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Lust_auf_literatur

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.03.2023

Atmosphärisch, symbolisch und sehr lesenswert!

Der weiße Fels
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🌊Nachdem mir Hopes Roman „Was wir sind“ extrem gut gefallen hatte, startete ich mit großen Erwartungen in die Lektüre von „Der weiße Fels“.
Beide Romane sind schwer miteinander vergleichbar. Was beide ...

🌊Nachdem mir Hopes Roman „Was wir sind“ extrem gut gefallen hatte, startete ich mit großen Erwartungen in die Lektüre von „Der weiße Fels“.
Beide Romane sind schwer miteinander vergleichbar. Was beide gemeinsam haben, ist das unnachahmlich Gespür Hopes für menschliche Tiefen und ihr wunderbar poetischer Schreibstil. Das machte auch „Der weiße Fels“ für mich wieder sehr lesenswert.

🌊Inhaltlich ist dieser Roman für mich schwer zu greifen. Hope erzählt verschieden Geschichten von verschiedenen Personen und reist mit jedem Kapitel weiter in die Vergangenheit. Ausgangspunkt ist eine Schriftstellerin kurz vor Ausbruch der Coronakrise an einem Scheidepunkt in ihrem Leben. Dann begegnen wir einem Sänger, es ist der Lizard King, auf der Flucht vor seinem Ruhm. Zwei Yoeme Mädchen Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Weg in die Sklaverei.
Am Endpunkt ein spanischer Marineleutnant auf seinem Schiff, der mit seiner Flotte die Küste kartographiert.

🌊Für mich erreicht der Roman hier seinen Wendepunkt, genau an der Stelle als der Leutnant sein Herz verhärtet und verschließt.

Danach reisen wir kapitelweise zurück in die Gegenwart bis zum Ausgangspunkt, der Schriftstellerin, zurück.

🌊Alle Geschichten umspinnen den weißen Felsen, als Ort der Sehnsucht, der Reue und der Umkehr.
Der Fels ist das metaphysische Bindeglied zwischen den einzelnen Figuren und Geschichten.

Mir gefällt gut, dass Hope ihren Erzählstil für jede Figur leicht variiert, Morrisons Passagen lesen sich z.b. phasenweise abtrakt, wie in dem Mescal Rausch, in dem er sich befindet. Dabei kommt man den Figuren ganz nah. Ich persönlich fand die Abschnitte mit der Schriftstellerin und den Yoeme Mädchen am besten und am emotionalsten.

🌊Wer allerdings nach einer abgschlossenen stringent erzählten Story sucht, sollte hier eher nicht zugreifen. Die einzelnen Episoden sind in sich nicht abgeschlossen, sondern geben nur Ausschnitte aus den verschiedenen Leben wieder.
🌊Hope webt einen einen dichten Teppich aus Emotionen, der Roman lebt von seiner starken poetischen Sprache und erzeugten Bildern, nicht vom Verlauf seiner Geschichte.
Mir hat das gut gefallen, ich konnte mich von dieser Erzählweise mitnehmen und tragen lassen und ich empfehle es auch euch!

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Sensibler Roman über Sehnsucht und Sucht

Nach einem Traum
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Die Inhaltsbeschreibung dieses Debütroman hat mich spontan angesprochen, da mich die ständige Verfügbarkeit von Social Media selbst stark beschäftigt und fasziniert.

Marie, eine Musikstudentin kurz vor ...

Die Inhaltsbeschreibung dieses Debütroman hat mich spontan angesprochen, da mich die ständige Verfügbarkeit von Social Media selbst stark beschäftigt und fasziniert.

Marie, eine Musikstudentin kurz vor dem Abschluss, lernt den älteren und verheirateten Simon kennen. Zischen ihnen entwickelt sich eine lockere Bekanntschaft, die jedoch auf digitaler Ebene schnell sehr intensiv wird.
Die beiden schreiben sich täglich viele Nachrichten und Marie verliebt sich allmählich. Simon scheint ähnlich zu fühlen, er macht jedoch von Anfang an klar, dass er mit seiner Frau und vor allem mit seinen Töchtern glücklich ist, und ein Verlassen der Familie für ihn nicht in Frage kommt.
Dennoch führen die beiden bald eine emotionale Beziehung, die hauptsächlich online stattfindet.

