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Veröffentlicht am 02.12.2024

Phyllida Brights dritter Fall oder "Wie man mit Hilfe des Vac-Tric(k)s Täter entlarvt"

Der Krimidinnermord
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Mit dem Roman „Der Krimidinnermord“ legt Colleen Cambridge nach „Die Dreitagemordgesellschaft“ und „Der Cocktailmörderclub“ den bereits dritten Band ihrer Serie um die Hobbyermittlerin Phyllida Bright ...

Mit dem Roman „Der Krimidinnermord“ legt Colleen Cambridge nach „Die Dreitagemordgesellschaft“ und „Der Cocktailmörderclub“ den bereits dritten Band ihrer Serie um die Hobbyermittlerin Phyllida Bright vor. Letztere ist nicht nur eine Meisterdetektivin im Lösen von Kriminalfällen, sondern auch die äußerst gewissenhafte Haushälterin auf Mallowan Hall - dem Anwesen der ‚Queen of Crime‘ Agatha Christie - wo sie penibel für Ordnung sorgt. Dabei gerät sie immer wieder in humorvolle und teils hitzige Auseinandersetzungen mit dem Butler Mr. Dobble sowie dem Chauffeur Bradford und dessen Hündin Myrtle. Im aktuellen Band gesellen sich zudem weitere Konkurrenten dazu, die um die Gunst von Mrs. Bright buhlen.
Wie in den vorherigen Bänden ist auch der Plot von „Der Krimidinnermord“ gleichermaßen drollig, spannend und hochinteressant. Alles beginnt mit einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Küchenmädchen Molly und Hausmädchen Ginny, zwei von Phyllida Brights Lieblingsangestellten, bei der die beiden auf eine ungeschickte, aber niedliche Weise Tropfspuren und Aschewölkchen hinterlassen – zum Leidwesen der Haushälterin, die diese sowohl auf dem Teppich als auch in ihren Haaren wiederfindet. Natürlich hat Mr. Dobble hierbei seine Finger im Spiel.
Im Anschluss an eine Einladung der neuen Nachbarn, die mit dem sybillinischen Motto ‚Heute Abend wird in Beecham House ein Mord geschehen‘ locken, geht es dann nach einem Telefonat mit Agatha Christie – die derzeit mit ihrem Mann in London weilt - direkt in die Nachbarschaft von Mallowan Hall zum „Krimidinnermord“. Doch statt eines echten Mordes handelt es sich lediglich um ein Rollenspiel, bei dem der Gastgeber mit Begeisterung den ‚Ermordeten‘ mimt. Doch ehe sich der Leser und der Hausherr Wokesley versehen, ist der Gastgeber tatsächlich tot – erstochen mit einem spitzen Dolch. Anfänglich noch etwas gelangweilt von dem inszenierten Mord, wird der Tod des reichen Industriellen für Phyllida Bright nun der perfekte Einstieg in ihren neuen Fall. Eine Vielzahl an rätselhaften Personen kommt als Täter in Frage, und jede von ihnen hat ein überzeugendes Motiv.

Wie es typisch für das Cosy-Crime-Genre ist, versteht es die Autorin auch hier glänzend, die Protagonisten des Plots intensiv und charakterstark zu zeichnen – gepaart mit hervorragend dosiertem, ironischem Humor. Mit ihrem lockeren, leichten und dennoch ausdrucksstarken Schreibstil gelingt es Colleen Cambridge die jeweilige Kulisse stets lebendig vor den Augen der Leser*innen zu entwerfen und sie unmittelbar ins Geschehen hinein zu ziehen. Der Spannungsbogen bleibt kontinuierlich erhalten und das Buch entwickelt sich zu einem flotten Pageturner, welcher in einem rasanten, vielleicht etwas zu actionreichen Showdown gipfelt.
Trotz der gelungenen Kombination von Spannung und Humor bleibt der Wunsch zum ausgiebigen Miträtseln zumindest phasenweise unerfüllt. An einigen kriminalistischen Stellen wirkt die Story zudem etwas zu konstruiert. Dies steht im Gegensatz zu den beiden Vorgängerbänden, in denen sowohl das Mitraten, als auch Phyllidas brillanter Ermittler- und Kombinationsgabe einen entscheidenden Teil des Lesevergnügens ausmachten. Hier konnte man jederzeit mit falschen Fährten und unerwarteten Wendungen rechnen. In „Der Krimidinnermord“ jedoch scheint unsere Hobbyermittlerin wiedeholt etwas unaufmerksam und übersieht Details, die der Leserschaft sofort ins Auge springen. Manche Passagen wirken zudem eine Spur zu vorhersehbar, sodass das „Cosy“ an einigen Stellen das „Crime“ zu dominieren scheint.

