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Veröffentlicht am 11.10.2017

Engel. Teufel. Engel. – Brandaktuell, top recherchiert und spannend

Jenseits
1

Gent Sassenthin bricht sein Medizinstudium ab, nach dem er mit dem Suizid seiner Zwillingsschwester nicht klarkommt. Er empfindet blinde Wut, greift zu Drogen, trinkt viel Alkohol und lässt sich gehen. ...

Gent Sassenthin bricht sein Medizinstudium ab, nach dem er mit dem Suizid seiner Zwillingsschwester nicht klarkommt. Er empfindet blinde Wut, greift zu Drogen, trinkt viel Alkohol und lässt sich gehen. Als er dem Abgrund nah in ein Taxi steigt, erkennt der muslimische Fahrer, wie dreckig es ihm geht. Der ruhige, weise erscheinende Abdallah wendet sich Gent zu. Zum ersten Mal fühlt sich Gent gesehen und wahrgenommen. Alles Schmutzige ist verschwunden und der Drang wegzulaufen verflüchtigt sich. Nichts muss mehr verborgen werden und er muss sich nicht mehr verstecken. Gent konvertiert zum Islam, findet offensichtlich innere Ruhe und schließt sich der Terrorgruppe islamischer Staat an. In Syrien angekommen, vollstreckt er Urteile an Dieben, indem er ihnen die Hände amputiert.

Ein Jahr nach Gents Verschwinden, erhalten seine Eltern eine Nachricht von ihm.

Will Gent aussteigen?

Der Autor:

Yassin Musharbash, geboren 1975, hat deutsche und jordanische Vorfahren. Während des Studiums der Arabistik und Politologie begann er als Journalist zu arbeiten, u.a. für die taz und Jordan Times. Seit etlichen Jahren beschäftigt er sich mit den Themen Terrorismus, Innere Sicherheit und Umwälzungen in der arabischen Welt, zunächst als Redakteur bei Spiegel Online, heute im Investigativ-Ressort der Wochenzeitung Die Zeit. 2006 erschien sein Buch »Die neue Al-Qaida. Innenansichten eines lernenden Terrornetzwerks« (KiWi 932), 2011 sein Thriller »Radikal« (KiWi 1289). (Quelle: KiWi)

Die Journalistin Merle Schwalb vom »Globus« wittert die größte Geschichte ihrer Karriere. Der Verfassungsschützer Sami Mukhtar im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin hofft auf den Fall, an dem er sich endlich beweisen kann. Der Sozialarbeiter Titus Brandt von der Beratungsstelle »Amal« behält ein gefährliches Geheimnis zu lange für sich. Was passiert, wenn alle das Richtige wollen – aber nichts so ist, wie es scheint?

Reflektionen:

Nach seinem gelungenen Roman Radikal zeichnet Yassin Musharbash einen vielversprechenden, aktuellen und authentischen Polit-Thriller.

Der junge Mann Gent wendet sich aus seiner persönlichen Labilität heraus, dem Islam zu und schlägt den Weg eines Dshihadisten ein. Eine tragische Geschichte, die immer wieder passiert und von der wir längst gelesen haben. Doch Yassin Musharbash zeigt nicht nur die Tragik, des verlorenen Sohnes. Er zeigt gekonnt und fundiert auf, wie sich Entscheidungsträger innerhalb der Sicherheitsbehörden aufführen, wie überfordert sie sind, wie sie arbeiten, gegeneinander und miteinander, wie sie abwägen und auch wie sie von ihren persönlichen Schicksalen beeinflusst sind. Verfassungsschützer Sami Mukhtar will sich endlich beweisen.

Musharbash stellt in seinem Thriller auch die Funktionalität und das Machtgehabe der Presse dar. Innerhalb dieser Institution wollen Journalisten einerseits die Öffentlichkeit informieren, andererseits spielen Macht und Geld sowie ebenfalls persönliche, menschliche Ziele eine tragende Rolle und beeinflussen auch hier das Handeln. Die taffe Journalistin Merle glaubt auf die größte Story ihrer Karriere gestoßen zu sein.

