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Veröffentlicht am 19.10.2022

Das Paradies auf Erden kann überall sein – man muss es nur sehen

Das verborgene Paradies
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Zum Inhalt:
In einem Dorf in den Ostalpen, Borgo San Michele, lernen sich Daniele als Kind und Susanna als Baby in einem Kloster, in dem beide aus verschiedenen Gründen abgegeben wurden, im Jahr 1610 kennen. ...

Zum Inhalt:


In einem Dorf in den Ostalpen, Borgo San Michele, lernen sich Daniele als Kind und Susanna als Baby in einem Kloster, in dem beide aus verschiedenen Gründen abgegeben wurden, im Jahr 1610 kennen. Doch schon bald trennen sich ihre Wege wieder, aber sie bleiben bis zum Tod miteinander verwoben und irgendwann wurde auch Liebe daraus. Im Jahr 1633 wird Susanna des Mordes an zwei Menschen und damit auch der Hexerei angeklagt und Daniele versucht sie vergeblich als ihr Verteidiger zu retten.

Zum Buch:


Der Roman erzählt die Lebensgeschichte von Susanna und Daniele aus der Sicht des Jahres 1633, in dem der „Prozess“ gegen Susanna stattfindet. Von Anfang an ist klar, dass sie diese schrecklichen Taten nicht begangen hat, aber wen die Inquisition einmal in den Händen hatte und haben wollte, den ließ sie nicht wieder los, bis er auf dem Scheiterhaufen brannte. Zwischendurch entfaltet der Autor das Leben der beiden, aber auch anderer Charaktere der Handlung, in zeitlichen Rückblenden, so dass der Leser im Laufe der Geschichte immer mehr erfährt, welche Ereignisse zur Gegenwart geführt haben.
Der Spannungsbogen in der Erzählung wird die ganze Zeit gehalten, so dass die Leserin das Buch kaum aus den Händen legen kann und immer wissen will, wie es weitergeht. Die Charaktere sind wieder, wie immer bei Luca di Fulvio, sehr ausführlich ausgefeilt beschrieben, wobei ich diesmal für die Gegenspieler keine Sympathien empfinden konnte, wie sonst schon in anderen Büchern von ihm.
Der „Prozess“ gegen Susanna zieht sich als breiter, roter Faden durch das ganze Buch und wird sehr genau, anschaulich und spannend beschrieben. Bei jedem neuen Prozesstag fiebert die Leserin mit, welche Wendung der Verlauf diesmal nehmen wird, denn der Ankläger und Daniele sind sich in ihrer Intelligenz ebenbürtig.
Am Ende gibt es „nur“ ein halbes Happy End: Nicht Susanna verbrennt auf dem Scheiterhaufen, denn die Dorfbewohner halten doch endlich am Ende - angeregt durch einen kleinen Jungen - zu ihr und wenden sich gegen die Angst vor der Inquisition und ihr falsches Urteil, aber Daniele verliert sein Leben durch einen hinterhältigen Angriff.
Der Titel „Das verborgene Paradies“ wird doppeldeutig benutzt: Einmal für das, was Daniele und Susanna durch seine falsche Entscheidung vor Jahren an Zweisamkeit hätten haben können, aber auch für das Treffen der lernenden Frauen bei Susanna.

Fazit:


Ein sehr passender Titel für einen spannenden, bewegenden, historischen Roman mit allen guten, literarischen Gewürzen vom Altmeister der erzählten, italienischen Geschichte!
Luca di Fulvio hat wieder einmal eine vergangene Zeit gekonnt eingefangen und zu mir nach Hause gebracht.

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Veröffentlicht am 25.05.2024

Spannend, spannend!

Enola Holmes: Der Fall des verschwundenen Lords
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Allein als Frau in den dunklen Gassen Londons Ende des 19. Jh. In der Nacht herumzulaufen ist keine gute Idee, denn zu viel Schlimmes kann passieren, doch Enola Holmes hat keine andere Wahl, wenn sie ihre ...

