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Veröffentlicht am 22.12.2023

Trotz hoher Erwartungen positiv überrascht

Die Waldläuferin
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Die Waldläuferin ist der Auftakt zur vierteiligen Reihe Wandelblut von Janis Nebel.
Die Geschichte umfasst zwei Erzählperspektiven. Zum einen folgen wir Mitja, einem (unschuldigen) Exsträfling, der eben ...

Die Waldläuferin ist der Auftakt zur vierteiligen Reihe Wandelblut von Janis Nebel.
Die Geschichte umfasst zwei Erzählperspektiven. Zum einen folgen wir Mitja, einem (unschuldigen) Exsträfling, der eben aus den Asren Mienen entlassen wurde und nun in seine Heimat zurückkehrt. Dort muss er sich, gebrandmarkt wie er ist, sowohl seiner Zukunft, wie auch seiner Vergangenheit stellen. Und jenen, die ihn im Stich gelassen haben. Und dann ist da Neri, die Waldläuferin, die im verfallenden Heim ihrer toten Eltern im Wald haust. Flieh!, raten ihr die Flüsterstimmen immer zu. Denn die Menschen sind gefährlich - sie dulden ihre Andersartigkeit nicht. Sie fürchten und verfolgen sie. Und dennoch… Irgendwie muss sie ja überleben. Und vielleicht sind ja auch nicht alle so schlimm? Des Weiteren beleuchtet “Die Waldläuferin” zwei Zeitebenen - die Gegenwart und die Vergangenheit, vornehmlich die Ereignisse von vor sieben Jahren. Jene Ereignisse, welche die Geschichte dieser zwei Protagonisten eng verbindet.

Als Leser:in erkennt man schon früh, wie diese beiden Schicksale zusammenhängen. Man hat den Figuren dieses Wissen lange voraus. Und der grosse Plottwist bleibt damit aus. Verschenkte Gelegenheit? Mitnichten! Trotzdem - oder gerade deshalb - wohnt der Geschichte eine beinahe magische Spannung inne, während immer neue Aspekte, Hintergründe und Gedanken dieses für die Leser:innen bekannten Szenario enthüllt werden. “Die Waldläuferin” lebt nicht durch actiongeladene Spannung und laute Effekte, sondern durch die Tiefe und Vielschichtigkeit der Hauptfiguren, deren persönliche Reise, Erfahrungen und Entwicklungen. Ein bisschen Action ist aber auch dabei ;)
Die grösste Stärke des Buches liegt dann eben auch in den Charakteren, die schon fast erschreckend authentisch wirken. Selbst die Nebencharaktere und natürlich der Antagonist dürfen sich dessen rühmen. In beiden Perspektiven ist deutlich eine individuelle Stimme lesbar, die individuelle Art von Mitja und Neri zu denken, ihre Weltsicht entstanden durch ihre Erfahrungen und Prägungen. Diese persönliche Geschichte wiederum spiegelt sich in ihren Handlungen und Entscheidungen wider.

Die Geschichte, so sehr in den Charakteren verwurzelt, wirkt entsprechend sehr organisch, aus diesen Charakteren erwachsen und entsprechend lebendig. Zu diesem Eindruck trägt auch das Worldbuilding bei. Wir befinden uns in einer mittelalterlich anmutenden Welt, die aber ohne die üblichen, ausgetretenen Klischees auskommt und einen ganz eigenen Weg geht. Diese Welt ist detailreich, ohne überladen zu wirken und wird durch die Handlung lebendig und erfahrbar. Organisch eben - die Fassade bröckelt zu keiner Zeit.

Das Ende dann lässt Fragen offen, ohne das Buch unvollendet wirken zu lassen. Und auch aus dem Epilog entspringt noch einmal Tiefe - Tiefe für die Geschichte und Tiefe für den Antagonisten. Die Neugier auf den zweiten Band ist gross! Und ich freue mich darauf, bald wieder in diese atmosphärische, leise Geschichte einzutauchen, die mit so viel Tiefe und Gefühl geschrieben wurde. Und ganz ohne Kitsch auskommt.

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Veröffentlicht am 30.11.2023

Magisch und faszinierend

Die Stadt aus Messing
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Inhalt

Nahri hat sich in Kairo eine bescheidene Existenz als Heilerin aufgebaut - träumt aber von einem richtigen Medizinstudium. Um diesem Ziel näher zu kommen, macht sie auch von ihren Talenten als ...

