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Veröffentlicht am 31.01.2021

Ehrliche Lektüre für Footballfans

My American Football Dream
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Björn Werner war der erste deutsche Footballspieler, der in der ersten Runde des NFL Drafts von einem der 32 Teams ausgewählt wurde. In seiner Biografie „My American Football Dream“ erzählt er gemeinsam ...

Björn Werner war der erste deutsche Footballspieler, der in der ersten Runde des NFL Drafts von einem der 32 Teams ausgewählt wurde. In seiner Biografie „My American Football Dream“ erzählt er gemeinsam mit Nils Weber, wie als 10-Jähriger ein Unfall auf dem Spielplatz sein Start in die Football-Karriere werden, wie er seinen Weg zum Flag Football und schließlich in das U19-Team der Berlin Adler finden sollte.

Nach einem knappen Jahr auf der Ersatzbank, weil er noch zu jung ist, um offiziell mit seinem Team auf dem Feld zu stehen, gibt er mit 14 Jahren sein Debüt in der Nationalmannschaft und macht sich mit 16 Jahren auf den Weg in die USA, wo er in Salisbury auf die High School geht und schließlich am College der Florida State University für die „Seminoles“ spielt. Am 25. April 2013 findet der denkwürdige Draft statt und Björn Werner hat es geschafft. Auf dem Feld trifft er auf einmal Spieler, die er bisher nur vom „Madden“ zocken auf der Konsole kannte. Sein Traum von der NFL hat sich erfüllt, Verletzungen machen ihm aber immer wieder das Leben schwer.

Nils Weber ist es definitiv gelungen, den richtigen Ton in dieser Biografie zu treffen. Sie liest sich, als säße man zuhause vor dem Fernseher und bei „ranNFL“ würde Björn Werner einen Schwank aus seinem Leben erzählen. Dabei verbindet er seinen typischen Humor mit interessanten, manchmal auch schockierenden Einblicken in die Maschinerie der NFL (siehe der Combine!). Sowohl echte Kenner des Sports als auch Anfänger in der Materie finden hier definitiv, was sie suchen. Neben kurz einführenden Erläuterungen sind auch jede Menge Anekdoten über bekannte Spieler oder Trainer zu finden.

„My American Football Dream“ rückt jedoch nicht nur den Sportler, sondern auch den Menschen Björn Werner in den Fokus. Einen Mann, der weiß, was er kann, der aber auch seine Schwächen nicht verschweigt. Der im Alter von 16 Jahren kurz vor der Abreise in die USA eine Beziehung zu einer jungen Frau beginnt, die heute Ehefrau und Mutter seiner Kinder ist. Eine kurzweilige, ehrliche Lektüre für alle Footballfans und Bromantiker.

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Veröffentlicht am 23.01.2021

Ein Muss für Fans japanischer Küche

TOKYO
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Schon ein Blick auf das Cover genügt, um zu sehen: Dieses Buch ist ein Kunstwerk für sich – eine wirklich gelungene Verbindung aus Fotos, einem geradlinigen, modernen Layout mit pinkem Buchschnitt und ...

Schon ein Blick auf das Cover genügt, um zu sehen: Dieses Buch ist ein Kunstwerk für sich – eine wirklich gelungene Verbindung aus Fotos, einem geradlinigen, modernen Layout mit pinkem Buchschnitt und poppigen Grafiken. Im Inneren wartet schließlich ein Kochbuch, das gleichzeitig auch als Reiseführer für einen Trip nach Tokyo dienen könnte. Einige Rezepte sind von dortigen Restaurants inspiriert und die Angabe der jeweiligen Adresse ermöglicht es, dort selbst einmal zu schlemmen.

Der eigentliche Rezeptbereich hat eine sehr spannende Gliederung; nicht etwa nach Art der Mahlzeit, nein, er führt durch die unterschiedlichen Ebenen der Gastronomie. Wie mit einem Aufzug geht es vom Untergeschoss B2F bis ganz hoch hinaus nach 5F, auf die Dächer der Hochhäuser Tokyos. Wo man sich dabei gerade befindet, ist stets über ein Register am Seitenrand zu sehen, jedes Kapitel hat zudem seine eigene kleine Symbolgrafik.

