Profilbild von Lieblinglesen

Lieblinglesen

Lesejury Profi
offline

Lieblinglesen ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lieblinglesen über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2021

Was ist wirklich wichtig?

Das Ende
0

Wenn du wüsstest, wann du und deine Lieben sterben würden, was würdest du noch tun und was nicht? Was wäre wirklich wichtig? Oder ist dann gar nichts mehr wichtig?

Der Roman beginnt in seinem Prolog am ...

Wenn du wüsstest, wann du und deine Lieben sterben würden, was würdest du noch tun und was nicht? Was wäre wirklich wichtig? Oder ist dann gar nichts mehr wichtig?

Der Roman beginnt in seinem Prolog am 27. Mai eines nicht genannten Jahres. An diesem Tag erfährt die Menschheit, dass in dreieinhalb Monaten ein riesiger Komet auf der Erde einschlagen und alles Leben vernichten wird. Er kann nicht mehr mit den zur Verfügung stehenden Mitteln abgelenkt werden, weil er zu spät entdeckt wurde.
Die weiteren Kapitel beginnen immer mit der Überschrift wie viele Wochen und Tage der Untergang noch entfernt ist, wieviel Zeit den Menschen noch bleibt. Sie beginnen mit „4 Wochen und 5 Tage“ und schrauben sich tageweise herunter bis zu „Der letzte Tag“ und „Die letzte Nacht“. Die Kapitel werden am Ende kürzer, der Countdown läuft.
Auch Simon und Lucinda in Schweden, ihre Familien und Freunde erfahren diese schreckliche Neuigkeit. Die Kapitel sind in Abschnitte unterteilt, in denen diese zwei als Ich-Erzähler berichten, was in ihrem Leben geschieht, Simon in der direkten Gegenwart und Lucinda immer kurz nachdem etwas geschehen ist in einem Post. Dieser wird in mehreren hundert verschiedenen menschlichen Sprachen ins All gesendet, in der Hoffnung, dass dort irgendjemand oder -etwas diese Nachrichten empfängt und die Menschheit nicht ganz vergessen wird.
Der Roman spielt in Schweden, wo das Leben noch einigermaßen geregelt weiterläuft, und kann so furchtbare, auf diese Nachricht folgende Ereignisse in anderen Ländern (z. B. Krieg, etc.) weitestgehend ausblenden oder nur am Rande erwähnen.
Simons Freundin Tilda wendet sich nach Bekanntwerden der schrecklichen Nachricht von ihm ab, und beginnt ein zügelloseres Leben mit vielen Partys, Alkohol und Drogen, wie viele ihrer Generation. Simons Mütter hatten sich getrennt und ziehen nun wieder zusammen und möchten, dass die Familie möglichst viel in diesen letzten Tagen zusammen ist. Simon ist hin- und hergerissen und möchte am liebsten nur Tilda zurückgewinnen.
Für ihn bricht alles zusammen, als Tilda ermordet wird und er wenig später der Hauptverdächtige ist. Da die Polizei in diesen letzten Tagen sehr viel zu tun hat und kaum Ermittlungen vorantreiben kann, beginnt er auf eigene Faust zu recherchieren. Dabei lernt er Lucinda, Tildas ehemals beste Freundin kennen. Nach anfänglichen Vorbehalten gegenüber Simon ermittelt Lucinda schließlich mit ihm zusammen. Kurz vor dem Ende der Menschheit erfahren sie so die Wahrheit über Tildas Tod.
Behutsam flicht der Autor die Frage nach dem Glauben in seine Geschichte ein, indem er Simons Mutter Stina als Pastorin auftreten lässt. Sie muss sich täglich mit der Frage auseinandersetzen, wie der Glaube und sie selber, den Menschen in dieser verzweifelten Lage Hoffnung, Trost und Halt geben kann. So beginnt und endet das letzte Kapitel („Die letzte Nacht“ S.404 bis S. 407) mit einem christlichen Gottesdienst, in dem sich viele, aber nicht alle, der Protagonisten treffen.
Auf dem Cover steht unten im Dunklen die Frage: „Was zählt wirklich, wenn die Welt kurz vor dem Ende steht?“ Der Roman versucht diese Frage zu beantworten, dreht sich aber in seiner Handlung auch sehr viel um die Aufklärung der Umstände, die zu Tildas Tod geführt haben und um die aufkeimende Liebe zwischen Simon und Lucinda.

