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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2024

Unterhaltsam und nett

Pi mal Daumen
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„Pi mal Daumen“ erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem mathematischen Wunderkind Oscar und der lebenslustigen Großmutter Moni, die sich heimlich ihren Traum vom Mathematikstudium erfüllen ...

„Pi mal Daumen“ erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem mathematischen Wunderkind Oscar und der lebenslustigen Großmutter Moni, die sich heimlich ihren Traum vom Mathematikstudium erfüllen will. Trotz ihrer Unterschiede – Oscar, privilegiert und sozial unbeholfen, und Moni, die mit mehreren Nebenjobs plus drei Enkelkindern ihren Alltag meistert – wachsen die beiden im Laufe der Geschichte zusammen und bilden ein sympathisches Team, das sich gemeinsam beim Studium unterstützt.

Moni wird zunächst als Außenseiterin belächelt – allein schon wegen ihres auffälligen Auftretens mit knalligem Lippenstift und hohen Schuhen, und weil sie für eine Putzfrau gehalten wird. Doch der Roman schafft es, schnell zu zeigen, dass sich wahre Intelligenz und Leidenschaft nicht durch äußere Erwartungen und Rollenbilder begrenzen lassen. Es dauert nicht lange, bis Oscar erkennt, dass Monis Wissen und vor allem ihre Hartnäckigkeit etwas Besonderes sind.

Der Humor des Romans bewegt sich oft auf einer schmalen Linie. Während er stellenweise sehr amüsant ist, driftet er manchmal ins Kalauerhafte ab, was sicherlich Geschmackssache ist. An einigen Stellen ist es auch sehr klischeehaft, zudem gibt es hier und da klassistische Ansätze, besonders in der Art, wie Menschen in prekären Lebensverhältnissen dargestellt werden. Der Roman profitiert sicher davon, wenn man das selbst kritisch liest. Doch insgesamt überwiegt der positive Eindruck: Die Charaktere werde trotz der Klischees sehr warmherzig beschrieben und entwickeln sich im Laufe des Romans auch weiter. Die Geschichte ist flüssig und locker erzählt und ich fühlte mich gut unterhalten. Besonders die Entwicklung der Freundschaft, die niemand für möglich gehalten hätte, macht „Pi mal Daumen“ zu einer sehr netten Lektüre.

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Veröffentlicht am 30.09.2024

Rasant, kreativ, intelligent

Antichristie
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"Antichristie" ist ein Roman, wie ich ihn noch nie zuvor gelesen habe – und er hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Die Geschichte beginnt im London des Jahres 2022, unmittelbar nach ...

"Antichristie" ist ein Roman, wie ich ihn noch nie zuvor gelesen habe – und er hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Die Geschichte beginnt im London des Jahres 2022, unmittelbar nach dem Tod der Queen. Inmitten der Trauernden tritt Durga auf, internationale Drehbuchautorin sowie Tochter eines Inders und einer Deutschen. Ihr neuestes Projekt, eine dekoloniale Neuauflage eines Agatha-Christie-Films, bildet den Rahmen der Erzählung. Doch plötzlich springt die Handlung ins Jahr 1906, und Durga begegnet indischen Revolutionären, die keineswegs die pazifistischen Ideale Gandhis vertreten, die Durga immer für richtig gehalten hatte.

Die raschen Wechsel zwischen den Zeitebenen tragen wesentlich zum Sog des Romans bei. Die Erzählung ist rasant und voller Energie, doch ebenso wird das Tempo immer wieder durch sprachliche und formale Experimente aufgelockert. Diese stilistische Vielfalt sorgt dafür, dass auf den über 500 Seiten niemals Langeweile aufkommt. Gleichzeitig wird man als Leser:in herausgefordert: Die Erzählweise zwingt einen zum Nachdenken und es entstehen ständig neue Fragen über Kolonialismus und die damit verbundenen Widerstandsbewegungen.

