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Nilchen

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Veröffentlicht am 19.09.2022

Ehrengast oder Hofnarr?

Nachmittage
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Ferdinand von Schirach hat mit ‚Kaffee und Zigaretten‘ eine sehr lesenswerte Zusammenstellung an Geschichten geschrieben. Der damals noch praktizierende Anwalt, ist heute mit seien 58 Jahren ein gefragter ...

Ferdinand von Schirach hat mit ‚Kaffee und Zigaretten‘ eine sehr lesenswerte Zusammenstellung an Geschichten geschrieben. Der damals noch praktizierende Anwalt, ist heute mit seien 58 Jahren ein gefragter Schriftsteller, bekannt und immer gerne als Gast gesehen. Wer will auch seine eloquente manierliche Art missen wollen! Nun nach ‚Schuld‘, ‚Verbrechen‘, ‚Strafe‘ und wie sie nicht alle hießen, kommt nun eine Weiterführung seiner sehr persönlich geprägten Geschichten in ‚Nachmittage‘. Wobei die 175 Seiten eher wie Fragmente, Anekdoten, Schnipsel einer Vergangenheit wirken, die fiktionalisiert wurden. In 26 Abschnitte, manche gerade mal eine Seite lang, erzählt von Schirach uns melancholisch von der Welt durch die Augen eines Ich-Erzählers, den ich beim Lesen dem Autor gleichgesetzt habe. Er geht auf Begegnungen ein, verwebt sie. Hebt Orte und Personen in einen Rahmen und wie in Gewohnter Manier ist die Pointe, wenn man so sie so nennen dürfte meist anders als erwartet. Der Schreibstil auch ganz seiner treu geblieben, sachlich, klar auf den Punkt, reduziert und ausdrucksstark. Durch die kurze Textform ist es ein wahrlicher Lesegenuss und macht viel Freude ihm förmlich beim Denken zuzuschauen. Auch der unfassbare Reiseschatz aus denen er schöpft von Tokyo über Paris ist grandios. Und doch ist dieser Band ein wenig anders: Melancholisch wie eh und je, aber doch oft der Liebe zugewandt.
Ich habe es gerne gelesen, aber der Aufschlag mit ‚Kaffee und Zigaretten‘ war noch besser. Auf jeden Fall verhilft von Schirach dem Stiefkind „Kurzgeschichte“ eindeutig mehr an Popularität zu gewinnen, was immer begrüßenswert ist!

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Veröffentlicht am 19.09.2022

Herr Klotho reist nach Hause

Die Jahre des Maulwurfs
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Kerstin Brune debütiert mit einem ganz besonders tollen Roman und hat mich von ihrer Schreibkunst 100% überzeugt. Die erfahrene Gymnasiallehrerin und dorfgeborene nutzt ihren Erfahrungsschatz und bastelt ...

Kerstin Brune debütiert mit einem ganz besonders tollen Roman und hat mich von ihrer Schreibkunst 100% überzeugt. Die erfahrene Gymnasiallehrerin und dorfgeborene nutzt ihren Erfahrungsschatz und bastelt uns daraus eine wunderbar liebevolle Geschichte über die eigene Heimat, den eigenen Blickwinkel und den Lauf der Zeit. In einer unbeschreiblich guten Prosa nutzt Kerstin Brune eine sehr poesievolle Sprache. Wer sie als wortgewandten und vor allem gut pointierte Sprücheklopferin von Twitter kennt (war Twitter-Kolumnistin des Zeitmagazins „Große Pause“), mag überrascht sein, dass auch die Langform hervorragend aus ihrer Feder geflossen ist. Trust me: Es ist gut!
Und wer ist eigentlich Herr Klotho? Das ist der ausgestopfte Maulwurf, der einst Tanja gehörte und nun das letzte ist was der Protagonistin geblieben ist von ihrer besten Freundin aus Kindertagen. Tanja, immer ein bisschen zu laut, immer ein bisschen drüber, immer ein bisschen zu viel, faszinierte die brave Erzählerin. Tanja ist eine Freundin, die man sich wünscht, die mit einem Pferde stiehlt und das bisschen Furcht zur Seite schiebt, dass man Ärger bekommt, wenn man sich nun doch traut Blödsinn zu machen oder besser gesagt, dass was die Erwachsenen als Blödsinn empfinden. Die rothaarige Tanja war anders und dann verschwand sie und blieb verschwunden.
Jahre später kommt nun die Erzählerin in ihr Heimatdorf zurück, offen ist der Anlass, aber es katapultiert sie zurück in ihre Kindheit und sie erkundet neu, reflektiert und setzt Erlebtes ins Verhältnis zu ihrer jetzigen Welt. Es macht Spaß ihr zu folgen und durch ihre Kinderbrille diesem Dorf zu begegnen und nun als Erwachsene. Diese Welt des Dorfes portraitiert Kerstin Brune mit ihren Schrullen und Macken genauso gut wie die den Zusammenhalt und die doch eigentlich liebevolle Art einander Nahe zu sein.
Fazit: Wir könnten alle ein wenig mehr Tanja gebrauchen in unseren Leben!