Inhalt

Nahri hat sich in Kairo eine bescheidene Existenz als Heilerin aufgebaut - träumt aber von einem richtigen Medizinstudium. Um diesem Ziel näher zu kommen, macht sie auch von ihren Talenten als Diebin und Betrügerin Gebrauch. Bis sie bei einem Ritual auf die Idee kommt, in ihrer geheimnisvollen Muttersprache zu singen - und prompt den Daeva Dara heraufbeschwört. Dieser erkennt sie als ein Mischwesen und letzten Abkömmling einer ausgestorben geglaubten Blutlinie. Und obwohl er das Ergebnis solcher schändlicher Verbindungen von Dschinn und Menschen verabscheut, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Nahri nach Daevabad zu bringen.

In Daevabad hat der junge Prinz Ali mit Moral- und Loyalitätskonflikten zu kämpfen - und der Politik und Geschichte, welche die Stadt zu zerreissen drohen.


Die Geschichte

Unmöglich über “Die Stadt aus Messing” zu sprechen und nicht zuallererst auf das Worldbuilding zu sprechen zu kommen. Es ist schlichtweg beeindruckend und mitreissend. Die Autorin hat eine durch und durch magische Welt erschaffen, die durch ihre Komplexität, Glaubwürdigkeit, Originalität und Exotik einen unwiderstehlichen Sog entwickelt. Von der Historie über die verschiedenen Stammeskulturen bis zur Gesellschaftsstruktur passt jedes Puzzleteil stimmig ins Gesamtbild, das auf zauberhafte Weise zum Leben erwacht. Ein so monumentales Werk wirft aber auch einen Schatten: Es erfordert schon einiges an Konzentration, bei all den verschiedenen Stämmen, Titeln, exotischen Namen und Fehden nicht den Überblick zu verlieren. Bestimmt wäre mir das leichter gefallen, hätte ich das alles geschrieben gesehen und nicht nebenbei bei der Hausarbeit gehört.


In und mit dieser wimmelnden und wabernden Welt erwachen vielerlei Haupt- und Nebenfiguren zum Leben. Auch diese glänzen durch Komplexität und Originalität, starke Motivationen, undurchsichtige Motive und detailliert ausgearbeitete Persönlichkeiten. Sowohl Entwicklungsbögen als auch unerwartete Enthüllungen sind stets im Charakter verankert und logisch nachvollziehbar. Und so verwundert es auch nicht, dass der Plot - der massgeblich von den Entscheidungen und den Handlungen der vielfältigen Figuren geformt wird - mit viel Spannung und unerwarteten Wendungen aufwartet. Einzig der romantische Subplot konnte mich, vor allem zu Anfang, nicht überzeugen. Das uralte, übersinnliche Wesen, das seine Vorurteile auf wenigen Seiten überwindet und sich auf wenigen Seiten in das junge, einfache Mädchen verliebt - das trifft so gar nicht meinen Geschmack und erschien mir auch in der Umsetzung nicht sehr glaubwürdig. Schade, denn die zwischenmenschlichen Beziehungen und Dynamiken sind ansonsten mitreissend, erfahr- und nachvollziehbar dargestellt. Mit den sich entwickelnden Geschehnissen und Andeutungen vor allem zum Ende des Buches, könnte ich mir aber vorstellen, dass diesem Subplot im Weiteren noch mehr Substanz zugefügt werden könnte. Vielleicht ist das aber auch nur meine Hoffnung.


Jedenfalls: Plot und Struktur überzeugen durch Raffinesse und einen ausgeklügelten Plan. Nach einer gefühlten Spannungsflaute zur Mitte (interessant ist es trotzdem geblieben), nimmt das Tempo dann wieder rasant zu, die Ereignisse überstürzen sich und schlagen Hacken - und haben mich trotzdem nicht abgehängt.