Alles beginnt mit einem hilfreichen Einführungskapitel über die Grundzutaten der japanischen Küche. Es folgt ein Abschnitt über alle möglichen Formen von „Streetfood“, sei es von Kiosken, aus Covenience Stores oder den überall zu findenden Verkaufsautomaten. Weiter geht es dann mit traditionellen Gerichten aus Tokyo wie Ramen, Soba oder Sushi, zu japanischer Regionalküche und Adaptionen ausländischer Küche wie Pasta oder Pizza. Da in Tokyo der Wohnraum knapp und teuer ist, findet sich auch ein Extrakapitel zum Kochen in einer winzigen Küche bis das Kochbuch mit moderner Fusion-Küche und eleganten Cocktails endet.

Jedes Kapitel und jedes Rezept enthalten dabei eine kurze Einführung, die eine Mischung aus Fakten und persönlichen Erlebnissen des Autors ist. (Der ist im Übrigen Küchenchef und Eigentümer eines japanischen Restaurants in Brixton.) Neben Basics wie der richtigen Zubereitung von Reis oder der eigenen Herstellung von Dashi oder Soba finden sich viele Klassiker der japanischen Küche, aber auch kompliziertere Rezepte für fortgeschrittene Köche. Abgerundet wird am Ende alles noch einmal mit einem Glossar sowie einem Register aller Rezepte nach Zutaten bzw. Kategorien geordnet.

Ein Muss für alle Fans Japans und der japanischen Küche!

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Veröffentlicht am 19.01.2021

Eindringliches Gesellschaftsporträt

Kindheit
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„Die Zeit verging, und die Kindheit wurde dünn und platt wie Papier. Sie war müde und fadenscheinig und an schlechten Tagen sah es nicht so aus, als würde sie halten, bis ich erwachsen war.“

So beschreibt ...

„Die Zeit verging, und die Kindheit wurde dünn und platt wie Papier. Sie war müde und fadenscheinig und an schlechten Tagen sah es nicht so aus, als würde sie halten, bis ich erwachsen war.“

So beschreibt Tove Ditlevsen das Aufwachsen im Kopenhagen der 1920er Jahre. In ihre Arbeiterfamilie scheint sie nie hinein zu passen – das Verhältnis zur Mutter, die ihr oft lieblos begegnet, ist schwierig. Eine Verbindung zu ihrem Vater, der seine Arbeit als Heizer verloren hat, gelingt nur manchmal über die Literatur. Ihr Bruder Edvin amüsiert sich oft über ihre kitschigen Gedichte, die keinerlei Basis in der Realität haben und als sich die Beziehung der beiden Geschwister zueinander endlich bessert, zieht er von Zuhause aus.

Tove versteht als Kind nicht recht, wie man spielt und passt sich immer nur an ihre Freundinnen an, die sie zu Diebestouren, Besuchen in der Straße, wo die Prostituierten stehen und waghalsigen Mutproben überreden. Für solche Momente und vor allem in der Schule hat sie sich eine Maske zurecht gelegt, hinter der sie ihre Intelligenz, ihre wahren Interessen und den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, verbirgt. Sie will ihr Leben selbst gestalten, spielt jedoch zwischenzeitlich die Rolle des Clowns und sagt über sich selbst:

„Kein Erwachsener verkraftet den Gesang in meinem Herzen und die Wortgirlanden in meiner Seele“.

Ihr autofiktionales Gesellschaftsporträt „Kindheit“ verfasste Tove Ditlevsen bereits 1967 bei einem Aufenthalt in einer Suchtklinik. Nun liegt dieses in metaphorischer, eingängiger Sprache verfasste Werk zu ersten Mal in deutscher Sprache vor, übersetzt von Ursel Allenstein. Der erste Band endet mit Toves Konfirmation, dem Ende der Schulzeit und somit ihrer Kindheit. Von nun an wird sie als Haushälterin für eine Dame kochen, putzen und sich um deren Sohn kümmern, denn zu mehr als diesen Aufgaben – und natürlich zur Heirat – sind Mädchen in diesen Zeiten nicht gut.

Die Bände zwei und drei folgen Mitte Februar und ich kann es nicht erwarten, mehr von und über diese erstaunliche Frau zu lesen – zum Glück liegen „Jugend“ und „Abhängigkeit“ schon hier bereit.

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Veröffentlicht am 09.01.2021

Nette queere Liebesgeschichte mit ernsten Tönen

The Music of What Happens
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Max und Jordan sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Während Max groß und sportlich ist und seine Zeit mit Videospielen oder im Fitnessstudio verbringt, ist Jordan schmächtig, in sich gekehrt ...

