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Veröffentlicht am 08.04.2020

Ein absolutes Wohlfühlbuch

Easter Parade
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Hallo ihr Lieben, ich freue mich euch heute wieder eine Literaturbesprechung vorstellen zu können. Diese zu schreiben fällt mir gar nicht leicht, obwohl mich das Buch komplett überzeugen konnte. Richard ...

Hallo ihr Lieben, ich freue mich euch heute wieder eine Literaturbesprechung vorstellen zu können. Diese zu schreiben fällt mir gar nicht leicht, obwohl mich das Buch komplett überzeugen konnte. Richard Yates »Easter Parade« wurde 1976 veröffentlicht und fand zu Lebzeiten des Autoren kaum Beachtung. Ein Umstand, den ich mir schwer erklären kann, denn mich haben sowohl Charaktere als auch Setting und Thematik fasziniert. Der Penguin-Verlag hat das Taschenbuch des Klassikers im Sommer 2019 herausgebracht.

Die Handlung spielt im Amerika der 1930er Jahre. Zwei Schwestern, Emily und Sarah, leben mit ihrer frustrierten und meist schlecht gelaunten Mutter unter einem Dach. Ihre Kindheit und Jugend ist von ständigen Ortswechseln geprägt, sodass sie nie lange in einer Stadt Fuß fassen und sich sozialisieren können. Die jungen Frauen entwickeln sich komplett unterschiedlich. So heiratet Sarah früh, bezieht ein Haus mit ihrem Ehemann und bekommt drei Söhne. Emily hingegen fokussiert sich auf ihre Karriere und stürzt sich in unverbindliche Affären. Allerdings sind weder Sarah noch Emily wirklich glücklich.

Zunächst hat Yates die Atmosphäre der Dreißigerjahre in den Vereinigten Staaten gut eingefangen. Die handelnden Personen haben von Beginn an mein Interesse geweckt, auch wenn sie keineswegs außergewöhnlich sind. Gerade deshalb vielleicht, konnte ich mich hier und da gut in die Figuren hineinversetzen und ihre Handlungsweisen nachvollziehen. Yates hat ein großartiges Gespür für die leisen, aber relevanten Zwischentöne und schreibt insgesamt auf eine sehr einnehmende Weise. Die Formulierungen wirken sorgsam durchdacht und hinterließen bei mir einen nachhaltigen Eindruck.

Durch seine eindringliche und schnörkellose Sprache, gelingt es dem Schriftsteller Richard Yates, eine unterschwellige Traurigkeit zu schaffen, die man auf jeder Seite spüren kann. Die Wünsche und Träume der Protagonistinnen scheitern im realen Leben. Entweder am Alkohol und der Einsamkeit oder an Männern und seelischem Kummer. Der Roman ist in der Lage, seine Leser zu fesseln und auf das Wesentliche zu lenken. Die gute Beobachtungsgabe des Autoren und seine Schilderungen, die frei sind von Wertung und Beurteilung, machen »Easter Parade« besonders.

»Easter Parade« besticht durch seine Sachlichkeit und den Verzicht auf große Spannungsmomente und Emotionalität. Mich hat die latente Tragik und die Menschlichkeit sehr berührt. Mein bisheriges Highlight in 2020.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Zwei Perspektiven, zwei Wahrheiten

Nichts, was uns passiert
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Hey, ich habe heute wieder eine Rezension für euch. Nachdem ich folgendes Buch bereits Anfang des Jahres gelesen habe, wird es Zeit, es euch näher vorzustellen. Sicherlich werden es viele von euch auch ...

Hey, ich habe heute wieder eine Rezension für euch. Nachdem ich folgendes Buch bereits Anfang des Jahres gelesen habe, wird es Zeit, es euch näher vorzustellen. Sicherlich werden es viele von euch auch schon kennen. Und sei es nur oberflächlich von Instagram oder aus dem Buchladen. Ich habe mich mit einer Literaturbesprechung zu »Nichts, was uns passiert« von Bettina Wilpert sehr schwer getan. Das lag vorwiegend an dem sehr sensiblen Thema, an dem man sich als Autor schnell auch in die Nesseln setzen kann. Das Taschenbuch erschien im Oktober 2019 im btb-Verlag.

