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Veröffentlicht am 19.04.2022

Ich hasse es, ich liebe es!

Ich bin Harrow
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Ich bin Gideon war ein Buch, mit dem ich zwar einen holprigen Start hatte, dessen Sogwirkung ich mich schlussendlich aber nicht entziehen konnte und das mich dann doch noch ziemlich begeistern konnte. ...

Ich bin Gideon war ein Buch, mit dem ich zwar einen holprigen Start hatte, dessen Sogwirkung ich mich schlussendlich aber nicht entziehen konnte und das mich dann doch noch ziemlich begeistern konnte. Umso neugieriger war ich daher auf den zweiten Band der Reihe und dachte dieses Mal sollte ich, da ich ja nun schon ein Band, gelesen hatte, mich besser in der Welt zurechtfinden. Doch bei allen guten Geistern, nichts und niemand hätte mich auf diesen zweiten Band vorbereiten können.

Es lebe das Chaos, es lebe das Genie
Wenn man sich bisherige Rezensionen zu Ich bin Harrow anschaut, findet man doch mehrere sehr enttäuschte Stimmen, die das Buch zu verwirrend, zu chaotisch, zu ansprechend fanden. Ich könnte jetzt an dieser Stelle versuchen diese Argumente zu zerstreuen und sagen, dass alles nur übertrieben und es in Wirklichkeit nur halb so schlimm wäre, aber das kann ich nicht. Denn ich bin ehrlich zu euch und so muss auch ich sagen, dass mir dieses Buch so einiges abverlangt hat. Es hat mich mehrere Anläufe gekostet und letztendlich brauchte ich ganze 17 Tage, um es durchzulesen (die vorherigen Versuche nicht mitgerechnet). Ich bin Harrow liest sich nicht leicht, ja manchmal hat man sogar das Gefühl, die Autorin will es bewusst uns Leser/innen schwer machen, doch was genau macht dieses Buch zu einer Herausforderung?

Nun, es sind vor allen zwei Faktoren, die maximale Verwirrung stiften: Zum einen wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen erzählt, das ist jetzt noch nicht allzu schwierig, die gegenwärtige Zeitlinie wird jedoch über weite Strecken des Buches in der 2. Perspektive, also der Du-Perspektive erzählt. Das ist tatsächlich erstmal etwas gewöhnungsbedürftig, macht aber im Verlauf der Handlung immer mehr Sinn und zumindest ich kam nach einer Eingewöhnungsphase relativ gut damit klar. Für viel mehr Fragezeichen hat da die Tatsache gesorgt, dass das, was wir aus Band eins zu kennen glauben, nicht das ist, woran Harrow sich erinnert. An dieser Stelle empfehle ich allen Leser/innen einfach zu akzeptieren, dass Harrow sich an eine andere Version erinnert. Die Antworten kommen dann irgendwann schon von ganz allein.

Man muss also als Leser/in an den Punkt gelangen, an dem man akzeptiert: Scio me nihil scire (Ich weiß, dass ich nichts weiß). Ist man gedanklich dort angelangt, wird alles leichter, versprochen und es entfaltet sich eine immer noch sehr komplexe, aber auch wahnsinnig kreative und innovative Story. Es fällt mir an dieser Stelle nicht schwer, das Wort Genialität in den Mund zu nehmen.

Harrow the Ninth
Was ebenfalls anders, als beim Vorgänger ist, ist die Protagonistin. Statt Gideon begleiten wir nun Harrow und ich gestehe, dass ich mir vor dem Lesen Sorgen machte, ob das für mich funktionieren würde, da ich Gideon absolut großartig fand, Harrow in Band eins jedoch nicht ganz so leiden konnte. Glücklicherweise schafft es Muir uns Harrow in diesen Nachfolger verständlicher zu machen. Der Roman nimmt sich sehr viel Zeit für Harrows Gefühls- und Gedankenwelt, bei der oft auch Illusion und Wahn eine Rolle spielen, sodass das Buch auf langen Strecken wie ein Psychothriller daherkommt. Das mag für manche langatmig sein, für mich war es aber genau das, was ich gebraucht habe, um Harrow nun ebenfalls ins Herz zu schließen.