Allein als Frau in den dunklen Gassen Londons Ende des 19. Jh. In der Nacht herumzulaufen ist keine gute Idee, denn zu viel Schlimmes kann passieren, doch Enola Holmes hat keine andere Wahl, wenn sie ihre Mutter finden und ihren Brüdern entkommen will …

Die Geschichte und Fälle der kleinen Schwester des großen Sherlock Holmes und seines Bruders Mycroft hat die Autorin ganz im Stil der „alten“ Kriminalromane geschrieben und sie dennoch gekonnt – schon allein durch das Alter der Protagonistin - an ein jüngeres Lesepublikum angepasst.
Dass diese Bücher nun auch in Deutschland durch die Netflix-Verfilmungen eine (Taschenbuch-) Neuauflage bekommen, ist nur gerecht, denn es macht wirklich Spaß, sie zu lesen (und zu sehen) und mit der sympathischen Enola mit zu rätseln und mit zu fiebern. Die Erzählperspektive ist stets die der Ich-Erzählerin, also Enola selbst, aus deren Sicht die Lesenden alles miterleben. Stets denkt sie, bei allem, was geschieht, - auch in Rückblenden - über die Handlungsweisen ihren Mutter nach.
Gekonnt baut die Autorin den bekannten Detektiv Sherlock Holmes und seine Arbeitsweise, Geheimcodes, andere knifflige Fragen, Entführungen und Scotland Yard in ihren Roman ein. Auch das beschriebene Zeitkolorit passt genau, so dass man sich die Lebensumstände von Enola und ihrer Mutter gut vorstellen kann. Klar wird so auch, warum ihre Mutter nach dem Tod ihres Mannes so handelte, um als Frau noch so weit es ging eigenständig leben zu können.
Wer gerne Kriminalromane im „alten“ Stil liest und das England und London dieser Epoche liebt, ist mit den Fällen der Enola Holmes bestens bedient.

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Veröffentlicht am 18.05.2024

Faszinierend und düster

Die Fürstin der Raben
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Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ...

Das Leben der beiden Geschwister Josua und Margarete, die auf einem abgelegenen Hof nahe am Wald mit ihren Eltern und ihrem Großvater leben, wird jäh durch das Auftauchen der geheimnisvollen Sarah mit ihren beiden Raben verändert.

Die Geschwister freunden sich beide mit ihr an, Josua verliebt sich sogar in sie. Margarete, die hochsensibel ist und deshalb auf viel Spott und Ablehnung stößt, wünscht sich schon lange eine beste Freundin. So teilt sich Sarah ihre Zeit mit den beiden auf und Eifersüchteleien und Unverständnis bleiben nicht aus. Doch es wird nie richtig darüber gesprochen, obwohl sich die Geschwister nahestehen. Auch mit den Eltern haben die beiden Geschwister wenig innigen Kontakt, sind eher auf Abstand. Dass Sarah anders ist als andere Menschen erspüren, die beiden schon von Anfang an - sie treffen sie immer nur im Wald und oft in der Nacht - können diese Andersartigkeit aber nicht recht fassen. Erst als Sarah Margarete sagt, warum sie gekommen ist, wird noch einmal alles anders.
Der Autor schafft mit seinem Schreibstil eine beklemmende Atmosphäre, die noch durch die dunklen Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Illustratorin am Anfang jeden Kapitels verstärkt wird. Diese ist teilweise nur schwer auszuhalten, zumal die Dinge im Buch zwischen den Protagonisten oft nicht angesprochen, sondern weggelächelt oder verschwiegen werden. Beim Lesen entsteht eine Ahnung davon, was es mit Sarah auf sich haben könnte. Hierbei wird eine wachsende Spannung durch immer wieder neue Wendungen um ihre Person herum erzeugt, z. B. durch das Auftauchen ihrer Geschwister, die Erwähnungen ihres Vaters, die stets nebulös bleiben, und die Raben. Auch der Wechsel der Geschwister von ihrer „normalen“ Welt, wie sie jeder Teenager kennt (Schule, Freunde, Handy, etc.), in die „märchenhafte“ Welt ihres Zuhauses dort am Wald, in dem sie auch vor Sarahs Besuch alleine umherstreifen, und deren Atmosphäre durch Sarah noch verstärkt wird, erzeugen beim Lesen eine eigene Spannung zu wissen, um was es geht und was geschehen wird.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Josua aus erzählt, so dass die Lesenden auch hauptsächlich seine Sicht der Abläufe wahrnehmen und Margaretes Gefühle und Gedanken nur erahnen können. Josua liest heimlich in Margaretes Tagebüchern, um zu erfahren, was sie beschäftigt und was sie mit Sarah unternimmt. So erfahren auch die Lesenden mehr von ihr.

