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Veröffentlicht am 22.01.2024

Dystopische Zukunft

Hund 51
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Eine dystopische Zukunft. Ganz Griechenland befindet sich nach einer Staatspleite in den Händen eines Konzerns, der die Menschen unterdrückt. Zem Sparak ist deshalb geflohen, nach Magnapolis, eine Metropole, ...

Eine dystopische Zukunft. Ganz Griechenland befindet sich nach einer Staatspleite in den Händen eines Konzerns, der die Menschen unterdrückt. Zem Sparak ist deshalb geflohen, nach Magnapolis, eine Metropole, die in Zonen aufgeteilt ist. Wer in Zone 1 lebt, gehört zur Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie. In Zone 3 hingegen herrschen Armut und Ausbeutung. Einzige Hoffnung auf ein scheinbar besseres Leben bietet die Lotterie des TV Senders Destiny. Wer gewinnt, darf die Zone wechseln und bekommt einen Chip implantiert, der Gesundheit und ein langes Leben verspricht.

Das ist die Ausgangssituation in Laurent Gaudé Roman "Hund 51", der sich zwischen Genres bewegt und Elemente der Dystopie, des Krimis, Politthrillers und der Klimawandel-Literatur miteinander vereint. Er hat in mir ganz wilde Assoziationen ausgelöst, an The Hunger Games und The Dome ebenso wie an Brave New World.

Gaudé hat eine reiche Welt erschaffen, die vor lauter Details schillert und dem Lesenden eine abwechslungsreiche und spannende Lektüre bietet. Zumindest bis zum Ende, oder sagen wir, bis zum letzten Drittel des Romans. Da nehmen die Krimi- und Thrillerelemente nämlich überhand und drängen dabei so spannende Themen wie staatliche Überwachung, wirtschaftliche Monopole, Korruption in der Politik, die Unterdrückung von Gesellschaftsgruppen oder die Konsequenzen des Klimawandel in den Hintergrund. Das ist deshalb so schade, weil das für mich die Themen waren, die Substanz hatten. Und in der Hinsicht hat der Roman sein Potential leider nicht ganz ausgeschöpft. Er verliert sich zu sehr in seinem Anliegen, unterhalten zu wollen, schafft das aber zumindest auf den letzten Seiten sowieso nicht mehr.

Erzählerisch und eigentlich auch thematisch ein überzeugender Roman, wie man es von dem großartigen Laurent Gaudé erwarten würde. Es hätte nur eines weniger kon- und diffusen Endes bedurft..

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Reise in die Vergangenheit

Von Königreichen hast du geträumt
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Tenochtitlán 1519. Hernán Cortés und seine Männer, die Konquistadores, kommen in der Stadt der Azteken an. Moctezuma empfängt sie.

Das ist die Ausgangssituation, von der aus Álvaro Enrigue ein historisches ...

Tenochtitlán 1519. Hernán Cortés und seine Männer, die Konquistadores, kommen in der Stadt der Azteken an. Moctezuma empfängt sie.

Das ist die Ausgangssituation, von der aus Álvaro Enrigue ein historisches Aufeinandertreffen zweier Kulturen, zweier Nationen beschreibt, das zu keiner Zeit glorifiziert oder romantisiert: Die Konquistadores können sich nicht benehmen, sind grob und ungehobelt. Moctezuma hingegen schwächelt und verliert sich zunehmend in seiner durch Pilze hervorgerufenen Traumwelt.

"Von Königreichen hast du geträumt" ist eine andere Art von historischem Roman. Er besteht aus nur wenigen Dialogen, nimmt unterschiedliche Perspektiven an, denkt sich in die Köpfe seiner Figuren rein und erschafft bewusst kein schwarz-weiß Bild. Er besticht durch seinen Humor, der an keiner der Figuren ein gutes Haar lässt. Aber auf einer ganz anderen Ebene auch durch seine Details, zum Beispiel durch die genauen Beschreibungen der Kleidung und der Orte. Der Palast Moctezumas wirkt dadurch so greifbar, dass überhaupt kein Gefühl von zeitlicher und räumlicher Distanz aufkommt.

