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Veröffentlicht am 05.06.2024

Eine grandiose Reihe

Der Profi
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Kabuto ist schon seit über 20 Jahren Auftragskiller, doch nun möchte er endlich aussteigen. Sein Kontaktmann, ein Mafiaboss, der nur „der Doktor“ genannt wird, ist davon nicht begeistert. Er fordert vom ...

Kabuto ist schon seit über 20 Jahren Auftragskiller, doch nun möchte er endlich aussteigen. Sein Kontaktmann, ein Mafiaboss, der nur „der Doktor“ genannt wird, ist davon nicht begeistert. Er fordert vom ihm daher einige letzte, schwierige Aufträge ein, in denen er andere Killer töten soll. So muss Kabuto einerseits den Alltag mit seiner Frau und seinem Sohn Katsumi bewältigen und gleichzeitig versuchen, die beiden zu beschützen. Von seinem wahren Beruf dürfen sie natürlich nichts wissen. Doch hat der Doktor wirklich vor, Kabuto gehen zu lassen?

„Der Profi“ ist der dritte Band der Reihe des japanischen Schriftstellers Kōtarō Isaka rund um die verschiedensten Auftragsmörder aus Tokios Unterwelt; ein vierter erschien bisher nur im Original. Auch dieser Roman wurde wieder von Sabine Mangold übersetzt, die zum Beispiel auch die Werke von Yoko Ogawa ins Deutsche überträgt. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der Sicht des Protagonisten Kabuto in der Ich- und Vergangenheitsform, sie wechselt gegen Ende aber auch immer wieder zu seinem Sohn Katsumi.

Diese Reihe besticht für mich durch einen unvergleichlichen Mix aus Thrillerelementen, humorvollen, fast schon slapstickartigen Szenen und Gedanken über das Leben und wie man sich dieses erträumt. Kabutos Berufsleben, in dem er stets kühl abwägt und die Oberhand behält, steht in starken Kontrast zu seinem Privatleben. Vor seiner Frau ängstigt er sich geradezu und versucht ständig an ihrem Verhalten abzulesen, welche Erwartungen sie an ihn hat – eine Tatsache, die Teenager Katsumi unglaublich witzig findet und über die man auch als Leser*in unweigerlich schmunzeln muss.

Als das Tempo der Handlung zunimmt und Kabuto um sein Leben und das seiner Familie fürchten muss, hält „Der Profi“ einige überraschende Wendungen bereit. Besonders spannend ist hier auch die Perspektive des Sohnes auf das Familienleben und die Person seines Vaters, den er liebt, aber vielleicht nicht immer versteht. Durch einen Zeitsprung sehen wir den Jungen nun selbst als Vater, der versucht, durch die Schwierigkeiten des Lebens zu navigieren – mit Kabuto als Vorbild.

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Veröffentlicht am 01.06.2024

Süße Liebesgeschichte mit wichtiger Botschaft

Imogen, Obviously
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Imogen Scott ist die beste heterosexuelle Verbündete, die ihre Freunde oder ihre Schwester nur haben können, aber in ihrem Umfeld ist sie gefühlt die einzige nicht-queere Person. Dieses Gefühl verstärkt ...

Imogen Scott ist die beste heterosexuelle Verbündete, die ihre Freunde oder ihre Schwester nur haben können, aber in ihrem Umfeld ist sie gefühlt die einzige nicht-queere Person. Dieses Gefühl verstärkt sich, als sie ihre Freundin Lili besucht und deren Clique kennenlernt – darunter auch Tessa, die irgendwie ihr Herz schneller schlagen lässt. Aber Imogen ist doch absolut hetero, oder etwa nicht?

„Imogen, Obviously“ ist der neuste Jugendroman von Becky Albertalli, die mit ihrem Buch „Nur drei Worte“ und der zugehörigen Serie „Love, Simon“ bekannt wurde. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Protagonistin Imogen in der Ich- und Gegenwartsform, so dass wir uns stets unmittelbar im Geschehen befinden und auch erfahren, was in Imogens Kopf vor sich geht – und das ist eine ganze Menge. Sie ist eine junge Frau, die sich ständig selbst hinterfragt und der es viel bedeutet, wie andere sie wahrnehmen.

