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Marshall-Trueblood

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.08.2019

Vom Leben der Aborigines

Ich hörte den Vogel rufen
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Fünf Geschwister wachsen in Perth auf. Zum Haushalt gehören außerdem die Mutter, die viel arbeitet, um die Familie über die Runden zu bringen, der Vater, der traumatisiert aus dem Krieg zurückgekommen ...

Fünf Geschwister wachsen in Perth auf. Zum Haushalt gehören außerdem die Mutter, die viel arbeitet, um die Familie über die Runden zu bringen, der Vater, der traumatisiert aus dem Krieg zurückgekommen ist und die Großmutter, die sich um die Kinder kümmert. In dieser Familie wächst Sally auf und stellt mit fünfzehn fest, dass noch etwas ungewöhnlich ist, denn die Großmutter ist schwarz. Unerschrocken von Widerständen gibt sie sich auf die Spurensuche, hinterfragt die Geschichte ihrer Familie und entdeckt ein Kapitel in der Geschichte Australiens.

In ihrem autobiographischen Roman erzählt Sally Morgan von ihrer Kindheit über Jugendalter bis zu Heirat und Familiengründung. Das ist teilweise witzig, teilweise beängstigend. Im Laufe des Romans bekommen noch andere Mitglieder ihrer Familie die Möglichkeit, ihren Teil der Geschichte zu erzählen. Und genau das macht die Geschichte leider etwas geschwätzig; da werden Lebensgeschichten erzählt, traurig und dennoch informativ. Leider springen die Erzähler hin und her und ich hatte teilweise Mühe, dem Geschehen zu folgen, auch da Namen auftauchten, die überhaupt keine weitere Rolle spielten. Auch fand ich es nicht nötig, zu erfahren, mit wem die Autorin alles Tee getrunken und Plätzchen gegessen hat. Die Geschichte der Aborigines im letzten Jahrhundert war mir nicht völlig unbekannt, und trotzdem habe ich noch einiges erfahren, das ich noch nicht wusste. Den Begriff der Gestohlenen Generation kannte ich noch nicht. Dieses Kapitel in der Geschichte Australiens ist für mich erneut sehr erschreckend.

Die Geschichte des Romans ist durchaus wichtig und auch lesenswert. Leider hat das Lektorat für mich keinen guten Job gemacht. Da hätten etwas Straffung und Ordnung geholfen, fünf Sterne zu vergeben.

Veröffentlicht am 30.07.2019

Schnörkellos

Der Fall Collini - Filmausgabe
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Fabrizio Collini tötet in einem Berliner Luxushotel einen Mann; er richtet ihn regelrecht hin. Der junge Anwalt Caspar Leinen übernimmt die Verteidigung. Nachdem der Täter schweigt, beginnt Leinen zu recherchieren ...

Fabrizio Collini tötet in einem Berliner Luxushotel einen Mann; er richtet ihn regelrecht hin. Der junge Anwalt Caspar Leinen übernimmt die Verteidigung. Nachdem der Täter schweigt, beginnt Leinen zu recherchieren und stößt auf eine Spur, die unglaublich scheint.

Völlig schnörkellos führt uns Ferdinand von Schirach durch knapp 200 Seiten. Die Sprache ist sehr nüchtern, völlig emotionslos und das passt genau zu der Geschichte. Ein Buch, das man gelesen haben sollte. Nachdem ich den Trailer gesehen habe, glaube ich, den Film sollte man sich besser schenken. Ein Buch, das mich in seinen Bann gezogen und nachdenklich zurückgelassen hat. Am Ende bin ich sprachlos, ob mancher Wahrheit über das Justizsystem und ob der Entwicklung der Geschichte. Mehr bleibt nicht zu sagen, um nichts zu spoilern.

Die 200 Seiten sind zwar recht schnell gelesen, aber sie wirken noch lange nach.

Veröffentlicht am 29.07.2019

Agatha in Höchstform

Das Böse unter der Sonne
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Hercule Poirot macht Urlaub auf einer kleinen Insel in Devon. Aber das Böse macht keinen Urlaub unter der Sonne. Als die Schauspielerin Arlena Marshall erwürgt aufgefunden wird, läuft Poirot zur Hochform ...

Hercule Poirot macht Urlaub auf einer kleinen Insel in Devon. Aber das Böse macht keinen Urlaub unter der Sonne. Als die Schauspielerin Arlena Marshall erwürgt aufgefunden wird, läuft Poirot zur Hochform auf.

Das Böse unter der Sonne ist einer meiner persönlichen Lieblinge unter all den Agatha Christie Krimis, wozu auch die sehr gelungene Verfilmung mit Peter Ustinov als Poirot beiträgt. Ein Locked-Room Mystery, wie es besser nicht sein kann. Das Charaktere sind zwar sehr einfach gehalten, um nicht zu sagen stereotyp, aber das ist bei Christie ja keine Überraschung. Wie in all ihren Romanen geht es in erster Linie um das Verbrechen und um den Tathergang; und das ist ihr hier in Perfektion gelungen. Ein Mord, der sekundengenau geplant war, der gleichzeitig mit der Zeit spielt. Als Leser verfolgt man das Geschehen, verdächtigt mal hier, mal da, aber den grauen Zellen von Poirot und seiner Schöpferin ist man nicht gewachsen. Wie so oft bei Christie entpuppt sich dann als TäterIn, den man am meisten verdächtigt hatte, aber den man mangels Gelegenheit doch ausgeschlossen hatte. Da fragt man sich nach der Auflösung, kopfschüttelnd, wie man auf so eine Ausführung eines Mordes kommen kann.

