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Veröffentlicht am 18.06.2024

Die Frauen der Familie Valiat

Die Perserinnen
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Sanam Mahloudji erzählt in ihrem Debüt-Roman die Geschichte von fünf Frauen aus der Familie Valiat. Diese Familie ist in Persien aufgrund eines berühmten Vorfahrens sehr angesehen. 1979 fliehen die beiden ...

Sanam Mahloudji erzählt in ihrem Debüt-Roman die Geschichte von fünf Frauen aus der Familie Valiat. Diese Familie ist in Persien aufgrund eines berühmten Vorfahrens sehr angesehen. 1979 fliehen die beiden Töchter Shirin und Sima ins amerikanische Exil. Ein Ereignis beim alljährlichen Familientreffen in Aspen führt dazu, dass sich die Frauen ihrer Vergangenheit stellen müssen.

Abwechselnd erzählen die fünf Frauen ihre Geschichte bzw. ihre Sicht auf die Dinge.
Elisabeth, die Mutter und Großmutter, deren angenehmes Luxusleben durch den Sturz des Schahs völlig verändert wurde, muss sich ihren Lebenslügen stellen. Sima, ihre Tochter, ist in den USA nie heimisch geworden. Sie lebt ein anderes Leben als die amerikanischen Frauen ihrer Generation. Sie stirbt früh an Krebs und hinterlässt ihre Tochter Bita. Bita hat ihr Jurastudium abgebrochen. Sie ist in diesem Roman eher die Beobachterin, sieht die Dinge realistisch, legt die Finger in Wunden und ändert ihr Leben schließlich radikal. Shirin, ebenfalls Elisabeths Tochter, ist nach außen die erfolgreiche Unternehmerin, tritt selbstsicher und selbstbewusst auf und ist unglücklich, denn sie hat ihre Tochter Niaz bei ihrer Mutter zurückgelassen. Niaz selbst ist als sechsjähriges Mädchen einer spontanen Idee gefolgt, die unabsehbare Folgen für ihr Leben hat.
Als die attraktive, auffällig geschminkte und gekleidete Shirin in Aspen eine schlagkräftige, aber völlig unbedachte Antwort gibt, hat diese zur Folge, dass die sorgsam errichtet Fassade Risse bekommt.
Männer spielen in diesem Roman eine eher untergeordnete Rolle.

Den Schreibstil, der Roman wurde von Katharina Martl übersetzt, habe ich als anspruchsvoll empfunden. Die Autorin beschreibt das Leben im Exil, in dem sich Shirin und Sima irgendwie einzurichten versuchen. Obwohl sie offensichtlich ihren Wohlstand fortsetzen können, wirken sie in dem fremden Land sehr verloren und heimatlos. Das Leben im Exil ist ein völlig anderes als das, was sie zuvor geführt haben. Deutlich wird der Kontrast zwischen den Generationen, die in Persien aufgewachsene Shirin hat besondere Vorstellungen von den Dingen, die teilweise auch traditionell überliefert sind. Bita hingegen, in den USA aufgewachsen, ist eine junge Frau ihrer Zeit.

Sanam Mahloudji lässt ihre Protagonistinnen abwechselnd zu Wort kommen, wobei auch Sima berücksichtigt wird. Das zeigt die unterschiedliche Sichtweise der Frauen auf eine gute Weise.

Fazit: ein anspruchsvoller Roman über das Leben, die Liebe, Verluste, verlassen sein und verlassen werden und Heimatlosigkeit

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Veröffentlicht am 17.06.2024

"Beispiele künstlicher Intelligenz und Dummheit"

Die nackte Kuh
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Das Cover des nur 75 Seiten starken Büchleins von Jürgen Ehlers ist ein Hingucker, zeigt es doch Kühe wie Menschen bekleidet und macht auf diese Weise neugierig auf den Inhalt.

Jeder von uns hat mit künstlicher ...

Das Cover des nur 75 Seiten starken Büchleins von Jürgen Ehlers ist ein Hingucker, zeigt es doch Kühe wie Menschen bekleidet und macht auf diese Weise neugierig auf den Inhalt.

