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Veröffentlicht am 10.03.2020

Einzigartig, neuartig und berührend, ein Jahreshighlight!

Lincoln im Bardo
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Auf George Saunders wurde ich durch Fuchs 8 aufmerksam, dass mir sehr gefallen hatte. Da ich mir eh vorgenommen hatte mal meine Komfortzone zu verlassen und mich in anderen Genre umzuschauen, kam das ...

Auf George Saunders wurde ich durch Fuchs 8 aufmerksam, dass mir sehr gefallen hatte. Da ich mir eh vorgenommen hatte mal meine Komfortzone zu verlassen und mich in anderen Genre umzuschauen, kam das Buch wie gerufen. Wobei so ganz ohne phantastisches Element ist dieses Buch ja auch nicht, immerhin kommen hier mehr Tote, als Lebende zu Wort.

Eine Kakophonie aus Hunderte von Stimmen
Wie auch schon in seiner fuchsigen Kurzgeschichte, beschreitet George Saunders völlig neue Wege was die Art des Erzählens betrifft. Der Großteil des Buches ist in einer Art "Dialog" geschrieben, in den die Geister des Oak Hill Cemetery das Geschehen kommentieren. Wer gerade spricht, erfährt man durch einen Vermerk. Ich setzte Dialog in Anführungszeichen, da die Geister nicht zwangsläufig ein Gespräch miteinander führen. Vielmehr hat man den Eindruck, man würde in einem riesigen Raum voller Leute stehen und alle rufen einem gleichzeitig ihre Meinung zu.
Das mag im ersten Moment verwirren, doch mit der Zeit entfaltet sich ein vielstimmiger und interessanter Chor, denn all diese Geister hängen im Bardo fest und haben alle ihre eigene Geschichte. Das Bardo stammt aus dem Tibetischen Buddhismus, bei Saunders ist es eine Art Zwischenreich zwischen dem Tod und dem, was auch immer danach kommt. Menschen, die sich ihren eigenen Tod nicht eingestehen, oder sonst wie das Bedürfnis haben noch etwas zu erledigen, hängen hier fest. Dabei spiegelt sich ihre Lebensweise in ihrem Aussehen und Verhalten wider. Ein Jäger z. B. der sein Leben lang Tiere zum Spaß an der Jagd getötet hat muss nun mit jedem einzelnen getöteten Tier Freundschaft schließen. Hans Vollmann, einer der drei Geister, die die Geschichte maßgeblich erzählen, starb, als er sich gerade darauf freute endlich die Ehe mit seiner geliebten Frau zu vollziehen und läuft nun mit einem gewaltigen Ständer herum. An diesen Stellen beweist der Autor einen makabere, witzigen Sinn für Humor.

All diese Geister verbindet eines: Das Gefühl, noch nicht gehen zu können. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie das Leben selbst und Saunders gibt sich sichtlich Mühe ein breites Spektrum an Menschen zu Wort kommen zu lassen. Nach eigenen Angaben kommen in seinem Buch 166 Geister vor. Er bildet damit einen Querschnitt durch die amerikanische Gesellschaft des 19. Jh. ab. Vom Säufer bis zum Kaufmann, Sklaven, wie Sklavenhalter, einfache Bauern und Junggesellen, Mütter, Priester und noch viele mehr, so gut wie jeder hat eine Stimme und auch wenn die meisten kaum eine Seite lang von sich selbst erzählten, berührten mich viele Schicksale.

Historische (Un)genauigkeiten
Doch die zahlreichen Geisterstimmen sind nicht das einzige Besondere an diesem Buch. Zusätzlich hat der Autor Kapitel mit Zitaten und Anekdoten aus historischen Quellen hinzugefügt und nimmt so ganz nebenbei die Subjektivität ebenjener aufs Korn. So führt er zwölf Quellen auf, die den Mond am Abend eines Festes im weißen Haus beschreiben. Je nach Quelle ist Vollmond, Sichelmond oder Neumond und er leuchtet weiß, gelb, blau, grün oder rot. Amüsanter kann man nicht verdeutlichen, das solche Berichte stets von Vergesslichkeit und persönlichen Intentionen des Erzählers getrübt sind. Herr Saunders legt sogar zu diesem Aberwitz noch einen drauf, indem er manche seiner Quellen (aber nicht alle!) frei erfunden hat.