Fußball-Weltmeierschaft 2014 in Brasilien: Die Studenten Anna und Jonas lernen sich in Feierlaune und unter dem Einfluss von viel Alkohol in Leipzig kennen. Schnell kommen beide ins Gespräch und verbringen eine gemeinsame Nacht, ohne Aussicht auf eine weitere Verabredung. Kurz darauf aber treffen sie sich auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Kommilitonen wieder und landen im Bett. Am nächsten Morgen ist für Anna klar, dass sie vergewaltigt wurde. Viele Wochen später zeigt sie Jonas an. Als er mit dem Vorwurf konfrontiert wird, bricht eine Welt für ihn zusammen. Völlig schockiert über die komplett andere Wahrnehmung Annas beginnt für ihn ein Spießrutenlauf. Anna muss sich folglich als Falschbeschuldigerin und Jonas sich als Vergewaltiger verunglimpfen lassen. Was geschah wirklich?

Passend zur immer noch sehr aktuellen #MeToo-Debatte, schreibt Wilpert über eine widersprüchliche Beischlaf-Erinnerung zweier Mittdreißiger. Für Anna war es eine Vergewaltigung, für Jonas ein klassischer One-Night-Stand. Auf dokumentarische Weise erzählt Bettina Wilpert die Erinnerungen einer Nacht, die Jonas und Anna anschließend völlig unterschiedlich wahrgenommen haben. Dabei greift sie auf die Aussagen von Mitmenschen zurück, die beide Protagonisten gut zu kennen scheinen und die sich dem Druck einer Parteinahme ausgeliefert sehen. Wilpert urteilt nicht, sie beschreibt die Wahrnehmungen beider Charaktere auf glaubhafte und nachvollziehbare Weise. So schafft sie eine gesellschaftliche Tragödie, die einen Schuldigen sucht, aber keinen zu finden vermag.

Der Erzählstil ist zweifelsohne das Besondere an Wilperts Roman, denn, es gelingt ihr in jeder Zeile, ihre Leser unbeeinflusst zu fesseln und ihnen ein eigenes Urteilsvermögen zu erlauben. Die Erinnerungen von Anna und Jonas sind so verschieden und so in die Irre führend, dass es unmöglich scheint, sich auf eine Seite zu schlagen. Und genau das möchte die Autorin erreichen. Sie sensibilisiert für das Wesentliche: ein sexuelles Erlebnis mit einem Ausgang, der im Verborgenen bleibt. Mir gefielen sowohl die Idee der Geschichte, als auch die Figuren, der Schreibstil und die aus meiner Sicht herausragende Umsetzung all dieser Faktoren.

Bettina Wilpert ist ein spannendes, intelligentes und sehr nachdenklich machendes Debüt gelungen. Ein moralisches Trauerspiel, dass den Nerv der Zeit trifft.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Inspirierend und aufregend

Skandalös
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Ihr Lieben, es wird Zeit für die Vorstellung eines Buches, dass ich bereits Anfang Februar beendet, bisher aber nicht auf meinem Blog rezensiert habe. Die Rede ist von »Skandalös – Das Leben freier Frauen« ...

Ihr Lieben, es wird Zeit für die Vorstellung eines Buches, dass ich bereits Anfang Februar beendet, bisher aber nicht auf meinem Blog rezensiert habe. Die Rede ist von »Skandalös – Das Leben freier Frauen« von Cristina De Stefano, erschienen im btb-Verlag im Januar diesen Jahres. Es handelt sich um einen kompakten Biografieband, der das Leben prominenter Frauen aus dem 20. Jahrhundert erzählt.

Sie haben hier und da für Skandale gesorgt, sich nichts gefallen lassen und in einem Leben, das ihnen wenig zu bieten hatte, doch alles genommen. Ihre Freiheit und Autonomie war ihnen ein hohes Gut, für dass es sich lohnte einzustehen. Diese spannenden Frauen des 20. Jahrhunderts waren Tallulah Bankhead, Louise Bourgeois, Pearl S. Buck, Lydia Cabrera, Claude Cahun, Marguerite Duras, Elsa von Freytag-Loringhoven, Tove Jansson, Toto Koopman, Else Lasker-Schüler, Clarice Lispector, Mina Loy, Grace Metalious, Nahui Olin, Jean Rhys, Niki de Saint Phalle, Albertine Sarrazin, Annemarie Schwarzenbach, Nina Simone und Violet Trefusis.