Dessen ungeachtet weiß der „Krimidinnermord“ insbesondere auf der atmosphärischen Ebene mehr als nur zu überzeugen: Alle handelnden Personen besitzen ausreichend viel Tiefe sowie authentische Verstrickungen untereinander. Auch das Lokalkolorit wird wunderbar eingefangen. Darüber hinaus erfahren wir im aktuellen Band etwas mehr über Gefühle, Hintergründe und die Vergangenheit einiger Protagonisten, und es bleibt spannend, wie sich diese Entwicklungen in den kommenden Bänden in Bezug auf Beziehungen und Romantik aber auch Enttäuschungen entfalten werden. Zudem gibt es erste Andeutungen zu Phyllida Brights eigener Vergangenheit, die Potenzial für weitere Enthüllungen in Band 4 bietet. Kulisse, Lebensstil und -kultur der 1930‘er werden historisch korrekt wiedergegeben und und wir dürfen humorvoll erleben, wie die Menschen dieser Zeit ihre ersten Bekanntschaften mit modernen Geräten wie dem neuen Vac-Tric Staubsauger machten.

Das Cover, das vorwiegend in den Farben Rot, Blau und Schwarz mit weißen Schriftzügen gehalten ist, folgt dem Stil der Vorgängerbände und trägt so zu einem hohen Wiedererkennungswert bei. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass es – wie schon bei den beiden vorigen Bänden – bei genauerem Hinsehen einiges über den Täter verraten könnte. Dies wurde im englischen Original deutlich besser gelöst.

Fazit: Insgesamt ist „Der Krimidinnermord“ ein weiterer gelungener Band in Colleen Cambridges Cosy-Crime-Serie um Phyllida Bright, in dem Spannung, Humor, Atmosphäre sowie Lokalkolorit auf ausgewogene Weise miteinander verknüpft werden und der im Rahmen des Genres in jeglicher Hinsicht zu gefallen weiß. Lediglich der Wunsch zum ausgiebigen Miträtseln bei den Ermittlungen kommt etwas zu kurz. Obwohl „Der Krimidinnermord“ völlig unabhängig von den beiden Vorgängerbänden gelesen werden kann, ist es für Leser, die bereits Band 1 und 2 kennen, besonders erfreulich, vertraute Figuren wiederzutreffen. Für Fans der Phyllida Bright Reihe ist dieser Band ein absolutes Muss, und auch Anhänger von Agatha Christies Serien rund um Miss Marple und Hercule Poirot finden hier eine erfrischend neue und empfehlenswerte Alternative. Der vierte Band „Murder Takes the Stage (A Phyllida Bright Mystery Book 4)“ ist im englischen Original bereits seit Oktober 2024 erhältlich, und wir dürfen der deutschen Übersetzung im kommenden Jahr entgegen fiebern. Persönlich freue ich mich bereits jetzt schon sehr darauf ihn dann lesen und genießen zu dürfen.

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Temporeicher Wissenschaftsthriller über globale Erderwärmung, Permafrost, Kipppunkte, Anthrax ... und Backpulver

Toxin
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Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, ...

Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, welches wiederum mit der auffallenden Kombination aus Neon-Gelb-Grün und Schwarz aufwartet, sorgt für einen extrem hohen Wiedererkennungswert und ist stimmig zum Titel gewählt. Einmal mehr verbinden die beiden Autorinnen, wie schon beim Vorgängerband, auf grandiose Art und Weise mit ihrem wunderbar mitreißenden Schreibstil atemberaubenden Thrill und geladene Action mit wissenschaftlich fundierten und hervorragend recherchierten Fakten, die das aktuelle Zeitgeschehen intensiv aufgreifen.

„Toxin“ beginnt mit zwei zunächst recht sibyllinischen Zitaten von einerseits Miguel de Cervantes und andererseits einer Wortneuschöpfung der Inuit, deren Zusammenhang zum Geschehen sich dem Leser erst im Laufe das Buches in voller Tragweite erschließt. Ging es in „Probe 12“ noch um Phagen, beschäftigt sich „Toxin “ politisch wiederum hoch aktuell, mit Kipppunkten in der allseits diskutierten Klimaproblematik und mit der globalen Erderwärmung.

Wie wird diese Ausgangsbasis nun also in den Plot eines atemberaubenden Wissenschaftsthrillers gepackt? - In einer Rückblende um 10 Jahre wird dem Leser ein Vorfall im Arctic Village in Nordalaska geschildert, bei dem, bedingt durch die Erderwärmung, Teile des lokalen Permafrost auftauen, was schließlich einen Hangabrutsch größeren Ausmaßes bewirkt. Hierdurch kommen die Gebeine von Rentieren zum Vorschein, die wiederum gefährliche Milzbranderreger (Bacillus anthracis - kurz Anthrax) freisetzen, an denen mehrere Menschen versterben. Bei einem Zeitsprung ins „Heute“ lernen wir Gereon Kirchner kennen, der im Rahmen des vor Jahrzehnten ins Leben gerufenen Permafrosttunnel-Projekts in Alaska Proben solcher Milzbrandbakterien nehmen und aus ihnen zusammen mit seinem Geschäftspartner Mike Reed und seiner Mitarbeiterin Airi Young ein Mittel gegen Krebs herstellen möchte. In eben jenem Tunnel findet er überraschender Weise hochbrennbares Aluminiumpulver und trifft urplötzlich auf eine ihm bekannte Person.
„Klappe und Cut!“ - Wie immer bei Kathrin Lange und Susanne Thiele wird in den jeweiligen Kapiteln nie zu viel verraten, wodurch das Spannungslevel immer hoch gehalten wird, die konsequenten Cliffhanger mit anschließendem Szenenwechsel am Ende jedes Abschnitts und die Vielzahl von parallelen Handlungssträngen tun ihr Übriges hierzu. In einem dieser Stränge erfahren wir dann im weiteren Verlauf, dass Gereon Kirchner der aktuelle Lebenspartner von Nina Falkenberg ist, also der Heldin und Hauptprotagonistin aus „Probe 12“. Von Berlin aus, welches erst vor kurzem aufgrund der viel zu hohen Temperaturen und starken Regenfällen überflutet war, kann sie Gereon seit Tagen nicht erreichen. Darüber hinaus wirft die Presse die Frage auf, ob Gereon mit seiner Nutzbarmachung der Milzbranderreger für die Krebsforschung am ungeklärten Tod von Berliner Obdachlosen schuld sein könnte. Zusätzliche Spannung verspricht ein weiterer Handlungsstrang in welchem Nina Tom Morell, einen weiteren guten Bekannten und Helden aus dem Vorgängerband, bittet nach Alaska zu reisen und mehr über den vermissten Gereon herauszufinden. Dort angekommen, wird die Leiche einer Frau gefunden, in deren Tod möglicherweise Gereon involviert ist. Ferner wird von Klimaaktivisten und einflussreichen Gegenorganisationen, geschmierten Lobbyisten, großartigen Ermittlerteams und potentiellen Revolverhelden mit einer gemeinsamen Vegangenheit im Arctic Village die Rede sein – sowohl im fernen Alaska, als auch auch im hiesigen Berlin ist demzufolge permanent für Hochspannung gesorgt.

Viele offene Fragen werden somit bereits im ersten Drittel des Buches eindrucksvoll motiviert und so ganz nebenbei ein detailliertes wissenschaftliches Hintergrundwissen vermittelt. Im zweiten Drittel werden die zahlreichen Handlungsstränge dann spannungsgeladen weiterentwickelt und geschickt verknüpft und schließlich allesamt im letzten Drittel grandios und schlüssig miteinander verwoben und zusammengeführt ohne zu irgendeinem Zeitpunkt den roten Faden zu verlieren. Obwohl für den ein oder anderen Leser die klimapolitischen Aspekte des ersten Buchdrittels in ihrer Fülle vielleicht ein wenig zu sehr mahnend in den Vordergrund geraten mögen und hier und da auch ein paar kleinere Klischees bedient werden, ist es großartig, wie man als Leser Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen aus verschiedenen Perspektiven unmittelbar in die Ermittlungsarbeit auf beiden Seiten des großen Teichs eingebunden wird und der Wahrheit sukzessive immer näher kommt. Stets kann man sich sehr gut nicht nur in die Handlung, sondern auch in die jeweiligen Gefühlswelten der Hauptcharaktere, die treffend und facettenreich gezeichnet wurden, hinein versetzen. „Toxin“ ist somit ein faszinierender Pageturner mit einer rasanten Handlung und durchaus realem Narrativ, bei dem ein gründliches Nachwort ein überzeugendes Buch abrundet und dem Leser nochmals ungemein hilft, das gesamte Geschehen in jeglicher Hinsicht richtig einzuordnen.

Fazit: Genau wie sein Vorgänger ist „Toxin“ ein großartiger Wissenschaftsthriller, erfrischend und spannend vom Anfang bis zum Ende. Politisch aktuell und wissenschaftlich fundiert, korrekt und informativ, nimmt der Roman spätestens im zweiten Drittel hinsichtlich Action und Dynamik in der Handlung deutlich Fahrt auf, was sich schließlich zu einem atemberaubenden und schwindelerregenden Tempo entwickelt und in einem überaus beeindruckenden Showdown kulminiert. Kaum eine der 464 Seiten des Buches, auf denen sich nicht neue Konstellationen und für den Leser neue Blickwinkel ergeben, die durch die ständigen Cliffhanger und Szenenwechsel die Spannung ins Unermessliche steigern. Oftmals stellt sich genau dann, wenn man glaubt, die Lösung bereits unmittelbar vor Augen zu haben, heraus, dass man komplett falsch lag. Obwohl „Toxin“ völlig unabhängig von „Probe 12“ gelesen werden kann, ist es für diejenigen Leser, die beide Bände kennen, überaus gefällig, vertraute Bekannte treffen zu dürfen. Das auf mehreren Ebenen offene Ende deutet auf ein Fortsetzung hin, dann hoffentlich wiederum mit Nina und Tom als Protagonisten und viel Wissenschaft und Action eingewoben in eine schlüssige Rahmenhandlung. „Toxin“ hat mich von Beginn an abgeholt und auf eine spannende und fesselnde Reise nach Berlin und ins ferne Alaska mitgenommen. Bereits jetzt fiebere ich erwartungsvoll einem Folgeband entgegen.

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Veröffentlicht am 06.03.2023

Testamentsvollstreckung mit Folgen – Ein großartig humorvoller Urlaub auf Rügen

Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede
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"Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" von Sandra Poppe ist nach "Liebe beginnt, wo Pläne enden" bereits der zweite Roman der Autorin beim Lübbe Verlag und ist dem Titel entsprechend am ehesten ...

"Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" von Sandra Poppe ist nach "Liebe beginnt, wo Pläne enden" bereits der zweite Roman der Autorin beim Lübbe Verlag und ist dem Titel entsprechend am ehesten dem Genre des Liebesromans zuzuordnen. Allerdings bietet das Buch weit mehr als eine einfache Liebesgeschichte oder gar einen seichten Plot ohne Botschaft oder jedweden Tiefgang: Jede(r), der/die in seinem/ihrem Leben bereits einmal in den Genuss eines Campingsurlaubs kam oder zu Hause einen oder mehrere Teenager bei Laune zu halten hatte oder auf Partnersuche war, wird viele der fiktiven Charaktere und Gegebenheiten mit all seinen Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, mühelos aus dem eigenen Leben wiedererkennen. Fast schon im Stile des großartigen Vicco von Bülow - alias Loriot - beobachtet Sandra Poppe Menschen in ihrer Umwelt bei alltäglichen Situationen und gibt das Geschehen in einer satirisch, leicht überzeichneten Weise wieder, sodass dem Leser beim Studium der Lektüre permanent ein Schmunzeln bis hin zu einem lauten Lachen ins Gesicht gezaubert wird. Lustig und äußerst unterhaltsam wird hier eine wirklich interessante Geschichte erzählt ohne dabei jemals den Fluss zu verlieren oder auch nur entfernt Langeweile aufkeimen zu lassen – einmal angefangen zu lesen, gibt es für den Leser keine Chance mehr der Handlung zu entrinnen, zu sehr wird man humorvoll und emotional mitgerissen. Es ist übrigens kein typischer Frauenroman (oder das, was man sich als Mann darunter vorstellt) und auch als Mann sollte man zumindest einen Blick in das Buch werfen – wem humorvolle, geistreich gewitze Literatur gefällt, wird sehr wahrscheinlich auch von diesem Werk begeistert sein.

Alles beginnt mit der Testamentsvollstreckung von Tante Liesbeth - Gott habe sie selig!, sie ist zumindest im Kopf von Hauptprotagonistin Evi eine der großartigsten Untoten aller Zeiten - und die Tante hat sich da für ihre Hinterbliebenen in der Tat so einiges einfallen lassen: Singstunden plus Auftritt für Evis Schwester Isabell, einen Halbmarathon für Evis Vater und Camping für die alleinerziehende Evi zusammen mit ihrer 14-jährigen Tochter Helena … sonst, ja sonst, wird es bei Verweigerung von Liesbeths Wünschen eben kein Erbe geben. Ergo wird zum Zelten auf Rügen aufgebrochen, was Evi, die aufgrund der Trennung von Fast-Ex-Ehemann Claas leider noch ein bisschen zu viel unter Selbstzweifeln leidet und sich komplett in Arbeit gestürzt hatte, vor nahezu unlösbare Probleme stellt: Wie soll man sich denn entspannen, wenn man sich nebst Ameisenüberfällen, ständig um einen pubertierenden Teenager kümmern muss, deren Hormone, für dieses Alter typisch, zwischen Surflehrer und Stofftier noch ein wenig hin- und hergerissen sind, die Firma in der Heimat am Laufen halten soll, mit dem möglicherweise alleinerziehenden Zeltnachbarn flirten möchte oder beim nahegelegenen Waschhaus, namentlich der einzige Ort, wo es Strom gibt, während des Geschirrspülens den Geräuschen der Nachbarn beim Toilettengang lauschen kann (und umgekehrt), mal abgesehen davon, dass das Personal vor Ort auf den ersten Blick nicht gerade freundlich und hilfsbereit zu sein scheint und beim Bedanken meist nur ein „Da nicht für!“ entgegnet, der Gaskocher seinen Dienst nicht erfüllt sowie die Einkaufsmöglichkeiten und die Mobilität trotz Mietfahrrad sehr eingeschränkt sind. Auch mangelt es nicht an einer Chakra-Truppe, die einem für‘s (erfolglose) Meditieren bis hin zur Geisterbeschwörung vereinnahmen möchte, oder lokal Niedergelassenen, die uns Floskeln wie „Is’ Meer, was? Wird besser. Wird schlechter.“ um die Ohren hauen sowie Betrunkenen, die mal so eben im Vorzelt übernachten möchten. Und so wandert der/die Leser:in zusammen mit Evi humorvoll von einem überraschenden Abenteuer zum nächsten. Auch an Verehrern mangelt es der Protagonistin keineswegs, aber ob und mit welchen der Verehrer sie schließlich zusammen kommt, sollte jeder Leser für sich selbst in Erfahrung bringen.

Mit ihrem großartigem, für jeder-Mann lesbaren, unkomplizierten und sehr humorvollen Schreibstil nimmt Sandra Poppe ihre Leser auf eine tolle Erkundungsreise nach Rügen mit. Dabei lernen wir nicht nur die Sehenswürdigkeiten Rügens, sondern vor allem auch das Leben auf einem Zeltplatz in seiner ganzen prachtvollen Palette kennen. Der gesamte Roman ist dabei angefangen vom Titel "Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede", der gleichermaßen genau soviel Ironie wie Wahrheit in sich birgt, über das poppige Cover bis hin zum Epilog und zur abschließenden Packliste in sich stimmig und schlichtweg mitreißend. Obwohl die Autorin alles aus Sicht der Protagonistin Evi schildert, gelingt ihr eindrucksvoll und geschickt, den Leser so in den Bann des Geschehens zu ziehen, dass er das Gefühl hat, vor Ort alles selbst miterleben zu dürfen. Alle Figuren des Romans sind dabei sehr liebevoll, einfühlsam, authentisch und ihrer Rolle entsprechend so charakteristisch gezeichnet, dass jeder Leser vermutlich sein ganz eigenes Bild der jeweiligen Personen vor Augen hat und glaubt diese seit Tagen und Wochen bereits zu kennen. Selten habe ich mich bei einem Roman so gut amüsiert und unterhalten gefühlt.

Fazit: "Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" ist ein wunderbarer Roman für alle, die gleichsam der Protagonistin Evi, einfach mal abschalten und das Leben von seiner lustigen Seite aus genießen möchten. Sandra Poppe hat hier ein tolles Buch vorgelegt, bei dem es auch, aber keineswegs nur um Liebe geht. Im Vordergrund werden vielmehr alltägliche Schwierigkeiten, die jeder Leser auf die eine oder andere Weise von sich selbst ebenso kennt, mit viel Humor und Ironie präsentiert. Nichtsdestotrotz hat das Buch Tiefgang genug, um die Eltern-Teenager-Problematik genauso wie die Fragen, die einem bei der Partnersuche in den Sinn kommen, gründlich zu beleuchten und bietet ferner durchaus die Möglichkeit eigenes Verbesserungspotenzial im Umgang mit seinen Mitmenschen zu bedenken. Als Leser bin ich stets mittendrin im Geschehen und sehr gerne reise ich in einem der nächsten Romane Sandra Poppes zusammen mit Protagonistin Evi wieder nach Rügen, um mir Sätze wie „Is’ Meer, was?“ oder „Da nicht für!“ anzuhören, die mir wie all die liebevoll gezeichneten Charaktere des Romans, mittlerweile sehr ans Herz gewachsen sind.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Free Willy (Ruf der Freiheit) – Schicksalsjahre eines Prinzen

Blüte der Zeit
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Viele kennen sich ganz ausgezeichnet mit der Deutschen, Französischen oder Englischen Geschichte aus, deutlich weniger hingegen mit derjenigen unseres Niederländischen Nachbarn. Aber genau um diese geht ...

Viele kennen sich ganz ausgezeichnet mit der Deutschen, Französischen oder Englischen Geschichte aus, deutlich weniger hingegen mit derjenigen unseres Niederländischen Nachbarn. Aber genau um diese geht es im jüngsten Werk von Sabine Weiß: Mit einer Strophe aus „Oranje may-lied“ von Joost van den Vondel startet ihr neues Buch „Blüte der Zeit“ und bereits das beeindruckende und wunderbare Cover mit dem Brandenburgischen Adler im Zentrum zeigt, dass es sich dabei um den Abschluss ihrer fulminanten, als Trilogie angekündigten Holland-Serie handelt, die einst mit der grandiosen „Krone der Welt“ begann und mit „Gold und Ehre“ fortgesetzt wurde.

Schon auf den ersten Seiten stellt Sabine Weiß einmal mehr unter Beweis, dass die studierte Germanistin und Historikerin nicht nur eine erfolgreiche Krimi-Autorin, sondern auch im Genre der Historischen Romane fest verankert ist und die Niederländische Geschichte spannend und mitreißend darzustellen vermag. Ein umfangreiches Personenverzeichnis zeigt uns ferner, dass wir es wie gewohnt mit vielen Protagonisten zu tun haben, darunter eine erhebliche Anzahl an historischen Persönlichkeiten.
Die Handlung beginnt mit einem spannenden Prolog im Jahre 1667 bei einer Keilerjagd, an welcher der fiktive Paulus, Hans Willem Bentinck und der gesundheitlich angeschlagene und politisch nahezu entmachtete Prinz Wilhelm III. von Oranien beteiligt sind. Paulus wie auch Bentinck sind gute Freunde Wilhelms und buhlen mit unterschiedlichen Themen um die Position des besten Freundes und des engsten Beraters. Noch führt Johann de Witt in der Monarchie-freien Epoche der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande die Staatsgeschäfte, doch dies wird sich schon bald durch den Überfall auf die Niederlande von einer Koalition der Königreiche England und Frankreich - maßgeblich durch den französischen Sonnenkönig Ludwig XIV., der eine Vormachtstellung gegenüber den spanischen und österreichischen Habsburgern erzielen wollte - ändern und Wilhelm III. wird nach dem grausamen Mord an den Gebrüdern de Witt der entscheidende Regent in Holland. In allergrößter Not und Bedrängnis lässt der im Buch recht ambivalente Wilhelm die Deiche und Schleusen öffnen, wodurch der französische Vormarsch erst einmal gestoppt wird, das Land aber auch in größeren Regionen geflutet wird und für viele Holländer eine Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann.
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir am Beispiel des jungen Landschaftsgärtners Max, dessen Vater bei dem französischen Angriff umkam und der dann mit seiner Mutter Debora und seinem Bruder Floris fliehen musste, das Leben und Schicksal der einfachen holländischen Bevölkerung kennen. Max ist mit Leib und Seele Landschaftsgärtner und Botaniker wie sein Vater und kennt sich bestens mit der gesamten Pflanzenwelt aus. Da die Mutter nach dem Tod des Vaters und durch die Flucht körperlich und seelisch sehr gelitten hat, kommt in erster Linie Max die Rolle zu, die Familie versorgen zu müssen. Die drei fliehen nach Brandenburg-Preußen zu Deboras Schwester Hester, wo wir auf einer dritten Handlungsebene die eher bürgerlichen Familien Schöppen und Huffretter kennenlernen, die in Cölln im Handel bzw. als Apotheker etabliert sind. Während Max und seine Familie bei den Schöppens zunächst erst einmal nicht gerade willkommen sind, lernen wir durch die Huffretters das Umfeld von Kurfürst Friedrich Wilhelm näher kennen, der nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges alles daran setzt, sein Land wieder aufzubauen und nach Versailler Vorbild mit Prunkschlössern, Lustgärten und Parkanlagen schmücken möchte. Auf dieser Basis wird dem Leser die gesamte Palette des Lebens in der damaligen Zeit und seines Kontrasts zwischen Adel, Bürgertum und normalem Volk vor Augen geführt und man darf zusammen mit den Protagonisten alle Höhen und Tiefen durchwandern: Flucht, Verlust, Armut, bis hin zur großen Liebe und Reichtum – von allem wird uns etwas geboten.

Was bei „Blüte der Zeit“ – ebenso wie bei seinen beiden Vorgängern - einmal mehr besticht, ist, dass das Historische dem Leser sehr ausführlich näher gebracht wird und so umfangreich gestaltet ist, dass es auch dem Geschichtskenner und -fan zu keinem Zeitpunkt langweilig wird. Der Schreibstil ist dabei leicht zugänglich und flüssig und es gelingt der Autorin über den gesamten, hervorragend recherchierten Roman hinweg Tempo und Spannung so hoch zu halten, dass man das Buch am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte. Wunderbar wird man in der Person des fiktiven Paulus im Umfeld von Prinz Wilhelm III., Hans Willem Bentinck, Charles II. und des Herzog von Monmouth immer am Puls der realen niederländischen und englischen Geschichte gehalten und fast schon spielerisch wird man an die bedeutenden Persönlichkeiten jener Epoche auch in Brandenburg-Preußen heran geführt – Vorkenntnisse in der niederländischen und preußischen Geschichte mögen hierbei indes von Vorteil sein und den Lesegenuss durchaus noch steigern. Aber auch die emotionale Komponente kommt in persona von charakterstarken und facettenreichen Protagonisten wie Jerun, Georg, Annabelle, Elvina und Rosa und widersprüchlichen wie beispielsweise Dittrich Impen und seiner Frau beim Leser zu keinem Zeitpunkt zu kurz. Hierdurch gewinnt der Leser von der ersten Zeile des Prologs bis zur letzten im begeisternden Showdown das Gefühl intensiv und unmittelbar in die Handlung integriert zu sein und an keiner Stelle läuft der Plot hierbei Gefahr langatmig, undurchdacht oder unschlüssig zu wirken. Gekonnt werden die drei unterschiedlichen Handlungsstränge im Verlauf des Romans immer stärker miteinander verwoben und in weiten Teilen final auch zusammengeführt. Einziger Kritikpunkt mag jedoch sein, dass das Buch im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern mit 560 Seiten merklich kürzer ausfällt und die Zeitsprünge gegen Ende des Buches auch ein wenig größer geraten. Obwohl die historische Komponente bis hin zur Krönung Wilhelms zusammen mit seiner Gattin Mary II. Stuart zum Königspaar von England, Schottland und Irland im Jahre 1688 und der Glorious Revolution vollständig ist, mag bei manch einem Leser der Eindruck entstehen, dass die fiktive Geschichte seiner Protagonisten insbesondere um den Personenkreis in Cölln als nicht komplett zu Ende erzählt erscheint. Ein Glossar am Ende des Buches zusammen mit den Anmerkungen im Nachwort, die das Geschehen im Buch gut einordnen und die Absichten der Autorin verdeutlichen, runden einen rundum tollen Historischen Roman ab, der problemlos auch unabhängig von den anderen Bänden der Trilogie gelesen werden kann.

Fazit: Einmal mehr gelingt es Sabine Weiß durch ihren spannenden und bildhaften Schreibstil den Leser mitzureißen und auf eine großartige und abwechslungsreiche Reise ins 17. Jahrhundert der Niederlande, Englands sowie Brandenburgs mitzunehmen. Wer ihre Historischen Romane kennt, weiß, dass sie in „Blüte der Zeit“ nicht nur die Gartenarchitektur und den Landschaftsbau intensiv erkundet und alle historisch relevanten Orte selbst aufgesucht hat, sondern dem Leser vor allem auch sehr präzise den geschichtlichen Hintergrund zum Holländischen Krieg und zur Situation Brandenburg-Preußens in dieser Epoche vermittelt. Auch im Abschlussband ihrer Holland-Trilogie gelingt es der Autorin akribisch recherchierte Historie mit emotionaler Fiktion zu einem grandiosen Buch zu kombinieren und Geschichte lebendig werden zu lassen. Freunden des Historischen Romans und jedem, der an der niederländischen Geschichte und Kultur interessiert ist, kann „Blüte der Zeit“ nur ans Herz gelegt werden. Manch ein Leser dürfte durch ihre detaillierten Beschreibungen zum Aufsuchen der monumentalen Bauten und Barockgärten inspiriert werden. Wir dürfen gespannt sein, welche Thematik sich nun Sabine Weiß als nächstes vornehmen wird und wir in Form eines weiteren wunderbaren und bewegenden Werkes genießen dürfen.

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Veröffentlicht am 21.11.2022

Ein authentisches Erlebnis, bei dem der Leser an der normannischen Eroberung Englands teilnimmt

Der eiserne Herzog
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Im Herbst fallen bekanntermaßen die Blätter von den Bäumen und draußen wird es deutlich kälter – genau die richtige Zeit es sich zu Hause mit einem guten Buch in der Hand gemütlich zu machen. Glücklicherweise ...

Im Herbst fallen bekanntermaßen die Blätter von den Bäumen und draußen wird es deutlich kälter – genau die richtige Zeit es sich zu Hause mit einem guten Buch in der Hand gemütlich zu machen. Glücklicherweise ist auch die Jahreszeit in der viele der Verlage die Historischen Romane ihrer großen Autoren dieses Metiers auf den Markt bringen. Eine der festen Größen in diesem Genre ist ganz ohne Zweifel Ulf Schiewe. Beginnend mit seinem Erstlingsroman „Der Bastard von Tolosa“ im Jahre 2009 begeistert er seit vielen Jahren seine Leserschaft mit mitreißenden Büchern über Kreuzzüge, seiner Normannen-Saga oder der Reihe zu den „Herrscher des Nordens“ sowie vielen Einzeltiteln u.a. auch zur Deutschen Geschichte. Sein jüngstes und mittlerweile 16. Werk „Der eiserne Herzog“ widmet sich dominant dem Normannen Wilhelm dem Eroberer und seinem großen Widersacher auf der Insel, Harold Godwinson, und deren Kampf um die angel-sächsische Krone nach dem Tode des frommen Edward, dem Bekenner. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die kinderlose Ehe zwischen Edward und seiner Frau Edythe aufgrund derer er seinen normannischen Neffen Wilhelm zu seinem Nachfolger als König Englands bestimmt. Durch einen Trick besteigt aber Harold den Königsthron. Wilhelm, der sich damit nicht abfindet, wird schließlich mit seinem Heer von der Normandie nach England übersetzen und bei der Schlacht bei Hastings Harold besiegen, was letztendlich zum vermutlich bedeutendsten Ereignis der Englischen Geschichte führt und durch welches Wilhelm vom verhöhnten "Bastard" zum angesehenen "Eroberer" wird.

Bereits auf den ersten Blick besticht das Buch durch seinen mehr als treffend gewählten Titel und ein überaus spektakuläres Cover, welches die für ihre Reiterei bekannten Normannen an Englands kreidefelsiger Südküste zeigt. Solche Eyecatcher sind natürlich enorm wichtig, bedeutend entscheidender ist letztlich aber der Inhalt des Romans. Und hier gelingt es Ulf Schiewe einmal mehr den Leser mitten in die Handlung hinein zu katapultieren und durch seinen einerseits leicht zugänglichen und flüssigen, andererseits permanent mitreißenden und fesselnden Schreibstil in der Gegenwartsform stets bei der Stange zu halten und zu begeistern, von der ersten Zeile im Vorwort „Über das Buch“ bis zur letzten im informativen Nachwort „Anmerkungen des Autors“, welches nochmals eine hervorragende Einordnung des Geschehens vermittelt.