Jeder von uns hat mit künstlicher Intelligenz zu tun, ohne dass es ihm immer bewusst ist. Was genau also steckt dahinter? Auf eine humorvolle, aber auch tiefgründige Art zeigt Jürgen Ehlers, was möglich ist und was (noch) nicht. Mit Hilfe von ChatGPT 4 und Bing Image Creator hat er Bilder generiert, die er seinen Lesern vorstellt. Teilweise tritt er dabei sogar in einen Austausch mit der KI, z.B. beim Titelbild, bei dem die nur mit Fell bekleidete Kuh nicht die Anforderungen der KI erfüllt.

Das Buch ist an vielen Stellen sehr humorvoll, zeigt vor allem aber, das KI noch Defizite hat. Die KI nimmt die Aufträge wörtlich, so dass einige Bilder sehr humorvoll sind (z.B. die Popcorn-Farm).

Sehr deutlich werden hier die Unstimmigkeiten, die bei flüchtiger Betrachtung möglicherweise übersehen werden, die Mängel und die Unzulänglichkeiten der KI thematisiert. Jürgen Ehlers hat entsprechende Beispiele dazu erstellen lassen. Was jedoch nicht vergessen werden darf, ist, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten der Manipulation gibt. Es wird schwieriger werden, zu unterscheiden, ob etwas mit KI generiert wurde oder nicht.

Fazit: ein Buch zum Schmunzeln, aber vor allem zum Nachdenken über das, was mit KI möglich ist und werden kann.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Nicht überzeugend

Akte Nordsee - Das schweigende Dorf
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Mitten in der Nacht erhält die Anwältin Fentje Jacobsen einen Anruf mit der Bitte, ein Mandat zu übernehmen. Am nächsten Tag ist der Anrufer tot. Fentje will wissen, warum ihr Mandant sterben musste und ...

Mitten in der Nacht erhält die Anwältin Fentje Jacobsen einen Anruf mit der Bitte, ein Mandat zu übernehmen. Am nächsten Tag ist der Anrufer tot. Fentje will wissen, warum ihr Mandant sterben musste und ermittelt auf eigene Faust.

„Das schweigende Dorf“ ist der dritte Teil der Reihe um Fentje Jacobsen und dem Journalisten Niklas John. Die beiden Hauptprotagonisten sind bekannt, einige weitere Figuren ebenso. Neu hinzu kommen die Bewohner des „schweigenden Dorfes“, die überwiegend wenig sympathisch erscheinen. Den Titel passt, obwohl ja im Grunde genommen die Bewohner des Dorfes schweigen.

Der Prolog macht neugierig, denn was sucht Volker Suhr im Schutz der Nacht genau? Auch die folgenden Kapitel bauen Spannung auf, die dann jedoch nachlässt. Die Suche nach dem Täter gestaltet sich dann aufgrund der schweigenden Dorfbewohner schwierig – und natürlich gerät Fentje in Gefahr. Die Ideen für diesen Krimi gefallen mir, dazu komme ich später noch. Die Umsetzung finde ich nicht besonders gelungen, denn über weite Strecken liest der Krimi sich ziemlich langweilig. Viel Platz, zu viel in meinen Augen, nimmt das Privatleben von Fentje ein, darunter auch die Gefühle, die sie für Niklas hegt und umgekehrt. Leider kann ich das Verhalten der beiden nicht nachvollziehen, ein Gespräch würde hier helfen. Das Hin und Her passt vielleicht zu einem Liebesroman, hier finde ich es nicht angebracht.

Sehr gut gelungen ist der Autorin die Beschreibung der Dorfbewohner. Sie sind eine Gemeinschaft, die fest zusammensteht, Außenstehende können sich nur sehr schwer integrieren.
Zwei wichtige Themen, Gewalt an Frauen und Mobbing unter Jugendlichen werden angesprochen, meiner Meinung nach nicht konsequent verfolgt. Eine junge Frau nimmt sich das Leben, eine weitere verschwindet – und die Bewohner gehen zur Tagesordnung über. Beim Mobbing wird ein Lösungsvorschlag ausgearbeitet, es bleibt unklar, ob er erfolgreich umgesetzt werden kann. Hier hoffe ich auf den nächsten Band.

