angetan. Als quasi Stimme der Vernunft hat sie eigentlich immer etwas Wertvolles zu den Szenen beisteuern können.
Die Romanze mit Len fand ich auch sehr süß ausgearbeitet. Len ist ein sehr einnehmender Charakter und Eliza macht es ihm, um ehrlich zu sein, wirklich nicht leicht. Umso schöner ist es zu verfolgen, wie sie einander langsam besser kennenlernen und beginnen, Verständnis für den jeweils anderen aufzubringen. Ich denke, ich hätte es sehr spannend gefunden auch etwas aus Lens Perspektive lesen zu können.
So gut mir die Charaktere und ihre Dynamik untereinander gefallen, insbesondere da die Handlung sich sehr auf sie, ihre Entscheidungen und Gedankengänge konzentriert, so sehr habe ich auch geschätzt, wie nuanciert die Autorin verschiedene gesellschaftsrelevante Themen eingearbeitet hat. Sie präsentiert hier keinen grundlegenden Leitfaden für Feminismus und Sexismus, taucht nicht in die Abgründe aller Kontroversen ein oder nimmt das Patriarchat auseinander, bleibt dabei aber keineswegs oberflächlich und platt. Was sie tut, ist eine sehr reale und nachfühlbare Situation von Alltagssexismus zu kreieren, ohne dabei in Schwermütigkeit zu verfallen.
Alles in Allem fällt mein Fazit zu „Falling in Love was not the Plan“ von Michelle Quach sehr positiv aus und ich kann es gerade jüngeren Lesern nur ans Herz legen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.06.2022

Bin jetzt auch ein Stage Dive Fan

Kein Rockstar für eine Nacht
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„Kein Rockstar für eine Nacht“ ist der Auftaktband zu der vierteiligen Rockstar-Romance-Reihe von Autorin Kylie Scott und erzählt was eine durchzechte Nacht in Vegas so anrichten kann. Mit den Konsequenzen ...

„Kein Rockstar für eine Nacht“ ist der Auftaktband zu der vierteiligen Rockstar-Romance-Reihe von Autorin Kylie Scott und erzählt was eine durchzechte Nacht in Vegas so anrichten kann. Mit den Konsequenzen einer solchen Nacht hat nämlich die Protagonistin Evelyn zu kämpfen, als sie mit dem schlimmsten Kater ihres Lebens und einem fünf-Karat großen Ehering am Finger auf dem Badezimmerboden ihres Hotelzimmers erwacht. Der passende Ehemann dazu lässt auch nicht lange auf sich warten und damit fangen die Probleme an. Evelyn hat niemand geringeren als David Ferris geheiratet und der Gitarrist und Songwriter der erfolgreichen Rockband Stage Dive ist gar nicht begeistert davon, dass seine frisch gebackene Ehefrau scheinbar einen totalen Filmriss hat. Noch weniger begeistert sind nur die tausenden von wütenden Fans des Rockstars, die in Evelyn eindeutig eine Bedrohung für das Wohlergehen von Stage Dive sehen.
Evelyns zuverlässig durchgeplantes Leben hätte kaum schlimmer ins Chaos gestürzt werden können und als das Haus ihrer Eltern bei ihrer Rückkehr von wütenden Fans und gieriger Presse belagert wird, bleibt ihr keine andere Möglichkeit, als den Sturm ausgerechnet an der Seite ihres Ehemanns auszusitzen.
Alles in allem hat mir das Buch wirklich sehr gefallen. Ich wollte schon ewig mal ein Buch von der Autorin lesen und ich bin sehr froh, dass meine Wahl auf dieses hier gefallen ist. Der Schreibstil ist locker leicht, lässt einen quasi durch die Seiten fliegen und besticht außerdem durch seinen humorvollen Einschlag. Geschrieben wir ausschließlich aus der Sicht von Evelyn und so bekommt man sozusagen in Echtzeit mit, was der Wahnsinn des Berühmtseins für einen Einfluss auf das Leben haben kann. Dieser Aspekt hat mir sehr gefallen.
Evelyn und David fand ich als Protagonisten schnell sehr sympathisch und sie haben gut miteinander harmoniert. Nach einem doch sehr unglücklichen Start, entwickelt sich ihre Beziehung schnell in eine neue Richtung und ich fand wirklich schön, wie sich die Dynamik zwischen ihnen allmählich verändert.
Ich hätte es interessant gefunden, auch ein wenig der Handlung aus Davids Perspektive erleben zu können. Seine Figur hat mir sehr gefallen, aber manche Aspekte seines Handelns und Fühlens, ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen, hätten nach meinem Empfinden etwas besser ausgearbeitet werden können. Die letzten Kapitel erklären zwar viel und bieten eine gute Lösung, mir war es allerdings ein wenig zu „einfach“, wie schnell sich alles dann aufgelöst hat.
Erwähnen möchte ich auch noch die tollen Nebencharaktere. Es ist eine dieser Geschichten, bei denen man nicht nur wegen der Protagonisten dranbleiben möchte, sondern auch weil die ganze Atmosphäre der Geschichte so stark von den anderen Figuren mitgetragen wird. Besonders Mal, der Schlagzeuger der Band und Davids ältester Freund, hat es mir sehr angetan und ich möchte jetzt auch unbedingt seinen Teil der Reihe lesen.
Alles in allem konnte ich wunderbar in die Geschichte eintauchen und habe sie in einem Rutsch gelesen, weil ich so problemlos von ihr mitgerissen wurde. Die Charaktere laden zum verweilen ein und machen definitiv Vorfreude auf die anderen Teile der Reihe.