Wie schon erwähnt, verstärken und unterstreichen die Zeichnungen der Künstlerin die düstere Stimmung des Buches, das der Autor aus seiner Lebenssituation heraus geschrieben hat (s. Danksagung S. 237). Treffsicher nimmt sie den Kapitelinhalt in ihren teils verwaschenen stets in Schwarz und Weiß gehaltenen Zeichnungen auf. Dabei wirken manche wie Collagen, manche auch, als ob noch andere Materialien (z. B. zerknittertes Papier für den Untergrund) verwendet wurden oder wie Aquarellzeichnungen. Die Kapitelzahlen sind stets von einer anderen kleinen Vignette umrahmt.

Durch die Bilder und die von außen rot gefärbten Seiten wirkt das Werk edel, fast wie ein Künstlerbuch. Man möchte es in die Hand nehmen und lesen. Allerdings fehlt vorne auf der ersten Seite meiner Meinung nach eine Triggerwarnung für psychisch beeinträchtige Menschen.

Ein sehr schönes Jugendbuch mit einer interessanten, mal ganz anderen Geschichte, für das die Leser*innen aber in guter Stimmung sein müssen.


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Veröffentlicht am 05.04.2024

Nicht verbiegen

Yuna und die Sache mit dem Mögen
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Yuna ist ein kleiner Hund, fast noch ein Welpe, und alle mögen sie, (denn wer findet Welpen nicht niedlich?). Aber mögen sie wirklich alle?
Yuna tollt durch ihre kleine Welt und ist glücklich, denn alle ...