Das Gefühl einen Psychothriller vor sich zu haben wird auch dadurch verstärkt, dass die Figurenkonstellation in diesem Nachfolger im Vergleich zu Ich bin Gideon deutlich reduziert ist. Der Schauplatz ist ähnlich isoliert wie Haus Caanan, doch mit weitaus weniger Geheimnissen und Mystik, sodass die Handlung dieses Mal vor allem von den Interaktionen des kleinen Figurenkreises getragen wird. Man muss sowas schon mögen, aber in meinen Augen gestaltet Tamsyn Muir ihre Charaktere alle so einzigartig und auch exzentrisch, dass es gut funktioniert und mir war tatsächlich auf 704 Seiten nicht langweilig. Im letzten Drittel belohnt die Autorin unser Durchhaltevermögen dann mit ein paar Antworten. Einiges hatte ich im Verlauf der Handlung schon erraten, anderes waren wirklich gelungene Twists und das Ende wirft einen dann wieder in eine völlig andere Situation, sodass ich schon jetzt den dritten Band kaum erwarten kann.

Fazit:


Während des Lesens habe ich dieses Buch in Gedanken gerne mit einem garstigen Biest verglichen. Es schnappt und wert sich gelesen zu werden und man muss regelrecht mit ihm einen Kampf ausfechten. Aber Himmel, Arsch und Zwirn (diesen Ausdruck würde Gideon lieben), es lohnt sich diesen Kampf aufzunehmen, denn wer das Biest bezwingt, wird mit einem fantastischen Serienuniversum belohnt, das vor kreativen Ideen nur so strotzt, bekommt eine absolut unvorhersehbare Handlung mit genialen Twists und Charaktere, die sich nie in die Karten schauen lassen. Ich bin Harrow ist keine leichte Kost, doch einmal in seinen Sog geraten, lässt es einen nicht mehr los.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien

Mythen der Antike: Ödipus (Graphic Novel)
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Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: ...

Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: Die muss ich lesen! Da schon einige Bände erschienen sind und die Reihenfolge, da es sich um abgeschlossene Geschichten handelt, beliebig ist, hatte ich die Qual der Wahl. Ich entschied mich mit Oedipus zu starten, da dies tatsächlich ein Mythos ist, mit dem ich weniger vertraut bin und von dem ich nur die groben Grundzüge kannte. Daher war ich super gespannt auf diese grafische Umsetzung.

Eine durchweg runde Sache
Bei einer Graphic Novel wandert das Augenmerk natürlich zuerst auf den Zeichenstil. Die Reihe wird von wechselnden Künstlern illustriert. Im vorliegenden Band ist Diego Oddi der Hauptverantwortliche. Was auffällt ist die starke Strichführung, die gerade in den Umrissen deutlich wird und ein Fokus auf Gesichter und Mimik. Der Stil wirkt klar und realitätsnah, was ihn in meinen Augen auch sehr Comiceinsteiger freundlich macht, mehr, als beispielsweise ein abstrakterer Stil. Diese Einsteigerfreundlichkeit wird noch durch eine sehr strukturiert und “aufgeräumt” wirkende Panelanordnung verstärkt. Man kann der Geschichte leicht folgen, auch wenn man bisher noch nicht so viele Berührungspunkte mit Comics oder Graphic Novels hatte.
Neben der gelungenen grafischen Adaption bietet sich aber auch die Geschichte selbst sehr gut für den Einstieg in die Comic-, aber auch Mythenwelt an, denn wir begleiten den Oedipus von seiner Geburt, bis zum Tod, es gibt also einen klaren roten Faden, der sich ebenso wie den Bildern leicht folgen lässt auch ohne vorhandenes Mythologiewissen. Lediglich ganz am Ende könnten völlig Mythologie Unerfahrene etwas ins Rätseln kommen, wenn der Auftritt der Erinnyen, ohne wirkliche Erklärung ihrer Rolle in der griechischen Sagenwelt erfolgt.

Hier lernen selbst Mythologie Erfahrene noch was
Nun muss sich natürlich auch diese Mythologie Adaption meinen “Pingeligkeits-Test” stellen, hat aber eigentlich nichts zu befürchten. Zu meiner größten Zufriedenheit hält sich die Graphic Novel nah an den Quellen, in diesen Fall, bis auf das Ende, sehr nah an Sophokles Tragödie König Oedipus und dem Drama Oedipus auf Kolonos. Der/Die Leser/in bekommt hier also eine recht originalgetreue Version verständlich geliefert, ein Aspekt, der mir bei einer solchen Reihe, die den Anspruch hat die Mythen einem breiten Publikum näherzubringen, wichtiger ist, als zum Beispiel bei einer freien Belletristik-Adaption. Das einzige, was ich bemängeln kann, ist die bereits bei der Coverbesprechung erwähnten Begegnung mit der Sphinx auf der Stadtmauer, aber so pingelig dafür einen Punkt abzuziehen, bin dann selbst ich nicht.