In einem Satz: kurzweilig und überaus inspirierend. Mich hat das Büchlein mit dem ersten Wort in seinen Bann gezogen, sodass ich es innerhalb von wenigen Stunden durchgelesen hatte. Die meisten Frauen sind mir natürlich zumindest ein Begriff, ihre Leben jedoch waren mir bis dato eher unbekannt. Umso aufregender fand ich es, in frühere Zeiten einzutauchen und spannende Persönlichkeiten kennen zu lernen. Sehr berührt hat mich das Leben von Niki de Saint Phalle, die sicherlich vielen durch ihre voluminösen Nana-Skulpturen ein Begriff sein dürfte. Mit ihrer Kunst konnte ich nie etwas anfangen. Jetzt aber kenne ich die tragischen Gründe und sehe sie mit ganz anderen Augen.

Tiefe Freundschaften, toxische Beziehungen, prägende Ereignisse und unkonventionelle Wege vereinen alle Frauen miteinander. Während ich für einige aufgrund ihrer Kreativität und ihres Muts Bewunderung empfinde, bereiten mir andere wegen ihres exzessiven Lebensstils eher Unbehagen. Aber genau dieser Umstand macht das Werk so spannend für seine Leser. Das Cover finde ich in Ordnung, denke aber, man hätte hier sehr viel mehr rausholen können. »Skandalös – Das Leben freier Frauen« verspricht in jedem Fall für kurze Zeit große Unterhaltung.

Starke, unabhängige und mutige Frauen werden hier auf eindrucksvolle Weise portraitiert. Ich kann das Buch jedem ans Herz legen, der sich für biografische Texte interessiert.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Gelungener Roman über familiäre Nähe und das Vergessen

Der vergessliche Riese
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Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet ...

Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet wurde.

Ein Vater, 73 Jahre alt und zweifach verwitwet braucht eine enge Betreuung, denn er vergisst viel. In seinem Haus im nordrhein-westfälischen Meckenheim lebt er ganz allein. Sein Sohn besucht ihn nach langer Zeit wieder und muss feststellen, dass der Zustand des Vaters sich verschlechtert hat. Fortan besuchen er und seine Schwester Miriam ihn immer wieder, um ihn zu unterstützen und die Erinnerungslücken zu schließen. Gemeinsam begeben sich Vater und Sohn auf einer ganz neuen Ebene, die viel Nähe schafft.
Für diese Geschichte muss man in der Verfassung sein, denn sie birgt neben großem Humor und Lebensfreude auch eine unterschwellige Tragik, die aber nie die Führung einnimmt. Ein alter Mann scheint wieder Kind geworden, vergisst sofort, was eben noch geschehen ist. Seine umfangreiche Lebensgeschichte, die er wiederholt erzählt, schmückt er mit Phantasie aus, sodass nicht immer klar ist, was wahr ist und was nicht. Leise schreitet die Demenz des Vaters voran und obwohl dieser sich seiner Krankheit bewusst ist, verliert er sich nicht in Traurigkeit. Die wiederholt gestellten Nachfragen an seinen Sohn wirken weniger störend, als viel mehr charmant und erinnern an das klassische Warum? eines Kindes.

Ich mochte die Figuren, die größtenteils eher blass bleiben, doch sehr. Im Mittelpunkt steht die zunehmende Demenz des Vaters und somit ist der Umgang mit dieser vorrangig. Die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater berührte mich ebenso wie der Zusammenhalt der ganzen Familie, der immer wieder durchdringt. Der Schreibstil von Wagner harmoniert ganz und gar mit der sensiblen Thematik und kommt auch meist ohne Schwermut aus. Häufig musste ich lachen und finde die Rolle des Vaters auch sehr liebenswert.

