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Veröffentlicht am 29.09.2019

Das Mädchen, das die Liebe sieht

Südlichter
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Die zwölfjährige Marie-Jeanne hat eine erstaunliche Fähigkeit: Sie sieht bei vielen Menschen ein Leuchten, zum Beispiel auf dem Haar, der Stirn, den Lippen oder den Fingern. Allmählich realisiert sie, ...

Die zwölfjährige Marie-Jeanne hat eine erstaunliche Fähigkeit: Sie sieht bei vielen Menschen ein Leuchten, zum Beispiel auf dem Haar, der Stirn, den Lippen oder den Fingern. Allmählich realisiert sie, dass es tatsächlich die Liebe ist, die sie sehen kann. Als ihr Adoptivvater Francis auf die Idee kommt, eine mobile Überlandbibliothek aufzubauen, ist sie Feuer und Flamme. Sie beginnt, sich quer durch die Literatur zu lesen und macht neue Bekanntschaft mit anderen begeisterten Lesern. Doch viele liebgewonnene Menschen in ihrem Umfeld haben zwar das Leuchten, sind aber allein. Ob sie da nachhelfen kann? Und wann das Leuchten wohl zu ihr kommt?

Zu Beginn des Buches erfährt der Leser, wie Marie-Jeanne zu ihrer besonderen Gabe kam. Die Liebe besuchte sie, als sie noch in ihrer Wiege lag, während die Todin zur selben Zeit ihre Großmutter und einzige lebende Verwandte zu sich holte. Daraufhin packte Marie-Jeanne einen der Finger der Liebe, was zuvor noch niemand je getan hatte. Als Zwölfjährige wundert sie sich nun über das Leuchten überall und begreift langsam, dass nur sie es sehen kann und was es bedeutet.

Das Buch ist in einer poetischen, einfühlsamen Sprache geschrieben, die mich tief in die Geschichte eintauchen ließ. Die Liebe kommt als Ich-Erzählerin zu Wort und schafft damit einen Rahmen. Sie gibt amüsante Einblicke in ihre Arbeitsweise und erklärt damit zum Beispiel auch, warum sie Menschen zwar mit Liebe beschenken, sie damit aber nicht zwangsläufig glücklich machen kann. Außerdem ist sie nicht die einzige, die auf diese Weise unterwegs ist. Andere wie das Verlangen, die Logik und der Mut besuchen die Menschen ebenfalls, ebenso wie die Todin, in deren Gegenwart die anderen befangen werden. Immer wieder kommt es zu interessanten Dialogen zwischen ihnen, die mit eine Augenzwinkern erzählt werden und philosophische Züge aufweisen.

Während Marie-Jeanne dem Leuchten auf den Grund geht, trifft ihr Adoptivvater Francis die wegweisende Entscheidung, eine Überlandbibliothek aufzubauen. Er legt sich zwei Kastenwagen zu, mit denen die Bücher in verschiedenen Dörfern gegen eine Verleihgebür angeboten werden. Doch die Dorfeinwohner sind ebenso wie seine Frau Elsa noch skeptisch, welchen Mehrwert Bücher ihnen bringen sollen. Gute Tipps, wie er die Bücher bewerben sollen, erhält er von der Kalligrafin und Buchliebhaberin Madame Colette Brilliant. Weitere Unterstützung erhält er durch Valérie Montesquieu, die sich als einzige auf die Stellenausschreibung bewirbt und den zweiten Wagen fährt. Für sie ist es eine einmalige Gelegenheit, nach Jahren der Zurückgezogenheit wieder in die Welt zu treten.

Die Autorin machte mich mit ganz verschiedenen Charakteren aller Altersklassen bekannt, die mir schnell ans Herz wuchsen. Ich hoffte mit, dass sie ihr Glück finden werden. Das Buch hat bittersüße, traurig-schöne Momente, lässt die Stimmung aber nie kippen, sondern schafft eine Atmosphäre, in der man sich wohlfühlen kann. Durch die Fragen, ob Marie-Jeanne ihren Freunden helfen kann, die große Liebe zu finden und ob Francis’ Bibliothek ein Erfolg wird, blieb ich bis zum Schluss neugierig am Ball.

