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Marakkaram

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.07.2019

Traumhaft schöner Sommerroman mit alten Bekannten

Sommer im kleinen Brautladen am Strand
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* "Du kannst es leugnen, sosehr du willst, aber Gleich und Gleich erkennt sich, Water-Lily. Scheint, als wären wir beide in einer ähnlichen Situation. Irgendwo gestrandet, wo wir wohl lieber nicht wären. ...

* "Du kannst es leugnen, sosehr du willst, aber Gleich und Gleich erkennt sich, Water-Lily. Scheint, als wären wir beide in einer ähnlichen Situation. Irgendwo gestrandet, wo wir wohl lieber nicht wären. Wir sollten zusammenhalten." *

Als Lily ihren Job im Hotel aufgrund von Budgetkürzungen verliert, haben ihre Freundinnen sofort einen Plan B in der Tasche und holen sie als Hochzeitsstylistin zurück ins "Bride by the Sea". Doch Lily ist sich gar nicht sicher, ob sie dem gewachsen ist. Denn während Poppy und Rafe dabei sind ihren Gutshof für Hochzeitsfeiern umzubauen, erscheint plötzlich Kip Penryn auf der Bildfläche und bietet das alte Herrenhaus seiner Familie als Hochzeitslokation an.
Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, eröffnet Barbara ihrer Tochter, dass sie den Fitness-Trainer David, der so gar nicht in ihre Welt zu passen scheint, heiraten will und zwar im Herrenhaus. Das Lily die Hochzeit ausstattet und auch die Blumen zieht, ist für sie gar keine Frage....

Herrlich!
Ich hatte im Vorfeld noch keins der "Brides by the Sea" Bücher von Jane Linfoot gelesen und habe mich sofort verliebt: in das Konzept, die so unterschiedlichen Charaktere, das Setting, die Bräute und vor allem in den großartigen Humor und die leise Romantik.

Man braucht also die Vorgänger nicht zwingend gelesen zu haben, um an Lilys Geschichte Spaß zu haben. Beim ersten Zusammentreffen - natürlich auf einer Hochzeit - werden ganz nebenbei alle Mädels und ihre hervorstechendsten Charakterzüge, Jobs, Männer etc. vorgestellt. Das macht es einfach, bei den teilweise doch recht vielen Personen, den Überblick zu halten. Was mir dabei gefällt, ist, dass alles und alle irgendwie miteinander in Verbindung stehen.

Jane Linfoot hat einen tollen, bildhaften und ideenreichen Schreibstil und einen absolut großartigen Humor. Ich hatte ein wenig befürchtet, dass der Roman vor Kitsch nur so trieft, was bei der Hochzeitsthematik ja gar nicht so abwegig gewesen wäre. Aber genau das passiert nicht, denn diese Situationen fängt die Autorin mit einem Augenzwinkern ab. Es gibt überdrehte Bräute und Fast-Bräute, viel Hochzeitsorga und und und, aber keine bis ins kleinste Detail geschilderte Hochzeit, sondern immer nur Momentaufnahmen, tolle kleine Ausschnitte. Einfach perfekt gelöst.

Auch die sich frisch anbahnenden Liebesbeziehungen haben mir mit ihrem eher langsamen Tempo, sehr gefallen. Sie sind nicht einfach oberflächlich, a la gesehen und sofort knistert es, sondern gehen auch schon mal ne Schicht tiefer.
Es sind halt allesamt richtige Charakterköpfe, auch die Nebenfiguren, und mit viel Charme und Liebe ausgearbeitet.

Diese Reihe hat mit mir definitiv einen neuen Fan und die Vorgänger liegen schon bereit.

Veröffentlicht am 01.07.2019

Rasanter Pageturner

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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* Haben Sie sich jemals gefragt, wie lange es dauert, ein Grab auszuheben? Dann können Sie aufhören, darüber nachzudenken. Es dauert eine Ewigkeit. *

Mit diesen Sätzen begrüsst Erin die Leser und man ...

* Haben Sie sich jemals gefragt, wie lange es dauert, ein Grab auszuheben? Dann können Sie aufhören, darüber nachzudenken. Es dauert eine Ewigkeit. *

Mit diesen Sätzen begrüsst Erin die Leser und man muss über ihre Art unwillkürlich schmunzeln, fragt sich jedoch gleichzeitig, wie um Gottes Willen sie an diesen Punkt gekommen ist.