Die tiefe Verbindung zwischen Vater und Sohn mach »Der vergessliche Riese« zu einer meisterhaften Erzählung über das Vergessen.

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Veröffentlicht am 30.03.2020

Gehört ins Bücherregal eines jeden Märchenliebhabers

Hans Christian Andersen
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Einen schönen Tag wünsche ich euch, ihr Lieben! Der März neigt sich dem Ende und mir graut schon vor meinem Leserückblick in drei Tagen. Aufgrund der aktuellen Situation habe ich einfach kaum gelesen, ...

Einen schönen Tag wünsche ich euch, ihr Lieben! Der März neigt sich dem Ende und mir graut schon vor meinem Leserückblick in drei Tagen. Aufgrund der aktuellen Situation habe ich einfach kaum gelesen, weil mir oft die Motivation oder die Ruhe fehlte. Ich hoffe sehr, dass das im April wieder anders aussieht. Eines der beiden Bücher ist diese wunderbare Graphic Novel »Hans Christian Andersen – Die Reise seines Lebens« von Heinz Janisch und Maja Kastelic. Das Bilderbuch ist im Frühjahr diesen Jahres im Nord-Süd-Verlag erschienen und behandelt das Leben des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen.

Elsa und ihre Mutter fahren in einer Kutsche nach Kopenhagen. Mit dabei ist ein Elsa unbekannter Mann, den sie nach seinem Namen fragt. Er stellt sich als Hans Christian Andersen vor und zwischen den beiden entspinnt sich ein intensives Gespräch über das Märchen seines Lebens. Folgend berichtet Andersen von seiner Kindheit in armen Verhältnissen bis hin zu seinem Dasein als gefeierter Schriftsteller.

Die Geschichte um Hans Christian Andersen hat mich sehr berührt und ist nach wie vor in meinem Kopf. Obwohl ich seine Person und damit seine Werke kenne, mit denen ich aufgewachsen bin, wusste ich bis vor kurzem nichts von dem Leben des Schriftstellers. Zu seinen bekanntesten Märchen gehören Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern, Des Kaisers neue Kleider, Die Schneekönigin, Das hässliche Entlein oder auch Die wilden Schwäne. Ich verbinde mit ihnen spannende, zu Herzen gehende Abende und somit ganz wunderbare und magische Kindheitserinnerungen. Auch dieses Bilderbuch hat etwas märchenhaftes an sich. Die kleine Elsa, die mit ihrer Mutter in einer Kutsche reist, ist so neugierig, dass sie den unbekannten Mann ganz einfach fragt, ob er alt sei. Während ihrer Mutter das sehr unangenehm ist, reagiert dieser freundlich und interessiert. Er stellt sich ihr als Hans Christian Andersen vor. Die Neugier des Mädchens gefällt Andersen und so reisen beide gedanklich in seine Vergangenheit.

Das Leben des Hans Christian Andersen und seine Werke finden auf sehr einfühlsame und ansprechende Weise Beachtung durch dieses von Maja Kastelic wunderschön illustrierte Buch. Die frühe Vergangenheit des Schriftstellers stellt die Illustratorin in dunklen Farbtönen dar, während seine rumreichen Zeiten, der Erfolg seiner Märchen und die Gegenwart bunt und farbenfroh gestaltet sind. Die einladenden Bilder sind für mich eines der Highlights der Geschichte, denn sie versprühen Lebensfreude und Mut. Die Erzählung von Heinz Janisch besticht durch seine fantastischen Elemente und flechtet den Werdegang von Andersen gekonnt ein. So vereinen sich Leben und Werke Hans Christian Andersens in einer fesselnden Geschichte für jung und alt. Das gelungene Nachwort am Ende des Buches möchte ich nicht unerwähnt lassen, denn es enthält zusätzlich viele interessante Informationen zum beeindruckenden Leben des Dichters und Schriftstellers.

Janisch und Kastelic ist hier ein kleiner Meilenstein gelungen, der in das Bücherregal eines jedes Märchenliebhabers gehört. Die zeitlosen Helden aus Andersens Geschichten werden in dieser Bilderbuch-Biografie noch einmal zum Leben erweckt.

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