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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2019

Der Stolperstein

Vergesst unsere Namen nicht
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Ein Stolperstein in der Stadt Trondheim erinnert an den Juden Hirsch Komissar.
Er wurde während der Besetzung Norwegens von den Deutschen erschossen.
In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch ...

Ein Stolperstein in der Stadt Trondheim erinnert an den Juden Hirsch Komissar.
Er wurde während der Besetzung Norwegens von den Deutschen erschossen.
In der jüdischen Tradition heißt es, dass ein Mensch zweimal stirbt.
Das erste Mal, wenn das Herz aufhört zu schlagen und die Synapsen im Gehirn erlöschen wie das Licht in einer Stadt, in der der Strom ausfällt.
Das zweite Mal, wenn der Name des Toten zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird, fünfzig oder hundert oder vierhundert Jahre später.
Erst dann ist der Betroffene wirklich verschwunden, aus dem irdischen Leben gestrichen.
Das Leben und das Andenken der Familie Hirsch, das auf einer wahren Geschichte beruht wird hier über vier Generationen erzählt. Eine Erzählung über den Holocaust und über Familiengeheimnisse.

Mit einer sehr ausdrucksstarken Schreibweise nimmt uns der Autor mit in eine schlimme Zeit.
Die jüdische Familiengeschichte von Ellen deren Großeltern eine Tabakfabrik in Oslo besaßen.
Ihnen wurde alles genommen, aber ein Teil der Familie konnte nach Schweden fliehen.
Simon Stranger arbeitet diese Geschichte in einem Roman auf.
Die Kapiteleinteilung ist besonders.
In Form eines Alphabetes von A bis Z werden meist mehrere Stichwörter pro Buchstabe wiedergegeben.

Stranger versucht den Opfern gerecht zu werden, ohne die Täter persönlich zu verurteilen.
In klaren, kühlen Worten fasst er fast schon protokollarisch das Leben einer der Täter zusammen.
Norwegen war 5 Jahre von den Deutschen besetzt.
Der schlimmste von allen, die Bestie Ole Henry Rinnan.
Das Leben dieses unscheinbaren, gehänselten Jungen, der selber ein Opfer war und zum Täter wurde, wird sehr überzeugend beschrieben.
Sehr sachlich und nüchtern wird so das Grauen greifbar, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind.
Ein sehr tiefer Einblick in die vielleicht dunkelste Geschichte Norwegens.
Historie und Fiktion sind perfekt vermischt.
Die Schreibweise ist wunderbar fließend und macht das Lesen zu einem Erlebnis.
Der Autor bringt die schlimme Zeit der Besatzung auf eine sehr beklemmende Art genau auf den Punkt. Alles wird so real wiedergegeben, das Gefühl alles mitzuerleben ist sehr groß.

Charaktere und Aufbau sind sehr überzeugend und mitreißend.
Alles wirkt etwas ungeordnet, ergibt am Ende aber ein Ganzes.
Die Geschichte von Rinnan nimmt leider mehr Platz ein als die Geschichte von Hirsch und seiner Familie. Da bleiben doch noch etliche Fragen offen.
Das Ende ist aber für mich sehr gelungen.
Es geht um das Verzeihen und Vergeben.
Das wichtigste, niemand wird vergessen.
Die Namen werden weiterhin genannt werden.

Ein ganz wichtiger Roman den man unbedingt gelesen haben sollte.

Diese wunderbaren Zitate müssen noch genannt werden:

-Warum wurde er ermordet, Papa?
Weil er Jude war.
Ja, aber warum? -

-Ich bin kein Jude, ich bin ein Mensch -

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Authentizität
  • Geschichte
Veröffentlicht am 14.09.2019

Ein Wohlfühlbuch

Die kleine Buchhandlung am Ufer der Themse
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Gefühlvoll und mitreißend ist dieser Roman und er erzeugt
eine richtig schöne Wohlfühlatmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht.
Dazu trägt auch die fließende Schreibweise bei.
Die Autorin schafft ...

Gefühlvoll und mitreißend ist dieser Roman und er erzeugt
eine richtig schöne Wohlfühlatmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht.
Dazu trägt auch die fließende Schreibweise bei.
Die Autorin schafft es spielend ihre Charaktere zum Leben zu erwecken.
Die Figuren sprühen vor Leben und Energie und zeigen die Stärke,
die in jedem einzelnen stecken kann.
Erzählt wird in zwei Zeitsträngen die dann am Ende zusammen führen.
Einfühlsam und intensiv wird das Leben von Charlotte und ihren
Freundinnen erzählt.
Man spürt richtig, wie Charlotte langsam wieder Freude am Leben bekommt.
Alles ist möglich, man muss es nur zulassen.
Jeder kann hier ein kleines Stück Hoffnung in sein eigenes Leben mitnehmen.
Nicht nur deshalb ist dieses Buch einfach schön.
Ein warmherziger Roman der einen in den Bann zieht.
Eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.09.2019

Auf der Schwelle

Blackbird
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Fazit:
Matthias Brandt hat hier einen sehr sentimentalen Roman geschaffen.
Mit einer wunderbaren, leichten Schreibweise lässt er den Ich-Erzähler Morten, genannt Motte,
seine Kindheit hinter sich lassen.
Dieses ...

