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Veröffentlicht am 22.01.2024

Lohnt sich

Der Bauch des Wals
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Mit "Im Bauch des Wals" hat der @diogenesverlag Essays von zwei großen Schriftstellern herausgegeben: George Orwell und Ian McEwan.

Orwells "Im Innern des Wals" erschien 1940. Orwell thematisiert darin ...

Mit "Im Bauch des Wals" hat der @diogenesverlag Essays von zwei großen Schriftstellern herausgegeben: George Orwell und Ian McEwan.

Orwells "Im Innern des Wals" erschien 1940. Orwell thematisiert darin die Frage nach der politischen Verantwortung von Schriftstellern. Wie politisch muss/soll/darf Kunst sein? Muss sie es überhaupt sein?

Als Beispiel dient ihm Henry Millers Roman "Wendekreis des Krebses". Ein Roman, der für ihn das Leben bejaht, der den Lesern nicht vorgibt, was sie zu denken haben, der das Weltgeschehen nicht vorantreiben oder bremsen möchte. Damit bildet er das Gegenstück zu den Romanen von den meisten von Millers schreibenden Zeitgenossen.

Orwell benutzt in diesem Zusammenhang das Bild eines Schriftstellers, der sich im Bauch eines Wals befindet: Dort ist man gleichgültig der Welt gegenüber und muss sich nicht mit ihr auseinandersetzen. Es ist für Orwell die Freiheit eines jeden Autoren, diese Position für sich auszuwählen und das eigene Schreiben nicht von politischen Glaubenssätzen diktieren zu lassen.

Ian McEwan antwortet mit seiner "Orwell Memorial Lecture" auf diesen Essay. Er stellt ihn in einen historischen Zusammenhang, erklärt ihn auch vor dem Hintergrund der persönlichen politischen Enttäuschungen Orwells und denkt ihn vor allem in der Gegenwart weiter.

Beide Essays bieten spannende und unterschiedliche Perspektiven auf die Frage nach der politischen Verantwortung des Schriftstellers. Dürfen Schriftsteller sich im Bauch des Wals verstecken? Floriert die Literatur nicht außerhalb des Wals (immerhin sind gerade Orwells bekannteste Romane, "1984" und "Farm der Tiere" sehr politisch!)? Oder gibt es in Zeiten des Klimawandels sowieso keinen Walbauch mehr, in dem man sich verstecken könnte?

Zu welchem Schluss McEwan kommt, will ich an dieser Stelle nicht verraten. Dafür solltet ihr das Buch lesen! Denn es lohnt sich, wenn man sich gedanklich mit Literatur und Verantwortung, mit Kunst und Aktivismus beschäftigen möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.01.2024

Lohnt sich

Der Bauch des Wals
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Mit "Im Bauch des Wals" hat der @diogenesverlag Essays von zwei großen Schriftstellern herausgegeben: George Orwell und Ian McEwan.

Orwells "Im Innern des Wals" erschien 1940. Orwell thematisiert darin ...

Mit "Im Bauch des Wals" hat der @diogenesverlag Essays von zwei großen Schriftstellern herausgegeben: George Orwell und Ian McEwan.

Orwells "Im Innern des Wals" erschien 1940. Orwell thematisiert darin die Frage nach der politischen Verantwortung von Schriftstellern. Wie politisch muss/soll/darf Kunst sein? Muss sie es überhaupt sein?

Als Beispiel dient ihm Henry Millers Roman "Wendekreis des Krebses". Ein Roman, der für ihn das Leben bejaht, der den Lesern nicht vorgibt, was sie zu denken haben, der das Weltgeschehen nicht vorantreiben oder bremsen möchte. Damit bildet er das Gegenstück zu den Romanen von den meisten von Millers schreibenden Zeitgenossen.

Orwell benutzt in diesem Zusammenhang das Bild eines Schriftstellers, der sich im Bauch eines Wals befindet: Dort ist man gleichgültig der Welt gegenüber und muss sich nicht mit ihr auseinandersetzen. Es ist für Orwell die Freiheit eines jeden Autoren, diese Position für sich auszuwählen und das eigene Schreiben nicht von politischen Glaubenssätzen diktieren zu lassen.

Ian McEwan antwortet mit seiner "Orwell Memorial Lecture" auf diesen Essay. Er stellt ihn in einen historischen Zusammenhang, erklärt ihn auch vor dem Hintergrund der persönlichen politischen Enttäuschungen Orwells und denkt ihn vor allem in der Gegenwart weiter.

Beide Essays bieten spannende und unterschiedliche Perspektiven auf die Frage nach der politischen Verantwortung des Schriftstellers. Dürfen Schriftsteller sich im Bauch des Wals verstecken? Floriert die Literatur nicht außerhalb des Wals (immerhin sind gerade Orwells bekannteste Romane, "1984" und "Farm der Tiere" sehr politisch!)? Oder gibt es in Zeiten des Klimawandels sowieso keinen Walbauch mehr, in dem man sich verstecken könnte?