Jenseits ist hervorragend recherchiert. Das beweist die Authentizität der Geschichte. Fiktion und Realität agieren hierin so harmonisch, dass man sie nicht unterscheiden kann. Besonders gut sind die Konflikte beschrieben, die die Eltern Gents mit sich austragen, die bei Sozialarbeiter Titus Brandt Hilfe suchen und an Selbstvorwürfen fast zugrunde gehen.

Jenseits ist nicht einfach zu lesen. Früh, bereits nach den ersten Seiten, ist eine intensive Tiefgründigkeit zu erahnen, aber lange Zeit kann man sie zunächst nicht greifen und für sich deuten. Einerseits hebt das die Spannungskurve an, andererseits tüftelt man angestrengt und hochkonzentriert durch die Perspektiven.

Die Szenerien in allen Perspektiven sind ernüchternd, erschreckend und teilweise menschlich nachvollziehbar zugleich. Ob es um Gents persönliche Geschichte geht, um seinen Weg zum IS, um seine Eltern, die eine Beratungsstelle aufsuchen, um die Mitarbeiter beim Verfassungsschutz oder um eine taffe Journalistin. Die vielen Perspektiven ermöglichen es, die Geschichte von vielen Standpunkten aus zu betrachten. Man kann so Ahnungen entwickeln, was richtig und was als falsch bewertet wird, aber die Wahrscheinlichkeit die reine Wahrheit zu erkennen, bleibt in einem authentisch inszenierten Nebel gewollt nur schemenhaft erkennbar.

Gent als Dschihadist löst eine Kette von angenehm komplexen und hochspannenden Vertrickungen und Wendungen aus. Yassin Musharbash zeigt auf, wie sich der Rattenschwanz entwickelt und wie man gedenkt ihn zu entwirren zudem gewährt er einen tiefen Einblick in die Entwicklung von Gents radikalen Gedankenguts.

Der Einstieg in die Geschichte ist mir persönlich nicht ganz leichtgefallen. Ich benötigte etwas Lesezeit, um mich an den Stil des Autors zu gewöhnen. Die Sprache hingegen ist wohl und klar formuliert, sodass man ihr nach dem warm-up gut folgen kann.

Die Charaktere zahlreicher Figuren sind intensiv und tiefgründig dargestellt. Musharbash zeichnet sie stets aus einer persönlichen und menschlichen Perspektive und stellt die von der Gesellschaft erwartete geschickt gegenüber.

Nach seinem hoch gelobten Roman »Radikal« legt Yassin Musharbash nun einen Politthriller vor, der kaum aktueller sein könnte: Wie überfordert sind die Sicherheitsbehörden? Wie sollen wir umgehen mit den Terroristen aus der Mitte unserer Gesellschaft? Und vor allem: Was passiert eigentlich in deren Köpfen?

Fazit und Bewertung:

Der spannende Polit-Thriller Jenseits befasst sich brandaktuell mit der Gesinnung und Entwicklung von radikalen Terroristen in unserer Gesellschaft. Yassin Musharbash legt in seinem Thriller Jenseits mit der Geschichte um den jungen Gent dar, wie Sicherheitsbehörden und Presse arbeiten und wieviel Mensch doch noch hinter einzelnen Handlungen stecken, die Folgenschweres damit verursachen.

Jenseits ist top recherchiert und in seiner Tiefgründigkeit keine leichte Kost. Dieser Thriller ist für all jene empfehlenswert, die gern einen ernüchternden Blick in unsere Gesellschaft werfen und die es gern komplex und auch politisch mögen.

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 08.10.2017

Rache oder Gerechtigkeit? 4. Teil der Reihe mit Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez

Todesreigen
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Nachdem eine Reihe von Kollegen auf brutale Art Selbstmord begangen haben, wird Sabine Nemez – Kommissarin und Ausbilderin beim BKA – misstrauisch. Vieles weist auf eine jahrzehntealte Verschwörung und ...