Die Graphic Novel kann also durchweg überzeugen, aber das ist ja noch nicht alles. Am Ende findet sich nämlich noch ein von Luc Ferry verfasster Ergänzungsteil. Dieser setzt sich vor allem mit der Wiederlegung der psychoanalytischen Interpretation, zugunsten einer kosmologischen Deutung des Mythos auseinander. Klingt ziemlich wissenschaftlich? Ist es tatsächlich auch. Dieser kurze Aufsatz könnte in meinen Augen problemlos auch in Fachzeitschriften abgedruckt werden. Das kann man nun mögen oder nicht. Mir hat es eigentlich gefallen, ich hätte aber gerne noch eine breitere Analyse des Oedipus Mythos und vor allen seiner Bedeutung für die Nachwelt gesehen. Eine Auseinandersetzung mit der Interpretation der Sphinxszene als Darstellung der Überlegenheit des vernunftbegabten Mannes über “das Rätsel Weib” im Symbolismus des 19. Jahrhundert wäre zum Beispiel interessant gewesen, aber gut man kann ja nicht alles haben, deshalb werde ich auch dafür keinen Punk abziehen.

Fazit:


Diese Oedipus Adaption aus der Mythen der Antike Reihe überzeugt als einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien. Strukturiert, nah an den überlieferten Quellen erzählt und grafisch ansprechend auf den Punkt gebracht, bietet es den idealen Einstieg für eine Auseinandersetzung mit König Oedipus als klassische tragische Figur in den Fängen des Schicksals. Die drei erwähnten kleineren kritischen Anmerkungen reichen in diesem Fall nicht aus, um dafür einen ganzen Punkt abzuziehen.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Wir sind alle der Bösewicht in irgendjemandes Geschichte

Vicious - Das Böse in uns
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Ich bin ja eigentlich nicht so der Superhelden Fan, aber dieser Ansatz der “Umkehrung” von Held und Bösewicht fand ich interessant genug, um das Buch lesen zu wollen.

Vergangenheit und Gegenwart
Ich ...

Ich bin ja eigentlich nicht so der Superhelden Fan, aber dieser Ansatz der “Umkehrung” von Held und Bösewicht fand ich interessant genug, um das Buch lesen zu wollen.

Vergangenheit und Gegenwart
Ich las als neugierig drauf los. Die Geschichte wird von Anfang an auf zwei Zeitebenen erzählt, zum einen die Vergangenheit, genauer gesagt 10 Jahre zuvor und zum anderen die Gegenwart. An jedem Kapitelbeginn steht in welcher Zeitebene wir uns gerade befinden, jedoch muss man bei den Gegenwartskapiteln ein bisschen genauer hinschauen, da auch diese Ebene mehrere Tage umfasst, wobei die Angaben aber einen bestimmten Tag als Bezugspunkt haben, was dazu führt das man am Kapitelanfang Angaben hat wie “zwei Tage zuvor” oder “Heute Morgen”. Das ist im ersten Moment tatsächlich etwas verwirrend und ich hatte zu Beginn des Buches Schwierigkeiten mich zwischen den ganzen Zeitebenen zurechtzufinden.
Dies wurde noch dadurch verstärkt, dass die Kapitel extrem kurz sind. Häufig gehen sie nur über 2-7 Seiten, über zehn Seiten geht kaum ein Kapitel hinaus. Man switcht also gerade in der ersten Hälfte des Buches quasi im Sekundentakt von einer Zeitebene zur anderen. Da kann einem schon mal der Kopf schwirren und ich gebe zu, dass ich mich an diesen Stil erst gewöhnen musste.