Schließlich wagt der Autor am Ende ein historisches Gedankenexperiment, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll, das aber für mich einige etwas lange und fast schon langatmige Stellen im Mittelteil wieder wett gemacht hat. Enrigue regt die Fantasie an, aber driftet nicht ins Unglaubwürdig-Fantastische ab und das ist sicherlich eines der bemerkenswerten Charakteristika dieses Romans.

Ein Roman also, der es schafft, auf ganz neue Art in eine Vergangenheit vorzudringen, über die schon so viel geschrieben und erzählt worden ist. Eine bereichernde Lektüre.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Reise in die Vergangenheit

Von Königreichen hast du geträumt
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Tenochtitlán 1519. Hernán Cortés und seine Männer, die Konquistadores, kommen in der Stadt der Azteken an. Moctezuma empfängt sie.

Das ist die Ausgangssituation, von der aus Álvaro Enrigue ein historisches ...

Tenochtitlán 1519. Hernán Cortés und seine Männer, die Konquistadores, kommen in der Stadt der Azteken an. Moctezuma empfängt sie.

Das ist die Ausgangssituation, von der aus Álvaro Enrigue ein historisches Aufeinandertreffen zweier Kulturen, zweier Nationen beschreibt, das zu keiner Zeit glorifiziert oder romantisiert: Die Konquistadores können sich nicht benehmen, sind grob und ungehobelt. Moctezuma hingegen schwächelt und verliert sich zunehmend in seiner durch Pilze hervorgerufenen Traumwelt.

"Von Königreichen hast du geträumt" ist eine andere Art von historischem Roman. Er besteht aus nur wenigen Dialogen, nimmt unterschiedliche Perspektiven an, denkt sich in die Köpfe seiner Figuren rein und erschafft bewusst kein schwarz-weiß Bild. Er besticht durch seinen Humor, der an keiner der Figuren ein gutes Haar lässt. Aber auf einer ganz anderen Ebene auch durch seine Details, zum Beispiel durch die genauen Beschreibungen der Kleidung und der Orte. Der Palast Moctezumas wirkt dadurch so greifbar, dass überhaupt kein Gefühl von zeitlicher und räumlicher Distanz aufkommt.

Schließlich wagt der Autor am Ende ein historisches Gedankenexperiment, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll, das aber für mich einige etwas lange und fast schon langatmige Stellen im Mittelteil wieder wett gemacht hat. Enrigue regt die Fantasie an, aber driftet nicht ins Unglaubwürdig-Fantastische ab und das ist sicherlich eines der bemerkenswerten Charakteristika dieses Romans.

Ein Roman also, der es schafft, auf ganz neue Art in eine Vergangenheit vorzudringen, über die schon so viel geschrieben und erzählt worden ist. Eine bereichernde Lektüre.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Empfehlung mit Abzügen

Eine kurze Begegnung
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Mizuki steht auf ihrem Balkon und will hinunterspringen. Dass sie es dann doch nicht tut, ändert nichts an ihrer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Als Ehefrau sehnt sie sich nach mehr Zuneigung und ...

Mizuki steht auf ihrem Balkon und will hinunterspringen. Dass sie es dann doch nicht tut, ändert nichts an ihrer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Als Ehefrau sehnt sie sich nach mehr Zuneigung und Wärme. Als Hausfrau und Mutter nach der Freiheit, ihren eigenen Wünschen und Träumen nachgehen zu können.

All das fehlt in ihrem Leben. Dann lernt sie eines Tages Kiyoshi kennen und beginnt eine Affäre.

"Eine kurze Begegnung" ist ein Roman darüber, wie einschränkend die japanische Gesellschaft für Frauen sein kann. Als Mutter entspricht Mizuki beispielsweise der gesellschaftlichen Normvorstellungen nicht. Sie schläft nicht mit ihren Kindern im selben Bett, ist auch manchmal länger als drei Stunden von ihnen getrennt... Ein Verhalten, das aus Sicht der anderen völlig inakzeptabel ist.