Insgesamt ist „Südlichter“ eine einfühlsam erzählte Geschichte über das Wandeln der Liebe auf der Erde, die Liebe zu Büchern und die Suche nach dem einen richtigen Menschen, den man aus ganzem Herzen lieben kann. Es ist die perfekte Ergänzung zu „Das Lavendelzimmer“, das mich bereits vor Jahren begeistern konnte, dessen Vorwissen hier aber nicht vorausgesetzt wird.

Veröffentlicht am 26.09.2019

Eine Familiengeschichte mit zahlreichen berührenden Momenten

Der größte Spaß, den wir je hatten
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Marilyn und David Sorenson haben sich während ihrer Studienzeit kennen und lieben gelernt. Sie sind seit vielen Jahren verheiratet, in denen ihre Töchter Wendy, Violet, Liza und Grace zur Welt gekommen ...

Marilyn und David Sorenson haben sich während ihrer Studienzeit kennen und lieben gelernt. Sie sind seit vielen Jahren verheiratet, in denen ihre Töchter Wendy, Violet, Liza und Grace zur Welt gekommen sind. Inzwischen sind die vier erwachsen. Wendy ist bereits verwitwet, trinkt zu viel Wein und lebt vom geerbten Geld, Violet kümmert sich um ihre zwei Söhne, Liza ist beruflich erfolgreich, verzweifelt aber an ihrem depressiven Ehemann und Grace traut sich nicht, ihrer Familie mitzuteilen, dass sie keinen Studienplatz erhalten hat. Als die Familie plötzlich Zuwachs in Form von Violets fünfzehnjährigem Sohn erhält, der damals zur Adoption freigegeben wurde, sorgt dessen Anwesenheit für ordentlichen Wirbel.

Das Buch beginnt mit einem Tag im Jahr 2000, an dem Wendy ihre Hochzeit feiert, während ihre Schwester Violet betrunken ist und eine wilde Nacht hinter sich hat. Ihre Eltern suchen einen Moment für sich und werden dabei von ihren Töchtern beobachtet, die sich wieder einmal wundern, wie zwei Menschen so viel Liebe füreinander zeigen können.

In der Gegenwart merkt man schnell, dass sich in den sechzehn Jahren seit dieser Szene so einiges getan hat. Wendy bringt Violets fünfzehnjährigen Sohn Jonah zu einer Verabredung mit. Seine Adoptiveltern sind vor einigen Jahren gestorben und er braucht nun eine neue Pflegefamilie, sonst muss er zurück ins Heim. Doch Violet möchte ihn nicht in ihrem Haus haben, das bereits mit einem Mann und zwei kleinen Jungs gefüllt ist. Also kommt er bei Wendy unter, die sich als reiche Witwe ihre Zeit mit dem Besuch von Benefizveranstaltungen vertreibt und Sex mit wechselnden Partnern hat.

Jonahs Auftauchen hat einen Einfluss auf jedes Mitglied der Familie Sorenson. Er will nicht anecken und das richtige Tun, kann aber schwer einschätzen, welche Dinge er lieber für sich behalten sollte. Seine Unsicherheit und das Gefühl, ständig zurückgewiesen zu werden, lassen ihn häufig auf eine Weise reagieren, die nicht jedes Familienmitglied nachvollziehen kann. Ohne es zu beabsichtigen löst er Veränderungen aus. Aber auch ohne sein Zutun passieren einige Dinge bei den Schwestern und ihren Eltern, die Entscheidungen nötig machen.

Die Geschichte springt regelmäßig in die Vergangenheit und berichtet chronologisch die Geschichte der Sorensons von der ersten Begegnung Marilyns und Davids im Jahr 1975 bis zu den Ereignissen der Gegenwart. Dadurch erhält man zahlreiche Hintergrundinformationen und versteht immer besser, durch welche Ereignisse die Charaktere geprägt wurden. Man erfährt beispielsweise, welche Krisen auch die scheinpar perfekte Ehe der Eltern durchlebt hat, wie Violets erste Schwangerschaft unentdeckt bleiben konnte und warum sich Grace als Nesthäkchen oft außen vor fühlt.

Auch wenn es viele schöne Szenen gibt, sind mir die berührenden Momente der Niederlage und des Verlusts besonders im Gedächtnis geblieben. Diese haben starken Einfluss auf die Familienstruktur. Wer war für den anderen da, als es wichtig war? Für mich ergab sich ein immer vollständigeres Bild der Familie und mein Verständnis für das Verhalten der einzelnen wuchs. Die Geschichte erzählt in unaufgeregter, einfühlsamer Sprache über vierzig Jahre Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen. Sehr gern empfehle ich diesen Roman weiter!