Wir sind alle der Bösewicht in irgendjemandes Geschichte
Hat man sich aber erstmal eingefuchst, wird man mit einer spannenden und vor allem vielschichtigen Story belohnt. Die ganz große Stärke dieses Buches ist definitiv das Spiel mit den klassischen Schemata von Gut und Böse, Held und Bösewicht. Kein einziger Charakter ist eindeutig als das eine oder andere zu benennen, alle vereinen sowohl gute, als auch schlechte Eigenschaften in sich, wobei ich persönlich schon zugeben muss Victor über Eli deutlich zu favorisieren, was vor allem daran lag, dass Victor sich völlig im Klaren ist, dass er moralisch bedenklich handelt (es stört ihn bloß nicht) während Eli sich für einen waschechten Helden hält, aber eben auch in Wahrheit nicht besser ist. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, objektiv lässt sich sagen, dass beide Charaktere wirklich sehr, sehr gut ausgearbeitet sind. Man bekommt als Leser/in einen tiefgreifenden Blick in ihre Denkweise, ihre Wünsche, Ziele und Motivationen inklusive aller Abgründe, die darin liegen. Es hat schon fast eine Tragik dabei zuzusehen, wie Ehrgeiz, Rivalität und der Wille etwas Unvergessliches zu erschaffen, die Beiden gleichermaßen in den Abgrund ziehen, aber genau das macht das Buch gleichzeitig auch so fesselnd.
Es bekommt der Geschichte gut, dass die Autorin ihren Fokus auf nur eine handvoll Charaktere setzt, diese aber ausführlich und glaubhaft ausarbeitet. Natürlich geschieht das bei Protagonisten immer im größeren Ausmaß, las bei Nebencharakteren, das ist hier nicht anders, trotzdem haben manche Nebencharaktere aus Vicious mehr Tiefe, als manch anderer Protagonist aus anderen Büchern und das hat mir mehr gut gefallen.

Auch was die Spannung angeht, konnte ich fast nicht klagen. Trotz der vielen, vielen Rückblicke blieb für mich die Spannung meistens hoch. In dieser Hinsicht waren die kurzen Kapitel wohl sogar förderlich, denn dadurch, dass Geheimnisse und häppchenweise gelüftet wurden, war man immer neugierig auf mehr, auf das große Ganze, dass sich nur Stück für Stück entfaltet. Kurz nach der Hälfte gab es für mich einen kleineren Einbruch. Es wirkte, als hätte die Autorin ihre Figuren bereits für das Finale positioniert und musste jetzt noch ein bisschen Zeit tot schlagen. Im letzten Drittel zieht das Tempo dann aber nochmal ordentlich an und gipfelte in einem gut gelungen Showdown am Ende, dessen Ausgang ihr natürlich selbst herausfinden müsst.

Fazit:


Vicious: Das Böse in uns überzeugt mit einem kreativen Spiel von Superheldenklischees, Moralvorstellungen und dem Gut und Böse Schema. Tiefgründige Charaktere und ein zumeist guter Spannungsbogen fesseln den/die Leser/in. Lediglich für einen holprigen Start und einen kleinen Hänger würde ich je einen halben Punkt abziehen.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Kein Highlight, aber solide YA-Fantasy für Zwischendurch.

Rabenprinz
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Jugendbücher und ich, das ist ja mittlerweile so eine Sache. Ein bisschen eine Hassliebe. Oft habe ich bei YA-fantasy mittlerweile das Gefühl, dass mich entweder das Geschilderte kaum noch anspricht, mir ...

Jugendbücher und ich, das ist ja mittlerweile so eine Sache. Ein bisschen eine Hassliebe. Oft habe ich bei YA-fantasy mittlerweile das Gefühl, dass mich entweder das Geschilderte kaum noch anspricht, mir die Probleme zu banal und oberflächig sind, und/oder dass ich den Plot so oder so ähnlich schon x-fach gelesen habe. Und wenn ich ehrlich und objektiv bin, trifft beides auch auf Rabenprinz zu. Trotzdem hat es mir gut gefallenen, wovon ich selbst wohl am meisten überrascht war. So richtig sagen kann ich auch gar nicht wieso weshalb warum, weshalb mir die kommende Rezension sehr schwerfällt, aber ich werde es mal trotzdem mal versuchen.