Eine Geschichte vom Tod und dem Leben
Wahrscheinlich klingt das Alles, so wie ich es jetzt erzähle ziemlich chaotisch und eigentlich ist es das auch, aber uneigentlich hatte ich beim Lesen nie das Gefühl, dass der rote Faden fehlt. Dieser findet sich nämlich in zwei zentralen Themen: Präsident Lincoln und der Tod, die letztendlich beide aber gar nicht so deutlich voneinander zu trennen sind. Die historischen Quellen vermitteln das Bild des Präsidenten, wie ihn seine Zeitgenossen kannten, wir als Leser bekommen aber ein anderes Bild des Staatsmannes, nämlich nicht das des stolzen 16. Präsidenten, sondern vielmehr das, eines trauernden Vaters. Eines Vaters, der nicht Abschied nehmen kann und will von seinem heiß geliebten Sohn, dessen tief gehende Trauer nicht nur die Herzen der Geister von Oak Hill erweicht, sondern auch dem Leser nahe geht. Gleichzeitig ist dies keine reine Erzählung voller Trauer und Schatten, nein es findet sich auch Liebe, Licht und vor allem etwas Lebensbejahendes in dem Roman, sodass man das Buch am Ende mit einem guten Gefühl zuschlägt.

Fazit:


In einem neuem Erzählkonzept verarbeitet Saunders die Trauer der Zurückgeblieben ebenso, wie die unerfüllten Träume der Toten und füllt das ganze auch noch mit historischen Anekdoten an. Was auf den ersten Blick wie ein heilloses Chaos anmutet, entpuppt sich beim weiteren Lesen durch den roten Faden: Leben, Trauer, Tod, als grandiose Erzählkunst, die tief berührt. Schon jetzt ein Jahreshighlight!

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Als Hätte American McGee ein Buch geschrieben

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Dieses Buch lag eines Tages überraschenderweise in meinem Briefkasten. Und wisst ihr was? Ich liebe Überraschungen, umso mehr, wenn sich das unverhoffte Buch, dann auch noch als richtig gut entpuppt.

Als ...

Dieses Buch lag eines Tages überraschenderweise in meinem Briefkasten. Und wisst ihr was? Ich liebe Überraschungen, umso mehr, wenn sich das unverhoffte Buch, dann auch noch als richtig gut entpuppt.

Als Hätte American McGee ein Buch geschrieben
Mit Die Chroniken von Alice räumt Autorin Christina Henry auf mit den zuckersüßen kunterbunte Welt Wunderland. Statt Abenteuer und herzlicher Schrulligkeit gibt es Blut, Gewalt und Wahnsinn.
Die Idee die Vorlage von Lewis Carroll ins Düstere abdriften zu lassen, ist bei weitem nichts Neues, dennoch übt es weiterhin einen unwiderstehlichen Reiz aus.

Der Anfang dieses Buches erinnerte mich stark an American McGee's Meisterwerk Alice: Madness Returns in beiden Fällen beginnt die Geschichte damit, dass Alice in einem Irrenhaus eingesperrt ist. Danach entfaltet sich aber glücklicherweise Henrys Geschichte ganz individuell. Dennoch, der Grundton ist bei beiden derselbe und wer Spaß daran hatte in Madness Returns das albtraumhafte Wunderland zu erkunden, dem werden die Chroniken von Alice mit Sicherheit auch gefallen.
Das finstere Wunderland zeiht aber auch jene, die das Spiel nicht kennen schnell ins einen Bann. Wir treffen bekannte Charaktere, wie die Grinsekatze, das Kaninchen, Zimmermann und Walross oder die Raupe, allerdings bis ins Groteske verdreht. Ich fand es hervorragend, wie die Autorin die bekannten Elemente nutzt, um die tiefsten Abgründe der Menschen aufzuzeigen. Dieses Buch ist sicher nichts für schwache Nerven, aber gerade deswegen auch so gut.

Der Showdown, der kein Showdown ist
Für die volle Punktzahl hat es aber dann leider doch nicht ganz gereicht. Das lag in erster Linie daran, dass mir vieles für Alice und Hatcher zu leicht ging. Sie stoßen auf unglaubliche Grausamkeit und treffen allerhand gruslige Charaktere doch alle Schwierigkeiten, werden entweder ohne großen Kraftakt überwunden, oder der "Böse" rückt, das, was sie haben wollen, einfach von sich aus raus. Auch die Begegnung mit dem Kaninchen, auf die das ganze Buch hinausarbeitet stellte sich im Nachhinein als wenig spektakulär raus, ebenso der finale Showdown, der diesen Namen letztendlich gar nicht verdient, ging er doch nicht mal 2 Seiten lang. Hier wurde leider viel Potenzial verschenkt.