Der Roman schafft es, historische Fakten mit persönlicher Tiefe und einer erzählerischen Leichtigkeit zu verbinden, die niemals belehrend wirkt. Stattdessen werden Perspektiven auf komplexe Fragen aufgezeigt, und man ist stets dazu eingeladen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Durga als zentrale Figur, die mit beiden Kulturen tief verwoben ist, fungiert als Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart – und zwischen den verschiedenen Perspektiven auf die britische Kolonialherrschaft. Trotz des scheinbar schweren Themas liest sich der Roman deshalb oft erstaunlich leicht. Dafür sorgt auch der trockene, scharfzüngige Humor, der die Geschichte durchzieht. Es gibt wenige, wenn auch spürbare Passagen, die sich in die Länge ziehen, aber angesichts der 550 Seiten ist das kaum vermeidbar und schmälert das Lesevergnügen nur minimal.

Es scheint fast unangemessen, bei einem solch ernsten Thema so viel Freude am Lesen zu empfinden – und doch ist genau das die Stärke von "Antichristie". Es ist ein Roman, der fordert und bewegt, aber auch unterhält.

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Veröffentlicht am 28.09.2024

Cozy Crime für jedes Alter

Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi: Cosy Crime in einem eingeschneiten Herrenhaus
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„Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein charmanter Cozy Crime Roman, der in den Wintermonaten für beste Unterhaltung sorgt. Alexandra Fischer-Hunold schafft mit ihrem Setting im verschneiten Lake District ...

„Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein charmanter Cozy Crime Roman, der in den Wintermonaten für beste Unterhaltung sorgt. Alexandra Fischer-Hunold schafft mit ihrem Setting im verschneiten Lake District an Heiligabend die perfekte Kulisse für einen gemütlichen Krimiabend. Ein eingeschneites und deshalb von der Außenwelt abgeschnittenes Hotel mit überschaubarer Gästezahl und ein mysteriöser Mord erinnern direkt an die Klassiker von Agatha Christie und erzeugen eine wohlige Mischung aus Spannung und Weihnachtsstimmung.

Die jugendlichen Ermittlerinnen Lily und Zelda stehen im Zentrum der Handlung. Als im Hotel ein Mord geschieht und Zeldas Familie verdächtigt wird, starten die beiden ihre eigene inoffizielle Untersuchung. Die vielfältigen Charaktere – vom geldgierigen Cousin bis zur gestressten Lehrerin – tragen ihren eigenen Reiz bei und unterstreichen die klassische Krimi-Welt, die der Geschichte Charme verleiht. Der Schreibstil ist flüssig und bringt Lilys jugendliche Perspektive authentisch herüber. Die Handlung bleibt bis zum Ende unvorhersehbar, wobei es spannend bleibt, aber auch nicht zu spannend, sodass man sowohl rätseln als auch die weihnachtliche Szenerie genießen kann. Für mich persönlich war es die ideale Lektüre für einen regnerischen Nachmittag - so gemütlich, dass ich zwischendurch sogar Scones für einen britischen Afternoon Tea backte.

„Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist damit perfekt für junge Leser*innen ab 12 Jahren, die Detektivgeschichten mögen, aber auch für Erwachsene, die ein modernes, leichtes Cozy Crime im Agatha-Christie-Stil suchen. Die Freundschaft zwischen Lily und Zelda, die winterliche Kulisse und der spannende Kriminalfall machen diesen Weihnachtskrimi zu einer rundum gelungenen Wohlfühllektüre. Ich drücke jetzt schon die Daumen, dass es einen Nachfolgeband gibt und das nicht das letzte Weihnachten für Zelda und Lily war.

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Veröffentlicht am 23.09.2024

Spannungsreich

Bevor es geschah
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„Bevor es geschah“ von Céline Spierer, gelungen übersetzt von Sina de Malafosse, ist ein toller Roman, um einer Leseflaute entgegenzuwirken. Er hat mich schon auf den ersten Seiten in den Bann gezogen, ...

„Bevor es geschah“ von Céline Spierer, gelungen übersetzt von Sina de Malafosse, ist ein toller Roman, um einer Leseflaute entgegenzuwirken. Er hat mich schon auf den ersten Seiten in den Bann gezogen, vor allem durch das Setting und die geschickt ineinander verwobenen Handlungsstränge, die die Abgründe der wohlhabenden amerikanischen Schönen und Reiche schildern. Dieses Setting hat mich an „Die Einladung“ von Emma Cline oder „Der Papierpalast“ erinnert - ich lese so etwas ja gerade im Sommer ganz gern!