Sprecherin

Lara Hoffmann schafft es, die magische Welt der Dschinn gefühlvoll zum Leben zu erwecken und verleiht dem zauberhaften Aspekt der Geschichte stimmige Atmosphäre. Speziell in Nahris Perspektive ist ihre Interpretation für mich stimmig und der Charakter der jungen, aber starken Frau gut eingefangen. Auch Ali, die philosophisch-moralische Seele im Körper und in der Rolle des gnadenlosen Kriegers, finde ich gut getroffen. Es gibt aber auch viele Szenen und Situationen, da entfaltet Hoffmanns Stimme einfach nicht genügend Kraft für die gewaltigen Bilder und Ereignisse und klingt für mich oftmals zu weinerlich. Dadurch erhält die Geschichte einen mädchenhaften Unterton, der eher dem nicht so geglückten Subplot entspricht, als dem epischen Gesamtwerk gerecht wird.


Fazit

“Die Stadt aus Messing” hat mich mitgerissen und nicht mehr losgelassen. Die Welt und die Charaktere, die Handlung und der Aufbau haben mich als Gesamtpaket überzeugt und lassen mich über kleinere Schwächen getrost hinwegsehen. Der zweite Band landet ganz oben auf meiner Leseliste - diesmal aber in Buchform.

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Veröffentlicht am 29.11.2023

Inhalt vs Stil - eine zwiegespaltene Erfahrung

Natural Flow
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Inhalt

“Natural Flow” ist ein Ratgeber, Lebenshilfe, geschrieben von der promovierten Wirtschaftspsychologin Miriam Stark - aber definitiv kein Sachbuch. Die Autorin praktiziert als Beraterin/Coach zu ...

Inhalt

“Natural Flow” ist ein Ratgeber, Lebenshilfe, geschrieben von der promovierten Wirtschaftspsychologin Miriam Stark - aber definitiv kein Sachbuch. Die Autorin praktiziert als Beraterin/Coach zu zyklusorientiertem Leben.

In einem ersten Teil widmet sich die Autorin der physischen Ebene des weiblichen Zyklus. Das Herzstück, auf das auch im weiteren Verlauf substanziell Bezug genommen wird, ist dabei die Erläuterung des weiblichen Hormonhaushalts und der vier daraus abgeleiteten Zyklusphasen.
Den zweiten Teil bezeichnet die Autorin als psychologische Ebene. Hier bemüht sie sich, einen Wirkzusammenhang der hormonellen Vorgänge mit psychischen - oder besser seelischen - Zuständen herzustellen. Sie erläutert das Konzept von vier verschiedenen Anteilen - die Junge, die Mutter, die Magierin, die Alte - welche jede Frau in sich trägt und wie psychische und/oder somatische Leiden auf Vernachlässigung eines oder mehrerer dieser Anteile zurückgeführt werden können. Jedes Kapitel enthält eine Anleitung zu einer mentalen Reise und wird durch fiktive, aber durch die eigene Praxis inspirierte, Fallbeispiele illustriert.
Im dritten Teil beleuchtet Dr. Stark - vor dem Hintergrund der vorgängig aufgestellten Theorie - Sonderfälle (z.B. Schwangerschaft) und ausgewählte Problemlagen (z.B. Mittelschmerz) des weiblichen Zyklus.
Als viertes gibt die Autorin einen Abriss praktischer Tipps für Individuen, Paare und Arbeitgeber:innen, die zu einer positiveren privaten und geschäftlichen Alltagserfahrung und eben dem versprochenen “Natural Flow” führen sollen.

Meine Meinung
Inhaltlich gab es für mich beim Lesen viele Momente, in denen ich mich angesprochen gefühlt habe. Gerade der physiologische Aspekt, der hormonelle Zyklus und die Erläuterungen der möglichen psychologischen Wirkungen der Hormonlevel waren für mich sehr erhellend. Ich fand es auch spannend, wie die Autorin psychosomatische Wirkzusammenhänge vorgeschlagen hat. Das Konzept der vier weiblichen Anteile und die damit einhergehenden Superkräfte finde ich interessant und nehme ich gerne zur weiteren Erkundung mit.
Meiner Meinung nach hat die Autorin es geschafft, eine schlüssige Verbindung zwischen physischer und psychischer/seelischer Ebene zu schaffen - auch wenn die Argumentationskette nicht zwingend oder wissenschaftlich tadellos ist. Sie hat es aber geschafft, wichtige Denkanstösse zu kreieren. Und ich begrüsse und schätze ihr Bemühen, Frauen dazu zu ermutigen, ihrem Körper und ihrer Psyche mehr Beachtung zu schenken, achtsam mit beidem umzugehen und für die eigenen Bedürfnisse Platz zu machen.