Fazit:


Die Chroniken von Alice: Finsternis im Wunderland nimmt seinen Titel wortwörtlich. Ein düsteres und brutaleres Wunderland hat man zuvor noch nicht gesehen. Hinter jede Ecke wartet das Groteske, warten Abgründe und Schrecken und ziehen den Leser in ihren Bann. Trotz dieser immerwährenden Gefahr, wird es den Protagonisten aber zu leicht gemacht. Das ist aber nur ein kleines Manko z einem ansonsten großartigen Buch.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Ein Buch, das polarisiert und provoziert

Schwarzer Leopard, roter Wolf
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Ich muss zugeben, vor dieser Rezension habe ich mich gedrückt, denn ich habe das Buch abgebrochen. Ich habe es wirklich versucht, das Buch begonnen, zur Seite gelegt, es wieder begonnen, es etwas weiter ...

Ich muss zugeben, vor dieser Rezension habe ich mich gedrückt, denn ich habe das Buch abgebrochen. Ich habe es wirklich versucht, das Buch begonnen, zur Seite gelegt, es wieder begonnen, es etwas weiter geschafft und wieder zur Seite gelegt. Letztendlich bin ich ca. 300 Seiten weit gekommen, bevor ich das Handtuch warf, warum, das möchte ich euch nun erzählen.

Eine Sprache zwischen Poesie und Vulgarität
Dieses Buch ist anders. Das wird dem Leser bereits auf der ersten Seite klar. Wir befinden uns in einer Gefängniszelle und Sucher erzähl dem Inquisitor von seinem Leben. Dabei spricht er den Priester bez. den Leser direkt an. Ein Punkt, den ich interessant fand, denn es fesselte sofort meine Aufmerksamkeit, gleichzeitig fühlt man sich unbehaglich, denn Sucher wird schnell deutlich, dass der Inquisitor in dessen Haut der Leser sich quasi befindet, alles andere als ein guter Mensch ist. Dieses Wechselbad der Gefühle gleich zu Beginn fand ich zunächst sehr interessant.

Gleichzeitig wird ein zweiter Punkt bereits hier deutlich: Marlon james nimmt kein Blatt vor den Mund, also so gar nicht. Die Sprache ist ein seltsamer Kontrast zwischen fast schon poetisch anmutenden Wortbildern und Ausdrücken, die man selbst wohlwollend nur als derb und vulgär bezeichnen kann. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in der Handlung wieder. Auf der einen Seite schildert der Autor tatsächlich ein fantastisches, archaisches Afrika, auf der anderen Seite ist die Handlung durchzogen von unaussprechlichen Gewalttaten, die expliziter geschildert werden, als es in meinen Augen nötig wäre. Der Autor versucht offenbar bewusst zu provozieren, was ihm ohne Frage gelingt.

Eine Handlung wie ein Drogenrausch
Der Stil ist also, naja nennen wir es mal eigenwillig, doch die Handlung ist noch undurchsichtiger. Ich bin das Eintauchen in völlig fremde Welten gewohnt udn fidne mich normalerweise schnell zurecht, doch bei diesem Buch hatte ich Probleme. Ich kam mir beim Lesen vor, als wäre ich auf einem Trip. Charaktere kommen und gehen in Sekunden, es werden Geschichten, in Geschichten, in Geschichten verpackt, erzählt und die meiste Zeit verstand ich ehrlich gesagt nur Bahnhof. Ich weiß nicht, ob ich schlicht zu doof bin, dieses Buch zu erstehen, aber für mich machte es an vielen Stellen kaum Sinn. Ich sah einfach nicht wo das Alles hinführen sollte, was der rote Faden ist und das störte mich mit zunehmender Seitenzahl immer mehr und war letztendlich der ausschlaggebende Grund, das Buch dann noch endgültig zur Seite zu legen.

Diverse Charaktere
Doch ich will nicht nur kritisieren, denn das Buch hat auch ganz gute Ansätze. Die diversen Charaktere zum Beispiel. Wir haben sowohl homosexuelle, als auch bisexuelle Charaktere. Auch die intensive Auseinandersetzung mit der Macht die durch sexuelle Handlungen ausgeübt wird, fand ich nicht schlecht (wobei ich mich dennoch frage, ob dafür jede Szene wirklich nötig gewesen wäre) und auch die zahlreichen Fantasiewesen, die Hexen und Gestaltwandler und Naturgeister, fand ich gut gelungen.