Das Mädchen und der Elfenprinz
Normalerweise fange ich ja meist mit dem Worldbuilding an, heute möchte ich aber zuerst über die Charaktere sprechen. Protagonistin Isobel war mir am Anfang sehr sympathisch. Sie wirkte pragmatisch und erwachsen, ließ sich vom Glanz der Elfen nicht einwickeln und dachte nach, bevor sie etwas tat oder sagte. Ein Teil dieser Eigenschaften behält sie auch das ganze Buch über bei, was ich zu den Gründen zählen würde, warum mir das Buch letztendlich doch gefiel. Ganz besonders ihre Abneigung der Unsterblichkeit gegenüber fand ich großartig. In wie vielen Fantasybüchern wird das unsterbliche Leben als etwas Tolles und Erstrebenswertes dargestellt? Selten wird thematisiert, was Unendlichkeit wirklich bedeutet und welche negativen Aspekte ein ewiges Leben mit sich bringt, doch Isobel gibt sich in der Hinsicht keinerlei Illusionen hin und das hat mir wirklich gut gefallen.
Leider ist sie dann mit Auftauchen von Rook doch nicht gegen alle Teenie-Schwämerei gewappnet und lässt sich trotz ihrer eigentlich klugen und resoluten Art für meinen Geschmack unnötig oft zur Damsel in distress machen.

Wo wir dann auch gleich bei Rook wären. Konnte mich Isobel noch zum großen Teil überzeugen, muss ich bei ihm im Nachhinein gestehen, dass er etwas zu blass blieb. Der Grund, warum er für mich trotzdem halbwegs in der Geschichte funktionierte war eigentlich nur der, dass es der Autorin gut gelingt den Kontrast zwischen ihm und Isobel darzustellen. Aus dieser Ambivalenz zwischen dem pragmatischen Menschenmädchen und dem von der Glanz- und Glimmerwelt verwöhnten Prinzen entstanden auch die meisten humorvollen Szenen. Die Szene, bei der er durch das simple Braten eines Kaninchens über dem Feuer fast drauf geht, bleibt bis zuletzt mein Liebling. (Die Szene mag vielleicht gar nicht so witzig gemeint sein, ich fand sie aber urkomisch).

Von aufrichtiger Kunst und schummelnden Schein
Kommen wir nun doch zum Worldbuilding. Dieses hat mir nämlich in vielen Aspekten gut gefallen. Am meisten haben mich die Elfen selbst begeistert. Das Elfen, gerade auch in der originalen Folklore, eher zwieträchtige Wesen sind, ist prinzipiell nichts Neues, doch wie Rogerson diese innere Verderbtheit auch nach außen trägt und ihre Elfen unter deren Glitzer zu faulenden, verrottenden Wesen macht, fand ich genial. Der Ausdruck “der schöne Schein” bekommt ihr nochmal eine ganz andere Ausdruckskraft und die Art und Weise wie die Autorin ihre Elfen unter deren magischen Masken beschreibt war für mich ein Punkt, der das Buch fürwahr von anderen Elfenbüchern abhebt. Tatsächlich führte die Beschreibung der Elfenwelt auch dazu, dass ich das eher ruhigere Tempo der Handlung, gerade im Mittelteil, gar nicht wirklich als störend empfand. Dazu hatte ich zu viel Spaß dabei hinter den Glanz ins Antlitz des Verderbten zu blicken.

Ein weiterer positiver Punkt, den ich nun beim Schreiben doch noch benennen kann, ist wie Isobel als Malerin bez. die Malerei allgemein dargestellt wird. Ich mag Bücher, in denen Figuren ein Handwerk oder einer Kunst nachgehen und bei denen man die Liebe zu diesem Handwerk auch spürt. Man merkt auch, dass sich Rogerson mit der Malerei im Mittelalter/der frühen Neuzeit beschäftigt hat. Während Malen und Zeichnen ein im YA-Bereich sicherlich häufig anzutreffendes Hobby ist, wird selten so ausführlich auf die Maltechniken und die Farbherstellung eingegangen und diese kleinen Details waren es, die Isobel als Künstlerin für mich greifbar und vor allem glaubhaft machten.

Fazit:


Rabenprinz ist sicherlich kein perfektes Buch. Es folgt in seiner Handlung so manchem altbekannten YA-Muster und der titelgebende Rabenprinz blieb doch erstaunlich blass. Nichtsdestotrotz konnte mich die Geschichte in ihren Bann ziehen, was nicht zuletzt an der wirklich gelungenen Darstellung der Elfen, eine spürbare Liebe zur Kunst und einer, zumindest größtenteils gelungenen Protagonistin lag. Es mag keine Offenbarung oder ein Alltime-Favourite sein, bietet in meinen Augen aber kurzweilige Unterhaltung für ein paar schöne Lesestunden.