Und dann fängt Erin an zu erzählen; von ihrer Hochzeit, dem plötzlichen Jobverlust ihres Mannes Mike, ihrem Filmprojekt und den Flitterwochen... Diesen zwei Wochen auf Bora Bora, die sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten können und in denen sie eine unglaubliche Entdeckung machen, die von da an ihr restliches Leben bestimmt.

Okay, Catherine Steadman erfindet das Thriller-Rad nicht neu, aber sie weiß hervoragend zu unterhalten.

Ihr Schreibstil ist rasant und der Spannungsbogen, manchmal nur durch Kleinigkeiten, konstant hoch, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Sie treibt ihre Hauptprota Erin fast schon unbarmherzig durch den Plot, was diese aber sehr gelassen nimmt.

Die Geschichte ist komplett aus Erins Sicht erzählt und das sehr locker, unkompliziert und frei Schnüss, Gedankengänge ohne Filter quasi. Das ist amüsant, unheimlich spannend und entwickelt seinen ganz eigenen Sog. Man muss einfach wissen, wie es weitergeht.
Das Interessante an Erin, man fragt sich ganz oft, ist das einfach Naivität oder getarnte Intelligenz? Bei ihren Gedankengängen hab ich des öfteren innerlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, aber dann wiederum muss man ihr zugestehen, dass sie teilweise echt was auf dem Kasten hat. Oder ist alles nur "Bauernschläue"...???

An der ein oder anderen Stelle ist die Story vielleicht ein wenig zu edgy, aber dafür weiterhin sehr unterhaltsam. Vor allem das Ende ist stimmig, gut umgesetzt und bleibt seinem Konzept treu.
Was will man mehr?

Klar, jedem der viele Krimis liest, wird an einem bestimmten Punkt klar sein, wo die Reise hingeht. Mir auch und trotzdem fand ich es lesenswert und durch gewisse Randfiguren, spannend bis zum Schluss.

Fazit: Ein intelligenter, rasanter Thriller - manchmal ein wenig over the top, aber durchweg spannend und sehr unterhaltsam.

Veröffentlicht am 29.06.2019

Es ist okay, glücklich zu sein....

Für immer Rabbit Hayes
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* Sie schob ihren Stuhl zurück. "Nenn mich nicht Bunny", sagte sie. "Rabbit ist tot. Ich bin nicht mehr ihr Häschen." *

Nachdem Rabbit ihrem Krebsleiden erlegen ist, versuchen ihre Familie und Freunde ...

* Sie schob ihren Stuhl zurück. "Nenn mich nicht Bunny", sagte sie. "Rabbit ist tot. Ich bin nicht mehr ihr Häschen." *

Nachdem Rabbit ihrem Krebsleiden erlegen ist, versuchen ihre Familie und Freunde irgendwie klarzukommen... weiterzuleben. Allein schon für Rabbits Tochter Juliet, die seit dem Tag X nicht mehr Bunny genannt werden will.
Sie sind eine Familie, aber jeder geht anders mit dem Schmerz und dem Verlust um. Während Davey wieder auf Tour geht und Juliet mit sich nach Amerika nimmt, verliert Mama Molly ihren Glauben an Gott und muss sich irgendwann eingestehen, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch steht und ihr Mann keine große Hilfe ist, denn Jack verzieht sich auf den Dachboden um in Erinnerungen zu schwelgen und mit seiner toten Tochter zu sprechen. Und Grace... Grace hat sich nach dem Tod ihrer Schwester testen lassen und erfahren, dass auch in ihr das Gen schlummert. Das stellt sie vor die schwerste Entscheidung ihres Lebens.

Ja, die Hayes sind schon eine ganz spezielle irische Familie.
"Für immer Rabbit Hayes" ist der Nachfolger von "Die letzten Tage von Rabbit Hayes", kann aber unabhängig vom ersten Teil, in dem es um Rabbits Erkrankung geht, gelesen werden. Im Prolog, am Sterbebett werden alle Personen vorgestellt und man hat sofort einen recht guten Eindruck und ein sehr klares Bild von ihnen.

Es ist keine einfache Geschichte, die Anna McPartlin da erzählt und trotzdem schafft sie es mit einer relativen Leichtigkeit und dem der Familie so eigenem Humor. Sie bringt einen zum Lachen und gleichzeitig zum Weinen und sie berührt etwas ganz tief in dir.