Unter allen Krimis von Agatha Christie glänzt Das Böse unter der Sonne für mich besonders hell. Der beste Fall für Hercule Poirot, der im Urlaub zu Höchstform aufläuft.

Veröffentlicht am 23.07.2019

Außergewöhnlich

Die Farm
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In einer Winternacht irgendwo in Südafrika. Eine Farm wird belagert und beschossen. Im Farmhaus verschanzt sich ein Querschnitt der Gesellschaft. Und bald kämpfen alle Beteiligten um das nackte Überleben.

Was ...

In einer Winternacht irgendwo in Südafrika. Eine Farm wird belagert und beschossen. Im Farmhaus verschanzt sich ein Querschnitt der Gesellschaft. Und bald kämpfen alle Beteiligten um das nackte Überleben.

Was liegt hier vor? Ein Thriller? Ein Krimi? Eine Gesellschaftsstudie? Ein Überblick über die Situation der Menschen in Südafrika? Alles zusammen! Auf knapp 200 Seiten gelingt Max Annas ein Überblick über ein Südafrika, das man so nicht von Postkarten und Bildbänden kennt und gleichzeitig wird man Zeuge eines Kampfes. Dem Kampf zu überleben. Sofort im Geschehen wechselt die Perspektive im Minutentakt und das über den Zeitraum von rund neun Stunden.

Das Farmhaus dient als Symbol für die Gesellschaft, die Herrenrasse vermischt mit ihren schwarzen Arbeitern. Da hat jeder seinen Platz, auch am Ende der Apartheid. Der Boss, der Waffen verteilt, aber bloß nicht an die Schwarzen. Das Hausmädchen, das selbst unter Beschuss Kaffee und Kuchen serviert. Die Tochter des Hauses, die als erste und unbedingt mit ihren Kindern in Sicherheit gebracht werden muss. Die Unfähigkeit der Polizei. Das alles in einer Sprache, die die Grausamkeit und die Brutalität hervorragend transportiert. Am Ende weiß man alles und doch nichts. Ein Thriller, der keinen klaren Gewinner auf irgendeiner Seite erkennen lässt, aber das braucht es auch gar nicht.

Am Ende gibt es nur einen Gewinner: Den Leser. Für mich zu Recht ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis, denn hier werden dem Genre wirklich neue Impulse gegeben.

Veröffentlicht am 22.07.2019

Spannend mit kleinen Abzügen

Tod im Fichtelgebirge
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Zwei Mädchen verschwinden. Junge Männer werden als vermisst gemeldet. Bei ihren Ermittlungen decken Kristina Herbich und ihr Kollege Breuer skrupellose Machenschaften auf, aber die Lösung enthüllt auch ...

Zwei Mädchen verschwinden. Junge Männer werden als vermisst gemeldet. Bei ihren Ermittlungen decken Kristina Herbich und ihr Kollege Breuer skrupellose Machenschaften auf, aber die Lösung enthüllt auch eine Tragödie.

Tod im Fichtelgebirge war mein erster Krimi von Jacqueline Lochmüller, aber mit Sicherheit nicht der letzte. Dabei hoffe ich, dass sie dem ersten Fall von Herbich und Breuer noch weitere folgen lässt. Die beiden Ermittler finden erst im Laufe der Geschichte beruflich zueinander und ich glaube, da bleibt noch viel Möglichkeit, weiterzuerzählen. Was die Autorin hier vorlegt ist mehr als solide. Durchgehend spannend und mit Personal, das mir durchweg sympathisch ist. Eine Kommissarin, die sich ihrer Pfunde zuviel durchaus bewusst ist, aber den Kampf dagegen nur halbherzig führt. Also eine Eigenschaft, die wohl jeder kennt. Die Zusammenarbeit mit ihrem Kollegen Breuer, der Vegetarier ist, verspricht daher auch noch viel Potenzial für die Zukunft. Darüber hinaus gibt es den Dackel Arno, der seinen Platz im Krimi hart erkämpft. Das hat mir sehr gut gefallen.

Natürlich gibt es auch Abzüge. Was mir nicht gefallen hat, ist die Vielfalt der Personen. Auf 255 Seiten begegnet man für meinen Geschmack zu vielen Personen.

Spoileranfang: So begegnet man einer Frau, die ein kleines Kind findet. Wenige Seiten später sind beide tot, haben aber nichts mit dem Fall zu tun. Gleichzeitig stemmen lediglich zwei Kommissare gleich drei Fälle. Da fehlt mir ein bisschen die Glaubwürdigkeit. Spoilerende.

Ansonsten gibt es nix zu meckern. Der Spannungsbogen ist gut gemacht, das Thema brisant und hochaktuell und am Ende bleibt man ob einer menschlichen Tragödie fassungslos zurück.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen rund um das Fichtelgebirge.