Veröffentlicht am 24.09.2019

Digitale Schnitzeljagd meets Expressionismus

Pixeltänzer
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Elisabeth, die von allen nur Beta genannt wird, arbeitet in einem Berliner Startup als Programmiererin. Die Arbeitsatmosphäre ist jung und dymanisch, man setzt auf moderne Arbeitsmethoden und Teambuilding. ...

Elisabeth, die von allen nur Beta genannt wird, arbeitet in einem Berliner Startup als Programmiererin. Die Arbeitsatmosphäre ist jung und dymanisch, man setzt auf moderne Arbeitsmethoden und Teambuilding. Als sie die App Dawntastic entdeckt, die Weck-Anrufe aus der ganzen Welt anbietet, meldet sie sich kurzerhand an. Bei einem netten Gespräch mit einem Anrufer aus den USA, der aus Hamburg kommt, weckt sein Profilbild ihr Interesse. Es zeigt ein seltsames Wesen, doch auf ihre Rückfrage verrät er nur, dass es mit seinem Nutzernamen Toboggan zusammenhängt. Das ist für Beta der Beginn einer digitalen Schnitzeljagd, die sie auf eine Reise in die expressionistische Szene zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitnimmt.

Beta lässt den Leser an ihrem Alltagsleben teilhaben und ich fühlte mich ihr schnell vertraut. Ihren nerdigen Charakter mochte ich sehr und mir wurde ihre Faszination für Insekten, die sie zu Hause mit ihrem 3D-Drucker nachbildet, ebenso begreiflich gemacht wie ihr Interesse an der App Dawntastic. Nach dem Anruf mit Toboggan zeigt sie Einfallsreichtum und kommuniziert mit ihm auf überraschende Weise. Sie erhält von ihm Hinweise, die sie zu Orten in der realen Welt führen, und Texte, die ihr Stück für Stück mehr verraten. Ich fand es spannend, gemeinsam mit Beta in die Vergangenheit einzutauchen und mehr über das Schicksal einer expressionistischen Künstlerin zu erfahren. In der Gegenwart setzt die Schnitzeljagd etwas in Beta in Bewegung und lässt sie neue Wege gehen. Dabei kommt es zu zahlreichen amüsanten Szenen. Insgesamt konnte mich das Buch mit seiner nerdigen Protagonistin und dem ungewöhnlichen Thema der Spurensuche begeistern. Ich empfehle es sehr gern weiter!

Veröffentlicht am 22.09.2019

Temporeicher Thriller für alle Fans des ersten Bandes

Erebos 2
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Vor ein paar Jahren habe ich mich von Ursula Poznanski in die Welt von Erebos entführen lassen und war sehr neugierig, was es nun mit der Fortsetzung auf sich hat. In dieser ist Erebos zurückgekehrt, und ...

Vor ein paar Jahren habe ich mich von Ursula Poznanski in die Welt von Erebos entführen lassen und war sehr neugierig, was es nun mit der Fortsetzung auf sich hat. In dieser ist Erebos zurückgekehrt, und nun kann es sich sogar selbst als App auf Handys und Computern installieren. Dadurch hat das Programm ganz neue Möglichkeiten, seine Spieler zu akquirieren und unter Druck zu setzen, um in seinem Sinne zu handeln. Denn freiwillig hätte Nick sicherlich niemals angefangen, wieder zu spielen. Aber was steckt diesmal dahinter? Wozu dienen die Aufgaben, die in der realen Welt ausgeführt werden müssen? Diese Frage ließ mich neugierig weiterlesen.

Der Roman greift aus dem ersten Teil bekannte Spielmechanismen auf und verknüpft sie mit neuen Ideen. Neben bekannten Charakteren gibt es auch Schüler wie Derek, die das Spiel neu entdecken und ganz unbedarft herangehen. Für meinen Geschmack gab es zu viele Parallelen zum ersten Teil und die Auflösung hat mich etwas enttäuscht.

Insgesamt ist „Erebos 2“ ein temporeicher Thriller für Jugendliche, an dem vor allem Fans des ersten Bandes nicht vorbeikommen werden!

Veröffentlicht am 21.09.2019

Das Leben einer italienischen Einwanderin in die USA

Die sieben oder acht Leben der Stella Fortuna
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Mariastella Fortuna wird 1920 im kleinen Dorf Ievoli in Kalabrien, der „Stiefelspitze“ Italiens, geboren. Sie ist das zweite Kind ihrer Eltern, das diesen Namen trägt, denn ihre fünf Jahre zuvor geborene ...