Der Schreibstil ist toll - sie erzählt jedes Kapitel aus unterschiedlicher Sicht. Molly, Grace, Jack, Davey, Juliet und Marjorie... alle kommen zu Wort und da jeder seine ganz eigene Art und vor allem auch sein ganz eigenes Päckchen zu tragen hat, macht es das sehr interessant und abwechslungsreich.

Mich hat Graces Schicksal sehr mitgenommen, ich glaube, jede Frau kann sich recht gut mit ihr identifizieren. Sie war die erste der Hayes, deren Emotionen mich sofort erreicht haben. Bei einigen anderen hat es ein wenig länger gedauert und vor allem von Juliet hätte ich gern mehr gelesem. Aber irgendwann hatten sie mich alle und zum Schluss habe ich mit den Tränen gekämpft.

Fazit: Eine sehr berührende Familiengeschichte, über den viel zu frühen Tod ihrer Tochter, Schwester, Mutter, Freundin und dem Versuch jedes Einzelnen wieder ins Leben zurückzufinden.
Und eines kann ich versichern, die Hayes lassen einen so schnell nicht wieder los.

Veröffentlicht am 28.06.2019

Eine Liebeserklärung an die Lagunenstadt

Die Mondschein-Lagune
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Eine Liebeserklärung an die Lagunenstadt - doch der Klappentext weckt ganz andere Erwartungen!

* "Venedig schweigt nie, noch nicht einmal nachts. Die Möwen, das Wasser, die Boote, die Glocken: Es ist ...

Eine Liebeserklärung an die Lagunenstadt - doch der Klappentext weckt ganz andere Erwartungen!

* "Venedig schweigt nie, noch nicht einmal nachts. Die Möwen, das Wasser, die Boote, die Glocken: Es ist wie ein Klangmantel, der die Stadt umhüllt. Wenn ich nachts nicht schlafe, sind es diese Geräusche, die mir Gesellschaft leisten. Venedig erzählt uns immer etwas, auf seine Weise. Man muss genau hinhören, dann versteht man es." *

Die junge Antonia aus Berlin steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben und nimmt deswegen begeistert einen Forschungsauftrag an, der sie nach Venedig führt. Sie hofft, dort etwas Abstand zu gewinnen und den Kopf freizukriegen. Untergebracht ist sie im Palazzo der alten Contessa Ada Foscarini, wo sie auch den Venezianer Dario kennenlernt, der ihr bereits bei der Ankunft begegnet und aufgefallen war. Für Ada ist die junge Deutsche wie ein Lebenselexier, das ihr neue Kraft schenkt. Sie, die ihren Palazzo jahrelang nicht mehr verlassen hat, begibt sich plötzlich wieder raus in die Lagunenstadt und nimmt ihre Nachforschungen über die Geschichte ihres Urgroßvaters wieder auf....

Eines muss man dem Roman wirkich lassen, er transportiert ein wunderbar greifbares Venedig Flair und man erfährt sehr viel über die Lagunenstadt. Über die Vergangenheit, den Aufbau und Funktion mit ihren vorgelagerten Inseln, bis hin zu ihren heftigen Problemen in der heutigen Zeit. Und das ist schon ein sehr ernstes Thema, welches grad vor ein paar Tagen wieder in den Nachrichten war, die Touristenströme, die schnellen Motorboote und riesigen Kreuzfahrtschiffe, deren Sog die Substanz der Häuser angreift. Und das ist auch der eigentliche Schwerpunkt dieses Romans. Darios Kampf und Protest (obwohl er selber ein Motorboot fährt).
Vom Prinzip her finde ich das total klasse. Aber die Autorin wiederholt sich ungeschickt. Es sind immer dieselben Sätze in gut gemeintem, leicht anklagenden Ton. Und wo ich anfangs noch dachte: wow, tolles Thema, wenn auch unerwartet - war ich doch später relativ genervt, weil es irgendwie zu plump wurde.

Und Adas Familiengeheimnis geriet dadurch immer wieder in den Hintergrund. Antonias Forschungsauftrag erst Recht, zudem er ziemlich konstruiert und unglaubwürdig wirkte. Auch ihre Liebesgeschichte konnte nicht unbedingt überzeugen. So richtig warm bin ich eigentlich mit keinem der Charaktere geworden.