Im Prinzip könnte man sich zusammenfassend also damit begnügen, dass der Roman in weiten Teilen die Geschichte des handgestickten Teppichs von Bayeux mit der Eroberung Englands durch die Normannen als eines der wichtigsten und gewaltigsten Bilddokumente des Mittelalters nacherzählt. Aber Ulf Schiewe gibt sich damit alleine nicht zufrieden, sondern schmückt die historische Geschichte, die sich nicht als bloße Kulisse im Hintergrund einer fiktiven Handlung befindet, sondern Hauptbestandteil des Romans ist, mit vielen Dialogen und Interaktionen zwischen seinen Protagonisten aus, bei denen der Leser stets das Gefühl hat am Puls des Geschehens mittendrin dabei zu sein. Nicht nur die historischen Ereignisse selbst sind dabei von Bedeutung, sondern insbesondere auch der jeweilige Weg, über den der Leser dahin geführt wird. Einige der fiktiven Aktionen sind sicherlich nicht verbürgt, könnten sich aber ganz genau so zugetragen haben. - Aber genau das macht einen guten und fesselnden Historischen Roman aus.
Der Autor unterteilt den Roman dazu in drei Hauptkapitel, die jeweils verschiedene Zeitabschnitte begleiten. Bereits im ersten Teil, welches den Zeitabschnitt 1049–1053 behandelt, lernen wir u.a. in Brugis (Brügge) Guilhelm (Wilhelm) und seine zukünftige Frau Matilda (Mathilda) aus Flandern und deren Eltern kennen, genauso wie auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals auch den englischen König Eadweard (Edward), seine Mutter Emma (selbst zweimalige Königin Englands) und die reichen Godwins, die sehr viele der Ländereien Englands besitzen und den Witan dominieren. Ganz zu Beginn mag der Leser vielleicht durch die Verwendung der historischen Personen – und Städtenamen eine gewisse Orientierungsphase brauchen. Dank des umfangreichen Personen – und Städteregisters auf den ersten Seiten des Buches findet man sich aber sehr schnell zurecht, eine Karte hilft beim Auffinden der jeweiligen Orte. Hier fällt auch auf, dass fast ausschließlich geschichtlich verbürgte Personen auftreten und nur ganz wenige fiktive Figuren benötigt werden. Sehr schön wird man im Laufe des Buches an den ambivalenten Charakter sowohl des charismatischen Guilhelms (liebevoller Werber um Matilda vs. eiserner Herzog bei der Belagerung Brionnas und der qualvollen Hinrichtung seiner Feinde), wie auch den seines eher pragmatischen englischen Pendants Harold heran geführt.
Der zweite Teil behandelt sehr solide den Zeitraum der Jahre 1064–1065 und berichtet uns dann ausführlich über den Besuch Harolds in der Normandie, seinen Schiffbruch den er erleidet und den Schwur den er Guilhelm leisten muss, sowie über den dahin siechenden Eadweard und dessen Tod – inklusive des Tricks, der Harold zum König macht.
Der dritte und letzte Teil beschreibt das Jahr 1066 und somit die Vorbereitungen auf beiden Seiten des Kanals, die für die finale Schlacht bei Hastings getroffen werden. Dieser Teil ist schlichtweg atemberaubend und bildgewaltig wie der Teppich von Bayeux und kann nur mit „Schiewe at his best“ beschrieben werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass Ulf Schiewe Schlachten lebendig werden lässt wie kaum ein anderer, die – wie üblich – nichts für zu Zartbesaitete sind. Hier arbeitet er aber ferner viele kleine historische Details und jüngste wissenschaftliche Interpretationen mit ein, die akribisch und gewissenhaft recherchiert wurden. Nur als Beispiel sei hier das Auftreten des Kometen Halley, die unterschiedlichen Kampfstrategien auf den gegnerischen Seiten, den sich langsam zu Ende neigenden Verpflegungsreserven oder die für den Leser unmittelbar spürbare Unruhe und Nervosität des Heeres vor der Schlacht genannt.
Zu guter Letzt sei noch die realistische Beschreibung des Frauenbildes von Matilda und Ealdgyth aufgeführt. Es ist mittlerweile bekannt, dass Matilda und Guilhelm eine treue Ehe geführt haben aus der vermutlich 9-10 Kinder hervorgingen, darunter mit William Rufus und Henry Beauclerc zwei weitere Könige Englands. Darüber hinaus war Matilda aber zeitlebens auch Guilhelms engste und treueste Beraterin, die auch in Guilhelms Abwesenheit weiter regiert hat. Genauso wichtig war auf angelsächsischer Seite jedoch Ealdgyth für Harold. Beides wird im Roman sehr gut umgesetzt und wiedergegeben. Für die emotionalste Szene sorgt schließlich Ealdgyth als sie ihren toten Sohn Godwin und ihren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten, toten Mann Harold auf dem Schlachtfeld sucht und findet und sie von den ansonsten brutalen Normannen voller Ehrfurcht und Hochachtung dabei unterstützt wird.

Fazit: Ulf Schiewe hat mit „Der eiserne Herzog“ einen großartigen und vorbildlichen Historischen Roman vorgelegt, bei dem alle auftretenden historischen Figuren wunderbar herausgearbeitet wurden und der durch seine detailgenaue und intensive Recherche – in die auch jüngste wissenschaftliche Interpretationen eingearbeitet wurden -, historische Nähe und einen großartigen Schreibstil beeindruckt. Sein etwas offenes Ende mit der emotionsgeladenen Schlacht bei Hastings ließ kein Happyend oder ein finales Wiedersehen mit Matilda mehr zu, schreit hingegen jedoch förmlich nach einer Fortsetzung - zeitlich möglicherweise mit einem Sprung zur nächsten Generation rund um die Söhne Robert, William Rufus und Henry Beauclerc. Für Anhänger des guten historischen Romans und eingefleischte Fans des Autors, die ein lebendiges Stück Englischer Geschichte miterleben möchten, stellt „Der eiserne Herzog“ ein absolutes Muss dar. Und für Einsteiger auf dem Gebiet des Historischen Romans ist das Buch nicht minder interessant und nicht weniger als "Geschichtsunterricht für Erwachsene". Mit großer Spannung und Vorfreude sehne ich mich bereits jetzt nach dem nächsten großartigen Roman aus der Feder Ulf Schiewes.

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