Der Roman wirkt mit aktuellen Themen überfrachtet, die der Autor in seinem Untergangsszenario anscheinend alle abarbeiten möchte: Simon hat zwei Mütter, sein bester Freund hat sich in ihn verliebt, er hat Liebeskummer, seine (Ex-) Freundin wird ermordet, deren beste Freundin hat Krebs, deren Oma ist dement, Simon und Lucinda verlieben sich, es gibt Alkohol-, Spiel- und Drogensucht, radikale Glaubensgruppen formieren sich, Lügen und Ehebruch werden beschrieben, u. v m. Natürlich kommen all diese Dinge in unseren Gesellschaften vor, aber im Buch wird kaum ein Strang vertieft oder weiterverfolgt, so dass alles wie aufgereiht wirkt.
Vielleicht ist die Frage „Was zählt wirklich, wenn die Welt kurz vor dem Ende steht?“ einerseits zu einfach für einen Roman zu beantworten und andererseits zu groß, um sie wirklich für alle passend beantworten zu können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.11.2021

Schlemmerei und Sklaverei

Blut und Schokolade
0

Peer Martin hat ein starkes Buch zum Thema moderne Sklaverei geschrieben, dessen Thema uns alle angeht, denn wer mag schon keine Schokolade? Er hat sehr anschaulich und eindrücklich die Geschichte von ...

Peer Martin hat ein starkes Buch zum Thema moderne Sklaverei geschrieben, dessen Thema uns alle angeht, denn wer mag schon keine Schokolade? Er hat sehr anschaulich und eindrücklich die Geschichte von Kindern in Cote d’Ivoire, der Elfenbeinküste, beschrieben, die unter schlimmsten Bedingungen auf einer Kakaoplantage schuften – noch dazu auf einer mit „Fair trade“-Siegel. Die dunkle Seite der Schokolade, von der wir oft nichts wissen oder die wir gerne vergessen.
Er schildert das Schicksal der Jungen und Mädchen im Alter von 4 bis 17 Jahren, die aus Not zu dieser „Arbeit“ kamen, sehr anschaulich und eindringlich bis hin zu ihrer Flucht und ihren damit verbundenen Hoffnungen. Auch die Freude an der Macht und die Grausamkeit der Besitzer der Plantage, vor allem der des Sohnes und Bruders des Eigentümers, beschreibt der Autor fesselnd genau. Der Leser wird von der Geschichte gefangen genommen und kann das Buch kaum aus der Hand legen.
Manal dagegen lebt als Tochter einer „farbigen“ Mutter und eines „weißen“ Vaters in Berlin ein komplett anderes Leben. Als sie nach dem Abitur aufbricht, um ihren Onkel und ihre Tante an der Elfenbeinküste zu besuchen, kreuzen sich schon bald ihre Wege mit denen von Issa und den anderen Kindern der Kakaoplantage. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass es so ein Leben gibt, noch dazu, damit andere billige Schokolade essen können.
Zwischen den Kapiteln fügt Peer Martin geschickt eine andere Erzählung etwa zwei Jahrhunderte früher ein, indem er Manals Vater als Schriftsteller die Geschichte der Familie seiner Frau aufschreiben lässt – die Geschichte der Versklavung ihrer Vorfahren.
Da es ein Jugendbuch ist, geht die Geschichte von Issa und Manal nach vielem Leid und Sterben gut aus und auch die ältere Erzählung endet mit Hoffnung. Aber das ungute Gefühl, dass auch wir an dieser modernen Sklaverei durch unsere Wirtschaft, unser Einkaufsverhalten mitbeteiligt sind, bleibt, und das ist gut so, denn es muss sich etwas ändern.
Leider ist das Werk zu umfangreich, um als Klassenlektüre eingesetzt werden zu können, aber um das Thema einer fairen Weltwirtschaft mit Jugendlichen zu thematisieren, wäre es hervorragend geeignet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2021

Leben am Ende der Welt

Die Unschuldigen
0

Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung des entbehrungsreichen Lebens einer fünfköpfigen Fischerfamilie Ende des 18. Jahrhunderts in Neufundland in einer einsamen Bucht.
Als die kleine, halbjährige ...

Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung des entbehrungsreichen Lebens einer fünfköpfigen Fischerfamilie Ende des 18. Jahrhunderts in Neufundland in einer einsamen Bucht.
Als die kleine, halbjährige Schwester und danach auch Mutter und Vater an einer Krankheit sterben, bleiben der elfjährige Evered und seine neunjährige Schwester Ada allein zurück. Sie übernehmen das harte Leben der Eltern ohne wirklich alles zu kennen, zu können und zu wissen, was diesen Leben von ihnen verlangt.
Die einzigen anderen Menschen außer ihrer Familie, die sie in ihrem kurzen Leben gesehen haben, war die Hebamme aus dem weitentfernt gelegenen nächsten Ort Mockbeggar, die ihre kleine Schwester mit auf die Welt geholt hat, des Weiteren nur die Seeleute des Versorgungsschiffes, das zweimal im Jahr irgendwann im Frühling und Herbst vorbeikommt, aus der Ferne, da es wegen des flachen Wassers weit vor der Bucht ankern musste.
„Beinahe zwei Monate verbrachten sie in einem Schwebezustand, verkrochen im grauen Halbdunkel der Hütte, ohne jedes Bedürfnis oder Interesse, das über die Gesellschaft des anderen hinausging.“ (S. 43) Doch als der Frühling naht, nehmen die Kinder ihr Leben wieder auf und versuchen, die Arbeit ihrer Eltern weiterzuführen, da sie nicht wissen, was sonst geschehen soll.
Nach dieser entbehrungsreichen Zeit ankert endlich das Versorgungsschiff vor der Bucht und Evered rudert hinaus, ganz wie sein Vater es immer alleine tat. Er erfährt, dass sein Vater Schulden beim Eigner des Schiffes hatte und dass er diese nun übernehmen und neue machen muss, um weiter mit Ada hier zu leben. Mit haltbaren Lebensmitteln kehrt er zu seiner Schwester zurück.
Die Jahre vergehen mit allen mühevollen Arbeiten, die im Laufe der Jahreszeiten getan werden müssen, fischen, die Fische verarbeiten, den Acker bestellen, Beeren sammeln, Fallen aufstellen, usw. Mehr schlecht als recht kommen die Geschwister über die Runden, sind sogar oft dem Tode nah. „Das Land in ihrem Rücken öde und leer, nach Osten und Westen nur Einsamkeit und als einzige Gesellschaft die Toten, oben im Firmament. Und tagein, tagaus keine Menschenseele.“ (S. 121)
Bis das Buch im Alter von 17, bzw. 15 Jahren der Kinder endet, ankern außer dem überlebenswichtigen Versorgungsschiff nur zwei weitere Schiffe vor der Bucht. Deren Besatzungen sind freundlich zu den Kindern und helfen ihnen sogar.
Das Buch schildert die Lebensumstände der beiden Kinder in aller Härte, ohne zu beschönigen. Auch die oft unausgesprochenen Konflikte zwischen den Heranwachsenden, die ihr Leben zusätzlich beschweren, werden nicht ausgeklammert. Manche Erlebnisse sind nichts für zartbesaitete Kinderseelen, so dass der Roman meiner Meinung nach erst für ältere Teenager und junge Erwachsene geeignet ist.
Darüber hinaus ist er aber so gut erzählt, dass er einen Sog entwickelt: Der Leser möchte immer wissen, wie es mit den beiden weitergeht, ob es weitergeht …
Michael Crummey schreibt über das Erwachsenwerden unter schier unvorstellbaren, harten, entbehrungsreichen Umständen, dass man sein eigenes wohlbehütetes Leben wieder sehr zu schätzen weiß.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.10.2021

Juli, der Tannenbaum und andere Streiche

Weihnachten mit Juli
2

Inhalt:

Paul hat sich eigentlich mal einen Hund gewünscht, bis Juli dann in seinem Garten stand und er sich – nach einigen Startschwierigkeiten – ein Leben ohne Pferd nicht mehr vorstellen konnte.
Und ...

Inhalt:

Paul hat sich eigentlich mal einen Hund gewünscht, bis Juli dann in seinem Garten stand und er sich – nach einigen Startschwierigkeiten – ein Leben ohne Pferd nicht mehr vorstellen konnte.
Und mit was für einem Pferd! Und dazu mit zwei tollen Freunden/innen: Max und Anna! Zusammen sind sie „Die tierischen Vier“.
Den Sommer über haben sie alles zusammen gemacht: rumlungern, die Gegend erkunden, ein Baumhaus bauen, u. v. m.
Am 1. Dezember ist nun ein Treffen im Hauptquartier in Pauls Garten. Nur Juli ist nicht da! Sie grast gerade in Nachbars Garten. Das findet der neue Nachbar, ein strenger, etwas grummeliger, älterer Herr, gar nicht lustig.
Paul ist das aber erst mal egal. Er fängt Juli ein und möchte nur alle Punkte auf seiner selbstgeschriebenen Weihnachts-to-do-Liste mit seinen Freunden erleben. So vergeht die Adventszeit, in der Juli leider immer mal wieder Unsinn treibt (z. B. auf dem Weihnachtsmarkt Strohsterne verspeisen oder Tannenbäume abnagen) oder eingefangen werden muss. Sie macht eben meist, was sie will …
Der neue Nachbar findet ihre Streiche und Anwesenheit aber immer weniger witzig. Als die drei für ihn zur Besänftigung Kekse backen, entdecken sie, dass auch er ein Haustier hat – eine dicke, weiße Angorakatze mit Namen Emma.
Die Kinder versuchen nun Juli und die Katze zu befreunden, um den Nachbarn zu beruhigen und dazu zu bringen, Juli zu mögen, was aber nicht so richtig gelingt.
Genervt sperrt Paul Juli irgendwann in ihren Stall, was ihm aber Streit mit Max und Anna einbringt, die das nicht richtig finden.
Als Paul Juli am nächsten Morgen reuevoll wieder frei lassen will, ist sie verschwunden. Nach einem Hilferuf kommen Anna und Max trotz des Streits, um ihm suchen zu helfen.
Endlich entdecken sie Juli, die sich aber nicht bewegt, als sie rufen. Noch dazu sitzt der neue Nachbar daneben!
Sie befürchten schon das Schlimmste, als sie sehen, dass Juli ganz friedlich neben Emma und ihren neugeborenen Kätzchen liegt.
Durch dieses gute Erlebnis und die Zeit danach ergibt sich für alle doch noch ein schönes, gemeinsames Weihnachtsfest mit Schnee und Schlittenfahrt!

Zum Buch:

Petra Eimer hat es auch zum zweiten Mal geschafft, Bild und Schrift genial miteinander zu verbinden. Gerade der Anfang des Buches – die Zusammenfassung des Sommers der tierischen Vier – zeigt dies in besonderer Weise.
Aber auch im weiteren Verlauf des Werkes hat sie wieder gekonnt mit der Schrift gespielt und die Bilder wie in einem umgekehrten Comic in den Text eingepasst.
Die Lösung des Nachbarschaftskonfliktes ist sehr menschlich verbindend von der Autorin angegangen worden. Die Kinder zetteln keinen Krieg gegen den neuen Nachbarn an, sondern versuchen im Gegenteil mit ihrem Hilfsangebot bei seinem Umzug, den Plätzchen und mit der Anbahnung der Freundschaft zwischen Pferd und Katze, eine Brücke zu bauen.
Diese Brücke baut Juli am Ende dann sogar selbst, indem sie auf die Katzen „aufpasst“.
Doch auch bei den Menschen entstehen dieses Weihnachten neue Verbindungen, so dass sie sogar am Ende über Alter, Auffassungen, Religionen und Kulturen hinweg zusammen ein Fest (Weihnachten) feiern können.
Auch die Kinder konnten durch all die Erlebnisse ihre Freundschaft noch einmal vertiefen.
Leicht und locker fügt die Autorin dieses ganze Gefüge ineinander, so dass wieder – wie beim ersten Band – keine Belehrungen, sondern tiefe Menschlichkeit gezeigt wird.
Ein kurzes Pferdequiz und ein Fehlersuchbild runden das Buch ab. (Fehlt nur das Plätzchenrezept … 😉)

Fazit:

„Weihnachten ohne/mit Juli“ ist ein sehr empfehlenswertes Kinder- und Jugendbuch, da es in Verbindung von Wort, Schrift und Zeichnung eine witzige, zutiefst humane Geschichte erzählt, die menschliche Unterschiedlichkeiten ohne Vorurteile verbindet.
Ein sehr gelungenes Lese- und Vorlesevergnügen!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
Veröffentlicht am 05.05.2021

Lobrede auf ein georgisches weibliches Rind - warum? :-)

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
3

Inhalt:
Olga Evgenidou stammt aus einer griechisch-georgischen Einwandererfamilie, fühlt sich aber selber als Deutsche. Sie soll im Alter von 15 Jahren an einen Landsmann verheiratet werden, weigert sich ...