Fazit: insgesamt überzeugt mich diese Reihe nicht, zu viel Privatleben, zu wenig Spannung

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Leseempfehlung

Windstärke 17
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Ida verlässt mit wenigen Habseligkeiten ihr Zuhause. Ihre Schwester Tilda wünscht sich, dass Ida zu ihr und ihrer Familie nach Hamburg kommt. Das jedoch möchte Ida auf keinen Fall und fährt nach Rügen. ...

Ida verlässt mit wenigen Habseligkeiten ihr Zuhause. Ihre Schwester Tilda wünscht sich, dass Ida zu ihr und ihrer Familie nach Hamburg kommt. Das jedoch möchte Ida auf keinen Fall und fährt nach Rügen. Sie trifft Knut und Marianne, die sie bei sich aufnehmen. Sie lernt Leif kennen. Ihr Leben wird etwas leichter, bis etwas passiert, mit dem sie nicht gerechnet hat.

Ich gestehe, ich habe Caroline Wahls Debütromann „22 Bahnen“ (noch) nicht gelesen und war sehr gespannt auf diesen Roman.

Caroline Wahl schreibt einen eher ungewöhnlichen Stil, der mir ausgezeichnet gefällt. Insbesondere die Idee, zunächst einen Gedanken zu denken, bevor er ausgesprochen wird, ist sehr reizvoll. Der Autorin gelingt es hervorragend, Idas Gefühlsleben zu vermitteln. Ihre Verlorenheit, ihre Einsamkeit, ihre Schuldgefühle werden nicht wörtlich beschrieben, aber sehr gut greifbar durch ihr Handeln. In Marianne findet sie eine mütterliche Freundin, die ihr zuhört und sie versteht und ihr mit liebevollen kleinen Gesten das Gefühl vermittelt, angenommen zu sein.


Das Cover ist sehr aussagekräftig und der Titel ausgezeichnet gewählt.

Fazit: für mich ein Highlight, eine absolute Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Vier Novellen - eine Gemeinsamkeit

Das Novellen-Quartett
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Rüdiger Marmulla vereint in dieser Sammlung vier Novellen mit unterschiedlichen Themen.

In „Westwärts leuchten die Sterne“ erzählt der Autor die Geschichte eines jungen Mannes, der sich im Zweiten Weltkrieg ...

Rüdiger Marmulla vereint in dieser Sammlung vier Novellen mit unterschiedlichen Themen.

In „Westwärts leuchten die Sterne“ erzählt der Autor die Geschichte eines jungen Mannes, der sich im Zweiten Weltkrieg von drei Sternen leiten ließ, die ihn zu seiner großen Liebe führten. Sie führt die Schrecken des Krieges vor Auge, gibt aber auch Hoffnung, denn die Liebe zu Maria gab Willi die Kraft, zu überleben.

„harmonia mundi“ berichtet von der fiktiven Begegnung zwischen Johannes Kepler und dem Steinmetz Caspar, die in diesem, aber auch im Leser den Sternenhimmel, die Mathematik und Physik nahebringen möchte. Das Besondere hier sind die schlicht gehaltenen Illustrationen, die das Geschriebene verständlich machen.

„Mit den Augen der Odile“ hat Rüdiger Marmulla für seine Tochter geschrieben, eine Geschichte, die von einem tiefem Glauben zeugt.

Und schließlich trifft in „Rückkehr nach Regensburg“ ein Mann bei einem Besuch seiner Heimatstadt seine Jugendliebe wieder. Diese Geschichte ist Auftakt zu weiteren Erzählungen um Richard und Dana.

Rüdiger Marmulla schreibt seine Novellen schnörkellos in meist kurzen und klaren Sätzen, die gut zu lesen sind. Die Protagonisten sind lebendig beschrieben. Allen vier Erzählungen ist gemeinsam, dass sie einladen, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen. Bei den beiden Geschichten, die von Odile und Kepler handeln, scheint dies selbstverständlich, aber auch bei den beiden aktuellen Novellen wird der Glaube der Protagonisten sehr deutlich.

Fazit: vier wunderbare Novellen – eine Leseempfehlung

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