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Veröffentlicht am 18.02.2022

Sollte auch in Deuschland bekannter sein

Little Women. Beth und ihre Schwestern
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Little Women stand schon lange auf meiner Leseliste. Leider gab es bisher kaum anständige deutsche Ausgaben von dem Buch. Während Little Women im englischsprachigen Raum weit bekannt ist, haben die March ...

Little Women stand schon lange auf meiner Leseliste. Leider gab es bisher kaum anständige deutsche Ausgaben von dem Buch. Während Little Women im englischsprachigen Raum weit bekannt ist, haben die March Schwestern hierzulande bedauerlicherweise (noch) nicht ganz so viel Bekanntheit erlangt. Bisher war Alcotts Jugendroman hierzulande vor allem unter dem Titel “Betty und ihre Schwestern” verlegt worden. Ein furchtbarer Titel, wie ich finde, da ich zu einem keinen Grund sehe, warum Beth als Betty eingedeutscht werden musste, während andere typisch englische Namen wie Amy bestehen blieben und zum anderen suggeriert er, dass Beth die Hauptperson sei, was aber nicht stimmt, da alle Schwestern im Fokus stehen und nicht nur Beth/Betty.
Umso erfreuter war ich, dass dieses Jahr einige Neuauflagen des Buches erschienen sind. Ob das nun der neuen Verfilmung mit Emma Watson oder einem gesteigerten Interesse an Klassikern liegt, sei dahingestellt, die Hauptsache ist, dass Meg, Jo, Beth und Amy endlich auch bei uns die Gewandung bekommen, die sie verdient haben.

Kurz ein paar Worte zu dieser Ausgabe: Der erste Vorteil liegt ganz klar darin, hier eine Gesamtausgabe in den Händen zu halten. Little Women ist nämlich ursprünglich in zwei Teilen erschienen (Teil 1 Little Women und Teil 2 Good Wives) wurde später aber dann im englischsprachigen Raum eigentlich immer zusammen als Little Women verlegt. In der deutschen Übersetzung wird aber offenbar immer noch gerne die ursprüngliche Teilung beibehalten (so z. B. bei der ebenfalls neuen Atrium Ausgabe). Hier haben wir jedoch beide Teile vereint. Zusammen, was zusammen gehört eben. Zudem gibt es keine sinnlose Kein Eindeutschung von Namen.Natürlich gefällt mir diese Ausgabe auch deshalb so gut, weil sie einfach wunderhübsch ist. Der Umschlag ist schon hübsch, aber darunter sieht es noch viel besser aus, mit bedrucktem Einband, den zahlreichen, Illustrationen und Seiten, die optisch handgeschöpftes Papier nachempfunden und den farblich abgesetzten Briefen im Text.

Das einzige, was ich an dieser Ausgabe weniger gut finde ist, dass es zwar einen Anhang mit erklärenden Ergänzungen gibt, man im Text aber nirgends Verweise zu ihnen findet, das ist leider sehr schlecht gemacht.

Nun aber zum Inhalt. Little Women ist vor allem deshalb auf meiner Leseliste gelandet, weil es bez. die Schriftstellerin oft in einem Atemzug mit Lucy Maud Montgomery (Anne auf Green Gables) und Jean Webster (Lieber Daddy-Long_Legs) genannt wird. Sowohl Anne, als auch Daddy-Long-Legs habe ich bereits gelesen und geliebt und habe, wie so viele andere vor mir auch schon, insbesondere die für die jeweilige Zeit sehr fortschrittlichen Position im Hinblick auf Frauenrechte und die Selbstbestimmung der Frau geschätzt. Zwar sind auch Anne und Judy am Ende verheiratet, aber die Suche nach einem passenden Mann stand nie im Vordergrund, stattdessen versuchen beide Romanheldinnen vordergründig ihre beruflichen Ziele und Träume zu verwirklichen und sich ein unabhängiges Leben aufzubauen. Ähnliches erwartete ich daher auch von Little Women, was ich dabei jedoch nicht bedachte war: Das Buch ist gut 50 Jahre älter als Anne oder Daddy Long-Legs. Doch was bedeutet das genau?

