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Veröffentlicht am 10.03.2020

Ein Roman, den ich jedem ans Herz legen möchte!

Marianengraben
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Mit 11.000 Metern unter dem Meeresspiegel ist der Marianengraben die tiefste Stelle der Welt. Hier unten ist Paula emotional nach dem Tod ihres kleinen Bruders Tim angekommen. Auf dem Friedhof hat sie ...

Mit 11.000 Metern unter dem Meeresspiegel ist der Marianengraben die tiefste Stelle der Welt. Hier unten ist Paula emotional nach dem Tod ihres kleinen Bruders Tim angekommen. Auf dem Friedhof hat sie ihn seit der Beerdigung jedoch nicht mehr besucht, da es ihr nicht gefällt, dabei von anderen beobachtet zu werden. Als ihr Therapeut vorschlägt, dann eben dorthin zu gehen, wenn keiner da ist, entscheidet sie sich kurzerhand für einen nächtlichen Einbruch. Doch wider erwarten ist sie nicht allein, sondern trifft auf einen alten Herrn, der gerade eine Urne ausgräbt. Unfreiwillig trennen sich die Wege der beiden nicht gleich, und kurze Zeit später findet Paula sich mit ihm auf einen Roadtrip gen Süden wieder.

Das Cover des Buches zeigt Tentakeln, von denen sich die Protagonistin Paula in die Tiefe gezogen fühlt. Ihre Gedanken kreisen unermüdlich um ihren Bruder und dessen Tod. Für die angestrebte Promotion findet sie keine Kraft und die Gespräche mit ihrem Therapeuten helfen ihr bei der Bewältigung ihrer Depression bislang auch nicht so recht. Sie ist ganz unten im Marianengraben, aus dem sie nur langsam wieder aufsteigt, wie die Kapitelüberschriften mit der jeweiligen Meterangabe verdeutlichen.

Die Atmosphäre des Buches ist zu Beginn wehmütig und bedrückend und gab mir Einblicke in Paulas Gefühlswelt. Nach kurzer Zeit kommt es jedoch zur ersten skurrilen Szene, denn Paula begegnet nachts auf dem Friedhof Helmut beim Ausgraben einer Urne. Die beiden liefern sich einen amüsanten Schlagabtausch und verbringen aufgrund eines skurrilen Malheurs noch einige Zeit miteinander.

Eigentlich wollte Paula sich nach der Friedhofsaktion schnellstmöglich wieder in ihre Wohnung verkriechen. Doch das Gespräch mit Helmut, der selbst einige Schicksalsschläge erlitten hat, bringt sie ins Nachdenken. Er erzählt ihr von seinem Vorhaben, zu dem er fest entschlossen ist und das eine für sein hohes Alter kräftezährende längere Reise mit seinem Wohnmobil beinhaltet. Und bei dem sie nach einem spontanen „Was solls“-Moment plötzlich seine Begleitung ist.

Die Geschichte konnte mich von der ersten Seite an packen und hat mich nicht mehr losgelassen. Die Autorin beschreibt mit offenen Worten, wie beschissen es ist, einen geliebten Menschen viel zu früh zu verlieren und welche Gedanken beim Trauern im Kopf herumschwirren können. Das hat mich tief berührt und Resonanz in mir ausgelöst. Doch der Roman zieht den Leser nicht mit sich in die Tiefe, sondern könnte mir durch skurrile Momente immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Die Diskussionen zwischen Paula und Helmut sind mal nachdenklich stimmend, mal unterhaltsam. Hier stimmt das Gesamtpaket: „Marianengraben“ ist für mich ein klares Lesehighlight, das ich jedem ans Herz legen möchte!

Veröffentlicht am 03.03.2020

Ein Ehrenamt in einem Pariser Frauenhaus

Das Haus der Frauen
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Soléne lebt in Paris und ist eine erfolgreiche Anwältin. Als einer ihrer Mandanten nach der Urteilsverkündung vor ihren Augen Selbstmord begeht, erleidet sie einen psychischen Zusammenbruch. Ihr Psychiater ...

