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Veröffentlicht am 09.08.2021

Ironisch, manchmal brutal, dabei super spannend

Wild Card
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Weston Kogi ist vor vielen Jahren aus dem westafrikanischen Land Acacia, das im Chaos versank, mit Hilfe seiner Tante geflohen. Obwohl er nie wieder dorthin zurückkehren wollte, fliegt er zur Beerdigung ...

Weston Kogi ist vor vielen Jahren aus dem westafrikanischen Land Acacia, das im Chaos versank, mit Hilfe seiner Tante geflohen. Obwohl er nie wieder dorthin zurückkehren wollte, fliegt er zur Beerdigung seiner Tante. Dort trifft er auf seine Jugendliebe Nana und Church, der ihn als Jugendlicher drangsaliert hat und heute Mitglied der Rebellentruppe Liberation Front ist. Er zwingt Weston, der von sich behauptet Kriminalbeamter zu sein, aber nur Wachmann ist, den Mord an einem beliebten Politiker aufzuklären. Dabei wird von Weston erwartet, die Schuld der rivalisierenden christlichen Volksarmee zu zuschreiben. Die wiederum setzen Weston unter Druck, das Gegenteil zu beweisen. Die Lage wird immer undurchsichtiger und Weston möchte nur noch heil zusammen mit Nana aus der Geschichte rauskommen.
Der Erzählstil des Autors hat mich von der ersten Seite an gefangengenommen. Die lapidare Sprache mit ihrer beißenden Ironie macht einfach Spaß. Dabei ist die Geschichte sehr spannend und für europäische Vorstellungen manchmal geradezu grotesk.
Weston war mich sofort sympathisch. Fast tat er mir leid, als er sich ungewollt mit den Verhältnissen in seinem Heimatland konfrontiert sieht - er, der Londoner aus langweiligen geordneten Verhältnissen. Überrascht hat mich, wie schnell er sich mit den Gegebenheiten, die von Gewalt und Korruption geprägt sind, zurecht gefunden hat und wie professionell er als Laie die Ermittlungen durchführt.
Auch seine Entwicklung vom Getriebene, Spielball der verschiedenen Machtblöcke hin zum Agierenden, der seine Vorteile zu nutzen weiß, fand ich überzeugend.
Weitere Spannung erzeugen die überraschenden Wendungen, die sowohl Weston als auch mir einiges abverlangt haben.
Das Ende habe ich so nicht erwartet, aber es passt zu Weston und der packenden Geschichte.
Der Autor hat in meinen Augen einen außergewöhnlichen Thriller geschrieben, der mich in ein für mich fremde und verstörende Welt voller Gewalt entführt . Dem stellt er Weston, einen sympathischen und empathischen Helden gegenüber, der zeigt, dass man in einer solchen Umgebung überleben kann, ohne alle Prinzipien über Bord zu werfen.

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Veröffentlicht am 02.08.2021

Schrecken des Friedens

Was uns durch die Zeiten trägt
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Lindenau ist ein kleines Dorf in Niederschlesien. 1943 ist der Alltag vom Krieg geprägt. Die wehrfähigen Männer sind im Krieg. Die Nazis haben das Sagen und ein falsches Wort kann schlimme Folgen nach ...

Lindenau ist ein kleines Dorf in Niederschlesien. 1943 ist der Alltag vom Krieg geprägt. Die wehrfähigen Männer sind im Krieg. Die Nazis haben das Sagen und ein falsches Wort kann schlimme Folgen nach sich ziehen. Die Zurückgebliebenen versuchen die viele Arbeit zu bewältigen, unterstützt durch Zwangsarbeiter. So lernt die junge Luise den Polen Marian kennen. Während Luises Erinnerung an ihre erste Liebe Wolfgang, der an der Front ist, verblasst, wird Marian Luises Fels in der Brandung. Alle hoffen auf Frieden und damit auf ein normales Leben. Das Ende des Krieges bringt statt des ersehnten Friedens nur weit größeren Schrecken.

Von der ersten Seite an mochte ich Luise mit ihrer Schwärmerei für den Nachbarsjungen Wolfgang, ihre Ungeduld gegenüber den jüngeren Geschwister, die einfach nur nerven und den Auseinandersetzungen mit den Eltern. Auf den ersten Blick erscheint Luise wie jedes Mädchen heutzutage. Der Schein trügt, denn der Krieg und die Naziherrschaft bestimmen ihren Alltag. Der Nachbarsjunge zieht in den Krieg. Luise muss aufpassen, was sie sagt, damit es nicht in falsche Ohren gerät. Die Autorin beschreibt den Dorfalltag sehr einfühlsam mit eher nüchternen Worten ohne zu lamentieren.