Nachdem eine Reihe von Kollegen auf brutale Art Selbstmord begangen haben, wird Sabine Nemez – Kommissarin und Ausbilderin beim BKA – misstrauisch. Vieles weist auf eine jahrzehntealte Verschwörung und deren von Rache getriebenes Opfer hin. Sabine bittet ihren ehemaligen Kollegen, den vom Dienst suspendierten Profiler Maarten S. Sneijder, um Hilfe. Doch der verweigert die Zusammenarbeit, mit der dringenden Warnung, die Finger von dem Fall zu lassen. Dann verschwindet Sabine spurlos, und Sneijder greift selbst ein. Womit er nicht nur einem hasserfüllten Mörder in die Quere kommt, sondern auch seinen einstigen Freunden und Kollegen, die alles tun würden, um die Sünden ihrer Vergangenheit endgültig auzulöschen ...

Der Autor:

Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Grillenberg in Niederösterreich. Er hat bereits mehrere äußerst erfolgreiche und preisgekrönte Erzählungen und Romane verfasst. (Quelle: Goldmann Verlag)

Reflektionen:

Todesreigen ist der 4. Teil der Reihe mit Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez, den man durchaus auch als stand alone lesen kann. Allerdings fehlen dann tiefergehende Informationen zu den einzelnen Figuren, die sich bereits in den vorherigen Bänden gefestigt haben.

Todesreigen ist angenehm komplex und doch süffig, wie ein lieblicher Wein. Andreas Gruber verwöhnt den Leser mit einem angenehm flüssigen Stil, taffen Dialogen und einer leichten, zeitweise umgangssprachlichen Sprache, je nachdem, welcher Charakter dies verlangt.

Sabine Nemez und Tina Martinelli sehen sich den Tatorten eines brutalen Serientäters gegenüber. Es scheint, als treibe der Täter Polizeikollegen in den Freitod, nach dem ein Familienangehöriger ermordet wurde.

Maarten S. Sneijder bleibt auch weiterhin suspendiert und unterrichtet derweil an der Universität als Dozent. Als Sabine Nemez Sneijder um Hilfe bitten will, bleibt der augenscheinlich gewohnt stur und verneint. In Wahrheit aber, will auch Sneijder Aufklärung, denn es dreht sich alles um die BKA-Gruppe 6, zu der auch er einmal gehörte.

Dieser Thriller wird in zwei Haupterzählsträngen erzählt. Zum einen verfolgt man die Ermittlungen von Sabine Nemez und Tina Martinelle, die gut als Team zusammenarbeiten. Man bangt um sie, denn natürlich schweben sie bald in Gefahr und können niemandem mehr vertrauen. Der zweite Erzählstrang ist aus der Sicht von Hardy erzählt. Hardy hatte eine kurze Karriere bei der Polizei, bevor er ein eigenes Drogengeschäft aufzog, es zu eskalierenden Situationen mit der Konkurrenz kam und man ihn des Mordes an seiner Familie verurteilte. Nach zwanzig Jahren wird Hardy aus der Haft entlassen und er sucht nach den Mördern seiner Familie.

Die Perspektiven spielen immer mal wieder mit Rückblicken, die die Geschichte intensivieren und doch empfand ich die Todesfälle, die typischer Weise alle nach demselben Muster abliefen, fast langweilig. Brutal und blutig waren sie, aber mir fehlte die Konsistenz der Dramaturgie und der Überraschungseffekt. Ich las die vorhersehbaren Fälle weg, konnte zu früh Gut und Böse unterscheiden, sodass die Konstante der Spannungskurve ins Trudeln geriet und ich sogar Längen empfand.

Gut gefallen hingegen haben mir die gewohnt guten Charakterzeichnungen. Der Unsympath Maarten S. Sneijder im Besonderen, wobei seine Redensart und sein Handeln manches Mal nur knapp an der Grenze zum too much vorbeischlitterte.

Das Ende empfand ich actionreich und doch fehlte mir das Sahnehäubchen einer irrwitzigen Wendung, dass man von Autor Andreas Gruber durchaus hätte erwarten dürfte.

