Profilbild von Li-Lo

Li-Lo

Lesejury Profi
online

Li-Lo ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Li-Lo über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.02.2024

Die Wissenschaft, die Frauen und die Männer...

Das verborgene Genie
0

In “Das verborgene Genie” erzählt Marie Benedict die Geschichte von Rosalin Franklin, einer brillanten Wissenschaftlerin, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts das Geheimnis des Lebens lüftete. Anerkennung ...

In “Das verborgene Genie” erzählt Marie Benedict die Geschichte von Rosalin Franklin, einer brillanten Wissenschaftlerin, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts das Geheimnis des Lebens lüftete. Anerkennung dafür erhielt sie aber erst postum, während sie zu Lebzeiten von den patriarchalen Strukturen der Wissenschaft und wissenschaftlichen Politik zu einer Randerscheinung degradiert wurde. Die Autorin Marie Benedict lässt Rosalind Franklin- wie schon viele andere vergessene weibliche Pionierinnen - in einer literarischen Hommage erneut aufleben. Und zeichnet das Bild einer Wissenschaftlerin durch die Augen von Freunden und Familie, das so ganz anders anmutet als jenes, das ihre Konkurrenten propagierten. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an das Team von Vorablesen und dem Verlag Kiepenheuer&Witsch für das Rezensionsexemplar und damit die Möglichkeit, diese bemerkenswerte Frau und ihre Geschichte kennen zu lernen. Meine Meinung ist natürlich trotzdem meine eigene.

Kleine Vorgeschichte: Mir waren die Grundzüge der Höhepunkte vorab der Lektüre durchaus bekannt. Ich wusste also, dass und wie Rosalind Franklin von ihren männlichen Konkurrenten im Wettlauf um die Enträtselung der menschlichen DNA ausgestochen wurde. Ich wusste um ihr persönliches Schicksal. Und ich kannte das Bild, das James Watson von ihr geprägt hatte. Es war für mich also ersteinmal spannend, dass die Geschichte nicht etwa am Kings College in England, sondern in Paris begann. Und dazu sehr überraschend, dass ich einen Roman im Ich-Präsens vor mir hatte. Natürlich ermöglicht diese Form ein sehr tiefes Abtauchen in eine Figur - und bedeutet damit einen radikalen Perspektivwechsel vom Aussen ins Innen. Das mag den inhaltlichen Umständen und dem thematischen Ziel der Autorin dienen. Ich-Perspektiven bei historischen Figuren fühlen sich für mich jedoch tendenziell anmassend an. Und irgendwie falsch.
Nichtsdestotrotz konnte ich mich durchaus darauf einlassen - vor allem, weil mich die Geschichte sehr gepackt hat. Die Autorin erschafft eine für mich authentisch wirkende Atmosphäre und lässt den Zeitgeist lebendig auferstehen. Ausserdem schafft es Marie Benedict einerseits, die persönliche Geschichte einer faszinierenden und vielschichtigen jungen Frau interessant zu erzählen. Und andererseits die wissenschaftlichen Methoden, Erkenntnisse und Zusammenhänge trotz ihrer Komplexität und interessanter Tiefe verständlich und organisch in die Handlung einzubeziehen. Die Lektüre war für mich somit sowohl inhaltlich spannend, als auch lehrreich und hat bei mir zu einem tieferen Verständnis davon geführt, was und wie Rosalind Franklin eigentlich genau getan hat.
Obwohl ich die von Benedict portraitierte Wissenschaftlerin und Frau äusserst spannend und faszinierend finde, konnte ich mich mit der stilistischen Darstellung - vor allem der Gedankenwelt - eher weniger anfreunden. Das mag an der Erzählperspektive oder dem Stil der Autorin allgemein liegen. Jedenfalls wirkten die Gedanken und Selbstwahrnehmung der Protagonistin für mich seltsam überreflektiert und zugleich schockierend naiv. Diese Mischung führte oft dazu, dass der Charakter von Rosalind (von ihr selbst) analytisch erzählt wurde. Und eben nicht durch die Handlungen und Interaktionen gezeigt. Gerade ihre schroffe und brüske Art, ihre unüberlegten und voreiligen verbalen Erwiderungen - all das, was mitunter zu ihrem Anecken und zu Ablehnung führte - blieb für mich somit irgendwie nicht erfahrbar. Und Rosalinds entsprechende Gedanken schienen mir seltsam unpassend.

