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Veröffentlicht am 09.02.2024

Beziehungsroman mit Spannung

Janes Roman
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Catherine Cussets Roman "Janes Roman" entfaltet eine fesselnde Geschichte, in der die Protagonistin Jane Cook, eine angesehene Professorin für französische Literatur, plötzlich mit einem Manuskript konfrontiert ...

Catherine Cussets Roman "Janes Roman" entfaltet eine fesselnde Geschichte, in der die Protagonistin Jane Cook, eine angesehene Professorin für französische Literatur, plötzlich mit einem Manuskript konfrontiert wird, das jedes Detail ihres Lebens akribisch beschreibt. Die Unbekannte oder der Unbekannte hinter diesem Werk offenbart ein beunruhigendes Maß an Kenntnis über Janes innerste Gedanken und ihre intimsten Beziehungen der letzten Jahre. Im Zentrum des Romans stehen vor allem das Manuskript und damit Janes Suche nach beruflichem, akademischem Erfolg und einer liebevollen Beziehung.

Was mich zunächst irritierte, war die leicht angestaubte Atmosphäre des Romans, der vor über 20 Jahren erstmals veröffentlicht und nun neu übersetzt wurde. Themen wie Abtreibung, Heirat und Frauenrolle werden heute in der Literatur oft aus einer anderen, weniger traditionellen Perspektive betrachtet. Teilweise schimmert Kritik an Janes verstaubter Haltung durch, dennoch findet im Roman hierzu eher keine Entwicklung statt. Trotzdem ließ mich die Neugier nicht los, wer hinter diesem Manuskript steckt und wie Janes Geschichte enden würde.

Die Übersetzung enttäuschte mich an einigen Stellen, insbesondere als das N-Wort auftauchte. Es wäre einfach gewesen, eine weniger diskriminierende Formulierung zu wählen, die den Sinn des Textes nicht verändert hätte. Solche sprachlichen Entscheidungen trüben für mich den Lesegenuss und lenken von der eigentlichen Handlung ab.

Trotz dieser Kritikpunkte entwickelte die Geschichte einen Sog. Mit jedem Kapitel wuchs meine Spannung, während Jane versuchte, den Verfasser des Manuskripts zu enträtseln. Die komplexe Dynamik zwischen Jane, den Männern in ihrem Leben und den Verdächtigen hielt mich bis zur letzten Seite gefesselt. Das hatte sogar ein bisschen „Yellowface“-Vibes - vielleicht wurde der Roman deshalb dieses Jahr neu übersetzt? Insgesamt ist "Janes Roman" von Catherine Cusset ein fesselnder, wenn auch inhaltlich leicht veraltet wirkender, sehr französischer und akademischer Beziehungsroman, der den Leser dennoch in seinen Bann zieht.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Paranoia

Das Philosophenschiff
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"Das Philosophenschiff" von Michael Köhlmeier führt die Leser durch die bewegte Lebensgeschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob. Die Geschichte, die sich hauptsächlich um die Zeit der bolschewistischen ...

"Das Philosophenschiff" von Michael Köhlmeier führt die Leser durch die bewegte Lebensgeschichte der Architektin Anouk Perleman-Jacob. Die Geschichte, die sich hauptsächlich um die Zeit der bolschewistischen Revolution dreht, fasziniert durch den historisch belegbaren Hintergrund. Die Ereignisse auf einem der "Philosophenschiffe", das Anouk und andere Intellektuelle ins Exil führt, basieren allerdings nicht auf historischen Fakten.

Die Erzählung wirft einen Blick auf das Misstrauen zwischen den Menschen, das die Protagonistin auch nach der Überfahrt begleitet. Dieser Aspekt verleiht dem Roman eine tiefgründige Dimension, da die Charaktere ständig im Zwiespalt zwischen Loyalität und Verdächtigungen stehen. Dieser historische Hintergrund war für mich der interessante Kern des Romans.