Eine Familie trifft sich im Haus der Matriarchin Elisabeth zum Sonntagsgrillen. Die vier Kinder und ihre jeweiligen Ehepartner samt Kindern tragen alle ihre eigenen Geheimnisse mit sich herum, die unausgesprochen zwischen ihnen stehen. Dabei sind sie so beschäftigt mit sich und ihrer Vergangenheit, dass sie das Verschwinden des kleinen Thomas zuerst nicht bemerken. Alle Charaktere sind vielschichtig und komplex angelegt, auch zunächst unsympathische Charaktere bekommen dadurch Tiefe, dass die Erzählperspektive ständig zwischen den Familienmitgliedern wechselt. Die Lektüre wird dadurch aber nicht unübersichtlich, sondern vor allem spannender, wenn nach und nach klar wird, wie verschiedene Charaktere auf ein und dasselbe Ereignis schauen.

Am Ende schafft es die Autorin die zahlreichen Handlungsstränge und sich überlappenden Geheimnisse so zusammenzuführen, dass es bis zum Schluss überraschende Wendungen gibt. Dies macht den Roman für mich eigentlich zur idealen Pool- oder Strandlektüre: fesselnd, thematisch relevant und am Ende doch nicht zu überfordernd und verstörend. Insgesamt ein mitreißender Roman, den ich jedem empfehlen kann, der fesselnde, tiefgründige Geschichten mit einem sommerlichen Setting liebt.

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Veröffentlicht am 22.09.2024

Geschichte war nicht für mich

Das Wohlbefinden
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Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener ...

Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener Zeit, und verknüpft mit einer Rahmenhandlung in Berlin 2020. Das Potenzial, eine packende Geschichte mit Tiefgang zu entwickeln, ist also eindeutig vorhanden. Doch trotz dieser faszinierenden Prämisse konnte mich der Roman letztlich nicht vollständig überzeugen.

Im Mittelpunkt steht die ambivalente Beziehung zwischen der angeblich hellsichtigen Fabrikarbeiterin Anna und der großbürgerlichen Schriftstellerin Johanna Schellmann. Beide Frauen scheinen voneinander zu profitieren, doch gleichzeitig bleibt unklar, welche Absichten wirklich dahinterstecken: Ist Anna ein echtes Medium oder eine geschickte Betrügerin? Nutzt Johanna sie lediglich als Inspiration für ihr neues Buch? Diese Spannung zieht sich durch den Roman, blieb jedoch für mich zu blass, um wirklich zu fesseln. Besonders Annas religiös-okkulte Äußerungen erschwerten es mir, ihre Anziehungskraft auf Johanna nachzuvollziehen. Auch die Figur von Johannas Enkelin Vanessa, die im modernen Berlin auf die Spuren ihrer Familiengeschichte stößt, bleibt für meinen Geschmack zu oberflächlich. Ihre Nachforschungen und die Entdeckungen über das wahre Ende von Johannas und Annas Geschichte fügen der Handlung zwar eine interessante Meta-Ebene hinzu, konnten mich emotional jedoch ebenfalls nicht erreichen.

Trotz dieser Kritikpunkte schätze ich Lenzes Sprache und den geschickten Aufbau des Romans. Ihre Fähigkeit, verschiedene Zeitebenen miteinander zu verknüpfen, zeugt von einer literarischen Raffinesse, die mich durchaus beeindruckt hat. Auch wenn „Das Wohlbefinden“ mich nicht vollkommen in seinen Bann ziehen konnte, würde ich dennoch weitere Romane von Ulla Lenze lesen, denn ihre stilistische Eleganz und die sorgfältige Konstruktion ihrer Geschichte sind unbestritten. Insgesamt lässt sich sagen, dass „Das Wohlbefinden“ trotz seiner gelungenen sprachlichen und erzählerischen Elemente letztlich für mich daran scheitert, die Tiefe seiner Figuren und die Dynamik ihrer Beziehungen überzeugend zu vermitteln. Wer sich jedoch für die Themen Okkultismus und historische Frauenfiguren interessiert, könnte in diesem Roman trotzdem eine lesenswerte Geschichte finden.

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