Andere Punkte - ganze Kapitel sogar - habe ich allerdings als eher stiefmütterlich behandelt wahrgenommen. Themen wie Verhütung, Endometriose etc. werden nur angerissen und sehr einseitig und teils reisserisch betrachtet. Hier sehe ich sehr viel persönliche Meinung der Autorin und die Theorie und Methode Miriam Stark (oder eben Natural Flow), aber wenig überzeugendes oder wissenschaftliches Fundament. Auch die Referenz auf patriarchale Strukturen wird immer wieder gemacht, ohne dass diese in angemessener Form vordiskutiert wurden.

Die vorgeschlagenen Meditationen empfinde ich als einfache Möglichkeit, mit sich selbst in Kontakt zu treten. Zusammen mit dem simplen Tracking Tool aus dem Anhang stellt Dr. Stark hier einen niederschwelligen Einstieg zum zyklusorientiert(er)en Leben vor. Während viele Alltagstipps und Vorschläge der Autorin interessant und vielleicht sogar hilfreich sind, zielen viele - insbesondere die berufsrelevanten - auf eine sozioökonomische Elite als Zielpublikum ab. Zu dieser fühle ich mich nur bedingt zugehörig und es stellte sich für mich immer wieder die Frage, ob denn zyklusorientiertes Leben im Natural Flow nichts für die breite Masse ist. Oder ob Dr. Stark diese Masse durch ihren eigenen Hintergrund und ihre Erfahrungen einfach nicht bedienen kann.

Eine extreme Herausforderung war für mich das sprachliche Gewand, in dem dieses Buch daher kommt. Die “umarmende” Sprache, mit der die Autorin sehr grosszügig umgeht, hat es mitunter schwer gemacht, den präsentierten Informationen und Gedanken zu folgen. Der ausschweifende Stil hat meinen Fokus - und meinen Durchhaltewillen - immer wieder schwer auf die Probe gestellt. Das Buch wimmelt ausserdem von englischen Ausdrücken, ja sogar ganzen Sätzen. Das mag im verbalen Austausch angehen, in geringen Dosen vielleicht sogar in einem Buch. Hier war es für mich definitiv irritierend und nervig, denn es wirkt auf mich unprofessionell und nachlässig.
Mit ihrem Stil hat die Autorin leider an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit gekratzt. Und als wäre das nicht schade genug, schafft sie es auch immer wieder, sich selbst in die esoterische Ecke zu stellen. Obwohl sie genau das zu vermeiden versucht, in dem sie wortreich ankündigt, dass es jetzt abgefahren wird, Bilder von klischeehaften Esotanten heraufbeschwört - und dann alles mit einem “glaubt mir” wegzuwischen versucht. Liebe Frau Dr. Stark, wir Leser:innen sitzen ihnen nicht in ihrem Beratungszimmer gegenüber. Beziehungsarbeit funktioniert nicht auf dieselbe Weise. Sie haben nicht einfach mein Vertrauen, weil Sie mich dazu auffordern. Und mit ihrem blumigen Motivationstrainer/Lebenscoach Geschwafel und den lautmalerischen Schwelgereien haben Sie es mir richtig schwer gemacht, Sie fachlich trotzdem ernst zu nehmen.

Fazit
Inhaltlich behandelt “Natural Flow” wichtige und spannende Themen, die jede Person mit Gebärmutter, deren Partner:innen und Arbeitgeber:innen etwas angehen (sollten). Ich schätze und unterstütze den Aufruf zu mehr Achtsamkeit und Respekt für unsere Körper und Seelen. Und obwohl mir das Buch einige Denk- und Handlungsanstösse gegeben hat, fühle ich mich nicht der sozioökonomischen Elite angehörig, an die ich das Buch gerichtet empfinde. Ich fühle mich tendenziell exkludiert. Sprachlich und stilistisch war es für mich ausserdem nahezu unlesbar.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Nicht immer actionreich aber durchgehend spannend.