Die Sprache der Hauptfigur, die mit langen, hypotaktischen Sätzen, Exkursen, vielen russischen historisch belegten und nicht belegten Namen um Authentizität bemüht ist, habe ich jedoch mitunter als anstrengend empfunden. Insgesamt hatte mir der Roman zu wenig Figurenentwicklung und Handlung.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Anstrengend

Mord in der Charing Cross Road
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Die Ankündigung des Romans „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton verspricht einen spannenden Krimi im Londoner Antiquariatsmilieu der 1950er Jahre. Leider konnte das Buch meine Erwartungen ...

Die Ankündigung des Romans „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton verspricht einen spannenden Krimi im Londoner Antiquariatsmilieu der 1950er Jahre. Leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen. Es ist unklar, warum dieser Roman von 1956 nun neu aufgelegt und von Dorothee Merkel übersetzt wurde, denn in meinen Augen fehlen ihm viele Qualitäten, die einen klassischen Kriminalroman ausmachen.

Ein zentrales Problem des Romans ist die Erzählweise. Über weite Strecken werden Begebenheiten lediglich wiedergegeben, anstatt sie anschaulich zu schildern. Dieses häufige Verletzen des Erzählprinzips „Show, don’t tell“ führt dazu, dass die Handlung flach bleibt und das Lesen der vielen Details anstrengend ist. Auch die Charakterzeichnung lässt zu wünschen übrig. Die Hauptfiguren Sally Merton und Johnny Heldar bleiben oberflächlich und unnahbar, was bedauerlich ist, da der Roman den Auftakt einer ganzen Reihe um dieses Ermittlerduo darstellt. Die Nebendarsteller:innen, von denen es zudem viel zu viele gibt, gewinnen ebenfalls keinerlei Tiefe. Dadurch wirken viele ihrer Handlungen unmotiviert und die Figuren selbst bleiben blass und eindimensional. Dies zeigt sich auch in der unglaubwürdigen Liebesgeschichte zwischen Sally und Johnny, die völlig überraschend und nicht überzeugend kommt. Zudem entsprechen beide Figuren typischen Geschlechterklischees, die heutzutage eher veraltet wirken und den Roman zusätzlich altbacken erscheinen lassen.

Insgesamt hat mich „Mord in der Charing Cross Road“ enttäuscht. Im Vergleich zu Klassikern des Genres, wie etwa den Werken von Agatha Christie, fehlt „Mord in der Charing Cross Road“ die sorgfältige Konstruktion und die Raffinesse in der Erzählung. Ich frage mich wirklich, warum Klett-Cotta sich zur Neuauflage der Reihe entschieden hat - sonst gefallen mir die Romane des Verlags nämlich fast ausnahmslos. Einen weiteren Band dieser Reihe werde ich aber garantiert nicht lesen.

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Veröffentlicht am 21.08.2024

Hat mich nicht erreicht

Leming
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TW: Suizid, Tod. Dieser Roman hatte mich mit der Ankündigung „Tschick trifft auf Nick Hornbys A Long way Down im Setting von The End of the F***ing World“ sehr neugierig gemacht, leider hat er mich jedoch ...