Mariastella Fortuna wird 1920 im kleinen Dorf Ievoli in Kalabrien, der „Stiefelspitze“ Italiens, geboren. Sie ist das zweite Kind ihrer Eltern, das diesen Namen trägt, denn ihre fünf Jahre zuvor geborene Schwester ist als Kleinkind gestorben. Inzwischen ist Stella eine über neunzig Jahre alte Frau, und ein jüngeres Mitglied der Familie Fortuna erzählt dem Leser ihre Geschichte. Sie hat bis kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs in Italien gelebt und schließlich ein ganz neues Leben im Amerika begonnen. Dabei ist sie dem dem Tod in ihrem Leben sieben bis acht Mal haarscharf von der Schippe gesprungen.

Zu Beginn des Buches lernt der Leser die Erzählerin kennen, die berichtet, dass Stella, die seit ihrem letzten Beinahe-Tod vor dreißig Jahren kein Wort mehr mit ihrer Schwester Tina geredet hat, obwohl die beiden bis dahin beinahe unzertrennlich waren. Meine Neugier war durch die Frage, was wohl dahinter steckt, geweckt.

Danach springt die Geschichte rund hundert Jahre in die Vergangenheit und erzählt zunächst vom Kennenlernen der Eltern Stellas und dem Schicksal des ersten Kindes mit ihren Namen. Das machte mir das Umfeld verständlich, in das die zweite Stella hineingeboren wurde, und liefert auch Ansatzpunkte für Erklärungen im Hinblick auf das Verhalten ihrer Eltern. Ihr Vater bricht kurz nach ihrer Geburt nach Amerika auf und sie soll ihn in den folgenden Jahren kaum sehen, während sie in Italien ein einfaches Leben führt, das sie drei Nahtod-Erfahrungen machen lässt. Die fatalen Zwischenfälle geben Stellas Lebensgeschichte eine Struktur, sie sind namensgebend für die einzelnen Kapitel und bleiben nicht ohne Konsequenzen.

Der Umzug nach Amerika ist für Stella ein großer Einschnitt in ihrem Leben. Gemeinsam mit ihrer Familie lässt sie ihr gesamtes altes Leben hinter sich und muss sich in einem neuen Land auf einem neuen Kontinent zurechtfinden. In den USA bleiben die Italiener unter sich. Ohne Einbürgerung bekommt man nur schlechte und kräftezehrende Jobs, für den Test muss man jedoch Zeit haben, um Englisch und die entsprechenden Fragen zu lernen. Ich fand diese Einblicke in das Leben italienischer Einwanderer in den USA steht interessant.

Stellas Freiheitsgrade sind gering, sie ist wie ihre Mutter und ihre Geschwister stark vom Vater abhängig, der sich immer wieder abscheulich verhält. Sie muss ihr gesamtes verdientes Geld abgeben. Heirat der einzige Ausweg, den sie aber nicht gehen will und sie ist bereit, für ihre Meinung zu kämpfen. Die Geschichte hat viele Momente, die mich wirklich erschütterten. Ich möchte an dieser Stelle eine Triggerwarnung für Kindesmissbrauch aussprechen. Das Thema wird in diesem Buch ernst genommen, hätte aber noch stärker aufgearbeitet werden können. Viele Personen finden sich viel zu lange mit der Situation ab und fügen sich in ihr Schicksal. Diese „So war das nun mal, was hätten wir denn tun sollen“-Haltung hat mich wütend gemacht. Stella ist das einzige Familienmitglied, das immer wieder aufbegehrt und ausbrechen will und dadurch als stur und sonderbar bezeichnet wird und die Konsequenzen zu spüren bekommt.

„Stella Fortuna“ ist eine Familiengeschichte über eine Kindheit in Italien und eine Auswanderung in die USA. Die namensgebende Protagonistin kommt nicht nur viele Male auf verschiedenste Wege beinahe zu Tode, sondern ist auch in Familienstrukturen gefangen, die ihre Möglichkeiten stark einschränken. Es gibt immer wieder kleine Momente des Glücks, insgesamt ist die Geschichte jedoch bedrückend und ließ mich mit Stella mitfühlen, die sich trotz allem nicht brechen lässt und ihren Weg gehen wird.