Yuna ist ein kleiner Hund, fast noch ein Welpe, und alle mögen sie, (denn wer findet Welpen nicht niedlich?). Aber mögen sie wirklich alle?
Yuna tollt durch ihre kleine Welt und ist glücklich, denn alle Menschen und Tiere mögen sie. Nur ihr einer Nachbar und seine Katze scheinen Yuna nicht ausstehen zu können. Dabei hat der Nachbar so schön Querflöte gespielt. Diese Musik möchte Yuna zu gerne noch einmal hören.
Da Yuna es nicht gewohnt ist, dass sie jemand nicht mag, holt sie sich Rat bei ihren Hundefreunden und versucht vieles, damit ihr Nachbar sie mag, aber es geht alles schief. Erst als Yuna durch den Rat der Gartenvögel erkennt, dass sie sich nicht verbiegen sollte, um jemandem zu gefallen, kann sie sich auch mit dem Nachbarn und seiner Katze annähern.
Die Autorin und Illustratorin hat hier ein Bilderbuch mit einer klaren Botschaft und kindgerechten, drolligen Bildern geschaffen, die dem/der kleinen Leser*in sagen: Nicht jeder muss dich mögen, sei einfach du selbst und verbieg dich nicht.
Natürlich lässt sich hier im Bilderbuch dann auch der Nachbar von Yunas Fröhlichkeit anstecken, was im realen Leben ja leider nicht immer geschieht, aber die Persönlichkeit des Kindes wird durch die Geschichte gestärkt.
Vielleicht ist es für manche Kinder auch leichter die Problematik durch die Augen eines herzigen, kleinen Hundes zu verstehen. Jedoch zeigt die Autorin und Illustratorin durch ihre Bilder auch die Verschiedenartigkeit: einmal durch die heterogenen Hunderassen von Yunas Freunden, den sehr verschiedenartigen Gartenvögeln (schön zu sehen auf den Klappeninnenseiten), aber vor allem durch die Menschenfamilie, bei der Yuna lebt. Hier werden ganz klar ein älteres Mädchen mit Rock und Dutt und ein kleiner Junge gezeigt, aber das „Mittelkind“ könnte sowohl ein Junge als auch ein Mädchen sein. Es hat halblange, dunkle Haare und ist ganz in schwarz gekleidet. Also auch hier: Sei einfach du selbst, sei, wie du bist! Die Mutter der Kinder wird in blauer Latzhose mit Bleistift hinterm Ohr und Säge in der Hand auf der ersten Seite gezeigt – sie hat wohl die neue Hundehütte gebaut. Ein Vater taucht nicht auf.
Die klaren Bilder nehmen stets mehr Raum ein als der Text, sind mal klein, mal über die ganze Seite oder auch Doppelseite gezeichnet und immer in kräftigen, bunten Farben gehalten. Der Text ist in kindgerechter Sprache in meist kurzen Sätzen verfasst.
Wer sein Kind in seinem ihm eigenen Wesen bestärken möchte, kann dieses Bilderbuch gut einsetzen.

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Rasant und mitreißend

Der Lärm des Lebens
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Jörg Hartmann schreibt so, wie er spielt: Rasant, mitreißend, voll in der Geschichte drin! Schon der Prolog, die Beschreibung wie er und sein Freund eine bekannte Regisseurin belauern und schließlich auf ...

Jörg Hartmann schreibt so, wie er spielt: Rasant, mitreißend, voll in der Geschichte drin! Schon der Prolog, die Beschreibung wie er und sein Freund eine bekannte Regisseurin belauern und schließlich auf sie zugehen, um ein Engagement an ihrem Theater, der Schaubühne in Berlin zu bekommen, ist in einem atemberaubenden Tempo geschrieben und ich habe mitgefiebert und mich gefreut, dass sie es geschafft haben.
Sehr offen und ehrlich schreibt der Autor über seine Gefühle und Gedanken zu wichtigen Stationen seines Lebens: über seinen demenzkranken, sterbenden Vater, seine Kinder, seine Ehen und natürlich die Schauspielerei. Dabei erzählt er nicht stringent von seiner Geburt bis zu seinem Tod, sondern verbindet in Rückblenden und Zeitspiralen, was erlebt und erlebt hat. Dazu bezieht er auch das Leben seiner Eltern und Großeltern, die ihn alle geprägt haben, mit ein, so dass das Buch von den Zeiten des zweiten Weltkriegs über die Wirtschaftswunderjahre, die Wende und den Angriff auf die Twintowers bis in unsere Gegenwart mit Maske und Corona reicht. So umreißt er mit der sehr persönlichen Erzählung seines Lebens auch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Dabei „hält Hartmann immer die Balance zwischen Tragik und Komik“ (Klappentext des Buches) mit seinem ganz eigenen Humor. Oft hinterfragt er sich, sein Leben und seine Gedanken dazu. „Es geht ihm darum, den Kreislauf des (seines) Lebens zu fassen“ (Klappentext) und die Leser*innen dabei mitzunehmen in den „Lärm des Lebens“.
Das Cover mit dem hochgeworfenen Jungen, der fröhlich juchzt, sieht eher nach „der Leichtigkeit des Lebens“ aus, ist aber wohl nur ein Sinnbild für das, was es auch im „Lärm des Lebens“ gibt: Freude, Spaß, Liebe und Miteinander.
Eine lesenswerte „Biographie“!

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