Fazit:


Dieses Buch erscheint nicht umsonst bei Heyne HARDCORE. Schwarzer Leopard, Roter Wolf polarisiert und provoziert ganz gezielt. Mit Tabuthemen wird auf die harte Tour gebrochen, härter, als es öfters für nötig erscheint. Während ich mich damit noch irgendwie hätte arrangieren können, war es der psychedelische, undurchsichtige Handlungsverlauf, der mich zwang, das Buch nach ca. 300 Seiten abzubrechen. Das Buch hebt sich definitiv von der Masse ab, der Verlag hat also ein Ziel, kein Mainstrem zu verlegen eindeutig erreicht, mein Fall, war es aber leider nicht.

Veröffentlicht am 25.02.2020

Fernöstlicher Flair mit Schwächen

Im Zeichen der Mohnblume - Die Schamanin
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Auf Im Zeichen der Mohnblume habe ich mich gleich gefreut, als ich es entdeckt hatte. Ich bin ja für den asiatischen Kulturkreis ohnehin immer zu haben, dass es sich hier bei auch noch um eine Autorin ...

Auf Im Zeichen der Mohnblume habe ich mich gleich gefreut, als ich es entdeckt hatte. Ich bin ja für den asiatischen Kulturkreis ohnehin immer zu haben, dass es sich hier bei auch noch um eine Autorin mit chinesischen Wurzeln handelt, machte es für mich doppelt interessant.

Fernöstlicher Flair
In Im Zeichen der Mohnblume entführt und die Autorin in das Kaiserreich Nikan. Bildmalerisch und einprägsam schildert sie ein Land zwischen Bauernhütten und prächtigen Pagodenpalästen, zwischen Ehre und Opiumsucht. Mit jeder einzelnen Seite wird deutlich, dass sich die Autorin intensiv mit dem chinesischen Reich beschäftigt hat und schafft es meisterlich den Leser nach Fernost zu entführen. Wer sich dann auch noch ein bischen mit ostasiatischer Geschichte auskennt, wird bald Parallelen entdecken, denn während Nikan an das chinesische Kaiserreich zum ende des 19. Jh. angelehnt ist, entspricht dessen verfeindeter Nachbar Mugen deutlich dem damaligen Japan. Auch die ganze Auseinandersetzung trägt deutlich Züge des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges von 1894/95, aber auch Spuren der Opiumkriege sind zu entdecken, denn auch Großbritannien als westliche Großmacht, findet in Hesperia seine Entsprechung.
Insgesamt hat mir diese Fanatsywelt nach historischem Vorbild außerordentlich gut gefallen und keine Angst, auch wer sich noch nie mit diesen kriegen beschäftigt hat, wird nichts verpassen, da im Roman alles in sich geschlossen ist und erklärt wird.


Zwei Hälften, die nicht so ganz zusammen passen wollen
Die Kulisse stimmt also schon mal und in der ersten Hälfte des Buches war ich auch richtig begeister. Rin erkämpft sich ihren Weg gegen Vorurteile und Unterschätzung. Dieser Teil des Buches hatte deutliche Züge, des bekannten "Protagonist muss ich an magischer Eliteschule beweisen" Schema, das mach die Geschichte aber nicht weniger spannend und mitreißend. Ich habe Rin gerne begleitet und hatte meinen Spaß.

Doch dann bricht der Krieg aus und nicht nur für Rin ändert sich alles. Der gesamte Tenor des Buches ändert sich radikal, wir von null auf hundert äußerst brutal und düster. Damit hätte ich prinzipiell kein Problem (wobei manche Gewaltakte schon eine bessere Reflexion verdient hätten), was mich aber viel mehr störte war, dass es trotz des Krieges nicht so recht weiter ging. Das Buch wurde zäh und hielt sich an Belanglosigkeiten auf, was den Lesefluss deutlich hemmte. Auch mit der ganzen Göttersache wurde ich nicht ganz warm, da sie auf mich doch sehr psychedelisch und mitunter abstrus wirkte.

Des Weiteren fing ich in der zweiten Hälfte an Probleme mit Rin zu entwickeln. Ich fand viele ihrer Entscheidungen fragwürdig und während ich es in der ersten Hälfte noch auf mangelnde Erfahrung schob, fehlte mir in der zweiten Hälfte die Charakterentwicklung. Als klassische Fantasyheldin sind ihre Entscheidungen moralisch zu bedenklich, als Antiheldin geht sie aber auch nicht wirklich durch, denn Antihelden leben von dem moralischen Konflikt. Selbst wenn sie falsche Entscheidungen treffen, werden sie auf irgendeiner weise mit den Konsequenzen, konfrontiert. Diese Auseinandersetzung fehlte mir hier.