Veröffentlicht am 28.06.2022

Potential nicht ganz ausgeschöpft

Wie man sich einen Lord angelt
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„Der Lady’s Guide – Wie man sich einen Lord angelt“ ist ein historischer Liebesroman der seine Leser direkt ins Herz der Londoner Ballsaison des Jahres 1818 transportiert. Auf diesem gesellschaftlichen ...

„Der Lady’s Guide – Wie man sich einen Lord angelt“ ist ein historischer Liebesroman der seine Leser direkt ins Herz der Londoner Ballsaison des Jahres 1818 transportiert. Auf diesem gesellschaftlichen Mienenfeld der High Society muss jeder Schritt sitzen, jede Locke muss perfekt gelegt, das Benehmen tadellos sein. Es gilt ganz schön viel zu lernen über die Regeln und Konventionen dieser schillernden, makelfeindlichen Parallelwelt und ein Fehltritt kommt für Miss Kitty Talbot nicht in Frage. Dafür hängt viel zu viel von dem Erfolg ihres Vorhabens ab.
Nach dem Tod beider Eltern stehen die Talbot-Schwestern vor dem finanziellen Ruin. Unmöglich lassen sich die horrenden Spielschulden des Vaters aus eigener Kraft begleichen. Kitty, die älteste der Schwestern, sieht nur eine Option, um ein solches Schicksals abzuwenden. Sie muss reich heiraten. Und wo ließe sich ein besserer Kandidat für dieses Vorhaben finden als auf den Bällen der Lords und Ladys in London.
Wundersamerweise findet sich schon bald ein wohlhabender Junggeselle, den die unkonventionelle junge Frau von sich begeistern kann, doch hat sie dabei nicht die Rechnung mit seinem älteren Bruder gemacht. Lord Radcliff durchschaut Kittys Absichten sofort und ist fest entschlossen seinen kleinen Bruder vor dieser Heiratsschwindlerin zu beschützen. Allerdings täte er gut daran, die Entschlossenheit Kittys nicht zu unterschätzen...
Mein Fazit zu diesem Roman fällt insgesamt ganz gut aus. Die äußere Gestaltung ist wirklich gelungen und obwohl ich persönlich kein Fan von Personen auf Covern bin, finde ich die Aufmachung hier schön gemacht. Auch das Innenleben ist mit viel Detailliebe behandelt worden und macht dieses Buch durchaus zu einem Hingucker.
Inhaltlich hat mich dieser erste Teil des Lady’s Guide nicht vollständig abholen können. Die Idee, die der Handlung zugrunde liegt, hat mir echt gefallen und auch die Bewerbung als Kombination von Jane Austen und Bridgerton weckte auf Anhieb meine Neugierde. Alles in allem konnte der Roman aber nicht die Begeisterung wecken, die ich mir gewünscht hätte.
Der Schreibstil ist okay, lässt sich flüssig und angenehm lesen und ist in weiten Teilen auch bildhaft genug, dass die Vorstellungskraft geweckt wird. Nicht ganz so gefallen haben mir die teilweise willkürlich auftretenden Perspektivwechsel. Grundsätzlich mag ich solche Wechsel sehr, allerdings war in diesem Fall für mich nicht immer nachzuvollziehen, dass gerade einer stattgefunden hat. So beginnt man ein Kapitel aus der Sicht Kittys und liest dann auf einmal aus Radcliffs Perspektive weiter. Da hätte ich mir einfach etwas mehr Trennschärfe gewünscht.
Zuletzt hat es sich beim Lesen auch sprachlich nicht immer authentisch angefühlt.