🟠 Schad beschreibt in ihrem ruhigen und knappen Stil aus Maries Perspektive faszinierend die Mechanismen dieser Beziehung. Ist es wirklich Simon, den Marie will? Es ist vielmehr sein ganzes bürgerliches Leben, mit Kindern, Haus und Garten gegen das Marie gerne ihr etwas einsames WG Leben tauschen möchte. Sie ist nach dem Cello-Studium an einem Wendepunkt in ihrem Leben angekommen und sehnt sich nach der Sicherheit, die Simons Lebensstil ihr vermittelt.

Natürlich hat die Beziehung der beiden keine Zukunft und es kommt zum Bruch.

🟠 Für Marie ist das sehr schmerzhaft, sie hat Liebeskummer. Schon vorher war ihre Fokussierung auf Nachrichten von Simon obsessiv, aber nach der Trennung entgleitet Maries Leben noch weiter. Ihre Sehnsucht treibt sie immer weiter in die Sucht nach digitalen Lebenszeichen von Simon. Die ständige Verfügbarkeit der Informationen macht es ihr schwer, einen Abschluss zu finden, den online ist sie immer mit dabei. Bei Simons Leben und dem seiner Familie, nicht mehr bei ihrem eigenen Leben.

🟠 Das Hörbuch ist sehr ruhig und eindringlich und stellt trotz seiner Kürze prägnant einige relevante Fragen der heutigen Zeit:
Nach was sehne ich mich wirklich? Was suche ich auf Social Media? Ist es für mich nur Zerstreuung und Inspiration oder ist es für mich auch eine Realitätsflucht? Kann es auch beides sein? Wann habe ich es nicht mehr im Griff?

🟠 Für Marie wird die Realitätsflucht zur Sucht und zur Möglichkeit, sich der Verantwortung im eigenen Leben zu entziehen.

🟠 Ein starkes und empfehlenswertes Debüt von Schad! Das Hörbuch wunderbar passend und einfühlsam gelesen von der Schauspielerin Rosa Thormeyer.

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Starkes Debüt!

Keine gute Geschichte
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▪️„Arielle, die Meerjungfrau“ ist eine gute Geschichte. Zumindest für Arielles Mutter, die den Disneyfilm so toll fand, dass sie ihrer Tochter den Namen der kleinen Meerjungfrau gab.
Jetzt ist die Mutter ...

▪️„Arielle, die Meerjungfrau“ ist eine gute Geschichte. Zumindest für Arielles Mutter, die den Disneyfilm so toll fand, dass sie ihrer Tochter den Namen der kleinen Meerjungfrau gab.
Jetzt ist die Mutter verschwunden und aus der kleinen Arielle ist eine erwachsene Frau geworden, die ihrer alten prekären Hood entkommen ist und karrieretechnisch so richtig was aus sich gemacht hat.

▪️Doch so schnell entkommt man seiner Herkunft nicht. Ihre Großmutter, die sie nach dem frühen Verschwinden ihrer Mutter großgezogen hatte, ist gesundheitlich angeschlagen und könnte laut der Sozialarbeiterin ihre Hilfe gebrauchen. Und da bei Arielle das psychologische Kartenhäuschen sowieso in sich zusammengefallen ist, kehrt sie in ihr altes Essener Heimatviertel zurück. Ihr Kinderzimmer wartet bereits unverändert auf sie.
Ihr Aufenthalt verlängert sich, als sie sich mit Meryem, der Sozialarbeiterin anfreundet und auch andere Kontakte aus Jugendzeiten wieder aufwärmt. In der Nachbarschaft sind zwei Mädchen verschwunden und die Ich-Erzählerin Arielle fängt an, Fragen zu stellen…

▪️Lasst euch von meiner entschärften kurzen Zusammenfassung des Settings nicht täuschen, der Einstieg in diesen sozialen Brennpunkt ist hammerhart und schmerzhaft. Roys Ich-Erzählerin ist desillusioniert und zynisch und manche ihrer Denkweisen könnte man aus bildungsbürgertümlicher Distanz zum Milieu als politisch nicht korrekt bezeichnen.
▪️Ich bin sofort schwer angefixt von Roys direkter Geschichte und ihrer Schreibweise. Bin krass fasziniert von der Innenwelt Arielles, die kaputt gegangen ist durch ihre schwere Kindheit und Jungend und nur durch den hauchzarten Glauben an die ursprüngliche Liebe ihrer Mutter zusammengehalten wird. Sie ist fest davon überzeugt, dass ihre Mutter damals nicht freiwillig verschwunden ist und sieht Parallelen zu den verschwundenen Mädchen.