Fazit:


Hätte ich halbe Sterne, wäre es eine 3,5 geworden. Die Idee, die Atmosphäre und das Worldbuilding nach historischem Vorbild sind großartig und die erste Hälfte war auch richtig gut. In der zweiten lässt es aber deutlich nach, wird zäh und verwirrend und die Protagonistin bleibt ohne Entwicklung. Ich werde die Reihe weiter verfolgen, hoffe aber sehr auf Besserung im zweiten Band.

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Veröffentlicht am 14.02.2020

Ein Pageturner

54 Minuten
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Bei diesem Buch wusste ich lange nicht, wie ich es bewerten soll. Das geht so weit, dass sogar in nächster Zeit noch ein eigener Blogbeitrag dazu erscheinen wird, denn mein Dilemma ist noch nicht ganz ...

Bei diesem Buch wusste ich lange nicht, wie ich es bewerten soll. Das geht so weit, dass sogar in nächster Zeit noch ein eigener Blogbeitrag dazu erscheinen wird, denn mein Dilemma ist noch nicht ganz gelöst.

Ein Amoklauf, vier Perspektiven...
Aber zurück zum Buch. 54 Minuten heißt es, denn genau so lange dauert der Amoklauf an Thomas, Autums, Sylvs und Claires Highschool. 54 Minuten in denen Tyler auf seine Mitschüler und Lehrer schießt und alle Vier, aus deren Perspektiven dieses Buch geschrieben ist, haben eine Verbindung zu ihm (Eine genaue und toll gemachte Figurenkonstellation findet ihr bei Melanie liest, der Link seht unten). Am Anfang kam ich mit diesen Beziehungen etwas durcheinander, wusste nicht mehr wer nun die Schwester von wem war, aber nach einer Weile hat man sich eingefuchst.

Das Buch startet zum Glück unmittelbar vor Beginn des Amoklaufs, welcher dann auch ziemlich schnell beginnt. Dadurch wird von Anfang an ein hohes Spannungslevel angesetzt und für mich hat sich dieses, trotz so einiger Rückblicke in die Vergangenheit der Charaktere, nicht wieder gesenkt. Das Buch war für mich ein echter Pageturner, ich wollte unbedingt wissen, wie es weiter geht und las das Buch in einem Rutsch durch. Lediglich Clairs Perspektive fand ich nicht so spannend, da sie sich mit Beginn des Amoklaufs außerhalb des Schulgebäudes aufhält und daher zu den Ereignissen drinnen nicht viel beizutragen hatte.

...nur Eine fehlt
Ich habe das Buch also gerne gelesen, warum dann mein Dilemma? Nun, hauptsächlich, weil eine entscheidende Perspektive fehlt: Die des Täters. Wir lernen Tyler nur durch die Erinnerungen der anderen Charaktere kennen. Wir erfahren, dass er Probleme hatte, dass er gemobbt wurde, doch nichts davon kristallisiert sich als echtes Motiv heraus. Stattdessen scheint er einfach böse zu sein. Eine fatale Beschreibung eines Amokläufers, suggeriert es doch, dass manche Menschen eben böse sind und man Amokläufe daher kaum verhindern kann. Die anderen Charaktere fragen sich auch weniger, wie hätten die Tyler frühzeitig helfen können, sondern stattdessen warum haben sie das Böse in ihm nicht gesehen?

Die entscheiden Frage ist also nun, darf ich ein Buch, dass die Hintergründe eines sensiblen Themas wie den Amoklauf fraglich beschreibt unterhaltsam finden? Was sagt das über mich aus und was über das Buch? Darf ich ein solches Buch gut bewerten, weil ich es spannend fand? Das sind Fragen, die mich nun umtreiben und auf die ich noch keine pauschale Antwort habe und die ich demnächst mit euch diskutieren möchte. Im Falle von 54 Minuten habe ich mich letztendlich doch für eine positive Bewertung entschieden, allerdings eben, wie ihr im Fazit lesen könnt, nicht ohne Vorbehalte.

Fazit:


Als Schullektüre zum Thema Amoklauf ist dieses Buch völlig ungeeignet, da die entscheidende Perspektive des Täters und dessen Beweggründe fehlen. Allerdings war es für mich wahnsinnig spannend und ich habe es gerne und in einen Rutsch durchgelesen. Und wenn auch nur ein Mensch, ausgelöst durch diese spannende Lektüre doch damit anfängt, mehr über Hintergründe und die Verhinderung von Amokläufen nachzudenken, ist ja auch schon was getan.