Aber, und das ist der Charme dieses Buches, man spürt die Liebe der Autorin zu Venedig in jedem Satz. Es ist eine wirklich tolle Hommage an die Lagunenstadt und mit einem anderen Klappentext würden auch die richtigen Erwartungen geschürt. Denn jeder, der hier ein spannendes Familiengeheimnis (ja, es ist sogar von einem uralten Fluch, der auf der Familie lastet, die Rede) erwartet und damit eine interessante Geschichte aus der Vergangenheit, wird enttäuscht sein - weil der Roman dem einfach nicht gerecht wird und eigentlich auch ganz anders ausgerichtet ist.

Fazit: Eine Geschichte, die auf die akuten Probleme Venedigs aufmerksam macht und vielleicht dem ein oder anderen die Augen öffnet und zugleich eine wunderschöne Liebeserklärung an die Lagunenstadt.

Veröffentlicht am 26.06.2019

bewegende Lebensgeschichte

Hannah und ihre Brüder
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* "Wie um alles in der Welt kommen sie darauf, dass er ein Nazi war? Und wer soll bereit sein, ihnen zu glauben? Er gehört zu den großzügigsten Sponsoren unserer Stadt."

Ben rüstet sich für seinen großen ...

* "Wie um alles in der Welt kommen sie darauf, dass er ein Nazi war? Und wer soll bereit sein, ihnen zu glauben? Er gehört zu den großzügigsten Sponsoren unserer Stadt."

Ben rüstet sich für seinen großen Auftritt. Bei der Eröffnungsgala der Oper bedroht er den angesehenen Juden Elliot Rosenzweig mit einer alten Kriegswaffe und wirft ihm vor, der SS-Offizier Otto Piontek zu sein, auch bekannt als "Der Schlächter von Zamosc".
Obwohl jeder sofort von einer Verwechslung ausgeht, ist Ben überzeugt in ihm seinen ehemaligen Ziehbruder erkannt zu haben. Er engagiert die junge Anwältin Catherine Lockhart und beginnt ihr seine Geschichte zu erzahlen.

Und die geht tief unter die Haut.

Ronald H. Balson hat schon mit "Karolinas Töchter" (der in Deutschland zuerst übersetzt wurde) einen sehr bewegenden Roman über Polen in der Zeit des Nazi-Regimes geschrieben, dem "Hannah und ihre Brüder" in nichts nachsteht.

Der Aufbau ist relativ gleich, er lässt seinen Hauptprota, Ben, in Rückblicken seine Lebensgeschichte erzählen. Hier, die einer jüdischen Familie in Polen, mit einem deutschen Ziehsohn, der irgendwann die Seiten wechselt. Eine Geschichte über Freundschaft, Macht, Hass und Liebe.

Das Stilmittel ist perfekt gewählt, denn durch Ben erlebt man alles hautnah mit. Und das ist manchmal nur in kleinen Dosen zu ertragen. Deswegen fand ich es auch ganz angenehm, dass die Erzählung immer wieder durch Catherine unterbrochen wird.
Anders als in "Karolinas Töchter" trägt sie hier nicht unbedingt viel bei, sondern fungiert tatsächlich eher als Verschnaufpause und bleibt ein wenig Randfigur. Was absolut okay ist, denn Bens Schilderungen wirken allein schon sehr authentisch und fesselnd. Der Erzählstil trägt dazu bei, dass man den Charakteren sehr nahe kommt und das macht es noch um einiges greifbarer und emotionaler.

Ronald H. Balson setzt seine Akzente ganz geschickt, man bleibt bis fast zum Schluss im Unklaren, ob Rosenzweig wirklich der Kriegsverbrecher Otto Piontek ist oder ob es sich um eine verhängnisvolle Verwechslung handelt. Die Auflösung überzeugt und hat Hand und Fuss.

Fazit: Ronald H. Balson erzählt mit "Hannah und ihre Brüder" eine großartige, bewegende Geschichte, die fesselt und mitreisst und gibt tiefe Einblicke in ein sehr, sehr dunkles Kapitel.

Ich bin sicher, sie wissen nicht einmal im Ansatz, was Wahnsinn bedeutet. Ich aber habe ihn erlebt. Und ich weiß, dass er wiederkehren kann. Dann, wenn das moralische Gewebe der Menschheit reißt. Dann kriechen die Abgesandten des Bösen - des wahrhaft Bösen - durch den Riss, und wir erleben ein Auschwitz, Kambodscha, Bosnien oder Darfur. *