Inhalt:


Olga Evgenidou stammt aus einer griechisch-georgischen Einwandererfamilie, fühlt sich aber selber als Deutsche. Sie soll im Alter von 15 Jahren an einen Landsmann verheiratet werden, weigert sich aber standhaft.
Dann treffen wir sie Jahre später - mit 26 - in Bonn wieder, wo sie gerade nach erfolgreichem Medizinstudium ihren "Arzt im Praktikum" absolviert und mit einem Mitabsolventen - Felix von Saan - liiert ist. Diesen könnte sie ihrer Familie vorstellen, hat aber Bedenken, dass er in seiner kühlen norddeutschen Art ihrer Familie nicht behagen könnte und diese ihm andersherum auch nicht.
In dieser Situation trifft sie im Zug von München nach Bonn Jack, einen "Lebenskünstler", dem sie schon länger aufgefallen ist, und der nun einen ersten Annäherungsversuch startet.
Die Ereignisse überschlagen sich, als Felix mit ihr zusammenziehen will und ihre Mutter erkrankt. Diese verlangt nämlich auf ihre theatralische Art "in der Heimat" zu sterben, und so muss Olga wohl oder übel mit nach Tiflis, Georgien fliegen, obwohl das gar nicht in ihre Pläne passt.
Auch ihre beiden Verehrer Jack und Felix finden jeder einen Weg, ihr nach Tiflis zu folgen.

Zum Buch:


Die Geschichte hat durch den zweimaligen "Kulturclash" einen ganz eigenen Witz: Einmal Olgas Familie in Deutschland, die sich nicht so ganz angepasst hat, dafür Olga um so mehr - so sehr, dass sie ihre Familie sogar vor ihrem anderen Leben versteckt. Zum anderen als die Familie in Georgien ist und sich wunderbar einpasst und nun eher Olga als unverheiratete 26jährige - "einfach unfassbar!" - der Fremdkörper ist.
Diese zwei Gegensätze bauen eine ganz eigene Dynamik auf, die durch die Lebensweise von Olgas beiden Verehrern - Felix und Jack, allerdings ja beide Deutsche - noch verstärkt wird.
Letztendlich fühlt sich Olga immer zwischen zwei Polen hin- und hergerissen.
Zum Glück gibt es für Olga aber auch zwei haltgebende Menschen in diesem Lebens- und Gefühlswirrwarr. Erstens Hamed, ihr Freund aus der Medizinerausbildung, der als "eingewanderter Türke" einen ähnlichen Hintergrund hat wie sie. Die beiden helfen und verstehen sich gegenseitig. (Hamed stellt sogar am Ende die richtige Diagnose für Olgas Mutter.) Dem anderen begegnet sie überraschend in Tiflis: Es ist ihre Cousine Salome, die trotz aller Familien- und Heimatverbundenheit, ihr eigenes Leben lebt.
Zunächst entscheidet sich Olga, ihr altes Leben in Deutschland wiederaufzunehmen. Doch letztendlich lassen die Erlebnisse sie nicht mehr los und sie entdeckt auch die "andere" Olga in sich und beginnt beide zu verbinden.
Warum heißt dieses Buch nun so, wie es heißt?
Der Moment in Georgien, der sich Jack besonders einprägt, ist der, als Olga und er wegen einer gemischten Viehherde auf einer Straße mitten auf dem Land nicht weiterfahren können.. Plötzlich steht eine Kuh vor ihrem Autofenster, eine braune Kuh mit blonden Ohren und "oben zwischen den Hörnern wächst ihr ein blonder Schopf" (S. 204). Die beiden finden dieses Tier einfach nur schön und werden ganz still, bis die Kuh weiterschreitet.
An diesen Moment erinnert sich Jack später zärtlich, wenn er an Olga denkt, denn in diesem Moment hat sie gelächelt. Dieses Lächeln sagt Jack, dass Olga an diesem Tag mit ihm da draußen auf der Fahrt in Georgien glücklich war.
Für diese Offenbarung preist er die kaukasische Kuh.

Fazit:


"Laudatio auf eine kaukasische Kuh" von Angelika Jodl ist eine rasant erzählte Geschichte mit wunderbaren leisen Zwischentönen.
Die vielschichtige Erzählung nimmt im weiteren Verlauf immer mehr Fahrt auf - obwohl Olga sich oft nur Ruhe wünscht. In Georgien mutet sie fast wie ein Roadmovie an.
Am Ende mündet sie aber doch wieder in eine ruhige Phase, in der Olga wirklich zum Nachdenken und zur Ruhe kommt.
Ein rundherum beeindruckender und gelungener Roman!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Chraktere
  • Cover
  • Thema