Soléne lebt in Paris und ist eine erfolgreiche Anwältin. Als einer ihrer Mandanten nach der Urteilsverkündung vor ihren Augen Selbstmord begeht, erleidet sie einen psychischen Zusammenbruch. Ihr Psychiater empfiehlt ihr im Laufe der Therapie, ein Ehrenamt anzunehmen, um sich selbst aus dem Fokus zu nehmen und anderen zu helfen. So landet Soléne im „Palast der Frau“, einem Frauenhaus, wo sie als Schreiberin eine Sprechstunde für alle Arten von Korrespondenz anbietet. Die Frauen reagieren zunächst verhalten auf das neue Angebot, denn Soléne muss sich ihr Vertrauen erst erarbeiten.

Nachdem mich das Debüt der Autorin, „Der Zopf“, vor zwei Jahren sehr begeistern konnte, war ich neugierig auf den zweiten Roman aus ihrer Feder. Die Protagonistin ist Soléne, die jahrelang ein stressiges, erfolgreiches Anwaltsleben geführt hat und gleich zu Beginn des Romans psychisch erkrankt.

Ich war neugierig, welchen Einfluss ihre neue ehrenamtliche Tätigkeit im Frauenhaus auf sie hat und welchen Charakteren sie dort begegnet. Lange ringt sie mit sich, ob sie ihre Dienste dort wirklich anbieten will, und ist schließlich enttäuscht, als sie während ihrer ersten Sprechstunde nur argwöhnisch beäugt wird und von einer einzigen Frau angesprochen wird, der sie ihre Post vorlesen soll.

Soléne legt ihre anfänglichen Berührungsängste allmählich ab und kommt mit einigen Bewohnerinnen ins Gespräch. Deren Bitten, was Soléne für sie schreiben soll, wirken auf die Anwältin zunächst trivial, doch sie stellt bald fest, wie viel sie ihnen bedeuten. Jede von ihnen hat schlimme Dinge erlebt, die sie stark geprägt haben. Das Frauenhaus ist für sie ein sicherer Zufluchtsort, doch die meisten hoffen, von dort aus in eine eigene Wohnung ziehen zu können.

Es werden verschiedene Schicksale rund um Themen wie Flucht, hausliche Gewalt und Drogensucht auf emotionale Weise angesprochen, aber nicht vertieft, denn der Fokus bleibt auf Soléne. Auf mich wirkte ihre Geschichte dabei allerdings zu glatt geschliffen und weich gezeichnet. Zuerst möchte in einem so großen Frauenhaus niemand ihre Hilfe, und schließlich führt ihr Eingreifen fast ausnahmslos zum Erfolg.

Zwischen den Kapiteln aus der Sicht von Soléne springt das Buch immer wieder in die 1920er Jahre und erzählt die Geschichte von Blanche Peyron, die Mitglied der Heilsarmee war und gemeinsam mit ihrem Mann die Eröffnung des „Palasts der Frau“ durch unermüdliche, leidenschaftliche und harte Arbeit möglich gemacht hat.

„Das Haus der Frauen“ erzählt die Geschichte von Soléne, die eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Pariser Frauenhaus übernimmt und einige Bewohnerinnen mit der Zeit besser kennenlernt. Es gibt viele berührende und schöne Momente, wobei für mich der Funke bei „Der Zopf“ noch stärker übergesprungen ist. Ein Roman über verschiedene Frauenschicksale und die große und kleine Wirkung der Hilfe einer einzelnen.

Veröffentlicht am 01.03.2020

Ein neues Abenteuer in einem anderen Venedig

Serafin. Das Kalte Feuer
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Jeden Monat bei Neumond verschwindet das Wasser aus den Kanälen Venedigs. Für Schlammsammler wie Serafin ist das die Chance, wertvolle Gegenstände zu bergen. Weil niemand weiß, wann genau das Wasser zurückkommt ...