Gut gefallen hat mir die langsame Annäherung zwischen Luise und dem Zwangsarbeiter Marian. Dabei hat besonders Marian meinen Respekt verdient. Er wird auf dem Hof von Luises Eltern abschätzig behandelt. Er musste Gräueltaten in seiner Heimat durch die Deutschen miterleben. Dennoch hat er Luise als Einzelperson gesehen und nicht pauschal verurteilt.

Wenn ich dachte der Kriegsalltag wäre kaum zu ertragen, wurde ich durch die weitere Erzählung der Autorin eines besseren belehrt. Die Sieger waren in ihrem Siegestaumel und Wunsch nach Rache und Vergeltung gnadenlos und unberechenbar. Auch dies bringt mir die Autorin in eindrücklichen Bildern nahe und hat damit die unterschiedlichsten Gefühle in mir ausgelöst : Mitleid, Trauer, Wut, aber auch Verständnis für die Sieger.

Obwohl der Roman ein trauriges Kapitel der Geschichte behandelt, liest sich das Buch unterhaltsam und spannend. Diese Balance hat die Autorin meisterhaft hinbekommen.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Zwischen Pflicht und Liebe

Das Spiel der Ketzerin
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Die Grafentochter Alida von Erkenwald wächst frei von den strikten Beschränkungen eines Mädchens auf der väterlichen Burg auf. Ihr Lebensweg scheint in eine sorgenfreie Zukunft zu führen. Da kreuzt das ...

Die Grafentochter Alida von Erkenwald wächst frei von den strikten Beschränkungen eines Mädchens auf der väterlichen Burg auf. Ihr Lebensweg scheint in eine sorgenfreie Zukunft zu führen. Da kreuzt das Böse in Person des Ordensritter Konrad von Westerburg ihren Weg. Alida bleibt nur die Flucht nach Köln. Hilfe findet sie bei dem jüdischen Kaufmann Salomon ben Isaak. Aus Freundschaft zu Alidas Vater verspricht er, sie zum Kaiser nach Worms zu bringen, den Alida um Unterstützung bitten will. Aus Sicherheitsgründen wird aus Alida Salomons Tochter Sara.

Schneller als gedacht fallen sie Konrads Häscher, dem Ordensritter Richard von Thurau, in die Hände. Will Alida doch noch ihr Ziel erreichen, muss sie Richard auf ihre Seite ziehen.

Die Geschichte beginnt mit einem Paukenschlag. Konrad ist nicht zimperlich, als er die Burg in seine Hände bringt. Und für mich war klar, dass er das personifizierte Böse ist - manipulativ, grausam und erschreckend intelligent.

So scheint Alida auf den ersten Blick keine Chance zu haben. Dank ihres Mutes und ihre Intelligenz entwickelt sie sich im laufe der Geschichte zu einer ebenbürtigen Gegenspielerin.

Über Richard musste ich immer wieder schmunzeln. Er erinnerte mich stark an den Parzival aus der Artussage. Er wirkte naiv und manchmal fast schon einfältig mit seinem Drang nach Ehrlichkeit und seinem Glauben an das Gute in einer Welt, in der es auch Neid, Geldgier und Verrat gibt. Die Autorin schildert sehr unterhaltsam und mit viel Humor, wie Richard Gefühle für Sara entwickelt. Für Richard ein doppeltes Problem, da er Ordensbruder ist und zudem Alida für eine Jüdin hält.

Spannend darin eingeflochten sind Konrads Versuche, doch noch Alidas habhaft zu werden. Die Boshaftigkeit, die er dabei entfaltet, ist wirklich beängstigend. Das Ende ist sehr dramatisch und ich hätte nicht mit Alida tauschen wollen, denn es wird nochmal richtig brenzlig für sie.

Die Autorin hat in meinen Augen einen wundervollen Unterhaltungsroman geschrieben mit einer spannenden als auch humorvollen Geschichte und zwei sympathischen Hauptfiguren, denen ich das Happyend von Herzen gegönnt habe.

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Im Dunkel der Vergangenheit

Böse Seele: Thriller
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Kommissar Martyn Becker hat einige Geheimnisse, von denen seine Kollegin Milla Rostow nichts weiß. Er wurde als Teenager adoptiert. Seine Kindheitserinnerungen liegen im Nebel. Sein Vater sitzt als überführter ...

Kommissar Martyn Becker hat einige Geheimnisse, von denen seine Kollegin Milla Rostow nichts weiß. Er wurde als Teenager adoptiert. Seine Kindheitserinnerungen liegen im Nebel. Sein Vater sitzt als überführter Mörder im Gefängnis. Martyn kommt gut durchs Leben bis ein neuer Fall wie ein Scheinwerfer auf Martyns Vergangenheit strahlt.