▪️Die Beschreibungen der verschiedenen Figuren und Schicksale in diesem Essener Randbezirk gefallen mir richtig gut, sie wirken authentisch, ohne sie unserem Voyeurismus und Urteil auszusetzten. Der Kern des Romans ist stark, entlarvt er doch das Märchen der sozialen Gleichheit und Durchlässigkeit und übt Kritik am Klassensystem, dem man so schwer entkommen kann.
Im letzten Viertel, als die Ereignisse sich überschlagen, schlägt Roy zwar einen guten Spannungsbogen, verliert mich aber ein bißchen, weil mir das tendenziell zu überladen und konstruiert wird. Wer das, anders als ich, mag, wird mit einem runden Abschluss belohnt.

▪️Ein lesenswerter und großartiger Debütroman, der gleichzeitig durchrüttelt und unterhält!

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Wilder Ritt durch eine unausgegorene Story

Girlcrush
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Nach „Frauen schulden dir gar nichts“ ist jetzt der Debütroman von Florence Given auf deutsch erschienen, der in England gleich auf Platz 1 der Bestsellerliste einstieg.

Der Klappentext besagt „Wie Carrie ...

Nach „Frauen schulden dir gar nichts“ ist jetzt der Debütroman von Florence Given auf deutsch erschienen, der in England gleich auf Platz 1 der Bestsellerliste einstieg.

Der Klappentext besagt „Wie Carrie Bradshaws Kolumne aus Sex and the City auf Steroiden“. Meiner Meinung trifft es das ziemlich gut.
Dennoch war ich überrascht, dass der Fokus des Romans eher auf der Unterhaltung und weniger auf den ernsten Themen liegt.

Um was geht`s?
Die 25-jährige Ich-Erzählerin Eartha findet heraus, dass ihr langjähriger Boyfriend sie betrogen hat und sie eigentlich Frauen auch ziemlich hot findet. Nach dem Betrug hat Eartha eine feministische und sexuelle Erleuchtung und sie wirft ihren Freund raus.
Nach einem spontanen Outing-Video, das sie auf der fiktiven Social Media Plattform Wonderland gepostet hat, geht sie über Nacht viral und startet richtig durch….
Wonderland ist ein persiflierter Hyprid verschiedener realer Social Media Plattformen.
Immer an Earthas Seite ihr:e non-binäre:r Freund:in Rose, der:die ihr Starhilfe in ihr neues queeres Dating- und Sexleben gibt.

Givens Schreibstil macht ziemlich Spaß und der Unterhaltungsfaktor ist hoch. Die Sprache ist modern, direkt und derb, was mir gut gefällt und ich als großen Plus des Romans empfinde.
Die Charakter, allen voran Eartha, bleiben allerdings sehr blaß und sind für mich nicht authentisch ausgearbeitet, aber das soll vielleicht so. Angesichts Earthas Naivität und Planlosigkeit, hat man manchmal das Gefühl, man hat es mit einer 15-jährigen zu tun (wäre da nicht der ganze Alkohol und Sex), nicht mit einer erwachsenen feministischen Frau.

Apropos Sex: es geht ordentlich und queer zur Sache, das finde ich recht nice, ist aber sicherlich Geschmacksache.

Nicht erfüllt wurde mein feministischer Anspruch, den ich an den Roman hatte. Hier bleibt Given sehr unterkomplex und bedient trotz aller Wokeness viele Stereotype.