Jeden Monat bei Neumond verschwindet das Wasser aus den Kanälen Venedigs. Für Schlammsammler wie Serafin ist das die Chance, wertvolle Gegenstände zu bergen. Weil niemand weiß, wann genau das Wasser zurückkommt und Gardisten Jagd auf die Sammler machen, ist das Ganze lebensgefährlich. Doch nur so kann Serafin die Medizin für seine kranke Mutter bezahlen. In einer dieser Nächte macht seine goldene und geflügelte Katze Cagliostra ihn auf einen merkwürdigen Fund aufmerksam: Vor einem Spiegel im Kanal liegen zwei bewusstlose Mädchen. Er kann nur eine in Sicherheit bringen, bevor ihn die Gardisten einholen. Sie stellt sich als Junipa vor, ein Mädchen mit Spiegelaugen, die unbedingt ihre Freundin Merle wiederfinden muss. Die beiden stammen aus einem anderen Venedig und sind durch die Spiegelwelt hergekommen. Fasziniert von Junipa bietet Serafin seine Hilfe an und ist im Nu Teil eines gefährlichen Abenteuers...

Ich habe schon viele Bücher von Kai Meyer gelesen, doch der vor fast 20 Jahren erschienene Merle-Zyklus gehörte bislang nicht dazu. Das Erscheinen von „Serafin“ war für mich die perfekte Gelegenheit, das nachzuholen und in Merles magisches Venedig einzutauchen. Nach dem dramatischen Ende des dritten Bandes war ich sehr froh, in „Serafin“ ohne Wartezeit weiterlesen zu können, denn ganz zufriedenstellen konnte mich dieses noch nicht.

Wer die bisherigen Bände kennt, der wird sich beim Titel der neuen Fortsetzung zunächst gewundert haben. Dieser wurde vom Autor mit den Worten „Kein Prequel. Keine Auferstehung.“ bekannt gegeben. Kai Meyer knüpft mit seiner Lösung an Merles Überlegungen aus dem dritten Band an, was sie wohl in der Spiegelwelt erwarten wird. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen und die beiden haben bei ihren Reisen durch die Spiegelwelt entdeckt, dass es mehrere Manifestationen von Venedig gibt, in denen Doppelgänger von ihnen und anderen ihnen bekannten Personen unterwegs sind. Sie sehen zwar gleich aus, sind charakterlich aber völlig andere Menschen. Daher ist Merle wenig erstaunt, als sie von einer anderen Merle eingesperrt wird und feststellen muss, dass Junipa von einem Serafin gerettet wurde.

Merle ist schon lange auf der Suche nach ihrem Vater, den sie im legendären Herz der Stadt zu finden hofft. Doch sie und Junipa werden sowohl in der Spiegelwelt als auch in den Manifestationen von Venedig ständig verfolgt, sodass ihre Mission gefährlich und anstrengend ist. Gemeinsam mit dem Serafin dieser Manifestation müssen sie sich immer wieder aus brenzligen Situationen retten und entscheiden, wem sie vertrauen können.

Mir hat die Idee der verschiedenen Venedigs sehr gut gefallen, bei denen viele Dinge ähnlich sind und doch jedes seine Besonderheiten hat. Wenn man die vorherigen Bände kennt macht es besonders viel Spaß, die Unterschiede zu entdecken und die Doppelgänger kennenzulernen. Ein Quereinstieg ist aufgrund des neuen Schauplatzes aber genauso möglich, wobei ich Euch garantieren kann, dass ihr danach die ersten drei Bände auch noch lesen werden wollt. Ich fand den Handlungsverlauf abwechslungsreich und spannend und kann mit dem Ende gut leben, falls es sich diesmal um den endgültigen Abschluss handeln sollte.

„Serafin. Das kalte Feuer“ nimmt den Leser mit in ein anderes Venedig, das Junipa und Merle durch die Spiegelwelt betreten. Dort treffen sie nicht nur auf Doppelgänger, sondern erleben auf der Suche nach dem Herz der Stadt ein neues spannendes Abenteuer. Ob ihr Merle schon kennt oder nicht - dieses magische Venedig wird euch begeistern! Ich gebe eine große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.02.2020

Einblicke in die Spionage der Deutschen in den USA im Zweiten Weltkrieg

Der Empfänger
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In den 1920er Jahren ist Josef Klein von Neuss nach New York ausgewandert. Dort schlägt er sich mit einem Job in einer Druckerei durch, bei dem sein Chef nicht sonderlich wählerisch ist, was das Klientel ...