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Veröffentlicht am 19.09.2022

Der Tod kann mich am Arsch lecken

Der Hai im System
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Drei Leben, drei Schicksale, drei Menschen, die alle ihre Probleme haben und damit leben müssen. Wir lernen den Polizisten Philipp Hoffmann kennen, der seiner schwangeren Frau untreu wurde und nun von ...

Drei Leben, drei Schicksale, drei Menschen, die alle ihre Probleme haben und damit leben müssen. Wir lernen den Polizisten Philipp Hoffmann kennen, der seiner schwangeren Frau untreu wurde und nun von seiner Geliebten erpresst wird mit brisanten Fotos. Dann ist da noch die Lehrerin Franziska Steinbrenner, die das Sorgerecht von ihrem Ex-Mann erstritten hat, aber sich sorgt, dass er es nicht hinnimmt. Und die explosivste Person im Dreigestirn ist ein Mann des Bundesheers, nach Quittierung des Dienstes hat er ein Sturmgewehr behalten, welches mit 42 Schuss geladen ist. Er ist enttäuscht, sinnt auf Rache und findet in kein passendes Leben zurück. Das die drei nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind im Laufe des Romans, steht außer Frage.
Was passiert hier eigentlich nicht? Dieses Buch ist sehr dicht in allem, in der Handlung, in der Intensität und der ungebändigten Katastrophe auf die alle zusteuern. Ja, eine thrillerhafte Handlung mit tiefen Kratern und Spuren der Verwüstung, die wir hier erblicken, wenn man in den gesellschaftlichen Abgrund blickt. Denn aus meiner Sicht geht es Kurt Palmer nicht um den Grusel sondern um die menschlichen Tragödien, die uns miteinander verbinden und zugleich entzweien. Das fatale Miteinander, dass zu einem Pulverfass werden kann. Eine psychologische Analyse.
Sprachlich mitreißend und auch mal hart am Limit, aber packend, ohne Frage. Das Kurt Palmer Österreicher ist merkt man dem Text an, was ich immer sehr charmant finde, dass es da doch Unterschiede im Sprachgebrauch gibt.
Das Cover ist unglaublich passend zum Buch gestaltet, nicht nur der Titel wird hier aufgenommen und wiedergespiegelt – auch ist es eine Szene im Buch die fast so stattfindet – fast.
Fazit: Wer Quentin Tarantino schaut, kann auch Kurt Palm lesen.

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Veröffentlicht am 13.09.2022

Es geht weiter mit Ria Nachtmann!

Das zweite Geheimnis
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Bereits mit dem ersten Teil der Trilogie ‚Die fremde Spionin‘, welches im Jahr 1961 handelt hat Titus Müller mich von seinem Können und seiner Recherche überzeugt. Nun geht es im zweiten Teil ‚Das zweite ...