TW: Suizid, Tod. Dieser Roman hatte mich mit der Ankündigung „Tschick trifft auf Nick Hornbys A Long way Down im Setting von The End of the F***ing World“ sehr neugierig gemacht, leider hat er mich jedoch überhaupt nicht berührt. Es scheint, als bemüht sich der Roman sehr, genau diese Vorgaben zu erfüllen, ohne jedoch eine eigene Sprache zu finden, sodass am Ende alles oberflächlich abgehandelt auf mich wirkte. Nur das Nachwort im Namen des Autoren hat mich schließlich emotional erreicht.
Es geht um drei Außenseiter, die nach Ungarn aufbrechen, um sich umzubringen. Der Roadtrip erinnert tatsächlich an Tschick, allerdings ohne dass die Nebencharaktere wirklich Tiefe bekommen. Erzählt wird in einer ähnlich derben Sprache, die auf mich jedoch oft aufgesetzt und unauthentisch wirkte - dort redet kein Teenager, sondern es schimmert ein Erwachsener durch, der versucht, wie ein Teenager zu schreiben. Während Wörter wie „behindert“ reflektiert werden, werden „bitch“ und „normal“ einfach verwendet, ohne dass das irgendwie ironisch gebrochen wird o.Ä. Auch Trauer und Verzweiflung wurden für mich weder ernst noch ironisch dargestellt, sodass die Darstellung vor allem oberflächlich und bemüht wirkt.
Positiv: Die Geschichte wird flüssig erzählt, ich habe sie trotz Genervtheit zwischendurch zügig weglesen können. Das Nachwort und die zur Verfügung gestellten Informationen zu Hilfsmöglichkeiten fand ich auch gelungen.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Spezieller Erzählton

Eine Fingerkuppe Freiheit
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"Eine Fingerkuppe Freiheit" verspricht, faszinierende Einblicke in das Leben von Louis Braille zu bieten, dem Erfinder der Blindenschrift Braille. Leider war der historische Roman von Thomas Zwerina für ...

"Eine Fingerkuppe Freiheit" verspricht, faszinierende Einblicke in das Leben von Louis Braille zu bieten, dem Erfinder der Blindenschrift Braille. Leider war der historische Roman von Thomas Zwerina für mich aber eine enttäuschende Lektüre, die die Versprechen aus der Inhaltsbeschreibung nicht erfüllen konnte.

Der größte Makel dieses Romans liegt im Schreibstil, den ich oft als altmodisch, kitschig und aufgesetzt empfunden habe. Anstatt den Leser in die Welt des 19. Jahrhunderts zu versetzen, ertränkt der Autor die Geschichte in ausschmückenden Metaphern und unpassenden Vergleichen. Ein Beispiel dafür ist die Passage: "Pigniers Herz vollführte einen Wettstreit an langen Seilen. Am Ende riss das Seil, und er holte den hohlen Kürbis der Verwunderung wieder vom Kompost zurück und füllte ihn mit Sanftmut und Neugier." Und auch wenn der Autor diesen Ton im Nachwort als groteske Überzeichnung kennzeichnet: Solche überladenen und künstlichen Beschreibungen kommen auf jeder Seite mehrmals vor und lassen den Roman für mich wie eine Karikatur historischer Literatur wirken. Auch im Nachwort ist der Ton immer noch geschwollen und jeder Satz wird durch gleich mehrere Adjektive und Nomen ausgeschmückt. Durch diesen Ton blieben auch die Charaktere für mich blass, da ich mich nicht gut einfühlen konnte.

Ein kleines, weiteres Problem liegt in der Inkonsistenz der historischen Genauigkeit. Während einige Aspekte von Louis Brailles Leben akkurat wiedergegeben werden, werden andere Ereignisse und Details weggelassen. Dies fällt zwar unter künstlerische Freiheit, allerdings hat mir ja gerade die künstlerische Umsetzung nicht gefallen.

Dennoch kann man dem Roman sein historisch adäquates Fundament zu Gute halten. Die Darstellung von Louis Brailles Kampf gegen seine Blindheit und sein unermüdliches Streben nach Bildung und Unabhängigkeit sind für mich gut deutlich geworden. Insgesamt hinterlässt "Eine Fingerkuppe Freiheit" jedoch einen zwiespältigen Eindruck. Während die Grundidee des Romans viel Potenzial hat, wird dieses durch einen mangelhaften Schreibstil und eine inkonsistente historische Darstellung zunichte gemacht. Leser, die nach einer präzisen und fesselnden Darstellung von Louis Brailles Leben suchen, werden hier leider enttäuscht sein.

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