Fazit und Bewertung:

Todesreigen von Andreas Gruber ist der 4. Teil der Reihe mit Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez. Weniger Vorhersehbarkeit und etwas mehr Dramaturgie hätten diesem Thriller gutgetan. Meine Erwartungen wurden nicht ganz erfüllt und dennoch darf man insgesamt spannende Lesestunden erwarten.

©nisnis-buecherliebe

4 Sterne

Veröffentlicht am 05.10.2017

Intriganter Psychotrhill - Rasant, spannend und krank

Unter Wasser hört dich niemand schreien
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Liz Mc Ginnises zieht mit ihrer Tochter Daniell und ihrem Mann Phil in das sicherheitsüberwachte, exklusive Villenviertel „The Palm“. Phil ist Community Relation-Spezialist und soll sich um die Belange ...

Liz Mc Ginnises zieht mit ihrer Tochter Daniell und ihrem Mann Phil in das sicherheitsüberwachte, exklusive Villenviertel „The Palm“. Phil ist Community Relation-Spezialist und soll sich um die Belange der Anwohner und des Viertels kümmern. Liz arbeitet weiterhin als Beratungslehrerin an einer Highschool, an der die 15jährige Danielle Schülerin wird.

Das Leben in The Palms ist für alle drei schwierig, denn die versnobten, steinreichen Nachbarn leben nach einer Etikette, die ihnen fremd ist. Die Hauseigentümerinnen leben wie Märchenprinzessinnen und sie umschwärmen den attraktiven Phil.

Mit der Zeit passen sich die drei etwas an. Vor allem die bisher sehr naturverbundene Danielle, während sie mit ihrer neuen, verzogenen, hübschen Freundin Kelsey viel zusammen ist, so dass Liz ihre Tochter bald kaum noch erkennt. Kelsey ist plötzlich Dauergast und geht im Haus der McGinnies ein und aus.

Als sich mysteriöse Ereignisse anhäufen, weiß Liz nicht mehr wem sie trauen kann. Und als Kelsey leblos im Pool der Familie Ginnises liegt, ist sich Liz sicher, dass jeder in The Palms einen Grund gehabt hätte Kelsey zum Schweigen zu bringen.

Die Autorin:

Paula Treick DeBoard verbringt ihre Zeit mit Lesen, Schreiben und dem Lehren von Komposition an der Universität von Kalifornien. Sie lebt mit ihrem Mann Will und ihrem Hund in Kalifornien. (Quelle: HarperCollins Germany)

Reflektionen:

Es ist lange her, einen Thriller in diesem enormen Tempo gelesen zu haben, zumindest empfinde ich den flüssigen, angenehmen Schreibstil so. Von der ersten Seite an wird man von der Story in den Bann gezogen und durch die Seiten getrieben. Ein Pageturner. Eindeutig.

Autorin Paula Treick DeBoard ist mit Unter Wasser hört dich niemand schreien ein überzeugender Thriller gelungen, der mit einem perfekt initiierten psychologischen Aufbau einhergeht.

Trotz, dass die Geschichte sofort ein hohes Lesetempo vorgibt, lernt man die sorgfältig ausgearbeiteten Charaktere der Figuren gut kennen, denn die Perspektiven wechseln taktvoll und lassen den Leser in die Legenden der vielschichtigen Figuren eintauchen, während sich die Handlung rasant weiterentwickelt. Nicht nur der Wechsel der Perspektiven, die rückblickend bis in die Vergangenheit reichen, treiben die Spannung immer mehr auf die Spitze, sondern auch die Teilhabe an der Gedankenwelt der beiden Hauptfiguren, Liz und Phil.

Liz und Phil sind bodenständig. Sie könnten die authentischen Nachbarn von nebenan sein, doch das was sie im exklusiven Villenviertel zunächst in gemäßigter Form erleben, bevor es eskaliert, liest sich bald wie die Verhängnisvolle Affäre in der Michael Douglas einst die Hauptrolle spielte.