Sehr gut hat mir die eingestreute Kritik an Social Media gefallen. Given arbeitet deutlich heraus, dass diese eben nicht nach Kriterien wie Ethik und Moral agieren, sondern nach rein wirtschaftlichen Aspekten, auch wenn das heißt, dass man Hate Speech forciert. Demagogische Inhalte werden nicht gesperrt sondern teilweise gefördert, damit Reichweite und Wachstum generiert werden. Von diesen Zusammenhänge hätte ich gerne mehr gelesen, finde es aber gut, dass es überhaupt angerissen wird.
Dem letztendlichen Fazit des Romans stimme ich nur bedingt zu.
Sicher kann man Social Media als misogynen Spielplatz sehen, der in den Händen der Männer liegt, aber Social Media ist letztendlich nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die die tieferliegenden, strukturellen und komplexen Probleme vielleicht verstärkt, aber nicht verursacht.

In Summe war „𝙂𝙄𝙍𝙇𝘾𝙍𝙐𝙎𝙃“ für mich kein besonders einschneidendes Leseerlebnis. Ich hatte zwar einigen Spaß, aber nicht genug, um mich über die Schwächen hinwegzutrösten.

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Veröffentlicht am 17.03.2023

Ein literarisches Abenteuer

Über die Berechnung des Rauminhalts I
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Wegen solchen Romanen liebe ich das Lesen von Büchern!
„Über die Berechnung des Rauminhalts I“ ist ein großartiges Literatur Abenteuer.
Es ist ein sprachliches Erkunden, ein Erforschen, eine Reise ins ...

Wegen solchen Romanen liebe ich das Lesen von Büchern!
„Über die Berechnung des Rauminhalts I“ ist ein großartiges Literatur Abenteuer.
Es ist ein sprachliches Erkunden, ein Erforschen, eine Reise ins Unbekannte.

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Die Ich-Erzählerin Tara Selter ist in einer Zeitschleife gefangen. Immer wieder erlebt sie den 18. November von Neuem, während alle anderen Menschen um sie herum den 18. November das erste Mal erleben.
Je mehr 18. Novembers Tara erlebt, desto weiter weg rückt die Erinnerung an den 17. November, der doch für alle anderen erst „gestern“ war.
Kommt euch irgendwie bekannt vor? Genau, das Gerüst erinnert vage an den Filmklassiker „und täglich grüßt das Murmeltier“, ist aber damit nicht wirklich vergleichbar.

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In Balles groß angelegtem Romanprojekt, von dem das erst der erste Band von sieben ist, geht es weniger um die praktischen Mechanismen der Zeitschleife (wobei die Details auch thematisiert werden) als vielmehr um die inneren Mechanismen und zwischenmenschlichen Auswirkungen.
Tara ist mit Thomas verheiratet und ihre Beziehung ist sehr liebevoll und zärtlich.
Doch während für Thomas die Zeit nicht stehen bleibt, tut sie es für Tara.

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Ihre Realitäten entfernen sich voneinander.


Ich musste an die vielen ganz konkreten Situationen denken, in denen wir diesem Mechanismus begegnen. Mir sind viele Beispiele eingefallen, aber besonders dachte ich an meine allererste Elternzeit. Plötzlich fällt man aus der Zeit, während für alle anderen das Leben weitergeht. Ein Aufspalten der erlebten Realität, eine plötzliche Distanz zwischen mir und den anderen, die immer größer wird, je länger der Zustand andauert.

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Auf diese Weise lädt uns Balle oft ein, in weitere Deutungsebenen abzutauchen und frei zu assoziieren und zu interpretieren.

Der Roman ist definitiv kein schneller Actionroman, im Gegenteil, die stellenweise monochromen Kapitel verdeutlichen die Monotonie der immer selben Tage, aus denen es für Tara keinen erkennbaren Ausweg gibt.
So bin ich überrascht (und erfreut), dass der Roman zum Ende hin deutlich an Spannung aufbaut, die zum Weiterlesen antreibt und schließlich mit einem Cliffhanger endet.

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Mir hat dieser erste schmale Band richtig gut gefallen. Ein tolles literarisches Abenteuer, losgelöst von den Zwängungen der rein fiktionalen Erzählung. Ich freue mich auf den nächsten Band der dänischen Schriftstellerin!

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