Es bedeutet vor allem, dass sich die Lebenswelten der Charaktere doch noch sichtlich unterscheiden. Das häusliche Glück für die Frau spielt hier noch eine wesentlich größere Rolle und über das ganze Buch verteilt wird immer wieder betont, dass im resoluten Führen des eigenen Haushaltes und dem Dasein für die eigene Familie das größte Glück einer Frau liegt, vermischt mit starken religiösen Mahnungen und Predigen hat das Buch schon manchmal den unangenehmen Beigeschmack einer Moralapostelpredigt. Doch das ist der oberflächliche Blick. Sicherlich, vieles, was Alcott in ihrem Roman anpreist, ist aus unserer heutigen feministischen Sicht nicht mehr akzeptabel, aber ich finde es sowieso immer schwierig ein 150 Jahre altes Werk, nach heutigen feministischen Maßstäben bewerten zu wollen. Stattdessen sollten wir uns lieber vor Augen führen, was die Autorin TROTZ ihres Zeitalters bereits geleistet und “vorgedacht hat”, denn wenn man genau hinschaut lässt sich da so einiges finden.

Den meisten Leser*Innen würde da bestimmt als erstes Jo einfallen und das auch zurecht. In ihr zeigt Louisa May Alcott wie bei keinem anderen Charakter, was sie sich für die Zukunft von Frauen wünscht: Unabhängigkeit, die Freiheit auch mal wild zu sein und zu toben, die Auflockerung von Anstandsregeln und vor allem die Möglichkeit zur beruflichen Selbstbestimmung. Eine Protagonistin wie Jo, die so “jungenhaft” ist, so unkonventionell und sich gegen bestehende gesellschaftliche Normen auflehnt UND TROTZDEM ein positiv behafteter Charakter bleibt, hat es zuvor noch nie gegeben, hier zeigte Alcott klar feministische Pionierleistung und schaffte ein Vorbild für viele junge Mädchen ihrer Zeit und noch weit drüber hinaus.

Darüber hinaus lassen sich zwischen den Zeilen viele weitere moderne Denkansätze finden, so zum Beispiel der positive Einfluss von Frauen. In einer Zeit, in der der Mann das Oberhaupt der Familie und der Herr des Hauses war, war es noch schwer vorstellbar, dass seine Frau ihn positiv beeinflussen könnte. Das Bild der Femme Fatale, die Männer verführt und zum Schlechten verleitet, ja das kannte man, doch ein positiver Einfluss, nein das lief doch genau umgedreht, dachte man. Doch an Laurie zeigt Alcott subtil aber deutlich, dass es eben doch in beide Richtungen funktioniert und dass ein Mann auch, oder besser gesagt vor allem, durch den Einfluss von Frauen erst einen guten Charakter ausbildet. Das hebt die Rolle von Frauen in der Familie, von Arbeitskraft und “Seelsorgerin” auf Erziehungsfigur und das ist ebenfalls ein neuer Meilenstein, galt die Erziehung, gerade von Söhnen doch als Sache des Vaters.

Doch auch abseits großer feministischer Gedanken und Ideen lohnt sich das Buch auf jeden Fall. Zum einen überzeugte mich auch der sozialkritische Charakter des Buches, den Einfluss von Dickens, den Alcott mal als ein literarisches Vorbild nannte, lässt sich deutlich spüren und während Dickens sich doch damit begnügte den Sozialrealismus aus männlicher Perspektive zu schildern wie z.B. in Oliver Twist, führt Alcott das ganze mit weiblicher Perspektive fort (ja, ja da bin ich ja schon wieder beim Feminisms, sorry, not sorry)

Und auch wer einfach nur Unterhaltung und etwas für’s Herz sucht, kann beherzt zu Little Women greifen, denn neben alldem, was ich gerade genannt habe, ist Little Women vor allem eine Geschichte über Schwesternliebe, Freundschaft, familiärer Zusammenhalt und dem Chaos des Erwachsenwerdens und gerade bei letzterem mögen sich die Details im Laufe der Zeit geändert haben, die großen Kernfragen jedoch wie z.B. Wer bin ich? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Etc. sind noch genauso aktuell wie vor 150 Jahren und können damit auch heute noch junge Menschen ansprechen, was Little Women einfach zeitlos macht.

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