„Aber ich hatte die Worte nicht herausbekommen, da ich Angst hatte, dass ich beim Versuch, meine Unschuld zu beweisen, nur schuldig erschien.“ (Zitat)


Das was sich in The Palms abspielt ist unterschwellig intriganter Psychoterror, den die Figuren jedoch nicht sofort als solchen erkennen. Als die Situationen, Ereignisse und Verbrechen eindeutig werden, schweigt man, unterstellt, bezichtigt, kann niemandem mehr trauen und ein jeder versucht sein Gesicht zu waren.

Besonders gelungen ist die Darstellung der Entwicklung der zunächst unscheinbaren Danielle, die sich unter dem Einfluss der reichen und hübschen Freundin Kelsey zum trotzigen Teenager entwickelt. Liz leidet darunter, als sie spürt, dass ihr die 15jährige Tochter langsam entgleitet. Die Emotionen, die eine jede Mutter empfinden würde, sind voll authentischer Emotionen erzählt.

Und doch dreht sich die Geschichte in ihrer Tiefe hauptsächlich um Liz und Phil und die stellt die Frage, schuldig oder nicht.

„Worin besteht der Unterschied zwischen einem Pädophilen und einem Unschuldigen, der beschuldigt wird, ein Pädophiler zu sein? Oder einem Vergewaltiger und jemandem, der einer Vergewaltigung beschuldigt wird? Praktisch gesehen gibt es keinen. Es nimmt sich nichts. Der eine könnte genauso gut der andere sein. Es ist egal, ob man unschuldig ist, denn die Anschuldigung nährt den Verdacht, und von da an wird die Schuld immer größer. Die Unschuldigen sind die, die es am härtesten trifft, wirklich. Sie haben am meisten zu verlieren – die mit Frauen und Kindern, die sich nicht nach etwas anderem umsehen.“ (Zitat)

Die Exklusivität von The Palms und ihrer Anwohner ist eine interessante Kulisse. Details aus den Leben der von außen eleganten Reichen und Schönen Charaktere, sind maßvoll in Handlung eingearbeitet und sie navigieren die Geschichte in eine unheimliche, bestimmte Richtung.

„Also, ich wohne lange genug in The Palms, um zu wissen, dass es hier viel Unzufriedenheit gibt. Die Tore helfen vielleicht, den Pöbel fernzuhalten, aber sie können uns nicht vor uns selbst schützen.“ (Zitat)

Autorin Paula Treick DeBoard hat eine unheilvolle und düstere Atmosphäre erschaffen, die den Atem anhalten lässt und die das Tempo vorgibt. Bis zu Letzt vermutet man, dass eine bestimmte Wendung eintritt. Doch genau das passiert nicht. Das Ende ist unvorhergesehen, erschreckend, nachvollziehbar und ernüchternd. Wow.

Fazit und Bewertung:

Unter Wasser hört dich niemand schreien ist ein rasanter, überzeugender Thriller. Autorin Paula Treick deBoard versteht es, intriganten Psychoterror psychologisch geschickt in eine eskalierende Story hineinzuschreiben, die zuverlässig von einer unheilvollen und düsteren Atmosphäre genährt wird.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 26.09.2017

Verlust der Menschlichkeit – Eindrucksvoll, bedrückend und auf die heutige Zeit übertragbar

Der Junge auf dem Berg
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Kurz vor dem 2. Weltkrieg lebt der kleine Pierrot mit seinen Eltern in Paris. Seine Kindheit ist unbeschwert, bis er seinen Vater an den dunklen Wolken der Kriegserinnerungen verliert und seine Mutter ...

Kurz vor dem 2. Weltkrieg lebt der kleine Pierrot mit seinen Eltern in Paris. Seine Kindheit ist unbeschwert, bis er seinen Vater an den dunklen Wolken der Kriegserinnerungen verliert und seine Mutter plötzlich stirbt.

Pierrot muss seinen Hund und seinen einzigen Freund Anshem, ein Judenkind, zurücklassen, als er in ein Waisenhaus kommt. Aber sie schwören sich, nie den Kontakt abzubrechen. Pierrots Zeit im Waisenhaus ist überschaubar, denn die Schwester seines Vaters holt ihn zu sich. Zu sich auf den Berg, wo sie in der Sommerresidenz Adolf Hitlers lebt und arbeitet.