Max und Jordan sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Während Max groß und sportlich ist und seine Zeit mit Videospielen oder im Fitnessstudio verbringt, ist Jordan schmächtig, in sich gekehrt und drückt seine Gefühle in eigenen Gedichten aus. Als Max dann spontan einen Ferienjob im Foodtruck von Jordans Familie annimmt, kommen die beiden sich schnell näher.

Der Roman lebt definitiv von seinen Charakteren. Max und seine besten Freunde Betts und Zay-Rod sind ungemein sympathisch. Es war schön zu lesen, dass sich zwischen den dreien seit Maxs Coming-Out nichts geändert hat. Und auch im weiteren Verlauf der Handlung beweisen sie, dass ihre Freundschaft zueinander ehrlich und solide ist. Jordan hingegen empfand ich oft als anstrengend, sprunghaft und weinerlich; seine Freundinnen Kayla und Pam wirkten oberflächlich und oft war nur schwer nachvollziehbar, was diese Freundschaft im Kern ausmacht.

Der Autor spricht in seinem Buch eine ganze Reihe von schwierigen, aber wichtigen Themen an, für die auch eine Triggerwarnung angehängt ist. Die Darstellung ist dabei gelungen und sensibel, vor allem, wenn man bedenkt, dass von jungen Männern oft eher Stärke erwartet wird, als Offenheit im Hinblick auf psychische Probleme. Beide haben einen abwesenden Vater und Mütter, die damit nicht unterschiedlicher umgehen könnten – das führt zu interessanten Parallelen und vor allem Jordan muss schnell lernen, dass nur, weil etwas von außen perfekt wirkt, das noch lange nicht der Wahrheit entsprechen muss.

Wo der Text bei schwierigen Themen glänzt, hat er in den Alltagsszenen definitiv seine Schwächen. Diese plätschern oft nur so dahin und ziehen sich unnötig in die Länge. Erst begleiten wir die beiden Protagonisten zahllose Male auf immer gleichen Foodtrucktouren, dann kippt die Handlung plötzlich und alles scheint gleichzeitig zu passieren. Hier hätte etwas Balance nicht geschadet, dennoch eine nette queere Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Zwei miteinander verknüpfte Schicksale

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
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Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das ...

Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das Leben zur Hölle gemacht wird. Auch Thibault ist momentan nicht glücklich. Seinen Traumjob als Chirurg musste er nach einem Unfall, der ihn mehrere Finger gekostet hat, aufgeben und daher ist er schon seit Jahren für einen ärztlichen Dienst in Paris tätig. Seine Beziehung ist unglücklich, seine Partnerin stets emotional auf Distanz. Und so beschließen beide am selben Tag, dass sich ihr Leben radikal ändern muss.

Delphine de Vigan versteht es, Geschichten über ganz normale Menschen zu erzählen – über ihre Schwächen, ihre Einsamkeit und ihren Alltag. Auch in „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist ihr das gut gelungen. Bei dem Roman handelt es sich übrigens um eine Neuausgabe des bereits 2010 veröffentlichen Werkes im Taschenbuch. Erzählt wird die Handlung dieses einzigen entscheidenden Tages, wechselnd aus der Perspektive von Mathilde und Thibaut, die unweigerlich aufeinander zusteuern.

Beide Schicksale sind grandios dargestellt. An Mathildes Beispiel zeigt die Autorin auf, wie eine kleine Unstimmigkeit im Beruf zu wirklich furchtbarem Mobbing und einem Berufsleben auf dem Abstellgleis führen kann. Lange schweigt die alleinerziehende Frau, sucht die Schuld bei sich selbst und schämt sich aber auch dafür, dass sie sich so einfach hat ins Abseits drängen lassen. Angenehm ist ebenfalls, dass Thibault als der männliche Part in einer Beziehung verletzlich gezeigt wird und als derjenige, der sich mehr Liebe und Geborgenheit wünscht – er war mir von Beginn an sehr sympathisch.

Der Schluss des Romane lässt den Leser jedoch unzufrieden zurück. Ich persönlich hätte die Charaktere gerne noch etwas länger begleitet, denn so bleibt der Eindruck, die lange Einleitung zu einer Geschichte gelesen zu haben, die dann nicht zu Ende erzählt wird. Immerhin gelingt es Delphine de Vigan aber, dass ich mich noch lange frage, was wohl aus Mathilde und Thibault geworden ist. Und das ist doch auch etwas wert.

Fazit: Ein solides Werk der Autorin, aber nicht ihr bestes.

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