Zwei gegensätzliche Positionen nehmen in der Geschichte Imogens Freundinnen Lili und Gretchen ein. Lili hat sich erst vor kurzem geoutet, zeigt selbst noch Unsicherheiten und erfindet daher eine frühere Beziehung mit Imogen. Die spielt natürlich mit, um Lili nicht als Lügnerin zu enttarnen und kommt so in Situationen, in denen sie sich auf einmal gar nicht so hetero fühlt. Gretchen hingegen hatte vor Jahren ihr Coming Out und schon einige negative Erfahrungen gemacht. Diese führen dazu, dass sie sehr starke Meinungen hat, was Label und queere Safe Spaces betrifft. Eine bisexuelle Imogen – das kann und will sie sich nicht vorstellen.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass Becky Albertalli auch ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle hier verarbeitet, wurde sie doch geradezu gezwungen, sich als bisexuell zu outen, weil ihr ein Teil der queeren Community vorwarf, sie dürfe eine Geschichte wie die des schwulen Simon als Hetero-Frau nicht erzählen. Ihr Roman zeigt uns ein weiteres Mal, dass die Dinge eben oft nicht nur schwarz oder weiß sind und Menschen ihr eigenes Tempo und ihren eigenen Weg zur Identität haben. Darüber hinaus ist das Buch aber auch einfach eine sehr süße Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Tolles Setting mit Kritikpunkten an der Handlung

Wenn die Masken fallen
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Inspektor Archie Penrose hat Urlaub und lädt seine Freundin Josephine Tey in sein Elternhaus nach Cornwall ein. Beide freuen sich auf eine ruhige gemeinsame Zeit, denn erst vor kurzem konnten sie etwas ...

Inspektor Archie Penrose hat Urlaub und lädt seine Freundin Josephine Tey in sein Elternhaus nach Cornwall ein. Beide freuen sich auf eine ruhige gemeinsame Zeit, denn erst vor kurzem konnten sie etwas aus der Welt schaffen, was lange zwischen ihnen stand. Doch dann verschwindet ein junger Mann und scheint im See des Dorfes ertrunken zu sein. Sein Tod löst eine Lawine an Ereignissen aus, die Archie und Josephine mitreissen. Kann ihre Freundschaft das überstehen?

„Wenn die Masken fallen“ ist der zweite Band der Reihe der Autorin Nicola Upson um Inspektor Penrose und seine Freundin, Schriftstellerin Josephine Tey. Diese ist übrigens eine reale Person und damit eine Zeitgenossin von Agatha Christie. Erzählt wird die Handlung in der dritten Person und der Vergangenheitsform, wobei die Perspektive immer wieder zwischen Archie und Josephine, aber auch bestimmten Nebencharakteren wechselt. So wird die Geschichte von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, bleibt aber weiterhin spannend.

Dieser Krimi hat eigentlich alle Bausteine, die mir gut gefallen: ein sympathisches Ermittlerduo, das sich ergänzt, ein kleines Dorf, in dem sich alle kennen und eine ganze Menge Geheimnisse, von denen wir nicht wissen, ob und wie relevant sie eigentlich für den Kriminalfall sind. Die Autorin schafft es so, eine Atmosphäre zu erzeugen, die herrlich zum Mitraten einlädt. Für Archie Penrose ist diese Ermittlung jedoch nicht ganz einfach, da er mit vielen der verdächtigen Personen aufgewachsen ist und somit Berufliches und Privates stark trennen muss – was ihm nicht immer gelingt. Gut, dass Josephine hier dann eingreifen kann.

Was mir jedoch weniger gefallen hat, ist, dass sich das Buch ab einem gewissen Zeitpunkt zu einem wahren Gewaltfest an Frauen entwickelt. Beinahe jede weibliche Figur in „Wenn die Masken fallen“ hat irgendeine Art von Gewalt von Männern erlebt. Und auch wenn ich verstehe, was möglicherweise damit ausgesagt werden soll, ist die Umsetzung, meines Erachtens, nicht gut gelungen. Für die Botschaft, wie schwer Frauen es während und nach dem ersten Weltkrieg hatten, hätten auch einige wenige Beispiele ausgereicht.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Umfassender Einstieg in das Thema medizische Ungleichheit

Ungleich behandelt
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Diskriminierung ist ein zentrales gesellschaftliches Problem. So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese sich auch auf die Medizin erstreckt. Inzwischen ist bekannt, dass sich Krankheiten bei Frauen ...

Diskriminierung ist ein zentrales gesellschaftliches Problem. So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese sich auch auf die Medizin erstreckt. Inzwischen ist bekannt, dass sich Krankheiten bei Frauen und Männern unterschiedlich zeigen und eine falsche Behandlung aufgrund des Geschlechts tödlich sein kann. Doch worüber werden in der Medizin überhaupt Studien beauftragt? Wer bestimmt das? Und wer sind die Profiteure eines Gesundheitssystems, das eben nicht alle Menschen gleich behandelt?