Von da an verändert sich Pierrots Leben. Es beginnt damit, dass er von nun an nicht mehr Pierrot, sondern Peter heißt, seine Herkunft und seinen jüdischen Freund verleugnen muss. Während Peter heranwächst beeinflusst der charismatische Führer Peters Entwicklung und Lebenseinstellung drastisch, bis er treuergeben einen unverzeihlichen und tödlichen Verrat begeht.

Der Autor:

John Boyne wurde 1971 in Dublin, Irland, geboren, wo er auch heute lebt. Er ist der Autor von sechzehn Romanen, darunter ›Der Junge im gestreiften Pyjama‹, der sich weltweit sechs Millionen Mal verkaufte, zahlreiche internationale Buchpreise gewann und mit großem Erfolg verfilmt wurde. John Boynes Romane wurden in über vierzig Sprachen übersetzt.

Reflektionen:

Pierrot ist klein und unscheinbar und er ist stets der Letzte, den andere Kinder in ihre Gruppe wählen. Man hänselt ihn, man bedroht ihn und Pierrot wünscht sich eines Tages so viel Macht und Kraft zu besitzen, dass er sich wehren kann. Er leidet sehr, dass sein geliebter Vater tot ist. Er bewundert ihn, hält ihn für einen Kriegshelden und eines Tages, will er ihn stolz machen.

Als der kleine Pierrot auf dem Berg ankommt, verändert sich sein Leben rasant. Strenge Regeln beherrschen von nun an sein Leben. Er ist zutiefst betrübt, dass er seinen jüdischen Freund verleugnen muss und er versteht nicht, warum er von nun an Peter heißen muss.

Im Laufe der Zeit saugt Pierrot alles in sich auf, was um ihn herum geschieht. Er bewundert den Führer, wie der Macht ausübt, wie alle strammstehen, wenn er etwas sagt und er bewundert die Männer in Uniform, die mit ihren Gewehren patrouillieren

Als er vom Führer eine Uniform der Hitlerjugend geschenkt bekommt, wandelt sich auch sein Gemüt langsam und er selbst setzt sich das Ziel, eines Tages ebenso machtvoll zu sein.

In den alltäglichen Handlungen des Jungen schildert John Boyne die Entwicklung des Jungen unter dem Einfluss Adolf Hitlers glaubwürdig. Zunächst ist er ein kleiner, hilfloser Junge, der als Kind erste Erfahrungen mit dem Antisemitismus macht, die er jedoch noch nicht einordnen kann. Als er dann erste Machtspiele entwickelt verzeiht man ihm noch, doch umso älter Peter wird, umso deutlicher wird es, dass er die charismatischen Eigenschaften des Führers übernimmt und die Welt des Nationalsozialismus eintaucht.

Es ist erschreckend authentisch, wie John Boyne die vom Führer gezielt angewandte Beeinflussung und Manipulation auf den Jungen überträgt. Und es ist unfassbar, wie weit sie den Charakter des zunächst äußerst labilen Jungen prägen, der immer mehr seine Menschlichkeit verliert. Der kleine Pierrot weckt Mitleid, während der Heranwachsende auch die Emotionen des Lesers in abstoßend wandelt.

John Boynes Schreibstil ist flüssig und angenehm kurzweilig zu lesen. Es blitzen kleine literarische Perlen im Ausdruck auf, aber dieses Buch ist nicht mit dem hochemotionalen Werk der Junge im gestreiften Pyjama gleichzusetzten. Aber ich finde es auch nicht recht, den Jungen auf dem Berg mit dem Jungen im gestreiften Pyjama gleichzusetzten, denn dieses hier ist inhaltlich von menschlicher Kälte geprägt, während das erstere emotional tief berührt.