Oft fühlt es sich für Mizuki so an, als wäre jeder Schritt, jede Entscheidung in ihrem Leben durch die Gesellschaft vorherbestimmt. Auch beim Lesenden entsteht deshalb ein Gefühl von Enge. Die Treffen mit Kiyoshi, ihre Affäre, sind der Versuch eines Ausbruchs, der Versuch, sich selbst Freiräume zu schaffen.

"Ich befinde mich in einem Käfig ohne Gitterstäbe, und ich schreie, aber niemand kann mich hören."

Das Thema des Romans finde ich unheimlich stark und auch die Einblicke in die japanische Gesellschaft waren aufschlussreich. Zum Beispiel erzählt Mizuki an einer Stelle, wie der Finanzminister in der Öffentlichkeit dabei gesehen wird, wie er eine berühmte Schauspielerin umarmt. Sie muss sich im Fernsehen dafür entschuldigen. Er nicht.

Doch obwohl die Thematik spannend ist und die Erzählung in der Gesamtstruktur einen runden Eindruck macht (vor allem das Ende fand ich gelungen!), gab es für mich ein paar Schwachstellen, besonders auf sprachlicher Ebene. Allerdings habe ich dazu eine Anmerkung (> siehe Kommentare). Und auch manche Szenen zogen sich etwas in die Länge, konnten schon fast überflogen werden, da wurde für meinen Geschmack zu viel lamentiert und in negativen Gefühlen geschwelgt.

Insgesamt also eine Empfehlung mit leichten Abzügen.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Empfehlung mit Abzügen

Eine kurze Begegnung
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Mizuki steht auf ihrem Balkon und will hinunterspringen. Dass sie es dann doch nicht tut, ändert nichts an ihrer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Als Ehefrau sehnt sie sich nach mehr Zuneigung und ...

Mizuki steht auf ihrem Balkon und will hinunterspringen. Dass sie es dann doch nicht tut, ändert nichts an ihrer Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Als Ehefrau sehnt sie sich nach mehr Zuneigung und Wärme. Als Hausfrau und Mutter nach der Freiheit, ihren eigenen Wünschen und Träumen nachgehen zu können.

All das fehlt in ihrem Leben. Dann lernt sie eines Tages Kiyoshi kennen und beginnt eine Affäre.

"Eine kurze Begegnung" ist ein Roman darüber, wie einschränkend die japanische Gesellschaft für Frauen sein kann. Als Mutter entspricht Mizuki beispielsweise der gesellschaftlichen Normvorstellungen nicht. Sie schläft nicht mit ihren Kindern im selben Bett, ist auch manchmal länger als drei Stunden von ihnen getrennt... Ein Verhalten, das aus Sicht der anderen völlig inakzeptabel ist.

Oft fühlt es sich für Mizuki so an, als wäre jeder Schritt, jede Entscheidung in ihrem Leben durch die Gesellschaft vorherbestimmt. Auch beim Lesenden entsteht deshalb ein Gefühl von Enge. Die Treffen mit Kiyoshi, ihre Affäre, sind der Versuch eines Ausbruchs, der Versuch, sich selbst Freiräume zu schaffen.

"Ich befinde mich in einem Käfig ohne Gitterstäbe, und ich schreie, aber niemand kann mich hören."

Das Thema des Romans finde ich unheimlich stark und auch die Einblicke in die japanische Gesellschaft waren aufschlussreich. Zum Beispiel erzählt Mizuki an einer Stelle, wie der Finanzminister in der Öffentlichkeit dabei gesehen wird, wie er eine berühmte Schauspielerin umarmt. Sie muss sich im Fernsehen dafür entschuldigen. Er nicht.

Doch obwohl die Thematik spannend ist und die Erzählung in der Gesamtstruktur einen runden Eindruck macht (vor allem das Ende fand ich gelungen!), gab es für mich ein paar Schwachstellen, besonders auf sprachlicher Ebene. Allerdings habe ich dazu eine Anmerkung (> siehe Kommentare). Und auch manche Szenen zogen sich etwas in die Länge, konnten schon fast überflogen werden, da wurde für meinen Geschmack zu viel lamentiert und in negativen Gefühlen geschwelgt.

Insgesamt also eine Empfehlung mit leichten Abzügen.

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