Profilbild von Lesemaus-Hamburg

Lesemaus-Hamburg

Lesejury Star
offline

Lesemaus-Hamburg ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lesemaus-Hamburg über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2022

Spannend bis zum Ende

Was auf das Ende folgt
0

Von hier bis zum Anfang war in diesem Jahr eines meiner absoluten Highlights.
Erst im Anschluss wurde Whitakers Debütroman, der bei mir schon viel zu lange auf meinem SUB dümpelte, ins Deutsche übersetzt.

Hier ...

Von hier bis zum Anfang war in diesem Jahr eines meiner absoluten Highlights.
Erst im Anschluss wurde Whitakers Debütroman, der bei mir schon viel zu lange auf meinem SUB dümpelte, ins Deutsche übersetzt.

Hier ist er:

Was auf das Ende folgt
Chris Whitaker

In der Kleinstadt Namens Tall Oakes passiert nicht viel. Doch eines Tages wird der kleine 3-jährige Harry in der Nacht entführt. Seine Mutter Jess gibt an, einen Clown über die Bewachungskamera gesehen zu haben. Richtig deutliche Spuren hat der Täter nicht hinterlassen, man findet lediglich ein grünes Haar, das zu einer Clownsperücke passen könnte. Das ganze Dorf ist in Alarmbereitschaft, doch Harry bleibt verschwunden.

Auch drei Monate später gibt es nichts Neues im Fall Harry.
Jess ersäuft ihren Frust, treibt sich nächtelang herum und auch ihr Noch-Ehemann Michael, der sie bereits vor dem Verschwinden Harrys verlassen hatte, kümmert sich nicht um sie. Lediglich Jim, der Polizist, schaut regelmässig bei ihr vorbei und bleibt an dem Fall dran.

Der Autor nimmt uns mit, in die Kleinstadt Tall Oaks und wir lernen nach und nach seine Bewohner mit ihren Eigenarten kennen.
- Jerry, der 250 Pfund auf die Waage bringt und mit 35 Jahren noch immer bei seiner Mutter lebt.
- Manny, der mit seinem Freund Abe einen auf „Gangster“ macht und Schutzgeld von ansässigen Geschäften erpressen möchte.
- Henrietta, die noch immer um ihren Sohn trauert, der kurz nach der Geburt starb. Von ihrem Mann Roger fühlt sie sich so gar nicht verstanden.
- Elena, die sich in den dubiosen Autoverkäufer Jared verliebt.

Der Einstieg ins Buch fiel mir nicht leicht. Jerry, Jim, Jared, Jess, das waren zu viele J’s für mich, aber als ich mich dann eingelesen hatte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen.
Wahnsinnig spannend bis zum Schluss, aber nicht nur das - über Manny musste ich des öfteren laut lachen. Alles zusammen ein sehr kurzweiliger Krimi.

Für mich ist Chris Whitaker die Neuentdeckung des Jahres und ich freue mich auf weitere spannende Geschichten von ihm.
4½ /5

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2022

Spannend und hochaktuell!

Solothurn blickt in den Abgrund
0

Das Büro der Frauenrechtsorganisation in Olten wird von einem maskierten Mann überfallen und in Brand gesetzt. Die Aktivistin Anastasia Tomaso wird dabei schwer verletzt.
Staatsanwältin Casagrande und ...

Das Büro der Frauenrechtsorganisation in Olten wird von einem maskierten Mann überfallen und in Brand gesetzt. Die Aktivistin Anastasia Tomaso wird dabei schwer verletzt.
Staatsanwältin Casagrande und Polizeihauptmann Dominik Dornach aus Solothurn nehmen die Ermittlungen auf. Alle Indizien weisen auf die rechtsradikale Szene hin, diese steht ausserdem in Verdacht Briefkastenbomben bei grünen und liberalen Politiker:innen gelegt zu haben.

Parallel verschwindet die Syrerin Rana Midi, eine Freundin von Dornbachs Tochter Pia. Als eine fast verbrannte Akte aus der gebrantschatzten Frauenrechtsorganisation mit dem Foto von Rana Midi auftaucht, staunen die Ermittler nicht schlecht, als unter dem Bild nicht der Name Midis steht, sondern ein anderer.

Schnell merken die Ermittler, dass der Kreis der von Involvierten viel grösser ist als angenommen - eine ausländische Botschaft, Wirtschaftsgrössen und Politiker sind in die Affäre verstrickt.