Diese und andere Fragen beantwortet Ärztin und Aktivistin Sabina Schwachenwalde in „Ungleich behandelt“. Schwachenwalde ist Mitbegründerin des Vereins Feministische Medizin e.V. und kennt das Gesundheitssystem sowohl aus Ärztinnensicht in der Geburtshilfe, als auch aus Patientinnensicht aufgrund einer Long Covid-Erkrankung. Diese Perspektiven vereint die Autorin in ihrem Buch und liefert neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch eigene Erfahrungen und die von Betroffenen.

„Ungleich behandelt“ beginnt mit einer Vorbemerkung, in der die wichtigsten Begriffe und die verwendete gegenderte Sprache erklärt werden. Nach einer Einleitung folgen dann zehn umfassende Kapitel, die sich jeweils einer marginalisierten Gruppe oder einem bestimmten Thema zuwenden. Dabei zeigt die Autor
in auf, wie stark die Medizin durch das Patriarchat und letztlich das Streben nach Profit beeinflusst wird. Die Verlierer*innen sind zahlreich: Frauen, denen ihr Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird, Schwarze Menschen, die systematisch ausgebeutet werden, behinderte Menschen, denen Zugang und Teilhabe verweigert wird sowie queere Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität oder Identität diskriminiert werden.

Am Ende gibt Sabina Schwachenwalde einen Einblick in eine medizinische Utopie, in der wir uns zusammenschließen und umeinander kümmern, von denen, die vor uns gekämpft haben, lernen und unsere eigenen Privilegien und Vorurteile überprüfen. Ein umfassendes Buch zu medizinischer Ungleichheit – wer sich mit dem Thema jedoch schon beschäftigt hat, wird vieles aus den zitierten Werken bereits kennen.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Gelungene Mischung aus Wissen, Unterhaltung und Beschäftigung ab 8 Jahren

Große Kunstgeschichten. Hokusai
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Katsushika Hokusai (1760 – 1849) ist einer der bekanntesten Künstler Japans. In seinem Leben erschuf er mehr als 30.000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen, die er mit den verschiedensten Signaturen versah. ...

Katsushika Hokusai (1760 – 1849) ist einer der bekanntesten Künstler Japans. In seinem Leben erschuf er mehr als 30.000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen, die er mit den verschiedensten Signaturen versah. Im Laufe seiner Karriere wechselte er etwa 30 Mal seinen Namen. Geboren und aufgewachsen in Edo (dem heutigen Tokio) als Kawamura Tokitarō, begann er als Teenager eine Ausbildung zum Holzschneider. Mit 18 Jahren kam er mit dem so genannten Ukiyo-e-Stil in Berührung, der das Lebensgefühl in den großen Städten Japans einfangen sollte. Hokusai malte, was er um sich herum sah und das nicht, wie es damals üblich war, idealisiert, sondern die Wirklichkeit.

Die Reihe „Große Kunstgeschichten“ ist eine Kooperation mit dem Metropolitan Museum of Art in New York und soll die Kunst aus den Museen in die Lebensrealität von Kindern bringen. Die Verbindung aus den klaren, verständlichen Texten von Susie Hodge (übersetzt von Dr. Claudia Wagner) und den wunderbaren, farbenfrohen Illustrationen von Kim Ekdahl schildern Hokusais Leben, sein Werk und Kunstverständnis. Zahlreiche kleine Aufgaben (z.B. „Illustriere eine Geschichte“) zwischendurch und zwei größere am Ende, regen zur aktiven Beschäftigung mit dem Inhalt an. Ein Zeitstrahl der berühmtesten Werke und Begriffserklärungen liefern zusätzliche Informationen.

Der Künstler, der „Die große Welle von Kanagawa“ schuf, hatte jedoch auch seine humorvollen Seiten. So soll er in seinem Leben 93 mal umgezogen sein, weil er es hasste, zu putzen und aufzuräumen. Bei einem Malwettbewerb am Hofe des Shoguns malte er zunächst einen Fluss und ließ dann ein Huhn mit roter Farbe an den Füßen über das Papier laufen. Das seien Ahornblätter, die im Wasser schwimmen, so seine Erklärung. Und ein weniger lustiger Fakt: mit 50 Jahren wurde er vom Blitz getroffen.

Hokusai experimentiere sein Leben lang mit den unterschiedlichsten Stilen. „Ich muss so malen, wie mein Herz es mir sagt“, soll er einmal gesagt haben und ebenso will dieses Buch Kinder ab 8 Jahren dazu anregen, es ihm gleich zu tun. Eine wirklich gelungene Mischung aus Wissen, Unterhaltung und Beschäftigung – für Kleine und Große.

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