Die Handlung fand ich alles in allem okay. Auf jeden Fall unterhaltsam mit seinen Wendungen und kleineren Kniffen, aber eben auch mit Längen. Abgesehen von den Ereignissen am Ende hatte ich mehr das Gefühl, eher einer Abfolge von Ereignissen zu folgen als einem sorgfältig ausgetüftelten Spannungsbogen. Das Buch schlägt definitiv mehr auf die Austen-Seite und porträtiert eine etwas Realitäts-nähere Liebesgeschichte als zB die Bridgerton Romane. Dieser Aspekt hat mir tatsächlich sehr gefallen. Kittys Kampf gegen ein beschädigtes Familien-Image und ihre Bereitschaft alle Gedanken an Romantik beiseitezuschieben, um das zu tun, was für die Familie am besten ist, wurde sehr überzeugend dargestellt.
Schade auf der anderen Seite war, dass es meiner Ansicht nach nicht gelungen ist, Kitty über diesen Kampf hinaus auszugestalten. Sie war mir nicht direkt unsympathisch, aber als Protagonistin einfach zu unausgewogen. Natürlich startet sie in einer schrecklichen Lage und muss auf gewisse Weise skrupellos vorgehen, um ihre Familie zu retten, aber mir hat die Emotionale Verbindung zu ihr gefehlt, um diesen Aspekt auszubalancieren. So wirkte sie auf mich überwiegend „nur“ skrupellos, selbstmitleidig, berechnend und manipulativ. Umso mehr, wenn man sie einer durch und durch arglosen und lieben Person wie Archie de Lacy gegenüberstellt.
Gegenüber von Radcliff hat sich das gebessert, weil er offensichtlich die einzige Person war, die sie nicht ohne weiteres blenden oder austricksen konnte. Trotzdem hat mir auch hier die Emotion gefehlt. Die meiste Zeit konnte ich die Chemie zwischen Kitty und Radcliff einfach nicht spüren, was sehr schade war.
Versteht mich nicht falsch, das klingt jetzt vermutlich alles sehr kritisch, aber ich will damit nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch oder nicht lesenswert war. Das ist es nicht. Es hat durchaus Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen und der Ladys Guide hat definitiv Unterhaltungsfaktor. Die Charaktere sind insgesamt sympathisch und es gibt hie und da etwas mitzufiebern. Mir persönlich hat allerdings einfach dieses gewisse Etwas gefehlt, dass die Geschichte besonders oder einprägsam macht, dieses Etwas, das einen mitreißt und emotional an die Geschichte bindet. Trotzdem ist „Wie man sich einen Lord angelt“ ein schönes Buch für zwischendurch und ist durchaus einen Blick wert!

Veröffentlicht am 06.06.2022

Sie starten zu Sechst, doch nur Fünf können es schaffen

The Atlas Six
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„The Atlas Six“ von Autorin Olivia Blake hat mich mit seinem Klappentext definitiv geködert. Magie, geheimnisvolle Entdeckungen und eine Gruppe völlig unterschiedlicher Figuren klangen zugegeben ganz nach ...

„The Atlas Six“ von Autorin Olivia Blake hat mich mit seinem Klappentext definitiv geködert. Magie, geheimnisvolle Entdeckungen und eine Gruppe völlig unterschiedlicher Figuren klangen zugegeben ganz nach meinem Geschmack und da es mein erstes Dark Academia Buch seit einer ganzen Weile werden sollte, war ich direkt doppelt gespannt.
Die Handlung folgt der Gruppe um Callum, Tristan, Nico, Libby, Reina und Parisa. Sie haben eigentlich nichts gemeinsam, kommen aus vollkommen unterschiedlichen Welten, jede und jeder mit seiner eigenen Geschichte, doch sie alle haben herausragende magische Fähigkeiten, die sie zu etwas besonderem machen.
Wie besonders, das hat auch jene Geheimgesellschaft erkannt, die seit jeher das Geheimnis um die Bibliothek von Alexandria hütet. Die sagenumwobene Heimat unschätzbar wertvollen magischen Wissens ist nie zerstört worden, wie es allgemeinhin geglaubt wird und wer sich in den Augen der Gesellschaft als würdig erweist, wird die einmalige Chance geboten, ihre Geheimnisse zu ergründen. Alle zehn Jahre wird sechs Anwärtern die Chance gegeben, sich zu beweisen und der Gesellschaft beizutreten. Doch es sind nur fünf Plätze zu vergeben und schon bald stellt sich die Frage, wer von ihnen bereit ist, alles für Macht und Wissen zu geben.
Ich kann nicht direkt von Begeisterung sprechen, aber mir hat „The Atlas Six“ wirklich sehr gefallen. Es ist eine so außergewöhnliche Idee, dass man sich voll und ganz von der Handlung einnehmen lassen kann. Die Sprache ist teilweise etwas „hochgestochen“, ich habe mich aber in Windeseile daran gewöhnen können und ab da einfach von dem packenden, spannungsvollen Schreibstil mitreißen lassen. Das Setting war so bildhaft und lebendig beschrieben, dass man sich wirklich leicht in die Umgebung hineindenken konnte.
Ein ganz entscheidender Punkt an der Geschichte, ist aber zweifellos das ungewöhnliche Potpourri an Protagonisten, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit aufregend und außergewöhnlich ergänzen. Sie sind vielschichtig, tiefgründig, zeigen rohe und nachfühlbare Emotionen und sind insgesamt sehr glaubhaft ausgestaltet. Toll fand ich auch, dass die Autorin darauf verzichtet hat, jeden von ihnen zu einem „Publikumsliebling“ zu machen. Dieses Wechselspiel aus Antipathie und Sympathie hat für mich sehr gut funktioniert und die Figuren und ihren Umgang untereinander um einiges Interessanter gemacht. Immer wieder habe ich ihre Motive und Handlungen hinterfragt und nie war ich mir sicher damit, einen Charakter durchschaut zu haben. Gleiches gilt für meine Gefühle ihnen gegenüber. Ich habe keinen „nur geliebt“ oder „nur gehasst“.
Erwähnenswert finde ich auch, dass die Autorin einen sehr individuellen Ansatz bzw. eine recht neue Vorstellung von Magie darstellt. Es war auf eine Weise mathematischer, auf jeden Fall aber Komplexer als das, was ich so bisher gelesen habe. Ich bin jedes Mal fasziniert, wie viele Facetten von Magie in Büchern man finden kann, ohne das Gefühl zu bekommen, diese Variante schon irgendwo mal gesehen zu haben.
Tatsächlich habe ich mir zwischendurch gedacht, dass sie das Potential dieser Magischen Welt noch weiter hätte ausschöpfen können, aber ich hoffe darauf, dass sie sich das nur für die Folgebände aufbewahrt hat. Ein etwas zügigeres Tempo hätte zwischendurch auch nicht geschadet, aber das ist natürlich sehr subjektiv.
Insgesamt war „The Atlas Six“ für mich ein wirklich aufregendes und mitreißendes Leseerlebnis. Als Auftaktband einer Reihe hätte es nach meinem Empfinden noch ein bisschen Luft nach oben. Es hat mich aber allemal neugierig auf die Fortsetzungen gemacht!