Christof Gasser hat hier einen brisanten Politthriller geschrieben.
Von Beginn an, direkt beim Epilog, konnte mich die Geschichte einfangen. Der Autor wechselt zwischen den einzelnen Schauplätzen so gekonnt hin und her, dass der Spannungsbogen keine Zeit hatte, abzureissen. Mühelos verwebt er Fakten mit einer fiktiven Geschichte und greift zu hochaktuellen Themen wie Rassismus, rechtes Denken, Hass gegen Frauen und Wirtschaftskriminalität. Dabei geht der Schweizer Autor selbst, mit seinem eigenem Land, nicht zimperlich vor und wirft ihm Handel mit Kriegsverbrechern vor.
„Es ist leider so, dass es in deinem Land hochgestellte Persönlichkeiten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gibt, die gern in der Öffentlichkeit mit Autokraten und Kriegsverbrechern schmusen, solange es ihren Zielen entgegenkommt und sie dabei gut verdienen. Das steht im Widerspruch zum Hochglanzimage, das die offizielle Schweiz sich gern selbst gibt, meinst du nicht?“ (S.320)

Es ist bereits mein vierter Roman von Christof Gasser. Auch wenn man noch keinen „Dornbach“ gelesen hat, kann man bei diesem Band mühelos einsteigen.
Besonders gut gefällt mir der Schweizer Akzent. Bedingt durch meine Arbeit in der Schweizer Schule Bangkok, höre ich in meinem Kopf eine Schweizer Stimme sprechen. Für diejenigen, die nicht an die Schweizer Wörter gewöhnt sind, steht ein Glossar hinten im Buch zur Verfügung.

Fazit:
Ein Krimi der feinsten Sorte, ohne den überflüssigen Axtmörder - ganz nach meinem Geschmack. Grosse Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.10.2022

Wunderbar melancholisch

Zur See
0

Eine kleine Insel in der Nordsee. Es könnte jede sein - mal ist sie grösser, mal kleiner - je nach Wellenschlag. Generationen von Seefahrern hat sie hervorgebracht. Hochseefahrt, nicht nur Fischer.
Man ...

Eine kleine Insel in der Nordsee. Es könnte jede sein - mal ist sie grösser, mal kleiner - je nach Wellenschlag. Generationen von Seefahrern hat sie hervorgebracht. Hochseefahrt, nicht nur Fischer.
Man kennt sich untereinander, seit Generationen, die Insulaner.

Im Mittelpunkt steht die Familie Sander, die hinter dem Zaun aus Walknochen wohnt.
Hanne, die Mutter, die Stunden damit zugebracht hat, wartend im Auto zu sitzen, um ihren Mann Sven abzuholen, der wochenlang zur See fuhr.
Sven, der die Seefahrt irgendwann aufgab, um lieber Vögel zu beobachten, der es nicht mochte, wenn Pensionsgäste mit Schlappen durch seine Küche schlurften und sich halbnackt an seinen Tisch setzten und er deshalb in die Hütte zog.
Der älteste Sohn Ryckmer, der ständig besoffen zur See fuhr und deshalb rausgeschmissen wurde und seitdem noch mehr säuft.
Tochter Eske, die im Pflegeheim arbeitet, von oben bis unten tätowiert ist und damals am Hafen gegen Touristen protestierte.
Und dann ist da noch Henrik, der jüngste Sohn, der mit sich im Reinen ist. Künstler wird er genannt, da er aus angespültem Treibholz Figuren zimmert. Schuhe hat er in seinem Leben noch nie getragen.

Aber es geht nicht nur um diese Familie, alle Geschichten werden erzählt: Die, des Pastors, der Nachbarn und der anderen Insulanern. Das Inselleben hat sich verändert. Fischer gibt es nicht mehr, vielmehr ziehen sich die Männer als Fischer an, das mögen die Touristen. Touristen, davon gibt es viele - Sie werden im Sommer angespült und das Wasser nimmt sie bei Saisonende wieder mit.

Zur See
Dörte Hansen

Ich konnte einfach nicht in die Geschichte finden. Dachte, irgendwann muss doch mal die Einleitung vorbei sein. Aber der Erzählstil änderte sich nicht.
Beim zweiten Versuch, als ich wusste, dass es ein anderer Roman, eine ruhige und melancholische Geschichte ist, konnte ich mich ganz hineinfallen lassen, konnte das Salz des Meeres schmecken, den Sand zwischen den Zehen spüren und den Geschichten, Leiden und Nöten der Inselbewohner lauschen.
Es ist kein Wohlfühlroman. Hansen geht ins Detail, bohrt mit ihren Fingern in angetrocknete Krusten herum, nichts wird verschönt, alles wird angesprochen und später aufgelöst.

Ein eindrucksvoller Roman - wundervoll, ruhig und melancholisch von Nina Hoss gesprochen. Eine grosse Lese/Hörempfehlung von mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2022

Wichtiges Thema

Die Welt kippt
0

„Jeder Einzelne von uns acht Milliarden hat ein Gehirn, das leistungsfähiger ist als das jeder anderen Spezies auf der Erde. Gemeinsam aber taugen wir zu nichts, verhalten uns dümmer als jedes Tier und ...