Fazit:
Matthias Brandt hat hier einen sehr sentimentalen Roman geschaffen.
Mit einer wunderbaren, leichten Schreibweise lässt er den Ich-Erzähler Morten, genannt Motte,
seine Kindheit hinter sich lassen.
Dieses Buch handelt in den 70er Jahren und ist voller nostalgischen Erinnerungen.
Mottes alte Ordnung ist total aus dem Gleichgewicht geraten. Seine Eltern trennen sich und
sein bester Freund liegt im Krankenhaus, Lymphdrüsenkrebs ist die Diagnose.
Aber damit nicht genug, die erste Liebe endet mit einer großen Enttäuschung.
Motte lebt in einer Zeit, in der auf einmal alles sehr Ernst wird. Er steht auf der
Schwelle zum Erwachsenwerden. Mit viel Liebe zum Detail schafft es der Autor
die kostbaren Erinnerungen hervorzuheben.
Pointiert und wunderbar gezeichnet lebt und leidet man mit den Charakteren.
Mit viel Humor, mal komisch, mal tragisch und einfach richtig gut!

Veröffentlicht am 02.09.2019

Der Schritt ins Leere

Der Sprung
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Es beginnt mit einem Sprung, aber eigentlich springt sie nicht.
Sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen.
Ihr ganzer Körper eine Faust jetzt, die sich nach unten ...

Es beginnt mit einem Sprung, aber eigentlich springt sie nicht.
Sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen.
Ihr ganzer Körper eine Faust jetzt, die sich nach unten boxt… Luft schneidet ihre Netzhaut…
Das Herz steckt ihr groß in der Luftröhre fest.»
Wie konnte es passieren, dass eine junge Frau oben auf einem Dach steht?

Die Autorin hat eine große Erzählfreude und eine wunderbare Ausdruckskraft.
Alle Charaktere werden mit wenigen Worten treffend beschrieben.
Das Buch hat nicht so viele Seiten aber einen Riesen Inhalt.
Mit wenigen Worten werden ganze Leben ersichtlich.
Jeder hat sein Päckchen zu tragen, seine physischen und seelischen Verwüstungen.
Ein Roman der sich mit sehr wichtigen Fragen auseinandersetzt.
Eine Geschichte über eine sehr eigenwillige junge Frau und über andere Menschen die entfernt mit ihr zu tun hatten beziehungsweise erst durch die entstandene Situation haben.
Es sind die Alltäglichkeiten, die dieses Buch so liebenswert machen.
Ist es Zufall oder doch Schicksal?
Simone Lappert entfaltet einen großen Bogen, auf dem diese Lebenswege aufgezeichnet sind, zusammenfließen oder sich auch nur kurz berühren.
Die Story, die Charaktere, die Ausdruckskraft einfach nur wunderbar.
Der Sprung ist ein Buch das auf jeden einzelnen passt. Muss nicht jeder, wenn er weiter kommen will im Leben oder etwas ändern will, einen Sprung machen?
Das sagt auch dieses wunderschöne und so treffende Zitat aus:
-Nie wollte sie in den Tod springen. Immer nur ins Leben.-
Ein Buch das zum Nachdenken veranlasst und lange nachklingt.
Für mich ein Highlight in der großen Leselandschaft.

Veröffentlicht am 02.09.2019

Weißes Gold

Ein neues Blau
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Tom Saller hat einen wunderbaren Roman geschaffen.
In zwei Erzählsträngen wird die Geschichte von Lili und der jungen Anja
erzählt. Beide haben etwas gemein. Sie haben jüdische Wurzeln.
Im Mittelpunkt ...

Tom Saller hat einen wunderbaren Roman geschaffen.
In zwei Erzählsträngen wird die Geschichte von Lili und der jungen Anja
erzählt. Beide haben etwas gemein. Sie haben jüdische Wurzeln.
Im Mittelpunkt steht die junge Jüdin Lili, die in den 1920er Jahren als Kindermädchen
bei Günther von Pechmann, dem damaligen Direktor der KPM arbeitet und Porzellanmalerin werden will.
Lilis Kindheit und Jugend wird mit einer eindrucksvollen Leichtigkeit erzählt,
im Hintergrund lauern schon Hitler und der 2. Weltkrieg.
Fünfzig Jahre später lebt Lili wieder in Berlin und blickt auf ihr bewegtes Leben zurück.
Über Lilis Erzählungen bekommt die aufsässige, eigensinnige Anja zutrauen und
öffnet sich langsam.
Ein toll recherchierter Roman mit sehr viel Geschichte der Königlichen Porzellanmanufaktur.
Die Charaktere sind sehr überzeugend dargestellt, ehrlich und auch sehr berührend.
Ein wunderschönes Buch, was ich nur empfehlen kann.