In den 1920er Jahren ist Josef Klein von Neuss nach New York ausgewandert. Dort schlägt er sich mit einem Job in einer Druckerei durch, bei dem sein Chef nicht sonderlich wählerisch ist, was das Klientel betrifft. So kommt Josef alias Joe mit Nationalsozialisten in Kontakt, die Hitler aus der Ferne unterstützen wollen. Als er ihnen erzählt, dass er Amateurfunker ist, bieten sie ihm einen Job an, bei dem er sich zunächst nicht viel denkt. Bis ihm wirklich bewusst wird, was da passiert, scheint es schon zu spät, um aus der Sache wieder herauszukommen.

Im Jahr 1949 kehrt Josef schließlich nach Neuss zurück, um vorübergehend bei seinem Bruder Carl zu wohnen. Dieser wollte damals gemeinsam mit ihm auswandern, doch nach einem Arbeitsunfall wurde daraus nichts. Josef versucht herauszufinden, ob es hier oder anderswo einen Platz für ihn gibt.

Die erste Begegnung mit dem Protagonisten Josef Klein hat der Leser im Jahr 1953 in Costa Rica. Dort erreicht ihn ein Brief seines Bruders Carl, der ihm die Zeitschrift STERN mitschickt, in der ein Artikel über die Aktivitäten des deutschen Geheimdienstes in Amerika erschienen ist. Carl bezeichnet den Artikel als „Reportage über deinen Fall“, sodass ich mich fragte, was genau Josef wohl getan hat.

Die größten Teile des Romans spielen abwechseln im New York des Jahres 1939/40 und im Neuss des Jahres 1949. In New York begleitet man Carl bei seinem Druckerei-Job, der ihn immer wieder in Kontakt zu Nationalsozialisten in den USA bringt. Die Begegnungen mit ihnen behagen ihm nicht so recht, trotzdem geht er zu ihren Veranstaltungen, um die Geschäftsbeziehungen zu pflegen. Er erhebt nicht das Wort gegen sie und schaut zu, als sie Andersdenkende verprügeln. Gegenüber sich selbst findet er immer neue Rechtfertigungen, warum er bei all dem mitmacht. Für mich war es ein interessanter Einblick, was damals wohl in Personen vorging, die dabei waren und zuschauten.

In dem Moment jedoch, in dem er aktiv einen Job annimmt, den ihm die Nationalsozialisten anbieten, wird Josef in meinen Augen zu mehr als einem Mitläufer. Wusste er wirklich nicht, wozu sie einen Funker brauchen, oder ist dies eher eine Form des Selbstbetrugs? Er verdient damit gut und seine Versuche, zu kündigen, sind eher halbherzig. Die Autorin hat sich in diesem Roman an der Lebensgeschichte ihres Großonkels orientiert und stellt die Situation dar, ohne ein Urteil zu fällen. Sie gibt dem Leser die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden, wie groß die Schuld ist, die der Protagonist auf sich geladen hat.

Interessant fand ich die Einblicke in das Agieren des FBI. Dieses verfolgt seine eigene Strategie, um Informationen zu sammeln und Spione im Auge zu halten. Im Nachkriegsdeutschland des Jahres 1949 erlebt man Josef in der Interaktion mit seinem Bruder und dessen Familie. Hier eckt er mit seinem Verhalten an und kann sich kein dauerhaftes Leben in der alten Heimat vorstellen. Am liebsten würde er zurück nach Amerika. Indem er dazu alte Nazi-Kontakte aufleben lässt zeigt er erneut, dass er sich dreht wie ein Fähnchen im Winde.

Da der Roman auf mehreren Zeitebenen gleichzeitig spielt, weiß man schnell, was im Groben passiert ist. Der Fokus der Erzählung liegt darauf, den Charakter des Josef Klein herauszuarbeiten. Die Sprache ist nüchtern und distanziert und ich hätte mir entweder noch mehr Spannung oder mehr Hintergrundinformationen gewünscht.