„Jeder Einzelne von uns acht Milliarden hat ein Gehirn, das leistungsfähiger ist als das jeder anderen Spezies auf der Erde. Gemeinsam aber taugen wir zu nichts, verhalten uns dümmer als jedes Tier und versenken den Karren mit Vollgas im Dreck." (S.109)

Die Welt kippt
Heiko von Tschischwitz

2024: Die junge Klimaaktivistin Tessa Hansen lernt bei einer Debatte die Finanz-Investorin Shannon O’Reillly kennen. Wider Erwarten erkennt Tessa, das Shannon und sie die gleichen Ziele verfolgen - beide wollen eine Klimakatastrophe verhindern, doch Shannon hat eine ganz andere Strategie und verfolgt diese ohne Skrupel. Beide Frauen beginnen eine Affäre, die auf eine harte Probe gestellt wird, als Shannon in ein klimaneutrales Projekt der Chinesen investiert.

Der von den Grünen gestellte Bundeskanzler kann sich gegen die konservativen Koalitionspartner zum Thema Klimawandel nicht durchsetzen. Schon lange hat Deutschland den Zug verpasst Vorreiter alternativer Energien zu sein. Eines Tages stellt er fest, dass das Klimaproblem zu gross ist und ohne Chinas Hilfe nicht gelöst werden kann.

China verfolgt unterdessen eigene Ziele und kauft 1500 Quadratkilometer Wüste im Sudan. “Derjenige, der die globale Energieversorgung kontrolliert, beherrscht am Ende die Welt.“ (S.219)

Der Autor Heiko von Tschischwitz, Gründer von Licht-Blick, dem ersten und größten Ökostromanbieter, hat hier ein beeindruckendes und wichtiges Debüt geschrieben.

Zu Beginn hatte ich Schwierigkeiten in das Buch zu finden: Die Personen waren mir zu oberflächlich beschrieben und wenn ein Mann über Gefühle schreibt, die zwei Frauen beim Sex empfinden, stellen sich mir die Nackenhaare auf, aber nachdem die einzelnen Handlungsstränge dann zusammenliefen, konnte mich das Buch überzeugen. Die Sicht aus den verschieden Blickwinkeln, gerade im Bereich der Politik und die vielen Klima-Informationen, waren hoch interessant. Auch das Ende mit dem Plot gefiel mir.

Fazit:
Der Autor schafft es uns wachzurütteln, ohne mit dem Finger auf uns zu zeigen oder und zu maßregeln - ES IST 5 VOR 12 UND ES GIBT DEN KLIMAWANDEL!
Leseempfehlung von mir!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2022

Gelungen

Hard Land
0

„In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb“. Mit diesen Worten beginnt ...

Hard Land von
Benedict Wells.

Grady, Missouri, 1985: Sam ist 15 Jahre alt und ein Aussenseiter. Er wird in ...

„In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb“. Mit diesen Worten beginnt ...

Hard Land von
Benedict Wells.

Grady, Missouri, 1985: Sam ist 15 Jahre alt und ein Aussenseiter. Er wird in der Schule gemobbt, sitzt alleine in der Kantine und hat keine Freunde.
Als seine Eltern ihm verkünden, dass er einen Sommer bei seiner Tante und seinen ungeliebten Cousins verbringen soll, nimmt er aus Protest einen Ferienjob in einem Kino an. Hier lernt er die zwei Jahre älteren Cameron, Hightower und Kirstie kennen. Er verliebt sich in Kirstie, die seine Gefühle zwar nicht erwidert, ihm jedoch eine Freundin ist. Der ganze Sommer steht Kopf und ihm geht es zum ersten Mal richtig gut - bis seine Mutter stirbt und fast zeitgleich seine neuen Freunde in ihre Colleges aufbrechen. Sam ist wieder alleine.

„Trauer ist kein Sprint, Trauer ist ein Marathon und auf dieser Strecke gab es Stellen, an denen es besser lief und andere an denen ich kaum Luft bekam. (Section 105)

Doch nach einigen Monaten ist Sam ein anderer, einer, der Selbstbewusstsein hat und lernt mit seinem Schmerz zu Leben.

Benedict Wells hat hier erneut ein wunderbares Buch geschrieben. In diesem Buch verbirgt sich viel mehr als nur eine Coming-Of-Age-Geschichte.
Es geht ums Erwachsen werden, die erste Liebe, Vertrauen und Abschied.

Mich konnte das Buch von Beginn an begeistern und ich habe geweint und gelacht. Zu herrlich sind all die Flashbacks wie z.B. Marti McFly, the Breakfast Club und all die anderen Dinge aus den 80er Jahren.
Den Sprecher des Hörbuches, Robert Stadlober, möchte ich auch noch unbedingt erwähnen. Seine Stimme gefiel mir sehr und hat zu wunderbaren Hörstunden beigetragen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere