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Veröffentlicht am 15.09.2016

Emma Carow und die Kokons von Berlin

Neuntöter
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Mitten in Berlin, total öffentlich, aber doch von allen unbemerkt, hängen Leichen. Sie sind in Panzertape gewickelt, die quasi Kokons bilden. Schell ist klar, da gibt es noch mehr solche „Nester“. Aber ...

Mitten in Berlin, total öffentlich, aber doch von allen unbemerkt, hängen Leichen. Sie sind in Panzertape gewickelt, die quasi Kokons bilden. Schell ist klar, da gibt es noch mehr solche „Nester“. Aber wo? Und vor allem: warum? Die Profilerin Emma Carow findet Stück für Stück immer mehr über den Serienmörder heraus. Doch ihre eigene Vergangenheit kommt ihr in die Quere …

Das Buch hat mich sehr schnell sehr tief in seinen Bann gezogen. Der Stil ist außergewöhnlich. Mal humorvoll, mal regelrecht depressiv, mal normale Sätze, mal sehr minimalistisch gestaltete Sätze mit drei, vier Worten. Dummerweise strengt das Buch irgendwann auch extrem an und ich musste immer öfter Pausen einlegen. Trotzdem war da noch dieser Bann und ich griff nach ein paar Tagen doch wieder nach dem Buch und las weiter.

Die Protagonisten sind durchweg außergewöhnlich. Otto Normalverbraucher findet man in diesem Buch nicht. Das ist interessant, aber auch anstrengend. Vor allem driftet man dabei ein wenig ab, denn so wirkt alles extrem unecht.

Teilweise hatte ich keine Ahnung, warum es gerade auf die Weise weiterging, die das Autorenduo eingeschlagen hat, doch irgendwann fand ich den Sinn darin, sah den Bogen, den sie gegangen waren und wohin die Reise wohl gehen könnte. Trotzdem kam es zu mehr oder weniger großen Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Allerdings hatten ein paar Szenen auch Längen, die es nicht gebraucht hätte. Der Schluss macht aus dem Buch schon fast einen Psycho-Thriller.

Emma hat mich sehr gefordert. Auch wenn mir klar ist, dass sie total traumatisiert ist, kann ich ihre Handlungen öfter nicht wirklich nachvollziehen, sondern frage mich, ob sie sich damit nicht noch mehr Probleme macht. Schlimm finde ich auch, dass sie keine Hilfe hat.

Insgesamt verdient dieser Thriller dennoch vier Sterne, denn er hat sich einfach nicht abbrechen lassen, auch wenn ich mich zwischendurch gefragt habe, warum ich weiterlese. Es hat sich gelohnt – und ich bin gespannt, was Ule Hansen noch gemeinsam verfassen werden.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gib deiner Katze nie dein Zweithandy!

Cat Content
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Dieses Buch ist bestimmt nicht „wichtig“. Aber es ist unbeschreiblich witzig. Besonders für diejenigen, die selbst mit Katzen zusammenleben.

Ja, ganz genau so sind sie, unsere kleinen Nervensägen. Völlig ...

Dieses Buch ist bestimmt nicht „wichtig“. Aber es ist unbeschreiblich witzig. Besonders für diejenigen, die selbst mit Katzen zusammenleben.

Ja, ganz genau so sind sie, unsere kleinen Nervensägen. Völlig unschuldig an allem, selbst dann, wenn man sie bei ihren Untaten beobachtet oder gar filmt. Sie waren es nicht. Nie und nimmer. Auf gar keinen Fall.

Die Ideen, die Katja Berlin ihrem Kater zutraut, haben Katzen tatsächlich. Da bin ich mir total sicher. Ich habe Katzen, hatte Katzen und werde weiter Katzen haben. Eben genau deshalb: weil es nie langweilig wird und kein anderes Tier einen ähnlichen Charakter hat. Man wird sehr schnell süchtig nach genau diesen Momenten, die in „Cat Content“ zu finden sind.

Die Aufmachung, dass jede Seite eine Darstellung eines Smartphone-Displays ist, gefällt mir sehr gut. Klar, reichlich wenig Text für so viele Seiten, aber toll ist es trotzdem. Sogar auf Empfangsstärke und Akkuladung wurde geachtet und sie verändert. Wunderschön!

Kurz und knapp: ich mag das Büchlein! Und ich finde, es ist ein tolles Mitbringsel für Katzenfans! Macht von mir die vollen fünf Sterne.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Fall der Fälle

Inspektor Jury und die Frau in Rot
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Bisher hatte ich einen einzigen Inspektor-Jury-Krimi gelesen. Das war vor sehr vielen Jahren der Band „Inspektor Jury bricht das Eis“. Seither hatte mich nichts mehr an die Reihe gezogen, ich gestehe es.

Jetzt ...

Bisher hatte ich einen einzigen Inspektor-Jury-Krimi gelesen. Das war vor sehr vielen Jahren der Band „Inspektor Jury bricht das Eis“. Seither hatte mich nichts mehr an die Reihe gezogen, ich gestehe es.

Jetzt habe ich es mit einem Hörbuch versucht. Ja, Frank Arnold macht seine Sache wirklich wunderbar! Er verleiht jedem einzelnen (meist doch extrem verschrobenen) Charakter eine eigene Persönlichkeit, die man sofort erkennt. Besonders Jury haucht er wunderbar Leben ein. Er wirkt komplett distinguiert, ein wenig versnobt, sehr ironisch, ein wenig zynisch – und komplett britisch! Besser hätte man das Buch nicht einlesen können, das steht fest.

Nur leider hat mich die Story nicht so in den Bann gezogen, wie ich das gerne hätte. Meine Gedanken konnten immer wieder abschweifen. Das ist natürlich nicht sehr förderlich. Da sehr viele Protagonisten durch das Herunterfallen von irgendwo sterben, kam ich da auch ab und an ein wenig durcheinander. Es gibt gleich drei weibliche Leichen, die durch Stürze gestorben sind. Ein Mädchen, eine kinderlose Frau und eine Frau in Rot. Der zweite Tod fand vor 17 Jahren statt, 5 Jahre nach dem Tod des Mädchens. Was war Unfall, was war Mord, was war Selbstmord? Wie hängen die Fälle zusammen, wenn überhaupt? Was hat der Kampfhund mit all dem zu tun? Jury, der eigentlich mit dem Fall (oder den Fällen) gar nichts zu tun hat, hört sich mehr oder weniger unauffällig um und findet mit einer Reihe Protagonisten, die in der Serie ihren festen Platz haben/hatten, erstaunliche Details heraus.

Die Idee des Plots ist grandios, es mangelt sogar nicht an witzigen Momenten. Dennoch bin ich kein Martha-Grimes-Fan geworden. Vielleicht ist es aber auch sinnvoll und ändert die Freude an der Sache, wenn man alle 22 vorherigen Inspektor-Jury-Bände gelesen oder gehört hat.

Auch wenn die Autorin mich nicht zu einem Fan machen h, erkenne ich ihre großartige Fähigkeit an, einen Krimi zu schreiben, der in England und doch einer anderen Welt zu spielen scheint. Um Jury existiert ein ganz besonderer Mikrokosmos, der Anerkennung verdient.

Insgesamt war das (Hör-)Buch also nicht auf mich maßgeschneidert, verdient aber trotzdem vier Sterne. Ich konnte keine Unlogik erkennen und keine Lücken. Für absolute Grimes-Fans und Freunde des britischen Krimis ganz sicher ein Leckerbissen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Was weiß Jean wirklich?

Die Witwe
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Jean Taylor kämpft seit vier Jahren gegen die Anfeindungen an, die sie ertragen muss, seit ihr Mann unter dem Verdacht steht, ein kleines Mädchen entführt und getötet zu haben. Sie hielt all die Jahre ...

Jean Taylor kämpft seit vier Jahren gegen die Anfeindungen an, die sie ertragen muss, seit ihr Mann unter dem Verdacht steht, ein kleines Mädchen entführt und getötet zu haben. Sie hielt all die Jahre zu Glen, wurde immer einsamer – und dann überfährt ein Bus ihren Mann. Jean ist nun völlig allein und die Reporter stürzen sich geradezu auf sie. Kate Waters gelingt es, Jeans Vertrauen zu gewinnen. Sie logiert sich mit Jean in ein edles Hotel ein und möchte deren Seite der Geschichte erfahren. Auch DI Bob Sparkes möchte endlich die Wahrheit erfahren. Er ist vom Fall abgezogen worden, ermittelt aber heimlich weiter. Jean beginnt zu erzählen …

Fiona Barton hat mich von der ersten Seite an für die Geschichte gewonnen. Kaum ein Charakter in ihrem Roman ist „normal“, alle sind auf ihre Weise besonders, ausgefallen, extrem, speziell – anders, eben. Das ist nicht negativ gemeint, denn ich finde, das Buch lebt davon. Mir sind auch die unsympathischen Protagonisten irgendwann ans Herz gewachsen, denn man kann ihre Motivation verstehen, ihre Probleme nachvollziehen und hat auch Mitleid mit ihnen, weil sie mit allem völlig allein dastehen – alle, nicht nur Jean.

Der Stil liest sich flüssig, die Perspektivwechsel sind sehr gelungen. Man kommt nicht aus dem Lesefluss, auch wenn die Sicht wechselt. Teils vervollständigt genau das auch das Bild und sorgt für Verständnis für die jeweilige Situation. Besonders Jean beschäftigt den Leser und fordert ihn auch.

Als Außenstehender fragt man sich immer und immer wieder, wo Bella ist, wie es ihr geht, ob sie gerettet werden kann. Man neigt dazu, jeden einzelnen Protagonisten schnell zu verurteilen, denn alle agieren völlig anders, als „man“ sollte. Und genau das hat bei mir das Gegenteil ausgelöst: ich habe über diese Reaktion der Menschen nachdenken müssen und versucht, von einem anderen Standpunkt aus die Sache zu sehen. Und da kippte dann vieles und ich fand eine ganze Reihe Schuldiger.

Fiona Barton ist nicht nur eine gute Beobachterin, sie schafft es auch, Journalismus von einer anderen Warte aus zu zeigen. Die Spannung bleibt die ganze Zeit über gleich, um ganz am Ende noch eine echte Explosion zu liefern. Wer aber erwartet, dass „etwas passiert“, wird enttäuscht werden. Die Spannung entsteht hier nämlich durch all das, was eben nicht passiert.

An keiner Stelle wird irgendetwas zu brutal, zu bildhaft dargestellt. Das finde ich besonders gut, da eins der Hauptthemen des Buches Pädophilie ist. Auch die Informationen rundum sind so gehalten, dass man versteht, was gesagt werden muss, aber nichts wirklich ausgesprochen oder übertrieben dargestellt wird. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Das mag bei manchen die Spannung etwas beschneiden, für mich erhöht sie es.

Nur der Schluss ist für mich nicht ganz so rund und gelungen. Hier hätte ich mir ein wenig mehr „danach“ gewünscht (wenn ich deutlicher werde, spoilere ich und das mag ich nicht). Deshalb vergebe ich für diesen ansonsten herrlich gelungenen Erstling der Autorin vier Sterne. Und ich bin gespannt, was sie sonst noch für die Leser auf Lager hat. Ihr nächstes Buch lese ich definitiv auch!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Den Tod selbstverständlich nehmen können

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
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Martin lernt als kleiner Junge den Tod kennen. Der kommt und holt den Schmetterling der Seele von Martins Großmutter. Außer Martin kann niemand Tod sehen und hören, also muss er lernen, nicht so sehr aufzufallen, ...

Martin lernt als kleiner Junge den Tod kennen. Der kommt und holt den Schmetterling der Seele von Martins Großmutter. Außer Martin kann niemand Tod sehen und hören, also muss er lernen, nicht so sehr aufzufallen, wenn er ihn mal wieder trifft. Das allein ist schon schwer für einen kleinen Jungen. Tatenlos mit anzusehen, wie die Menschen sterben, ist aber zu viel von Martin verlangt. So akezptiert er Tod zwar als Freund, aber er versucht immer wieder, die Menschen zu retten.

Als er dann noch erfährt, dass Tod ihn gern als seinen Nachfolger sehen würde, wird Martin doch sauer. Er ignoriert Tod, obwohl seine Fähigkeiten immer stärker werden: er läuft übers Wasser, sieht in die Zukunft und kann sich selbst teleportieren. Alles Dinge, die toll sind, aber in der Öffentlichkeit seltsam wirken. Besonders, wenn man unsterblich in eine Frau verliebt ist, die man quasi schon das ganze Leben lang kennt ...!

Ach, es klingt so morbide, aber dieses Buch ist wirklich zauberhaft, gerade weil es um den Tod und einen ganz speziellen Umgang mit ihm geht. Man darf mir glauben: es hat mich persönlich sehr getröstet! Ja, das geht! Und ja, man darf auch über und mit dem Tod lachen! Denn: Ob-la-di, ob-la-da, life goes on, bra!

Wunderbar einfühlsam zeigt Sebastian Niedlich dem Leser, dass es nicht nur eine Sicht auf den Tod gibt und dass es ohne den Tod kein Leben, keinen Fortschritt, keine Zukunft gäbe. Dass der Tod zum Leben gehört und man sich das Leben vom Tod einfach nicht verderben lassen darf und muss. Dass der Tod ein Teil jeden Lebenszyklus ist. Und dass der Tod nicht böse ist, sondern sehr oft das richtige ist. Frau Baranski, eine krebskranke Protagonistin, die jahrelang gegen den Krebs gekämpft hatte, zeigt das wunderbar. Und genau dies war auch der Punkt, an dem ich Sebastian Niedlich komplett verfallen war.

Der Schreibstil ist herrlich leicht und zart - passend zum niedlichen Tod (der in der Story jedoch kein Skelett ist) auf dem Cover und den Schmetterlingen, die er einfängt. Nicht eine Zeile im Buch ist lästerlich oder unter der Gürtellinie, aber es steckt unendlich viel Weisheit und Liebe darin. Es ist schön, das Lachen beim Lesen zuzulassen und mit Martin zu lernen, den Tod so zu nehmen, wie er ist.

Der Leser darf Martin von seiner Kindheit in den Siebzigern bis zu seinem 34. Lebensjahr begleiten. Auch wenn man irgendwann meint, die Gags und Wortwitze jetzt alle zu kennen und vorhersagen zu können, fallen Sebastian Niedlich immer wieder neue davon ein. Es ist köstlich!

Aber ich habe nicht nur viel gelacht, ich habe auch sehr oft heftiges Kopfnicken bekommen. Sei es nun die Stelle, an der Martin sich darüber ärgert, dass der Pfarrer seiner Großmutter immer wieder einen falschen Vornamen anhängt, der Sinn oder Unsinn der Sportarten bei den Bundesjugendspielen oder dass die Vorstellung vom Tod der eigenen Eltern einfach unerträglich ist und man sie immer für unsterblich hält, obwohl die das nie sind - der Autor spricht mir aus der Seele, als hätte er mir immer mal wieder über die Schulter geschaut und mit mir Stationen meines Lebens erlebt.

Besonders skurril ist, dass Tod ja schon sehr, sehr alt und Martin sehr jung ist. Da entstehen öfter Situationen, die urkomisch sind. Hat Tod doch in seiner eigenen Jugend die Dinge ganz anders erlebt und waren damals die Menschen mit Mitte 30 tatsächlich schon sehr alt und hatten ihr Leben fast schon hinter sich. Auch bekommt die Definition von "Freundschaft" einen ganz anderen Sinn - besonders mitten in der Nacht in Russland auf einer Bowlingbahn, in der der Inhaber tot hinter der Theke liegt ...!

Sehr einfühlsam und doch - bitte nicht falsch verstehen! - mit seinem einzigartigen Humor hat Sebastian Niedlich auch die Ereignisse des 11. Septembers 2001 in seinem Buch geschildert. Dafür möchte ich ihm ein besonderes Lob und einen extra Dank aussprechen. Diesen Tag werde ich wohl nie im Leben vergessen, aber seine Art, über ihn zu schreiben, ist für mich wirklich ein großer Halt, eine Stütze und eine Hilfe.

Kurz - ich hätte nie gedacht, dass ein Buch über den Tod mir so gut tun könnte. Ich bin komplett begeistert und hoffe, dass noch viel mehr von diesem Autor auf dem Buchmarkt zu finden sein wird.

Ich habe das Glück, dass ich eine Printausgabe geschenkt bekommen habe. Wie auch immer das gegangen sein mag, denn sie kommt offiziell erst in drei Monaten auf den Markt. Ich wünsche mir, dem Autor und den geneigten Lesern, dass "Der Tod, der Hase, die Unsinkbare und ich" auch bald als Printversion zu bekommen sein wird. Manche Bücher muss man einfach im Regal stehen haben und nicht als schnöde Datei auf dem eBook-Reader liegen haben!

Von mir fünf glänzende Sterne und die Bitte, ganz schnell noch viel mehr davon, Herr Niedlich!