Bereits mit dem ersten Teil der Trilogie ‚Die fremde Spionin‘, welches im Jahr 1961 handelt hat Titus Müller mich von seinem Können und seiner Recherche überzeugt. Nun geht es im zweiten Teil ‚Das zweite Geheimnis‘ weiter im Jahr 1973 und im kommenden Jahr wird die Reihe mit ‚Der letzte Auftrag‘ beendet, der Band spielt dann im Jahr 1989.
Nun zu ‚Das zweite Geheimnis‘. Es geht weiter um das Leben der Ria Nachtmann, die nicht mehr als Spionin tätig ist und ihrer Familie zu Liebe im Osten blieb statt zu Jens in den Westen zu ziehen. Natürlich hängt sie noch immer ihrer großen Liebe nach und trifft sich auch heimlich mit ihm in Albanien. Dann passiert das unfassbare: Ihr Bruder versucht einen Fluchtversuch und scheitert. Ria geriet in Sippenhaft mit ihrer Familie und wird von der Stasi durchleuchtet, eine der Damen dort hat es auf sie abgesehen.
Ria ist ganz ihrer Tochter verschrieben, durch die wir einen Einblick in den DDR-Hochleistungssport bekommen. Wahnsinn wie das vor sich ging.
Überhaupt bekommt man durch die fiktive Lebensgeschichte der Ria Nachtmann einen spannenden Einblick in die willkürlichen Staatsgebaren der DDR. Ein autoritärer Staat, der seinen Bürgern wenig Freiheit lies. Es werden viele historische Ereignisse und die politische Lage gut in die Geschichte eingebettet und ich finde man merkt die genauen Recherchen des Autors Titus Müller. Er macht auf diesem Weg Geschichte lebendig!

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Veröffentlicht am 13.09.2022

Mafia – Wie rutscht man rein und wieder raus?

Alles andere ist eine Lüge
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Nach der Lektüre hat mich erstaunt, dass dieser Roman im Selbstverlag erschienen ist und damit leider nicht unterstützt wird von der „Marketing-Maschinerie“ der großen Verlage! Deshalb falle ich gleich ...

Nach der Lektüre hat mich erstaunt, dass dieser Roman im Selbstverlag erschienen ist und damit leider nicht unterstützt wird von der „Marketing-Maschinerie“ der großen Verlage! Deshalb falle ich gleich mit der Tür ins Haus: Es ist ein lesenswerter Roman!
Wer sich für Mafiastrukturen interessiert und wie handelnde Personen mit viel Gewalt und vor allem Macht ihre Entourage am Laufen halten, sollte dieses Buch lesen. Wie eine Schlange hat die Mafia die Bevölkerung in Neapel im Würgegriff. Es ist ein Roman wie schon erwähnt und kein Sachbuch, aber mir scheinen die zugrundeliegenden Verzahnungen und die ungeschriebenen Gesetzte so real, dass hier nicht von Fiktion die Rede sein kann.
Die Geschichte, die hier um Nino Alfieri erzählt wird, ist in der Tat ausgedacht und eine gute Rahmenhandlung. Nino wacht nach einem Mordanschlag auf ihn im Krankenhaus auf und weiß er muss weg sonst kriegen „sie“ ihn.
Er ist in Neapel und es passieren täglich viele unglaubliche Taten, da wird ein Mann auf der Straße mit einem Kopfschuss exekutiert, ein Hund wird von Schrotkugeln durchsiebt und ein Mann verblutet auf einer Straßenkreuzung. Was ist hier los?
Nino flüchtet nach dem Angriff auf ihn zu seiner Großtante, die auf einem entlegenen Bauernhof lebt, aber hier fühlt sich Nino wie ein Tiger im Käfig. Selbstmord oder aufdecken was hier geschieht? ‚Alles andere ist eine Lüge‘ ist ein spannendes Buch, dass harte Szene beinhaltet und eigentlich hofft man fortwährend, dass es so was im echten Leben nicht gibt, aber die Sorge wächst von Seite zu Seite, dass die Welt sehr viel schlechter ist als man ahnt.
Michele Lo Chiatto schreibt eingängig gut. Der Schreibstil gefällt mir. Spannend, aber doch reflektiert und die Charaktere sind gut gezeichnet.

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