Ein äußerst spannender Literaturthriller, bei dem man eintaucht in Welt der Literatur und Verlage und der mich als Leserin auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitgerissen hat.
YellowfaceDie Rahmenhandlung ist schnell erzählt:
June Hayward und Athena Liu, zwei angehende Autorinnen, kennen sich flüchtig seit ihrem Studium. Athena ist erfolgreich, die andere nicht. June ergreift nach dem ...
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt:
June Hayward und Athena Liu, zwei angehende Autorinnen, kennen sich flüchtig seit ihrem Studium. Athena ist erfolgreich, die andere nicht. June ergreift nach dem Unfalltot von Athena spontan die Gelegenheit und nimmt deren veröffentliches Romanmanuskript an sich. Nach einer umfangreichen Überarbeitung veröffentlicht sie sehr erfolgreich den Roman über China unter ihren eigenen Namen.
June hält alles für einen glücklichen Zufall beziehungsweise für die Verschmelzung von zwei Geistesgrößen (S.70). Aber es ist, was es ist: eine Lüge. Und „eine Lüge, lässt sich am besten vor aller Augen verstecken.“ (S.60). Hierfür geht June sehr weit: sie ändert ihren Namen in das Pseudonym Juniper Song und täuscht Authenzität für den Roman über China vor, sie hält konsequent an ihrer Lüge fest und schlägt jeden Zweifel in den Wind.
Danach gelingt June kein weiterer Erfolg und sie steckt in einer Krise und erlebt riesengroße Angst entdeckt zu werden. Schließlich kommt sie auf die Idee, …. Lest selbst.
Beeindruckt bin ich von der Figurenentwicklung:
June macht sich etwas vor: Sie beruft sich auf Authentizität durch Überprüfung und glaubt, sie habe Ahnung, wovon sie redet (S.127). Schnell stilisiert sie sich zum Opfer, sieht die ersten Zweifel als Neid an und glaubt sich moralisch im Recht. Beim Lesen dachte ich lange, es wäre nur eine Frau, die falsche Entscheidungen getroffen hat und sich unbewusst etwas vormacht. Von Anfang an erscheint mir die Aneignung des Manuskriptes als unrechtmäßig und als Diebstahl. Dennoch fühle ich empathisch mit June. Sie tut mir leid, da sie den perfekten Zeitpunkt die Wahrheit zu sagen verpasst hat und die Lüge am Ende selbst glaubt (S.262).
Ab Seite 280 wendet sich mein Eindruck. June wird mir krass unsympathisch. Sie erscheint arrogant und überheblich. Zunehmend wird ihr Verhalten als monsterhaft beschrieben. Kurz vor dem Ende ändert sich mein Eindruck erneut. Ein abschließendes Urteil ist mir kaum möglich.
Die Themen von Yellowface sind vielfältig:
Aneignung (kulturelle & persönliche)
Recht am geistigen Eigentum
Literaturbetrieb, Verlagswesen
Machtvoller Einfluss von Sozial Media
Sinnstiftung und Identität (S.267)
Einsamkeit
lndividuelle Wahrheit und allgemeine Wahrheit
Asiatische Stereotypen
Kulturelle Überheblichkeit, Diskriminierung, weiße Dominanz, Whitewashing
und Rassismus (z.B. Verwechslung von r—l, Autorenfoto mit bräunlicher Hautfarbe, Künstlername, chinesisches Essen sei eklig, …)
Tauche ein in die Welt von Yellowface. In eine Welt einer weißen Akteurin in Verkleidungen und Masken, die eine nicht-weiße ethnische bzw. rassifizierte Zugehörigkeit darstellen soll, jedoch immer als maskierte Weiße erkennbar bleibt. Dieser Begriff wurde in Hollywood verwendet (https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/y:yellowface-393).
June Song ist die Definition von Yellow Face.
Ich kann kaum glauben, dass ich ursprünglich wegen des Covers zu diesem Buch gegriffen habe: Gelb ist meine Lieblingsfarbe. Bekommen habe ich so viel mehr: einen tiefgreifenden, fesselnden, mitreißenden und intelligenten Roman, der sprachlich wie inhaltlich überaus gelungen und sehr lesenswert ist.
Buchige Grüße aus dem 📚👑 . Eure Kira