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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.02.2022

Berührend

Marianengraben
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Nach dem Unfalltod ihres kleinen Bruders stürzt Paula in eine schwere Depression. Eine zufällige Begegnung mit dem senilen Helmut führt zu einem spontanen Roadtrip mit Hund und Huhn im Gepäck. Eine Fahrt ...

Nach dem Unfalltod ihres kleinen Bruders stürzt Paula in eine schwere Depression. Eine zufällige Begegnung mit dem senilen Helmut führt zu einem spontanen Roadtrip mit Hund und Huhn im Gepäck. Eine Fahrt für Helmut, um die Asche seiner ausgebuddelten Ex-Frau in den Bergen zu verstreuen, und eine Fahrt für Paula, um sich von der Vergangenheit zu lösen und mit dem Geschehenen leben zu lernen.

Jasmin Schreiber ist mit Marianengraben eine leichte, humorvolle Geschichte über ernsthafte Themen gelungen. Als Protagonisten zwei grundverschiedene Menschen, die ineinander Halt und Trost finden und am Ende mehr gemeinsam haben als anfangs gedacht. Kapitel für Kapitel taucht Paula aus der Dunkelheit ihres Marianengrabens auf, als welchen sie ihre Trauer personifiziert. Toll geschrieben und sehr gerne gelesen, Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 11.02.2022

Der letzte Flug der Küstenseeschwalbe

Zugvögel
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In einer nicht allzufernen Zukunft sind die Ozeane leergefischt, die letzten wilden Tiere leben in Schutzzonen unter den sorgenvollen Augen von Wissenschaftlern, strengstens vor der Außenwelt abgeschirmt. ...

In einer nicht allzufernen Zukunft sind die Ozeane leergefischt, die letzten wilden Tiere leben in Schutzzonen unter den sorgenvollen Augen von Wissenschaftlern, strengstens vor der Außenwelt abgeschirmt. Und auch die Vögel sind nahezu vollständig verschwunden.

Mit dem Ziel, den letzten noch lebenden Küstenseeschwalben bei ihrem Flug von Grönland bis in in Antarktis zu folgen, heuert Franny auf einem der wenigen noch verbliebenen Fischkutter an. Sie überzeugt Kapitän und Besatzung ihrem eigentlichen Fanggebiet den Rücken zu kehren, denn die Vögel würden sowohl Franny Erkenntnisse über die Überlebensstrategie dieser Art liefern, aber auch den Seemännern den Weg zu neuen Fischgründen weisen. Denn da wo es die Seevögel hinzieht, wird auch Nahrung sein. Und so reisen sie über den Atlantik, folgen einzig und allein drei mit Peilsendern ausgestatteten Vögeln, und während sich Franny mit der Mannschaft anfreundet, wird sie nach und nach von der Vergangenheit eingeholt.

Ich hab das Buch komplett weggeatmet, was mitunter auch an der unheimlich bildhaften Sprache liegt. Hoffnung und Sehnsucht ziehen sich durch die gesamte Geschichte, das Auffinden eines als ausgestorben geltenden Wolfes gilt zwischenzeitlich als Sensation und ist eine Vision, an die man sich nicht gewöhnen möchte, die aber gar nicht mal so unrealistisch ist. Erinnert thematisch ein wenig an Maja Lundes Klimaquartett samt großangelegtem Artensterben sowie Catherine Poulains Protagonistin in "Die Seefahrerin". Genau im richtigen Gleichgewicht zwischen aufregend und zartfühlend erzählt und literarisch ein völliger Glücksgriff. Ich reihe mich gerne in die endlose Reihe an Leseempfehlungen ein.

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Veröffentlicht am 05.02.2022

Schwer verdaulich

Was man sät
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"Wir haben den Weg verloren, und es ist niemand da, den wir danach fragen könnten." (S 95)

Die kleine Jas wünscht sich den Tod ihres Bruders herbei, um ihr geliebtes Kaninchen vor dem Schlachten zu retten. ...

"Wir haben den Weg verloren, und es ist niemand da, den wir danach fragen könnten." (S 95)

Die kleine Jas wünscht sich den Tod ihres Bruders herbei, um ihr geliebtes Kaninchen vor dem Schlachten zu retten. Als dieser kurze Zeit später im zugefrorenen See einbricht und ertrinkt, verliert die hinterbliebene Familie den Halt im Leben. Die Mutter verweigert stoisch das Essen, der Vater flüchtet sich in die Arbeit, und die drei zum Teil noch jungen Kinder werden von jetzt auf gleich sich selbst überlassen.

"Was man Sät" ist einer jener Romane, bei denen es mir unheimlich schwer fällt, eine treffende Rezension zu schreiben. Dieses Buch ist zweifelsfrei erdrückend und eines, in welchem die Fragilität des Menschen auf krasseste Art zur Geltung kommt. Rijneveld erzählt von Eltern, deren Haltlosigkeit im Leben der hinterbliebenen Kindern tiefliegende Furchen hinterlässt und welche komplett orientierungslos durch eine plötzlich unbekannte Welt irren. Die Eltern sind gelähmt vor Schmerz, die drei Kinder voll von unverstanden Gefühlen, welche die Geschwister zu ungewöhnlichen, teils kranken Handlungen antreiben. Rijneveld hat einen expliziten Sprachstil, der sich oftmals ins unerträgliche steigert und den Leser durch seine Detailversessenheit absolut nicht schont. Ungewöhnlich metaphorisch und extrem ausdrucksstark ist "Was man Sät" eine fesselnde Geschichte über Elend, Schuld und Trauer, die einen starken Sog ausübt, meiner Meinung nach aber wirklich zu häufig ins Abstoßende abdriftet. Stellenweise enorm unangenehm zu lesen und definitiv keine leichte Lektüre, die unbedingt Spaß macht. Irgendwie lässt mich der Roman ziemlich ratlos zurück, obwohl ich ihn kaum aus der Hand legen konnte und letztendlich echt ziemlich gut fand.

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Veröffentlicht am 30.01.2022

Aktuelle Parallelen

Monschau
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In unmittelbarer Nähe der belgischen Grenze liegt die mittelalterlich anmutende Stadt Monschau, ein recht unscheinbarer Ort im Wirtschaftswunderland Deutschland. Die meisten Einwohner arbeiten im örtlichen ...

In unmittelbarer Nähe der belgischen Grenze liegt die mittelalterlich anmutende Stadt Monschau, ein recht unscheinbarer Ort im Wirtschaftswunderland Deutschland. Die meisten Einwohner arbeiten im örtlichen Industriekomplex der Rither-Werke, die auf internationalem Markt höchst erfolgreich Schmelzöfen vertreiben. Zumindest, bis eine unsichtbare Gefahr aufkommt und das Leben von jetzt auf gleich lahmzulegen droht. Patient 0, ein Reiserückkehrer aus Indien. Verdacht auf - nicht Corona, sondern - Pocken.

Nikos, ein angehender Arzt, wird ins Pockengebiet entsandt und kaum angekommen zum Betriebsarzt des örtlichen Hotspots ernannt: der Rither-Werke. Hier lernt er Vera kennen, rechtmäßige Erbin jener Großwerke, die durch den Einsatz von Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg erbaut wurden. Sie liest Simone de Beauvoir, liebt den Jazz und studiert journalistisches Schreiben in Paris. Doch während die junge Avantgardistin in der Nordeifel nach der Topstory ihres Lebens sucht und Nikos mit Schutzanzug den unsichtbaren Wegen der Epidemie nachspürt, finden beide ganz unverhofft, inmitten des vorletzten großen Pockenausbruchs in Deutschland, die Liebe.

Toll erzählt, zudem super spannend auch mit aktuellen Ereignissen vergleichbar, erzählt Kopetzy von Sorgen und Träumen in Zeiten von Quarantäne und Isolation. Und natürlich vom Karnevalsverbot und dem Sichauflehnen gegen die behördlichen Maßnahmen. Kopetzky webt zeitgeschichtliches, internationales Geschehen in die Story ein und erschafft einen lehrreichen sowie komplexen Roman über ein (zumindest mir) kaum bekanntes Ereignis. Die Charaktere bleiben leider ein wenig blass, aber sonst habe ich nichts auszusetzen: ein Lesevergnügen, welches quasi das aktuelle Zeitgeschehen in den Kontext des Jahres 1962 einwebt. Lehrreich, ohne dabei ein ödes Sachbuch zu sein, cool!

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Veröffentlicht am 23.01.2022

Durchgezogen.

Zum Paradies
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So, nun habe ich satte 48 Tage an diesem Schinken gelesen, und ich denke das spricht bereits für sich. Mir hat "Zum Paradies" nämlich überhaupt nicht gefallen.
Ich fand es vor allem ziemlich leblos erzählt. ...

So, nun habe ich satte 48 Tage an diesem Schinken gelesen, und ich denke das spricht bereits für sich. Mir hat "Zum Paradies" nämlich überhaupt nicht gefallen.
Ich fand es vor allem ziemlich leblos erzählt. Nicht unbedingt lieblos, denn die Handlung ist wirklich sehr fein bis ins Detail ausgeschmückt (was aber zeitgleich der Spannung leider enooooorm Abbruch getan hat). Die Protagonisten haben mich allesamt einfach nicht berührt und obwohl der Klappentext thematisch so ansprechend war, hat die eigentliche Handlung dann kaum mein Interesse geweckt, mich voll und ganz auf die Geschichte einlassen zu wollen.

Ich bin natürlich nicht ganz unvoreingenommen an die Geschichte herangetreten, nachdem "Ein wenig Leben" eines meiner Highlights im letzten Jahr war. Dass mich der neue Roman von Yanagihara in eine wochenlange Leseflaute versetzen wird, hätte ich niemals erwartet. Ich hab mich auf eine lange Geschichte zum mitfiebern und eintauchen gefreut, fand aber das stilistische Konzept, welches dem Buch zugrunde liegt, schwierig durchdringbar, sodass die vielen Davids und Wiederholungen irgendwie mehr verwirrend als erhellend waren.

Long story short: ziemlich langweilig, verwirrend, langatmig und absolut gar nicht mein Buch.

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