Vardari - Eisenwolf (Bd. 1)
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Eisenwolf ist der erste Band der Vadari-Trilogie von Siri Pettersen. Hier wird (entfernt) an die Geschehnisse der Rabenringreihe angeknüpft. Die Vorkenntnisse sind aber nicht nötig.

Inhalt

Die Welt, ...


Eisenwolf ist der erste Band der Vadari-Trilogie von Siri Pettersen. Hier wird (entfernt) an die Geschehnisse der Rabenringreihe angeknüpft. Die Vorkenntnisse sind aber nicht nötig.

Inhalt

Die Welt, die Siri Pettersen in Eisenwolf zeichnet ist düster. Navlak liegt offenbar hoch im Norden und darf sich erst im Frühling wieder an der Sonne erfreuen. Dazu dreht sich hier vieles ums Blut. Wolfsblut. Denn das wird benötigt, um die Steintore zu betreiben, die Navlak reich und berühmt machen. Daraus werden aber auch die Blutperlen hergestellt, welche von grossen Teilen der Bevölkerung genutzt werden, um high zu werden. Und die die Wolfsseuche auslösen können.

Die Haupthandlung folgt Juva, Wolfsjägerin, der ältesten Tochter des Hauses Senseyr. Doch mit dem Erbe der Familie will diese nichts zu tun haben - Blutleserinnen hält sie für Betrügerinnen, ihre Kindheit im Hause einer der Anführerinnen will sie hinter sich lassen. Juva ist glücklich, das Erbe an ihre kleine Schwester abzutreten. Aber als der Wächter an den Steintoren wieder zum Leben erwacht, das Totenhorn immer öfter bläst und der Ausbluter sich auf die Jagd nach Wolfskranken macht, geht das Schicksal andere Wege. Und Juva muss sich ihrer traumatischen Vergangenheit, dem Geheimnis ihres eigensinnigen Herzens und dem Eisenwolf stellen.

In Nebenhandlungssträngen, die im Verlauf an Häufigkeit abnehmen, verfolgt die Leser*in Rugen, einem süchtigen Lebemann, und Nafraim, einem der geheimnisumwobenen Vadari, einem Ewigwährenden.


Meine Meinung

Die Geschichte startet spannend, aber auf die Hauptthemen bezogen gemächlich. Bildgewaltig und auch etwas derb zeichnet Siri Pettersen diese nordische, wilde und etwas archaische Welt Stück für Stück. Als Höhrerin durfte ich diese Welt durch die Handlung und in authentischer Weise durch die Charaktere kennen lernen. Das führt stellenweise natürlich dazu, dass Fragen offen bleiben. Dies aber immer in genau dem richtigen Masse, dass es eben spannend und geheimnisvoll bleibt, ohne ärgerlich zu werden. Die Handlung ist trotz der eigenen Perspektive des Antagonisten Nafraim undurchsichtig, überraschend und stellenweise brutal und schockierend. Die derbe Sprache ist teilweise charakterbedingt etwas grenzwertig vulgär, explizite Inhalte eingeschlossen. Für ein Jugendbuch definitiv gewagt.

Haupt- sowie Nebenfiguren sind liebevoll ausgearbeitet und lassen sich nur ungern in Schubladen stecken. Diese Ecken und Kanten machen sie glaubwürdig und äusserst lebendig. Juvas Charakterentwicklung ist interessant und emotional zu verfolgen. Und besonders ihre Jagdkameraden sind in ihrer realistischen Schrulligkeit ein kleiner Schatz für mich.

Der Sprecher Konstantin Graudus ist, wie schon bei den Rabenringen, eine hervorragende Besetzung. Er trifft mit seiner Interpretation die düstere Atmosphäre und verleiht der Geschichte eine mystische Note.

Das Buch ist in sich geschlossen und das Hängen an der Klippe bleibt einem zum Glück erspart - trotzdem lässt das Ende genügend Stoff, um schon ganz ungeduldig auf den nächsten Band zu warten

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Eine unterhaltsame Schnitzeljagd

Der Spurenfinder
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Inhalt
Der Spurenfinder (denn suchen kann ja jeder) Elos von Bergen hat sich zusammen mit seinen Kindern, den Zwillingen Ada und Naru, am Ende der Sackgasse der imperialen Strasse von Dreibrücken niedergelassen, ...