“Das verborgene Genie” trifft stilistisch nicht ganz meinen Geschmack. Inhaltlich hat mich aber sowohl der wissenschaftliche Krimiaspekt, als auch die persönliche Geschichte der brillanten, ehrgeizigen und von einer Männerwelt missverstandenen Rosalind Franklin sehr fasziniert. Ich glaube, dass es eine ehrenwerte und wichtige Aufgabe ist, derer sich Marie Benedict in ihren Romanen annimmt: Den Verdienst der vergessenen und übergangenen Frauen an unserer Welt und Geschichte in das ihnen gebührende Rampenlicht zu rücken. “Das verborgene Genie” schafft nicht nur das, sondern ist eben auch ein empfehlenswertes Portrait einer jener starken Frauen, die uns Folgenden den Weg geebnet haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.02.2024

Unterhaltsam und kurzweilig - männlich, weiss, europäisch

Kurztrip Weltgeschichte
0

“Kurztripp Weltgeschichte” wurde von Dr Sebastian Steffens verfasst - einem Physiker, nicht einem Historiker. Pflichtschuldig stellt der Autor gleich im Vorwort klar: Dieses Buch erhebt keinen Anspruch ...

“Kurztripp Weltgeschichte” wurde von Dr Sebastian Steffens verfasst - einem Physiker, nicht einem Historiker. Pflichtschuldig stellt der Autor gleich im Vorwort klar: Dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und auch nicht auf Objektivität. Auf gut hundert Seiten ist eben nicht mehr als ein selektiver Abriss möglich. Und das ist so auch in Ordnung. Vielen Dank an den Autor und den Dark Empire Verlag für das Leseexemplar! Auf diese kurze (!) Reise war ich sehr gespannt!

Anfangen tut dieser Kurztrip am Anfang - bei der Entstehung des Universums. Es folgen die Entstehung der Erde, wie sich das Leben auf ihr sich entwickelte. Und dann: Auftritt Mensch. Wie im Zeitraffer fliegt die Zeit vor unserer Zeit dahin - informativ dicht, aber unterhaltsam und sprachlich flott. Die Rundschau der ältesten Geschichte der Welt geht in die alte Geschichte über: Städte werden gebaut, Hochkulturen entstehen und zerfallen, Imperien werden gegründet. Über ganze fünf(einhalb) Kapitel verfolgt der Autor das Auf und Ab und Hin und Her des Römischen Reiches und seiner Kaiser und fliegt dann über das Mittelalter. Der Fokus liegt eindeutig auf Europa. In kurzen (!) Abstechern wirft er auch mal einen Blick nach China, den Nahen Osten, Südamerika. Für mehr als ein paar wenige Sätze bleibt aber keine Zeit. Denn weiter geht es mit der Kolonialisierung der Welt und dann von der Französischen Revolution und Napoleon, über den Ersten und Zweiten Weltkrieg, bis hin zum Kalten Krieg. Und rein in die Moderne, bis der Blick in die ferne Zukunft und zum Ende der Zeit schweift. Kurze Abstecher gibt es zur Unabhängigkeitsbewegung in Südamerika (eine Seite), in die Kunst und ihre diversen Stile und eine kurze Geschichte des Computers fehlt auch nicht.

Der Schreibstil ist flott, fast schon rasant. Leicht verständlich und trotz der Dichte übersichtlich fliegt man als Leser:in durch die Zeit. Immer wieder blitzt etwas Humor durch die Fakten, was die Lektüre erheblich auflockert. Die Leseerfahrung ist nicht nur durch die geringe Anzahl an Seiten kurzweilig!

