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Veröffentlicht am 19.03.2025

Ludwig, Schicksalsjahre eines Kaisers - Der Untergang des Hauses "Karolinger"

Das Erbe der Karolinger
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Wenn man an deutschsprachige Autoren im Bereich historischer Romane denkt, fallen einem sofort Namen wie Rebecca Gablé, Ulf Schiewe, Oliver Pötzsch, Sabine Weiß, Sabine Ebert, Mac P. Lorne, Andreas Izquierdo, ...

Wenn man an deutschsprachige Autoren im Bereich historischer Romane denkt, fallen einem sofort Namen wie Rebecca Gablé, Ulf Schiewe, Oliver Pötzsch, Sabine Weiß, Sabine Ebert, Mac P. Lorne, Andreas Izquierdo, Richard Dübell, Tanja Kinkel, Daniel Wolf oder Peter Prange ein. Einige von ihnen haben den renommierten Homer-Literaturpreis in diesem Genre gewonnen. Zu dieser illustren Gruppe gehört allerdings auch der Journalist Claudius Crönert, der den Preis für sein Werk „Freyas Land“ erhielt und mit Titeln wie „Die Kathedrale des Königs“, „Das ewige Licht von Notre-Dame“ oder „Das Kreuz der Hugenotten“ weitere bemerkenswerte Romane vorgelegt hat.

Mit seinem neuesten Werk „Das Erbe der Karolinger“ begibt sich Crönert nun auf ein gewaltiges historisches Terrain, das die gemeinsame deutsch-französische Geschichte, oder genauer gesagt die fränkische Geschichte, umfasst. Der Autor verwebt dabei meisterhaft gut recherchierte historische Fakten mit fesselnder Fiktion. Wir starten im Jahr 817, als Ludwig der Fromme seit bereits drei Jahren Kaiser des Frankenreiches ist und dürfen bis zu Ludwigs Tod im Jahre 840, also über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten, tief in die Welt der Karolinger-Familie eintauchen. Bereits zu Beginn des Romans merkt man, dass sich Crönert die Zeit nimmt, seine Figuren sorgfältig und authentisch zu entwickeln. Wir lernen Ludwig, den Sohn Kaiser Karls des Großen und Urenkel des Hausmeiers Karl Martell, sehr genau kennen. Seine friedliche Herrschaft stört jedoch die Ambitionen seiner beiden älteren Söhne, Lothar und Pippin, sowie seines Kanzlers Helisachar. Der jüngste Sohn, der kleine Ludwig, ist anfangs noch zu jung, um sich in die politischen und familiären Intrigen einzumischen, und Tochter Rotrud sowie seine Frau Irmgard haben zu dieser Zeit nur wenig Einfluss. Der Autor schafft es dabei hervorragend, die angespannte Familienatmosphäre und die Konflikte zwischen den historischen Figuren geschichtlich korrekt einzufangen, greifbar und lebendig zu machen.

Als Ludwig dann von herabfallenden Dachteilen getroffen wird, jedoch fast unbeschadet überlebt, deutet er dies als göttliches Zeichen. Fortan beschäftigt er sich intensiv mit seinem Erbe und regelt dieses in der Ordinatio Imperii, einer Verordnung, die das Reich unter seinen Söhnen Lothar, Pippin und (Klein-)Ludwig aufteilen soll. Lothar wird zunächst zum Mitkaiser erhoben und soll nach Ludwigs Tod dann als alleiniger Kaiser über das Reich herrschen. Doch Lothar, der sich selbst als würdigeren Nachfolger im Geiste seines Großvaters Karl des Großen sieht, kommt mit der fehlenden Durchsetzungskraft und Nachsicht der Regierungsweise seines Vaters nicht zurecht. Als dann auch noch Irmgard stirbt und Judith aus dem Hause der Welfen Ludwigs neue Frau wird, nimmt das Schicksal seinen geschichtlichen Lauf: Judith schenkt Ludwig einen weiteren Sohn, den kleinen „kahlen“ Karl, was die ohnehin angespannten Beziehungen in der Familie weiter anheizt, spätestens als Ludwig auf Betreiben Judiths schwäbisch-alemannisches Territorium von Lothars Erbe auf Karl übertragen möchte.

Im Rahmen der Handlung begegnen wir einer Vielzahl prominenter historischer Persönlichkeiten und erleben geschichtsträchtige Ereignisse wie Reichstage, kriegerische und friedliche Auseinandersetzungen mit Bretonen, Langobarden, Pannoniern und Mauren im andalusischen Spanien sowie überfallartige Angriffe der Normannen. Es ist eine wahre Freude, die Reise mitten unter diesen historischen Figuren anzutreten – etwa wenn wir die junge Emma und den Teenager Judith, beide Töchter von Welf I., am Bodensee kennenlernen und sie bis zu ihren jeweiligen Rollen als Königin und Kaiserin begleiten. Auch der kleine „kahle“ Karl, der später zum König und Begründer der französischen Linie wird, nimmt uns mit auf seine Entwicklung vom Baby zum Herrscher. Als Leser fühlt man sich stets als stiller Beobachter im Geschehen, mitten unter lebendig gewordenen Protagonisten. Der Adelsstand und sein Kontrast zum einfachen Volk werden ebenso erfahrbar wie der enorme Einfluss der Kirche auf das Leben jener Zeit. Gelegentlich könnte man sich sogar wünschen, ein Schwert in der Hand zu halten, um bei manch einer Auseinandersetzung noch tiefer in diese Welt einzutauchen.

Die große Stärke des Buches liegt in seinem gefälligen Schreibstil und der Authentizität der historischen Figuren, die vor der komplexen Kulisse jener Zeit ihre Entwicklung entfalten. Emotional versteht es der Autor zu polarisieren: Während der Leser manche Protagonisten mit großer Zuneigung begleitet, entstehen für andere feindselige Gefühle. Einige weniger wichtige historische Details hingegen wurden vereinfacht, verändert oder einfach weggelassen – was angesichts des riesigen Themenfeldes vollkommen legitim ist. Hätte man alle geschichtlichen Nebenfiguren und Handlungsstränge berücksichtigt, wäre der Umfang des Buches schlichtweg ausgeufert.

Abgerundet wird das Werk durch einen exzellenten Gesamteindruck als historisches Epos, bei dem ein übersichtliches Personenverzeichnis und eine kleine Landkarte ebenso wenig fehlen wie ein Nachwort des Autors, in dem er die Rolle einiger Charaktere einordnet und die sich anschließenden Bruderkriege innerhalb der Herrscherfamilie erläutert. 843 wird das karolingische Großreich schließlich im Vertrag von Verdun unter den Brüdern Kaiser Lothar, Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen aufgeteilt. Besonders hervorzuheben ist auch das edle Buchcover, das mit seiner fast hypnotischen Wirkung fasziniert.

Fazit: „Das Erbe der Karolinger“ von Claudius Crönert ist ein äußerst gelungenes, über 800 Seiten starkes historisches Epos, das gerade für Freunde des guten historischen Romans ein Muss darstellt. Insbesondere Anhänger von Rebecca Gablé oder Ulf Schiewe werden Crönerts Werk über die Kaiserjahre Ludwigs des Frommen lieben. Der Autor versteht es meisterhaft, sowohl Geschichtsinteressierte auf eine spannende und emotionale Reise mitzunehmen als auch jenen, die nach packender Spannung und tiefgehenden Emotionen suchen, Geschichte zu vermitteln. Nach diesem Roman bleibt einem nur die Vorfreude auf Crönerts nächstes Buch.

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Veröffentlicht am 02.12.2024

Phyllida Brights dritter Fall oder "Wie man mit Hilfe des Vac-Tric(k)s Täter entlarvt"

Der Krimidinnermord
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Mit dem Roman „Der Krimidinnermord“ legt Colleen Cambridge nach „Die Dreitagemordgesellschaft“ und „Der Cocktailmörderclub“ den bereits dritten Band ihrer Serie um die Hobbyermittlerin Phyllida Bright ...

Mit dem Roman „Der Krimidinnermord“ legt Colleen Cambridge nach „Die Dreitagemordgesellschaft“ und „Der Cocktailmörderclub“ den bereits dritten Band ihrer Serie um die Hobbyermittlerin Phyllida Bright vor. Letztere ist nicht nur eine Meisterdetektivin im Lösen von Kriminalfällen, sondern auch die äußerst gewissenhafte Haushälterin auf Mallowan Hall - dem Anwesen der ‚Queen of Crime‘ Agatha Christie - wo sie penibel für Ordnung sorgt. Dabei gerät sie immer wieder in humorvolle und teils hitzige Auseinandersetzungen mit dem Butler Mr. Dobble sowie dem Chauffeur Bradford und dessen Hündin Myrtle. Im aktuellen Band gesellen sich zudem weitere Konkurrenten dazu, die um die Gunst von Mrs. Bright buhlen.
Wie in den vorherigen Bänden ist auch der Plot von „Der Krimidinnermord“ gleichermaßen drollig, spannend und hochinteressant. Alles beginnt mit einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Küchenmädchen Molly und Hausmädchen Ginny, zwei von Phyllida Brights Lieblingsangestellten, bei der die beiden auf eine ungeschickte, aber niedliche Weise Tropfspuren und Aschewölkchen hinterlassen – zum Leidwesen der Haushälterin, die diese sowohl auf dem Teppich als auch in ihren Haaren wiederfindet. Natürlich hat Mr. Dobble hierbei seine Finger im Spiel.
Im Anschluss an eine Einladung der neuen Nachbarn, die mit dem sybillinischen Motto ‚Heute Abend wird in Beecham House ein Mord geschehen‘ locken, geht es dann nach einem Telefonat mit Agatha Christie – die derzeit mit ihrem Mann in London weilt - direkt in die Nachbarschaft von Mallowan Hall zum „Krimidinnermord“. Doch statt eines echten Mordes handelt es sich lediglich um ein Rollenspiel, bei dem der Gastgeber mit Begeisterung den ‚Ermordeten‘ mimt. Doch ehe sich der Leser und der Hausherr Wokesley versehen, ist der Gastgeber tatsächlich tot – erstochen mit einem spitzen Dolch. Anfänglich noch etwas gelangweilt von dem inszenierten Mord, wird der Tod des reichen Industriellen für Phyllida Bright nun der perfekte Einstieg in ihren neuen Fall. Eine Vielzahl an rätselhaften Personen kommt als Täter in Frage, und jede von ihnen hat ein überzeugendes Motiv.

Wie es typisch für das Cosy-Crime-Genre ist, versteht es die Autorin auch hier glänzend, die Protagonisten des Plots intensiv und charakterstark zu zeichnen – gepaart mit hervorragend dosiertem, ironischem Humor. Mit ihrem lockeren, leichten und dennoch ausdrucksstarken Schreibstil gelingt es Colleen Cambridge die jeweilige Kulisse stets lebendig vor den Augen der Leser*innen zu entwerfen und sie unmittelbar ins Geschehen hinein zu ziehen. Der Spannungsbogen bleibt kontinuierlich erhalten und das Buch entwickelt sich zu einem flotten Pageturner, welcher in einem rasanten, vielleicht etwas zu actionreichen Showdown gipfelt.
Trotz der gelungenen Kombination von Spannung und Humor bleibt der Wunsch zum ausgiebigen Miträtseln zumindest phasenweise unerfüllt. An einigen kriminalistischen Stellen wirkt die Story zudem etwas zu konstruiert. Dies steht im Gegensatz zu den beiden Vorgängerbänden, in denen sowohl das Mitraten, als auch Phyllidas brillanter Ermittler- und Kombinationsgabe einen entscheidenden Teil des Lesevergnügens ausmachten. Hier konnte man jederzeit mit falschen Fährten und unerwarteten Wendungen rechnen. In „Der Krimidinnermord“ jedoch scheint unsere Hobbyermittlerin wiedeholt etwas unaufmerksam und übersieht Details, die der Leserschaft sofort ins Auge springen. Manche Passagen wirken zudem eine Spur zu vorhersehbar, sodass das „Cosy“ an einigen Stellen das „Crime“ zu dominieren scheint.

Dessen ungeachtet weiß der „Krimidinnermord“ insbesondere auf der atmosphärischen Ebene mehr als nur zu überzeugen: Alle handelnden Personen besitzen ausreichend viel Tiefe sowie authentische Verstrickungen untereinander. Auch das Lokalkolorit wird wunderbar eingefangen. Darüber hinaus erfahren wir im aktuellen Band etwas mehr über Gefühle, Hintergründe und die Vergangenheit einiger Protagonisten, und es bleibt spannend, wie sich diese Entwicklungen in den kommenden Bänden in Bezug auf Beziehungen und Romantik aber auch Enttäuschungen entfalten werden. Zudem gibt es erste Andeutungen zu Phyllida Brights eigener Vergangenheit, die Potenzial für weitere Enthüllungen in Band 4 bietet. Kulisse, Lebensstil und -kultur der 1930‘er werden historisch korrekt wiedergegeben und und wir dürfen humorvoll erleben, wie die Menschen dieser Zeit ihre ersten Bekanntschaften mit modernen Geräten wie dem neuen Vac-Tric Staubsauger machten.

Das Cover, das vorwiegend in den Farben Rot, Blau und Schwarz mit weißen Schriftzügen gehalten ist, folgt dem Stil der Vorgängerbände und trägt so zu einem hohen Wiedererkennungswert bei. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass es – wie schon bei den beiden vorigen Bänden – bei genauerem Hinsehen einiges über den Täter verraten könnte. Dies wurde im englischen Original deutlich besser gelöst.

Fazit: Insgesamt ist „Der Krimidinnermord“ ein weiterer gelungener Band in Colleen Cambridges Cosy-Crime-Serie um Phyllida Bright, in dem Spannung, Humor, Atmosphäre sowie Lokalkolorit auf ausgewogene Weise miteinander verknüpft werden und der im Rahmen des Genres in jeglicher Hinsicht zu gefallen weiß. Lediglich der Wunsch zum ausgiebigen Miträtseln bei den Ermittlungen kommt etwas zu kurz. Obwohl „Der Krimidinnermord“ völlig unabhängig von den beiden Vorgängerbänden gelesen werden kann, ist es für Leser, die bereits Band 1 und 2 kennen, besonders erfreulich, vertraute Figuren wiederzutreffen. Für Fans der Phyllida Bright Reihe ist dieser Band ein absolutes Muss, und auch Anhänger von Agatha Christies Serien rund um Miss Marple und Hercule Poirot finden hier eine erfrischend neue und empfehlenswerte Alternative. Der vierte Band „Murder Takes the Stage (A Phyllida Bright Mystery Book 4)“ ist im englischen Original bereits seit Oktober 2024 erhältlich, und wir dürfen der deutschen Übersetzung im kommenden Jahr entgegen fiebern. Persönlich freue ich mich bereits jetzt schon sehr darauf ihn dann lesen und genießen zu dürfen.

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Temporeicher Wissenschaftsthriller über globale Erderwärmung, Permafrost, Kipppunkte, Anthrax ... und Backpulver

Toxin
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Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, ...

Kathrin Langes und Susanne Thieles jüngstes Werk „Toxin“ ist unverkennbar der Nachfolger zur überzeugenden und allseits gelobten „Probe 12“ und somit der zweite Band dieses Autorenduos. Bereits das Cover, welches wiederum mit der auffallenden Kombination aus Neon-Gelb-Grün und Schwarz aufwartet, sorgt für einen extrem hohen Wiedererkennungswert und ist stimmig zum Titel gewählt. Einmal mehr verbinden die beiden Autorinnen, wie schon beim Vorgängerband, auf grandiose Art und Weise mit ihrem wunderbar mitreißenden Schreibstil atemberaubenden Thrill und geladene Action mit wissenschaftlich fundierten und hervorragend recherchierten Fakten, die das aktuelle Zeitgeschehen intensiv aufgreifen.

„Toxin“ beginnt mit zwei zunächst recht sibyllinischen Zitaten von einerseits Miguel de Cervantes und andererseits einer Wortneuschöpfung der Inuit, deren Zusammenhang zum Geschehen sich dem Leser erst im Laufe das Buches in voller Tragweite erschließt. Ging es in „Probe 12“ noch um Phagen, beschäftigt sich „Toxin “ politisch wiederum hoch aktuell, mit Kipppunkten in der allseits diskutierten Klimaproblematik und mit der globalen Erderwärmung.

Wie wird diese Ausgangsbasis nun also in den Plot eines atemberaubenden Wissenschaftsthrillers gepackt? - In einer Rückblende um 10 Jahre wird dem Leser ein Vorfall im Arctic Village in Nordalaska geschildert, bei dem, bedingt durch die Erderwärmung, Teile des lokalen Permafrost auftauen, was schließlich einen Hangabrutsch größeren Ausmaßes bewirkt. Hierdurch kommen die Gebeine von Rentieren zum Vorschein, die wiederum gefährliche Milzbranderreger (Bacillus anthracis - kurz Anthrax) freisetzen, an denen mehrere Menschen versterben. Bei einem Zeitsprung ins „Heute“ lernen wir Gereon Kirchner kennen, der im Rahmen des vor Jahrzehnten ins Leben gerufenen Permafrosttunnel-Projekts in Alaska Proben solcher Milzbrandbakterien nehmen und aus ihnen zusammen mit seinem Geschäftspartner Mike Reed und seiner Mitarbeiterin Airi Young ein Mittel gegen Krebs herstellen möchte. In eben jenem Tunnel findet er überraschender Weise hochbrennbares Aluminiumpulver und trifft urplötzlich auf eine ihm bekannte Person.
„Klappe und Cut!“ - Wie immer bei Kathrin Lange und Susanne Thiele wird in den jeweiligen Kapiteln nie zu viel verraten, wodurch das Spannungslevel immer hoch gehalten wird, die konsequenten Cliffhanger mit anschließendem Szenenwechsel am Ende jedes Abschnitts und die Vielzahl von parallelen Handlungssträngen tun ihr Übriges hierzu. In einem dieser Stränge erfahren wir dann im weiteren Verlauf, dass Gereon Kirchner der aktuelle Lebenspartner von Nina Falkenberg ist, also der Heldin und Hauptprotagonistin aus „Probe 12“. Von Berlin aus, welches erst vor kurzem aufgrund der viel zu hohen Temperaturen und starken Regenfällen überflutet war, kann sie Gereon seit Tagen nicht erreichen. Darüber hinaus wirft die Presse die Frage auf, ob Gereon mit seiner Nutzbarmachung der Milzbranderreger für die Krebsforschung am ungeklärten Tod von Berliner Obdachlosen schuld sein könnte. Zusätzliche Spannung verspricht ein weiterer Handlungsstrang in welchem Nina Tom Morell, einen weiteren guten Bekannten und Helden aus dem Vorgängerband, bittet nach Alaska zu reisen und mehr über den vermissten Gereon herauszufinden. Dort angekommen, wird die Leiche einer Frau gefunden, in deren Tod möglicherweise Gereon involviert ist. Ferner wird von Klimaaktivisten und einflussreichen Gegenorganisationen, geschmierten Lobbyisten, großartigen Ermittlerteams und potentiellen Revolverhelden mit einer gemeinsamen Vegangenheit im Arctic Village die Rede sein – sowohl im fernen Alaska, als auch auch im hiesigen Berlin ist demzufolge permanent für Hochspannung gesorgt.

Viele offene Fragen werden somit bereits im ersten Drittel des Buches eindrucksvoll motiviert und so ganz nebenbei ein detailliertes wissenschaftliches Hintergrundwissen vermittelt. Im zweiten Drittel werden die zahlreichen Handlungsstränge dann spannungsgeladen weiterentwickelt und geschickt verknüpft und schließlich allesamt im letzten Drittel grandios und schlüssig miteinander verwoben und zusammengeführt ohne zu irgendeinem Zeitpunkt den roten Faden zu verlieren. Obwohl für den ein oder anderen Leser die klimapolitischen Aspekte des ersten Buchdrittels in ihrer Fülle vielleicht ein wenig zu sehr mahnend in den Vordergrund geraten mögen und hier und da auch ein paar kleinere Klischees bedient werden, ist es großartig, wie man als Leser Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen aus verschiedenen Perspektiven unmittelbar in die Ermittlungsarbeit auf beiden Seiten des großen Teichs eingebunden wird und der Wahrheit sukzessive immer näher kommt. Stets kann man sich sehr gut nicht nur in die Handlung, sondern auch in die jeweiligen Gefühlswelten der Hauptcharaktere, die treffend und facettenreich gezeichnet wurden, hinein versetzen. „Toxin“ ist somit ein faszinierender Pageturner mit einer rasanten Handlung und durchaus realem Narrativ, bei dem ein gründliches Nachwort ein überzeugendes Buch abrundet und dem Leser nochmals ungemein hilft, das gesamte Geschehen in jeglicher Hinsicht richtig einzuordnen.

Fazit: Genau wie sein Vorgänger ist „Toxin“ ein großartiger Wissenschaftsthriller, erfrischend und spannend vom Anfang bis zum Ende. Politisch aktuell und wissenschaftlich fundiert, korrekt und informativ, nimmt der Roman spätestens im zweiten Drittel hinsichtlich Action und Dynamik in der Handlung deutlich Fahrt auf, was sich schließlich zu einem atemberaubenden und schwindelerregenden Tempo entwickelt und in einem überaus beeindruckenden Showdown kulminiert. Kaum eine der 464 Seiten des Buches, auf denen sich nicht neue Konstellationen und für den Leser neue Blickwinkel ergeben, die durch die ständigen Cliffhanger und Szenenwechsel die Spannung ins Unermessliche steigern. Oftmals stellt sich genau dann, wenn man glaubt, die Lösung bereits unmittelbar vor Augen zu haben, heraus, dass man komplett falsch lag. Obwohl „Toxin“ völlig unabhängig von „Probe 12“ gelesen werden kann, ist es für diejenigen Leser, die beide Bände kennen, überaus gefällig, vertraute Bekannte treffen zu dürfen. Das auf mehreren Ebenen offene Ende deutet auf ein Fortsetzung hin, dann hoffentlich wiederum mit Nina und Tom als Protagonisten und viel Wissenschaft und Action eingewoben in eine schlüssige Rahmenhandlung. „Toxin“ hat mich von Beginn an abgeholt und auf eine spannende und fesselnde Reise nach Berlin und ins ferne Alaska mitgenommen. Bereits jetzt fiebere ich erwartungsvoll einem Folgeband entgegen.

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Veröffentlicht am 06.03.2023

Testamentsvollstreckung mit Folgen – Ein großartig humorvoller Urlaub auf Rügen

Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede
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"Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" von Sandra Poppe ist nach "Liebe beginnt, wo Pläne enden" bereits der zweite Roman der Autorin beim Lübbe Verlag und ist dem Titel entsprechend am ehesten ...

"Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" von Sandra Poppe ist nach "Liebe beginnt, wo Pläne enden" bereits der zweite Roman der Autorin beim Lübbe Verlag und ist dem Titel entsprechend am ehesten dem Genre des Liebesromans zuzuordnen. Allerdings bietet das Buch weit mehr als eine einfache Liebesgeschichte oder gar einen seichten Plot ohne Botschaft oder jedweden Tiefgang: Jede(r), der/die in seinem/ihrem Leben bereits einmal in den Genuss eines Campingsurlaubs kam oder zu Hause einen oder mehrere Teenager bei Laune zu halten hatte oder auf Partnersuche war, wird viele der fiktiven Charaktere und Gegebenheiten mit all seinen Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, mühelos aus dem eigenen Leben wiedererkennen. Fast schon im Stile des großartigen Vicco von Bülow - alias Loriot - beobachtet Sandra Poppe Menschen in ihrer Umwelt bei alltäglichen Situationen und gibt das Geschehen in einer satirisch, leicht überzeichneten Weise wieder, sodass dem Leser beim Studium der Lektüre permanent ein Schmunzeln bis hin zu einem lauten Lachen ins Gesicht gezaubert wird. Lustig und äußerst unterhaltsam wird hier eine wirklich interessante Geschichte erzählt ohne dabei jemals den Fluss zu verlieren oder auch nur entfernt Langeweile aufkeimen zu lassen – einmal angefangen zu lesen, gibt es für den Leser keine Chance mehr der Handlung zu entrinnen, zu sehr wird man humorvoll und emotional mitgerissen. Es ist übrigens kein typischer Frauenroman (oder das, was man sich als Mann darunter vorstellt) und auch als Mann sollte man zumindest einen Blick in das Buch werfen – wem humorvolle, geistreich gewitze Literatur gefällt, wird sehr wahrscheinlich auch von diesem Werk begeistert sein.

Alles beginnt mit der Testamentsvollstreckung von Tante Liesbeth - Gott habe sie selig!, sie ist zumindest im Kopf von Hauptprotagonistin Evi eine der großartigsten Untoten aller Zeiten - und die Tante hat sich da für ihre Hinterbliebenen in der Tat so einiges einfallen lassen: Singstunden plus Auftritt für Evis Schwester Isabell, einen Halbmarathon für Evis Vater und Camping für die alleinerziehende Evi zusammen mit ihrer 14-jährigen Tochter Helena … sonst, ja sonst, wird es bei Verweigerung von Liesbeths Wünschen eben kein Erbe geben. Ergo wird zum Zelten auf Rügen aufgebrochen, was Evi, die aufgrund der Trennung von Fast-Ex-Ehemann Claas leider noch ein bisschen zu viel unter Selbstzweifeln leidet und sich komplett in Arbeit gestürzt hatte, vor nahezu unlösbare Probleme stellt: Wie soll man sich denn entspannen, wenn man sich nebst Ameisenüberfällen, ständig um einen pubertierenden Teenager kümmern muss, deren Hormone, für dieses Alter typisch, zwischen Surflehrer und Stofftier noch ein wenig hin- und hergerissen sind, die Firma in der Heimat am Laufen halten soll, mit dem möglicherweise alleinerziehenden Zeltnachbarn flirten möchte oder beim nahegelegenen Waschhaus, namentlich der einzige Ort, wo es Strom gibt, während des Geschirrspülens den Geräuschen der Nachbarn beim Toilettengang lauschen kann (und umgekehrt), mal abgesehen davon, dass das Personal vor Ort auf den ersten Blick nicht gerade freundlich und hilfsbereit zu sein scheint und beim Bedanken meist nur ein „Da nicht für!“ entgegnet, der Gaskocher seinen Dienst nicht erfüllt sowie die Einkaufsmöglichkeiten und die Mobilität trotz Mietfahrrad sehr eingeschränkt sind. Auch mangelt es nicht an einer Chakra-Truppe, die einem für‘s (erfolglose) Meditieren bis hin zur Geisterbeschwörung vereinnahmen möchte, oder lokal Niedergelassenen, die uns Floskeln wie „Is’ Meer, was? Wird besser. Wird schlechter.“ um die Ohren hauen sowie Betrunkenen, die mal so eben im Vorzelt übernachten möchten. Und so wandert der/die Leser:in zusammen mit Evi humorvoll von einem überraschenden Abenteuer zum nächsten. Auch an Verehrern mangelt es der Protagonistin keineswegs, aber ob und mit welchen der Verehrer sie schließlich zusammen kommt, sollte jeder Leser für sich selbst in Erfahrung bringen.

Mit ihrem großartigem, für jeder-Mann lesbaren, unkomplizierten und sehr humorvollen Schreibstil nimmt Sandra Poppe ihre Leser auf eine tolle Erkundungsreise nach Rügen mit. Dabei lernen wir nicht nur die Sehenswürdigkeiten Rügens, sondern vor allem auch das Leben auf einem Zeltplatz in seiner ganzen prachtvollen Palette kennen. Der gesamte Roman ist dabei angefangen vom Titel "Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede", der gleichermaßen genau soviel Ironie wie Wahrheit in sich birgt, über das poppige Cover bis hin zum Epilog und zur abschließenden Packliste in sich stimmig und schlichtweg mitreißend. Obwohl die Autorin alles aus Sicht der Protagonistin Evi schildert, gelingt ihr eindrucksvoll und geschickt, den Leser so in den Bann des Geschehens zu ziehen, dass er das Gefühl hat, vor Ort alles selbst miterleben zu dürfen. Alle Figuren des Romans sind dabei sehr liebevoll, einfühlsam, authentisch und ihrer Rolle entsprechend so charakteristisch gezeichnet, dass jeder Leser vermutlich sein ganz eigenes Bild der jeweiligen Personen vor Augen hat und glaubt diese seit Tagen und Wochen bereits zu kennen. Selten habe ich mich bei einem Roman so gut amüsiert und unterhalten gefühlt.

Fazit: "Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede" ist ein wunderbarer Roman für alle, die gleichsam der Protagonistin Evi, einfach mal abschalten und das Leben von seiner lustigen Seite aus genießen möchten. Sandra Poppe hat hier ein tolles Buch vorgelegt, bei dem es auch, aber keineswegs nur um Liebe geht. Im Vordergrund werden vielmehr alltägliche Schwierigkeiten, die jeder Leser auf die eine oder andere Weise von sich selbst ebenso kennt, mit viel Humor und Ironie präsentiert. Nichtsdestotrotz hat das Buch Tiefgang genug, um die Eltern-Teenager-Problematik genauso wie die Fragen, die einem bei der Partnersuche in den Sinn kommen, gründlich zu beleuchten und bietet ferner durchaus die Möglichkeit eigenes Verbesserungspotenzial im Umgang mit seinen Mitmenschen zu bedenken. Als Leser bin ich stets mittendrin im Geschehen und sehr gerne reise ich in einem der nächsten Romane Sandra Poppes zusammen mit Protagonistin Evi wieder nach Rügen, um mir Sätze wie „Is’ Meer, was?“ oder „Da nicht für!“ anzuhören, die mir wie all die liebevoll gezeichneten Charaktere des Romans, mittlerweile sehr ans Herz gewachsen sind.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Free Willy (Ruf der Freiheit) – Schicksalsjahre eines Prinzen

Blüte der Zeit
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Viele kennen sich ganz ausgezeichnet mit der Deutschen, Französischen oder Englischen Geschichte aus, deutlich weniger hingegen mit derjenigen unseres Niederländischen Nachbarn. Aber genau um diese geht ...

Viele kennen sich ganz ausgezeichnet mit der Deutschen, Französischen oder Englischen Geschichte aus, deutlich weniger hingegen mit derjenigen unseres Niederländischen Nachbarn. Aber genau um diese geht es im jüngsten Werk von Sabine Weiß: Mit einer Strophe aus „Oranje may-lied“ von Joost van den Vondel startet ihr neues Buch „Blüte der Zeit“ und bereits das beeindruckende und wunderbare Cover mit dem Brandenburgischen Adler im Zentrum zeigt, dass es sich dabei um den Abschluss ihrer fulminanten, als Trilogie angekündigten Holland-Serie handelt, die einst mit der grandiosen „Krone der Welt“ begann und mit „Gold und Ehre“ fortgesetzt wurde.

Schon auf den ersten Seiten stellt Sabine Weiß einmal mehr unter Beweis, dass die studierte Germanistin und Historikerin nicht nur eine erfolgreiche Krimi-Autorin, sondern auch im Genre der Historischen Romane fest verankert ist und die Niederländische Geschichte spannend und mitreißend darzustellen vermag. Ein umfangreiches Personenverzeichnis zeigt uns ferner, dass wir es wie gewohnt mit vielen Protagonisten zu tun haben, darunter eine erhebliche Anzahl an historischen Persönlichkeiten.
Die Handlung beginnt mit einem spannenden Prolog im Jahre 1667 bei einer Keilerjagd, an welcher der fiktive Paulus, Hans Willem Bentinck und der gesundheitlich angeschlagene und politisch nahezu entmachtete Prinz Wilhelm III. von Oranien beteiligt sind. Paulus wie auch Bentinck sind gute Freunde Wilhelms und buhlen mit unterschiedlichen Themen um die Position des besten Freundes und des engsten Beraters. Noch führt Johann de Witt in der Monarchie-freien Epoche der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande die Staatsgeschäfte, doch dies wird sich schon bald durch den Überfall auf die Niederlande von einer Koalition der Königreiche England und Frankreich - maßgeblich durch den französischen Sonnenkönig Ludwig XIV., der eine Vormachtstellung gegenüber den spanischen und österreichischen Habsburgern erzielen wollte - ändern und Wilhelm III. wird nach dem grausamen Mord an den Gebrüdern de Witt der entscheidende Regent in Holland. In allergrößter Not und Bedrängnis lässt der im Buch recht ambivalente Wilhelm die Deiche und Schleusen öffnen, wodurch der französische Vormarsch erst einmal gestoppt wird, das Land aber auch in größeren Regionen geflutet wird und für viele Holländer eine Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann.
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir am Beispiel des jungen Landschaftsgärtners Max, dessen Vater bei dem französischen Angriff umkam und der dann mit seiner Mutter Debora und seinem Bruder Floris fliehen musste, das Leben und Schicksal der einfachen holländischen Bevölkerung kennen. Max ist mit Leib und Seele Landschaftsgärtner und Botaniker wie sein Vater und kennt sich bestens mit der gesamten Pflanzenwelt aus. Da die Mutter nach dem Tod des Vaters und durch die Flucht körperlich und seelisch sehr gelitten hat, kommt in erster Linie Max die Rolle zu, die Familie versorgen zu müssen. Die drei fliehen nach Brandenburg-Preußen zu Deboras Schwester Hester, wo wir auf einer dritten Handlungsebene die eher bürgerlichen Familien Schöppen und Huffretter kennenlernen, die in Cölln im Handel bzw. als Apotheker etabliert sind. Während Max und seine Familie bei den Schöppens zunächst erst einmal nicht gerade willkommen sind, lernen wir durch die Huffretters das Umfeld von Kurfürst Friedrich Wilhelm näher kennen, der nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges alles daran setzt, sein Land wieder aufzubauen und nach Versailler Vorbild mit Prunkschlössern, Lustgärten und Parkanlagen schmücken möchte. Auf dieser Basis wird dem Leser die gesamte Palette des Lebens in der damaligen Zeit und seines Kontrasts zwischen Adel, Bürgertum und normalem Volk vor Augen geführt und man darf zusammen mit den Protagonisten alle Höhen und Tiefen durchwandern: Flucht, Verlust, Armut, bis hin zur großen Liebe und Reichtum – von allem wird uns etwas geboten.

Was bei „Blüte der Zeit“ – ebenso wie bei seinen beiden Vorgängern - einmal mehr besticht, ist, dass das Historische dem Leser sehr ausführlich näher gebracht wird und so umfangreich gestaltet ist, dass es auch dem Geschichtskenner und -fan zu keinem Zeitpunkt langweilig wird. Der Schreibstil ist dabei leicht zugänglich und flüssig und es gelingt der Autorin über den gesamten, hervorragend recherchierten Roman hinweg Tempo und Spannung so hoch zu halten, dass man das Buch am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte. Wunderbar wird man in der Person des fiktiven Paulus im Umfeld von Prinz Wilhelm III., Hans Willem Bentinck, Charles II. und des Herzog von Monmouth immer am Puls der realen niederländischen und englischen Geschichte gehalten und fast schon spielerisch wird man an die bedeutenden Persönlichkeiten jener Epoche auch in Brandenburg-Preußen heran geführt – Vorkenntnisse in der niederländischen und preußischen Geschichte mögen hierbei indes von Vorteil sein und den Lesegenuss durchaus noch steigern. Aber auch die emotionale Komponente kommt in persona von charakterstarken und facettenreichen Protagonisten wie Jerun, Georg, Annabelle, Elvina und Rosa und widersprüchlichen wie beispielsweise Dittrich Impen und seiner Frau beim Leser zu keinem Zeitpunkt zu kurz. Hierdurch gewinnt der Leser von der ersten Zeile des Prologs bis zur letzten im begeisternden Showdown das Gefühl intensiv und unmittelbar in die Handlung integriert zu sein und an keiner Stelle läuft der Plot hierbei Gefahr langatmig, undurchdacht oder unschlüssig zu wirken. Gekonnt werden die drei unterschiedlichen Handlungsstränge im Verlauf des Romans immer stärker miteinander verwoben und in weiten Teilen final auch zusammengeführt. Einziger Kritikpunkt mag jedoch sein, dass das Buch im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern mit 560 Seiten merklich kürzer ausfällt und die Zeitsprünge gegen Ende des Buches auch ein wenig größer geraten. Obwohl die historische Komponente bis hin zur Krönung Wilhelms zusammen mit seiner Gattin Mary II. Stuart zum Königspaar von England, Schottland und Irland im Jahre 1688 und der Glorious Revolution vollständig ist, mag bei manch einem Leser der Eindruck entstehen, dass die fiktive Geschichte seiner Protagonisten insbesondere um den Personenkreis in Cölln als nicht komplett zu Ende erzählt erscheint. Ein Glossar am Ende des Buches zusammen mit den Anmerkungen im Nachwort, die das Geschehen im Buch gut einordnen und die Absichten der Autorin verdeutlichen, runden einen rundum tollen Historischen Roman ab, der problemlos auch unabhängig von den anderen Bänden der Trilogie gelesen werden kann.

Fazit: Einmal mehr gelingt es Sabine Weiß durch ihren spannenden und bildhaften Schreibstil den Leser mitzureißen und auf eine großartige und abwechslungsreiche Reise ins 17. Jahrhundert der Niederlande, Englands sowie Brandenburgs mitzunehmen. Wer ihre Historischen Romane kennt, weiß, dass sie in „Blüte der Zeit“ nicht nur die Gartenarchitektur und den Landschaftsbau intensiv erkundet und alle historisch relevanten Orte selbst aufgesucht hat, sondern dem Leser vor allem auch sehr präzise den geschichtlichen Hintergrund zum Holländischen Krieg und zur Situation Brandenburg-Preußens in dieser Epoche vermittelt. Auch im Abschlussband ihrer Holland-Trilogie gelingt es der Autorin akribisch recherchierte Historie mit emotionaler Fiktion zu einem grandiosen Buch zu kombinieren und Geschichte lebendig werden zu lassen. Freunden des Historischen Romans und jedem, der an der niederländischen Geschichte und Kultur interessiert ist, kann „Blüte der Zeit“ nur ans Herz gelegt werden. Manch ein Leser dürfte durch ihre detaillierten Beschreibungen zum Aufsuchen der monumentalen Bauten und Barockgärten inspiriert werden. Wir dürfen gespannt sein, welche Thematik sich nun Sabine Weiß als nächstes vornehmen wird und wir in Form eines weiteren wunderbaren und bewegenden Werkes genießen dürfen.

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