Zu welchem Schluss McEwan kommt, will ich an dieser Stelle nicht verraten. Dafür solltet ihr das Buch lesen! Denn es lohnt sich, wenn man sich gedanklich mit Literatur und Verantwortung, mit Kunst und Aktivismus beschäftigen möchte.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Ein Roman über Trauma

Steglitz
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Leni lebt an der Seite ihres Mannes ein "Leben ohne Überraschungen". Sie traut sich vieles nicht zu, hat keine Bestrebungen oder Ziele und ist abhängig von ihrem Mann. Zumindest solange, bis Kommissar ...

Leni lebt an der Seite ihres Mannes ein "Leben ohne Überraschungen". Sie traut sich vieles nicht zu, hat keine Bestrebungen oder Ziele und ist abhängig von ihrem Mann. Zumindest solange, bis Kommissar Ziegler bei dem Ehepaar im Haus auftaucht und sich erkundigt, ob die beiden Schüsse in der Straße gehört haben. Dieses Ereignis wirft Lenis Leben aus der Bahn.

"Steglitz" ist eigen. Die Geschichte bietet einem als LeserIn durch die in jeder Hinsicht unzuverlässige Perspektive der Protagonistin wenig Halt. In Lenis Psyche einzutauchen ist wahrlich nicht leicht. Sie lässt einen in eine wirre Welt eintreten, in der man vieles nicht richtig nachvollziehen und einordnen kann, bis zum Ende.

"Es ist, als würde sich die Wirklichkeit verformen, je weiter meine Gedanken wandern. Alles erscheint mir vertraut, ich erkenne die Gesichter und Worte wieder, aber es kommt immer ein Punkt, an dem ich nicht mehr unterscheiden kann zwischen dem, was ich sehe, was ich zu sehen hoffe, und dem, was tatsächlich geschieht."

Aber gerade dadurch entsteht auch eine Faszination. Zu Beginn musste ich an die "Truman Show" denken, weil alles um Leni herum so orchestriert und künstlich auf mich gewirkt hat. Es war, als wüssten alle über etwas Bescheid, nur Leni und ich, die Leserin, nicht. Dann hat der Roman plötzlich wie ein Thriller, ein Krimi gewirkt. Und schließlich wurde er immer surrealer, die Grenzen zwischen Realität und Wahrnehmung immer schwammiger.

Inès Bayard ist es meiner Meinung nach gelungen, auf außer- und ungewöhnliche Weise von Traumatisierung zu erzählen. Gleichzeitig muss ich sagen, dass das Ende für mich persönlich nicht ganz rund war. Und es fällt mir u.a. deshalb auch nicht leicht, ein finales Urteil abzugeben. Ich würde den Roman LeserInnen empfehlen, die sich auf einen schwer zugänglichen und intensiven Text einlassen möchten und die vor allem auch das surreal Anmutende nicht abschreckt.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Empfehlenswert

Nathan Kantereit
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Nathan Kantereit: Wer Cos Debüt "Am Rand, mit den Füßen im Nichts" gelesen hat, der kennt den Protagonisten von Cos gerade bei @edition_hibana erschienenen Novelle schon. Er arbeitet als Aufseher in der ...

Nathan Kantereit: Wer Cos Debüt "Am Rand, mit den Füßen im Nichts" gelesen hat, der kennt den Protagonisten von Cos gerade bei @edition_hibana erschienenen Novelle schon. Er arbeitet als Aufseher in der Nationalgalerie. Und dort hängt Renoirs "Im Sommer", ein Porträt von Clara, in die sich Nathan unsterblich verliebt hat.

Nathan ist schüchtern. Er stottert, wenn er mit anderen sprechen muss, hat kaum soziale Kontakte. Seine kleine Wohnung schätzt er vor allem auch wegen der Anonymität des Gebäudes. Gleichzeitig ist er ein Schöngeist, ein genauer Beobachter seiner Umwelt. Und vor allem ist er zufrieden mit seinem Leben.

Zumindest bis zu dem Moment, indem man ihm Clara entreißt. Denn Clara ist nur eine Leihgabe... Und damit beginnt eine Reise, die Nathan verändern wird und ihn über sich selbst hinauswachsen lässt.

Co Winterstein hat eine kraftvolle Geschichte über einen liebenswerten Außenseiter geschrieben, der in der Kunst, in einer Figur auf einem Gemälde, Halt findet. Für mich ist die Novelle deshalb auch eine Geschichte über die Kraft der Kunst. Sie zeigt, welche Emotionen sie imstande ist auszulösen. Nathan taucht durch das Porträt in eine fiktive Welt ein und letztlich führt das dazu, dass sich ihm ganz neue reale Welten öffnen.

Und auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, so brauchen wir vielleicht alle in dieser Hinsicht ein bisschen mehr Nathan in uns, ein bisschen mehr Fantasie, Vorstellungskraft und Tagträumerei.

Ergänzt wird der Text durch die wunderbaren Bilder von Till Gerhard, die das Buch zu einem ganz besonderen Schatz im Buchregal machen.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Großartig

Das dritte Licht
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Mit Claire Keegan habe ich eine neue Lieblingsautorin entdeckt! Man kann alle Romane nur empfehlen.

Mit Claire Keegan habe ich eine neue Lieblingsautorin entdeckt! Man kann alle Romane nur empfehlen.

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