Berührend schön
Robin – High in the SkyEs passiert eigentlich nur sehr selten, dass mich ein Buch so sprachlos zurück lässt, dass ich tagelang darüber nachdenke, was ich in die Rezension hineinschreibe. Es passiert sehr selten, dass mich ein ...
Es passiert eigentlich nur sehr selten, dass mich ein Buch so sprachlos zurück lässt, dass ich tagelang darüber nachdenke, was ich in die Rezension hineinschreibe. Es passiert sehr selten, dass mich ein Buch menschlich und emotional so sehr packt, dass ich es am liebsten gar nicht mehr loslassen würde.
Charlotte Taylor hat es geschafft. Zuerst habe ich das Buch atemlos gelesen, nicht mehr los lassen wollen und dann habe ich tagelang um die richtigen Worte gekämpft. Und auch jetzt, während ich diese Rezension schreibe, weiß ich nicht ob ich das rüberbringen kann, was das Buch in mir ausgelöst hat.
Worum geht es?
Was war der beste Tag in deinem Leben? Für Antworten auf diese Frage haben Anwältin Robin Stewart und Entwicklungshelfer Sky Forrester gerade gar keinen Sinn, sind sie doch mit Schadensbegrenzung ihrer jüngsten Katastrophen beschäftigt. Sie flüchtet aus Schottland, er aus Äthiopien, und das Schicksal mit seinem unvergleichlich schrägen Sinn für Humor bringt die beiden verlorenen Seelen in San Francisco zusammen. Dort entspinnt sich langsam eine zarte Freundschaft. Vorurteile weichen Verständnis, verdrängte Tragödien fördern die Sehnsucht und plötzlich finden sie sich wieder auf einer atemberaubenden Suche nach der Wahrheit, die sie über drei Kontinente und zu erstaunlicher Erkenntnis führt.
Es ist eine Geschichte über den Sinn des Lebens. Ein Geschichte, geschrieben mit vordergründiger Leichtigkeit, gewürzt mit hintergründigem Tiefsinn und warmherzigem Humor. Eine Mischung, die an das Buch fesselt.
Robin hat es mir im ersten Moment nicht leicht gemacht, aber nach wenigen Seiten hatte sie mich mit ihrer Art gepackt. Ihre Wut über den Verrat ihres Partners, dass auf das Abstellgleis schieben ihres Großvaters und ihre Hilflosigkeit mit dem Gefühlschaos haben mich überzeugt, auf ihre Seite gezogen. Denn all diese Gefühlsfacetten hat Charlotte Taylor sehr glaubhaft und lebensnah geschildert. Jede Regung, jeden Kommentar und jede Handlung nimmt man ihr ab.
Ihre erste Begegnung mit Rosalynd – einfach nur herrlich. Ich hab Tränen gelacht. Womit wir hier schon meiner r absoluten Lieblings-Nebenfigur sind. Ihre Lebensweisheit, ihre Einmischungen und ihre Art, über andere zu „bestimmen“ – bei ihr fühlte ich mich wohl.
Die Geschichte von Sky hat mich dann richtig gepackt und seine Geschichte war auch die, die mir am meistens ans Herz ging. Mit ihm habe ich mitgelitten und mitgefiebert.
Und das ist auch der Punkt des Buches, wo es von einem einfach Liebesroman in einen Liebesroman mit überraschender Tiefe und einem ernsten Thema umschwenkte.
Entwicklungshilfe ist ein Thema, dass mir in Büchern (bisher) noch nicht weiter aufgefallen ist. Und die Schattenseiten der Entwicklungshilfe, das Schmieren der Behörden und die Angriffe und Erpressungen kommen sowieso nicht zur Sprache. Dabei ist das mit Sicherheit allgegenwärtig, auch das Gelder aus diesen Organisationen veruntreut werden. Und dass damit eine eigentlich gute Sache zerstört wird, schlecht gemacht und verunglimpft wird.
Charlotte Taylor schafft es in dem Roman, diese Seite zu beleuchten. Sie weißt auf diese Missstände hin, ohne zu verurteilen und ohne den Zeigefinger zu erheben. Sie macht auf (Roman)Schicksale aufmerksam, die aber so und so ähnlich mit Sicherheit gerade in diesem Teil der Erde immer wieder zukommen.
Dabei entwickelt sie einen Schreibstil, der Spannung aufbaut, obwohl es kein Krimi ist. Der mich atemlos zurücklässt, obwohl nichts gruseliges oder „mörderisches“ passiert. Sie hat eine Art, zu erzählen, die in das Buch einsaugt.
Dazu kommen die Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten: Egal ob Großstadt oder Dorf, die Autorin beschreibt es so detailreich, dass man das Gefühl hat, die gleiche Luft wie Robin und Sky zu atmen, das gleiche zu sehen und wahrzunehmen wie sie.
Wie oft habe ich beim Lesen des Buches zu meiner Familie gesagt: „Ich komme gleich, nur noch die eine Seite.“? Ich weiß es nicht. Es muss aber sehr oft gewesen sein, denn ich bin sehr schnell mit dem herrlichen Buch durch gewesen.
Charlotte Taylor schreibt auch als Carin Müller Bücher und da hat sie es mit „Tage zwischen Ebbe und Flut“ geschafft mich so zu begeistern. Für dieses Buch habe ich damals 5 von 5 Sternen gegeben. Dieses Buch hier konnte mich allerdings noch mehr begeistern und eigentlich müsste ich 6 von 5 Sternen vergeben.
Da das aber nicht geht, bekommt dieses Buch von mir 5 von 5 Sternen und eine klare Leseempfehlung.