Ich muss aber sagen, dass ich die erste Hälfte des Buches mehr genossen habe. Mit Fortschreiten der Zeit schien mir die Darstellung der Ereignisse weniger pointiert, detailliert und analytisch. Auch die so “erfrischenden” Informationen, die neue Erkenntnisse bringen, nahmen zunehmends ab. Das mag teilweise an meinen eigenen Vorkenntnissen liegen. Dazu kam dann auch noch einiges an pessimistischer Meinung, die mich persönlich nicht angesprochen hat.

Wie der Autor ja bereits vorweggenommen hat: Dieser Kurztrip ist subjektiv und selektiv. Das wird dann sehr deutlich, wenn es auf die Moderne zu geht. Ja, alles lässt sich in so einem Büchlein nicht unterbringen. Trotzdem war ich enttäuscht, dass die Emanzipationsbewegung der Frauen in einem einzigen Satz abgehandelt wurde - die Ergebnisse blieben unerwähnt. Dabei machen Frauen immerhin 50% der Weltbevölkerung aus - da sollten ihre Errungenschaften in einer Weltgeschichte doch wenigstens ein kleines bisschen gewürdigt werden. Nicht Weisse Menschen machen übrigens mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Auch sie, ihr Leidensweg und ihre Siege und Niederlagen spielen in diesem Buch keine Rolle. Allgemein bleibt der Rest der Welt - also alles ausserhalb Europas resp. des globalen Westens - eher eine Randerscheinung. Die Entdeckung Ozeaniens bleibt genau so im Dunkeln, wie Afrika als gesamter Kontinent (bis auf das alte Ägypten). Die Arabische Welt gerät nach dem Mittelalter in Vergessenheit. Nur die Gründung Israels erhält zwei Sätze.

Der grösste Verdienst von “Kurztrip Weltgeschichte” liegt für mich in der unterhaltsamen Übersicht und übersichtlichen Strukturierung der ältesten Geschichte vom Urknall bis etwa zum Ende des Mittelalters. Vielleicht noch etwas darüber hinaus. Danach lässt das Buch aber den zuvor gezeigten wortgewandten Scharfsinn vermissen. Der Titel des Buches ist meiner Meinung nach ausserdem nicht verdient. Eine Weltgeschichte ist hier nicht zu lesen. Sehr wohl aber jene Europas und des globalen Westens.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 15.02.2024

Ein Blick hinter das Tabu

Mutter ohne Kind
0

“Mutter ohne Kind” ist ein aufklärerisches Sachbuch aus der Feder der Journalistin und Betroffenen Eva Lindner. Um das Buch zu lesen, musste ich mir selbst erst einen kräftigen, geistigen Tritt in den ...

“Mutter ohne Kind” ist ein aufklärerisches Sachbuch aus der Feder der Journalistin und Betroffenen Eva Lindner. Um das Buch zu lesen, musste ich mir selbst erst einen kräftigen, geistigen Tritt in den Hintern verpassen. Und bin nun sehr froh, habe ich es getan. Vielen Dank an den Tropen Verlag und das Team bei Vorablesen für das Rezensionsexemplar und damit die Gelegenheit, mich mit dem Tabuthema Fehlgeburt auseinanderzusetzen!

Der Einstieg hat es gleich in sich: Eindringlich und schonungslos ehrlich schildert Eva Lindner ihre eigene Fehlgeburt. Da ist keine Polemik, keine Ausschmückung - dennoch versetzt mir die schon fast nüchterne Konfrontation mit diesem Tabuthema einen kleinen Schock. Lindner versteht es aber, diese sehr persönliche Erzählung sogleich gefühlvoll und sachlich zu rahmen und der wortlosen Empörung eine konstruktive Richtung zu geben. Die folgenden rund zweihundert Seiten sind sowohl über die Erwartungen hinaus informativ, als auch erzählerisch geschickt und eindringlich.