„Der Empfänger“ erzählt die Geschichte von Josef Klein, der als Auswanderer in den USA während des Zweiten Weltkriegs mit seiner unbedarften Art in die Aktivitäten deutscher Spione verwickelt wird. Ich kann den Roman an historisch interessierte Leser weiterempfehlen, die Einblicke in einen eher unbekannten Aspekt der Kriegsgeschichte erhalten wollen!

Veröffentlicht am 28.02.2020

Wie das Leben nach Mattias weitergeht

Nach Mattias
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Alexander ist gerade mit seiner drei Monate alten Tochter in seine neue Wohnung in Minsk gezogen, als er ein rotes Kreuz auf seiner Wohnungstür findet. Als er es entfernen will, wird er von seiner Nachbarin ...

Alexander ist gerade mit seiner drei Monate alten Tochter in seine neue Wohnung in Minsk gezogen, als er ein rotes Kreuz auf seiner Wohnungstür findet. Als er es entfernen will, wird er von seiner Nachbarin angesprochen, die es dort angebracht hat. Bei Tatjana ist Alzheimer diagnostiziert worden, und sie nutzt die Kreuze, um nach Hause zu finden. Bislang ist vor allem ihr Kurzzeitgedächtnis betroffen, während sie sich noch gut an ihre Vergangenheit erinnert, von der sie Alexander berichtet.

Tatjana wurde 1910 in London geboren, zog 1919 aber mit ihrem Vater in dessen Heimat Russland zurück. Dort studierte sie und erhielt schließlich eine Arbeitsstelle im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, wo sie für die Dokumente zuständig war. Mit dem Zweiten Weltkrieg brachen für sie düstere Zeiten an. Ihr Mann zog in den Krieg, und schon kurz darauf hörte sie nichts mehr von ihm. Doch das war erst der Beginn von Tatjanas persönlichem Leidensweg, auf dem sie die Willkür unter Stalins Herrschaft deutlich zu spüren bekam.

Der Einzug von Alexander in seine neue Wohnung in Minsk und das Entdecken des roten Kreuzes auf seiner Tür gibt der Geschichte einen Rahmen. Schon nach wenigen Seiten beginnt Tatjana mit ihrer Erzählung, welche den Großteil des Romans ausmacht. Das Erzähltempo ist zügig und stringent, sodass ich ihr mühelos in die Vergangenheit folgen konnte. Ihr fiktives Schickal steht exemplarisch für das vieler russischer Frauen zu jener Zeit.

Indem der Autor Tatjana im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten arbeiten lässt, kann er einige Originaldokumente aus jener Zeit in die Handlung einfügen, die im Roman durch ihre Hände gehen. Dass viele Menschen zur Zeit Stalins in Russland mehr oder weniger willkürlich verhaftet wurden war mir nicht neu, die Haltung Russlands zu Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg jedoch schon. Die entsprechende Korrespondenz zum Thema fand ich interessant und beklemmend. Hier sind auch Briefe des Internationales Komittees vom Roten Kreuz abgedruckt, was der zweite von drei Gründen für die Titelwahl ist.

Rund um diesen wahren Kern entrollt sich Tatjanas emotionale und berührende Geschichte, die kein gutes Ende hat und bei der ich genauso gebannt zuhören musste wie Alexander. Auch dieser befindet sich in einer schwierigen Situation, über die man in Tatjanas Erzählpausen mehr erfährt. Zum Ende hin gibt es noch einige überraschende Erkenntnisse, welche die Geschichte gelungen abrunden.

„Rote Kreuze“ ist ein Roman, der von der ersten Seite an mein Interesse geweckt hat und der noch eine Weile in mir nachhallen wird. Hier treffen zwei Menschen mit ungewöhnlichen Lebensgeschichten aufeinander, deren Schicksal mich berührt hat und die trotz allem, was sie erlebt haben, die Kraft zum Weitermachen gefunden haben. Durch den wahren Kern der Geschichte schafft Sasha Filipenko einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen. Ich gebe eine klare Leseemfpehlung!