Sein Vater scheint eine zentrale Rolle zu spielen. Drahtzieher oder Opfer ? Milla, die ihrem Partner Martyn bisher bedingungslos vertraut hat, fühlt sich von ihm hintergangen. Auf Fragen nach seinem Vater und die Vergangenheit reagiert er ausweichend. Kennt er den Täter und will er ihn aus persönlichen Gründen decken ?

Und wer ist Johanna, die im Hintergrund einige Fäden zieht ? Martyn muss sich seiner persönlichen Hölle stellen.

Der Einstieg in die Handlung war zu Beginn etwas verwirrend. Es gibt parallele Handlungsstränge und ich erhalte viele verschiedene Informationen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Erst im laufe der Handlung erkennt man langsam ein Muster.

Martyn war mir am Anfang nicht besonders sympathisch. Durch seine Verschlossenheit und sehr brüske Art gegenüber Milla war es für mich schwer, ihn zu verstehen. das ändert sich erst, als ich mehr über seine Vergangenheit erfahren habe. Bei Milla habe ich bewundert, wie sehr sie Martyn trotz ihrer Vorbehalte unterstützt. Aber auch Milla hat dunkle Flecken auf der Seele und zeitweise habe ich befürchtet, sie könnte das richtige Ziel aus den Augen verlieren.

Martyns Vater war mit trotz seiner Vergangenheit sympathisch. Ich habe ihn nie als Bedrohung empfunden.

Johanna ist ein sehr undurchschaubarer Charakter. Sie ist zielstrebig und skrupellos, aber ihre Motive bleiben lange Zeit im Dunkeln.

Der Krimi ist in meinen Augen packend geschrieben und wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf. Dank des Buches hatte ich einige fesselnde mit Gänsehaut versehende Lesestunden.

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Veröffentlicht am 15.07.2021

Der Krieg ist in den Köpfen noch lange nicht vorbei

Bündnis der Hoffnung
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Der Krieg ist seit 6 Jahren vorbei, aber die Nachwirkungen sind allgegenwärtig.

Im Schwäbischen hoffen treue Nazianhänger immer noch auf Hitlers Wiederkehr und versuchen Andersdenkende einzuschüchtern.

Stellvertretend ...

Der Krieg ist seit 6 Jahren vorbei, aber die Nachwirkungen sind allgegenwärtig.

Im Schwäbischen hoffen treue Nazianhänger immer noch auf Hitlers Wiederkehr und versuchen Andersdenkende einzuschüchtern.

Stellvertretend für so viele steht das Schicksal dreier Frauen aus einem kleinen schwäbischen Dorf. Mutter Helene wartet immer noch auf die Heimkehr ihres vermissten Mannes. Tochter Klara ist verheiratet. Doch statt Geborgenheit bereitet der Ehemann nur weitere Probleme. Und die jüngere Schwester Gertrude hat Angst, dass ihre Familie zerbricht und der Krieg zurückkommt. Sie setzt ihre ganze Hoffnung auf den ehemaligen französischen Zwangsarbeiter Gilbert, der in mitten des Krieges der Familie ein kleines Stück Glück gegeben hat. Gertrude, von Verzweiflung getrieben und doch voller Hoffnung, macht sich auf ins Feindesland Frankreich.

Dies ist der 2. Band einer Trilogie. Obwohl ich den 1. Band nicht kenne, habe ich mich gut in der Geschichte zurecht gefunden.

Ich habe die drei Frauen gleich ins Herz geschlossen. Die Autorin schildert anschaulich den Alltag der Familie, der auch 6 Jahre nach Kriegsende geprägt ist von Mangel, Unsicherheit, Kriegstraumata und der Angst vor einem neuen Krieg. Während Helene und Klara damit beschäftigt sind, den Alltag zu meistern und ihnen die Kraft fehlt, Veränderungen herbei zu führen, ist Gertrude entschlossen, ihr Schicksal bewusst zu beeinflussen.

Sie begibt sich auf die Suche nach Gilbert, ihre personifiziertes Stück Glück und Zuversicht . Womit Gertrude nicht gerechnet hat, ist der Hass, der ihr als Deutsche in Frankreich entgegen schlägt. Sie muss sich mit der Frage nach Schuld, Sühne und Verantwortung auseinandersetzen.

Diese auf den ersten Blick schwierige Thematik wird von der Autorin unterhaltsam und nachvollziehbar , aber nicht moralisierend dargestellt .

Inzwischen versuchen zuhause die Unbelehrbaren Gertrudes Familie zu tyrannisieren, weil Klara für die französische Verwaltung arbeitet.

Trotz des sperrigen Themas liest sich der Roman in meinen Augen sehr unterhaltsam und in manchen Abschnitten auch sehr berührend, ohne rührselig zu werden.

Das Buch ist spannend , stimmt aber auch nachdenklich und macht deutlich, dass ein Krieg auch nach einem Friedensschluss noch lange nachwirkt.

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