Inhalt
Der Spurenfinder (denn suchen kann ja jeder) Elos von Bergen hat sich zusammen mit seinen Kindern, den Zwillingen Ada und Naru, am Ende der Sackgasse der imperialen Strasse von Dreibrücken niedergelassen, um dort ein Leben in behaglicher Langeweile zu fristen. Dass in Friedhofen niemals etwas passiert, hat sich allerdings herumgesprochen. Deswegen passiert dann eben doch etwas - sogar ein Mord. Elos macht sich sogleich ans Spuren finden, während seine beiden Assistenten fleissig solche suchen. Gemeinsam decken sie eine Reihe ungeheurer Geheimnisse, ja sogar Intrigen auf und am Schluss… passiert noch so einiges mehr.

Rezension
Die Klings gestatten sich und den Leserinnen gemütliche fünfzig Seiten, um die märchenhaft-mittelalterliche Welt von und um Friedhofen zu erkunden. In einfacher aber effektiver und durchaus witziger Sprache - und mit der künstlerischen Unterstützung von Bernd Kissel - entsteht schnell eine klare, aber nicht überladene Atmosphäre, die Gesellschaftssystem, Magie und Götterwelt mit umfasst. Liebevoll werden auch die Hauptfiguren, die Beziehung unter den Kindern, die Familiendynamik und mehrere Nebenfiguren eingeführt. Besonders augenfällig ist hier, dass ich das Gefühl hatte, wirklichen Kindern zu begegnen - nicht von einem Erwachsenen geschriebenen Kindern.

Bevor der bäurische Alltag langweilig wird, betritt der Tod die Bühne. Sofort nimmt der Spurenfinder die nicht abzuwimmelnden Zwillinge und die Leser
innen an die Hand. Spuren tauchen auf und werden bewertet; Schlussfolgerungen getroffen, Massnahmen ergriffen. Es gibt etwas Raum zum Miträtseln, die Handlung schreitet aber zügig voran. Es entspinnt sich ein sauber gearbeiteter und strukturierter Handlungsbogen, der sprachlich eben so sauber und präzise dargeboten wird. Hier ist kein Wort zu viel oder fehl am Platz, greift ein Satz in den nächsten, treffen Witze zielsicher ihre Pointe, folgt ein Ereignis dem anderen. Wortgewandt und wortwitzig laufen die Spurenfinder in vielerlei kleinere und grössere Herausforderungen genau so glatt hinein wie wieder hinaus.
Die Geschichte verliert für meinen Geschmack im dritten Viertel etwas an Charme, als das Trio die vertraute Umgebung verlässt. Der Witz und die Witze, sowie die Handlung folgen ausserdem immer etwa denselben inzwischen bekannten Mustern, was in Ansätzen etwas Langeweile aufkommen lässt. Zum letzten Viertel wirds aber nochmal anständig spannend; die Handlung nimmt einige scharfe Kurven und steile Aufstiege - und schliesslich ein zufriedenstellendes Ende.

Abschliessende Worte
Der Spurenfinder erzählt wortgewandt und wortwitzig einen durchaus seriösen Fantasykrimi, in dem aber immer der Hauch von Satire und Komödie mitschwingt, ohne das Genre als solches ins Lächerliche zu ziehen. Die Geschichte überzeugt vor allem mit liebevoll ausgearbeiteten Charakteren, gelungenen zwischenmenschlichen Beziehungen und einem behaglichen Setting. Und natürlich durch meisterhaften Umgang mit Sprache.

Als erwachsene Frau in den Dreissigern fühlte ich mich zwar gut unterhalten, aber nicht als erstrangiges Lesepublikum. Da mir Klings Vortragstalent bekannt ist, könnte ich mir vorstellen, das Hörbuch mehr zu geniessen. Viel eher aber schätze ich den Spurenfinder als ideales Familienbuch ein - zum gemeinsamen (vor)lesen mit Kindern ab etwa acht Jahren. Oder für ambitionierte kleine Selbstleser.

Ich durfte den Spurenfinder von Marc-Uwe Kling und seinen beiden schwer aufzufinden, im Untergrund agierenden Helferinnen Johanna und Luise als Rezensionsexemplar lesen. Vielen Dank dafür - dem Team von Vorablesen und Ullstein Buchverlage.

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