Für mich persönlich war dieses Buch durchaus ein Pageturner, da ich der Begegnung Pierrots mit Hitler fiebernd entgegen las. Die Spannungskurve entwickelte sich in gemäßigtem Tempo nach oben, aber dennoch knisterte die Spannung auf jeder gelesenen Seite.

Die Geschichte ist historisch alt und dennoch ließe sie sich auf die heutige Zeit übertragen, wenn man beispielsweise an die Manipulation und Beeinflussung von Jugendlichen durch propagandistische Salafisten denkt. Und deshalb wäre es eine gute Idee, diese wertvolle Geschichte Jugendlichen der höheren Klassen in der Schule an die Hand zu geben und mit ihnen darüber zu diskutieren.

Fazit und Bewertung:

John Boye schreibt eindrucksvoll über die jugendliche Verführbarkeit, die Manipulation und über eine Charakterentwicklung bis hin zum Verlust der Menschlichkeit. Authentisch und glaubwürdig erlebt man in diesem Buch mit, wie der charismatische Einfluss Hitlers das Leben Pierrots beeinflusst und fast zerstört.

Die Geschichte ist historisch alt und dennoch ließe sie sich auf die heutige Zeit übertragen, wenn man beispielsweise an die Manipulation und Beeinflussung von Jugendlichen durch propagandistische Salafisten denkt. Und deshalb wäre es eine gute Idee, diese wertvolle Geschichte Jugendlichen der höheren Klassen in der Schule an die Hand zu geben und mit ihnen darüber zu diskutieren.

Leseempfehlung.

©nisnis-buecherliebe

Veröffentlicht am 24.09.2017

Fiona ist Fiona oder doch Fiona? – Schräge Undercover-Ermittlerin im Kampf um ihre Identität

Fiona
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Fiona Griffiths ist eine Frau voller Probleme, aber auch eine sehr gute Polizistin. Als Neuling im Revier hat sie natürlich auch Routinefälle zu bearbeiten. Zum Beispiel diesen: Abrechnungsbetrug bei einem ...

Fiona Griffiths ist eine Frau voller Probleme, aber auch eine sehr gute Polizistin. Als Neuling im Revier hat sie natürlich auch Routinefälle zu bearbeiten. Zum Beispiel diesen: Abrechnungsbetrug bei einem Möbelhaus. Fiona folgt der Spur des Geldes und stößt auf Leichen. Denn es geht um viel Geld. Unglaublich viel. Nun hat Fiona gerade erst eine Ausbildung zur Undercover-Agentin absolviert. Als Putzfrau namens „Fiona Grey“ wird sie in ein betroffenes Unternehmen eingeschleust. Auch die Betrüger erkennen schnell ihre besondere Begabung, Fiona wird Teil ihres Plans – ein gefährliches Spiel. Denn die Grenzen zwischen ihren Persönlichkeiten verfließen zunehmend. Nur Fiona Griffiths kann das ultimative Verbrechen verhindern. Doch was will Fiona Grey?

Der Autor:

Harry Bingham stammt aus Wales. Er hat in Oxford Politik und Wirtschaft studiert, sich danach bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung mit dem ökonomischen Wiederaufbau Osteuropas beschäftigt und schließlich eine Karriere bei J.P. Morgan in der Abteilung für Mergers & Acquisitions abgebrochen, um Bücher zu schreiben. Mit der Fiona-Griffiths-Reihe betritt er erstmals die Bühne der Krimiwelt. (Quelle: Rowohlt Verlag)

Reflektionen:

Die junge Polizistin Fiona Griffith will aus dem Polizeialltag ausbrechen, der überwiegend Routinefälle für sie bereithält. Als sie die Gelegenheit bekommt eine Undercover-Ausbildung zu durchlaufen, greift sie zu. Sie absolviert das harte Training mit Bestnoten und wird kurze Zeit später, zu ihrem ersten Undercover-Einsatz berufen. Einem Abrechnungsbetrug, der bereits zwei Frauen das Leben gekostet hat.

Fiona Griffith, ermittelt undercover in der Rolle der Lohnbuchhalterin Fiona Grey. Sie wird als graue Maus in das Unternehmen eingeschleust um den Weg des Geldes zu ermitteln Fionas Legende nach wird sie wegen Körperverletzung gesucht, nach dem sie missbraucht wurde. Sie hat keine Wohnung, kein Geld und muss sich durch zusätzliches Putzen gehen über Wasser halten. In ihrer Rolle ist sie ein leichtes Opfer für die Betrüger, die ihr drohen sie auffliegen zu lassen. Man setzt sie unter Druck, so dass sie als Lohnbuchhalterin das tut, was man von ihr verlangt. Eine ideale Ausgangsbasis, um undercover zu ermitteln.

Während der Ermittlungen entpuppt sich der Fall zu einem millionenschweren Betrug.

Reflektionen:

Der Einstieg in die Geschichte findet holperig statt. Kurze, prägnante Sätze, eine zu einfache, saloppe Sprache, eine scheinbar unrunde Handlung und eine naiv erscheinende Protagonistin, unterstützen nicht gerade den Wohlfühlmodus des Lesers.

Es dauert fast zu lange, um sich in die Geschichte hineinversetzten zu können. Man ist kurz davor die Geduld zu verlieren, das Buch resigniert zuzuklappen, bevor die Geschichte endlich in einem Flow mündet und sich langsam entwickelt.

Fiona erscheint zunächst sogar unsympathisch. Man kann sie nicht einordnen, denn sie passt in keine Schublade. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr und es dauert lange, bis man erahnen kann, was ihr Problem ist. Es ist ihre Psyche, die die Verwirrung stiftet. Fiona hat Schwierigkeiten Gefühle zu empfinden und sie auszudrücken. Sie versucht sich so zu verhalten, wie sie glaubt, dass es normal ist. Tränen hat sie seit Jahren nicht geweint und sie scheint ständig auf der Suche, ihren Platz in der Welt zu finden.

Als sie in die Undercover-Rolle schlüpft und somit in einer zweiten Identität lebt, entpuppt sich ihr diese als viel angenehmer, als ihr wahres Leben und ihr wahres Ich. Das dies Konflikte heraufbeschwört ist klar und je länger Fiona Griffith Fiona Grey spielt, verdichtet sich ihr inneres Drama.

Dieser Kriminalfall könnte ein ganz gewöhnlicher sein, wenn da nicht Fionas psychische Erkrankung wäre. Harry Bingham gelingt es gut Fionas Zwiespalt und ihre innere Zerrissenheit darzustellen und er bettet diese Figur geschickt in den spannenden Kriminalfall ein, so dass dieser eine außergewöhnliche und interessante Note erhält. Rückblickend erfährt man ausreichend von Fionas Vergangenheit, um ihre Probleme akzeptieren zu können, aber sicher ist es sinnvoller mit Band eins der Reihe zu beginnen, um die schräge, meist schlagfertige Fiona noch besser einschätzen zu können.

Trotz des wirklich spannenden und angenehm komplexen Falls kommt es immer wieder zu Längen, die zur Mitte hin dann etwas abnehmen. Dadurch zieht das Tempo an und der Krimi mutiert zwischendurch sogar fast zum Pageturner.

Die Geschichte wird in einer Perspektive und aus Fionas Sicht erzählt. Neben der originellen Fiona erscheinen weitere Figuren, fast blass. Das ist okay, denn der Kern der Story ist zwar der Betrugsfall, doch letztendlich dreht sich alles um Fiona, die geschickt, authentisch und heldenhaft ermittelt, bis sie den spektakulären Betrug am Ende aufklärt und für sich einen neuen Weg ins Leben gefunden hat.

Fazit und Bewertung:

Fiona. Als ich tot war ist ein Kriminalroman, der durch eine schräge, außergewöhnliche Ermittlerin besticht, die mit sich einen Identitätskampf ausführt. Zwar kämpft man gegen Längen, muss eine einfache Sprache akzeptieren, aber die Psyche der Hauptfigur Fiona, lässt die Story dann doch noch zu einem interessanten und spannenden Leseerlebnis werden.

4 Sterne

©nisnis-buecherliebe