Die Autorin beleuchtet das totgeschwiegene Thema Fehl- und Stille Geburt aus erstaunlich vielen verschiedenen Perspektiven. Lindner diskutiert Missstände in der medizinischen Versorgung und der psychologischen Begleitung, in der Aufklärung und Information und zeigt die Folgen vernachlässigter Forschung der weiblichen Gesundheit auf. Manche Kapitel und Stellen lesen sich wiederum wie ein Politkrimi - wobei der Zusammenhang mit Abtreibungspolitik und -Polemik genau so empört, wie die scheinbare Gleichgültigkeit mancher Akteure. Die Autorin thematisiert den historischen Umgang mit Fehlgeburten, aber auch die Folgen der modernen Tabuisierung für die Gesellschaft und die Konsequenzen des grossen Schweigens für Betroffene.

Immer im Fokus stehen die Betroffenen - in erster Linie die Mütter ohne Kind. Die Geschichten von zehn weiteren Frauen liefern die thematischen Schwerpunkte der einzelnen Kapitel. Sie stehen exemplarisch aber nicht abschliessend für die Erfahrungen von Betroffenen. Aber auch die Partner:innen - der andere Elternteil - finden ihren Platz in Lindners Buch. Damit und mit einer Liste an Forderungen an Politik und Gesellschaft schafft Eva Lindner ein vielschichtiges und umfassendes Aufklärungswerk.

“Mutter ohne Kind” ist ein informatives, aufwühlendes und aufrüttelndes Buch. Selten habe ich ein so packendes und spannendes Sachbuch gelesen - ich konnte es stellenweise kaum aus der Hand legen! Bei aller Emotionalität der Thematik, bleibt die Autorin konsequent bei einem sachlichen Ton. Überzeugen tut sie mit gut und breit recherchierten Fakten, niemals mit reisserischer Polemik. Mir hat dieses Buch in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet und mich betroffen gemacht - in einem konstruktiven Sinne. Und ich sehe die Lektüre als für mich sehr hilfreich im Umgang mit dem Thema in meinem privaten Umfeld.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.02.2024

Nicht, was ich erwartet hatte

Die Burg
0

In ihrem neuesten Thriller “Die Burg” geht Ursula Poznanski das Thema KI - Künstliche Intelligenz - an. Der überreiche Milliardär Nevio hat Burg Greifenau gekauft und restauriert. Exzentrisch? Ja. Aber ...

In ihrem neuesten Thriller “Die Burg” geht Ursula Poznanski das Thema KI - Künstliche Intelligenz - an. Der überreiche Milliardär Nevio hat Burg Greifenau gekauft und restauriert. Exzentrisch? Ja. Aber er geht einen Schritt weiter: In den Gewölben und Gängen unter der Burg hat er einen High-Tech-Spielplatz eingerichtet. Hier erschafft die KI KIsmet für Besucher individuell gestaltete Escape-Abenteuer - Special Effects inklusive. So jedenfalls der Traum. Doch als die handverlesene Gruppe aus fünf Experten verschiedenster Sparten zum Testlauf antritt, hat KIsmet offenbar beschlossen, ein ganz eigenes Spiel zu spielen - und alle Tabus über Bord zu werfen.
Das Setting und die Ausgangsproblematik waren für mich extrem vielversprechend - diese Kombination hat einfach Potenzial. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Knaur Verlag, der mir die Lektüre mit einem Rezensionsexemplar ermöglicht hat!
Der Anfang war dann auch einigermassen prickelnd: Die MitspielerInnen treten auf, lassen ihre verschiedenen und gegenläufigen Persönlichkeiten aufblitzen, bringen ihre Geschichte mit. Und als das unterirdische Abenteuer beginnt, warte ich natürlich schon ganz hibbelig auf… was auch immer dann eben passieren würde. Leider kam die Ernüchterung für mich dann aber ziemlich schnell. Irgendwie hat das von KIsmet erzeugte Abenteuer bei mir nicht gefunkt - nicht im noch “regulären” Spiel und auch nicht, als die KI dann vom Plan abgewichen ist. Die Rätsel waren für mich zu abstrakt, ihre Auflösung mutete oft seltsam und wahllos an - intellektuell war ich so nicht involviert. Ausserdem wartet KIsmet mit einer Vielzahl abstossender, ekelerregender Bilder, Szenarien und Erscheinungen auf, die einer Splatter-Horror-Ecke entstammen. Die waren für mich so abstrakt, dass irgendwie keine schaurige Gänsehautatmosphäre aufkommen wollte. Gefühlt ist auch immer mal wieder nicht viel passiert - die Leute standen herum und wussten nicht weiter. Als die Gruppe dann auch noch getrennt wurde, fehlte dann eben auch die zwischenmenschliche Spannung. Da hat auch die zweite Perspektive der Gamemasterin nicht geholfen, die gefühlt einfach von einem Ende zum anderen gerannt ist - und nichts wirklich getan bekam. Kurz: Irgendwie war es über lange Strecken ziemlich langweilig.
Als es dann auf die Auflösung ging, war ich zwar gespannt, aber vor allem froh, dass diese scheinbar sinnlose Odysee ein Ende findet. Das Ende ergibt zwar in sich selbst Sinn, hat aber in meiner Wahrnehmung eine ganz neue Geschichte aufgemacht, auf die aus den vorangegangenen Ereignissen nicht zu schliessen war. Das Grosse Ganze bleibt für mich irgendwie unbefriedigend.
Wie gesagt, waren meine Erwartungen und die Vorfreude recht gross. Die Enttäuschung dann eben auch entsprechend. “Die Burg” ist wohl ein typischer Fall von “nicht mein Fall”.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.02.2024

Ein Plädoyer für mehr Pragmatsmus

Bindung ohne Burnout
0

“Bindung ohne Burnout” stammt aus der Feder von Nora Imlau. Anliegen und Thema dieses - wie auch früherer Bücher - ist eine auf Respekt und Vertrauen basierende Eltern-Kind-Beziehung und ein liebevoll ...

“Bindung ohne Burnout” stammt aus der Feder von Nora Imlau. Anliegen und Thema dieses - wie auch früherer Bücher - ist eine auf Respekt und Vertrauen basierende Eltern-Kind-Beziehung und ein liebevoll gelingendes Familienleben.

Dreh- und Angelpunkt ist bei Nora Imlau die bindungsorientierte Erziehung. In “Bindung ohne Burnout” räumt die Autorin allerdings mit den Perfektionsansprüchen und Dogmen auf, welche dieses Thema umschwirren. Pragmatisch wird dargelegt, dass auch Eltern Menschen sind. Menschen mit Bedürfnissen, Stärken und Schwächen und vor allem begrenzten Ressourcen. Totale Aufopferung nützt schlussendlich niemandem - auch nicht unseren Kindern. “Es geht um die Grundhaltung, nicht um jeden einzelnen Moment”.

Imlau gibt den Leser:innen mit dem Ampelsystem ein niederschwelliges Tool an die Hand, um im Alltag die eigenen Kräfte und Ressourcen im Auge zu behalten. Und veranschaulicht mit verblüffend einfachen Beispielen, wie bereits kleine Tricks grosse Wirkung entfalten können - ohne Schaden anzurichten. Im Weiteren plädiert sie für einen pragmatischen Erziehungsalltag und die Entmoralisierung moralisch aufgeladener Lebensbereiche (wie etwa den Haushalt).

Ich fand die Lektüre äusserst interessant und entspannend, musste sogar immer mal wieder ertappt über mich selbst schmunzeln. Geschrieben ist “Bindung ohne Burnout” ausserdem in einer sehr zugänglichen und einfachen Sprache, die Aussagen prägnant auf den Punkt bringt. Auch die wissenschaftlichen Fakten. Manchmal war es mir aber auch etwas zu banal. Und als Mutter, die getrennt vom Kindsvater - und weit weg von familiärer Unterstützung und dem deutschen Angebot lebt - sind auch viele Tipps für mich persönlich nicht brauchbar. Trotzdem hat mir dieser Ratgeber gefallen. Denn weder Social Media noch die Gesellschaft sollte bestimmen, wie gelingende Elternschaft aussieht. Wichtig sind wir: Ich und mein Kind - und das, was uns beiden gut tut.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil