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Veröffentlicht am 14.03.2017

Rechts Leben. Links Tod. Häftling 135913. Zeugnis des Auschwitz-Überlebenden Sam Pivnik

Der letzte Überlebende
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Sam Pivnik war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. ...

Sam Pivnik war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. Da wurde aus dem Städtchen ein Ghetto, und Sam, der damals noch »Szlamek« hieß, war mittendrin. Er überlebte, auch den Todesmarsch nach Auschwitz, die Selektion durch Mengele, die Zwangsarbeit, den Schiffbruch auf der Cap Arcona. In den kurzen Jahren seiner Kindheit und Jugend entging er vierzehn Mal dem Tod. Der Krieg ließ keine Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, über seine Erlebnisse zu sprechen.

Der Autor:

1926 geboren, wächst Sam im schönen oberschlesischen Städtchen Bedzin auf. Am 1. September 1939, Sams 13. Geburtstag, überfallen die Deutschen Polen. Über das, was dann geschah, hat Sam Pivnik lange geschwiegen. Er lebt heute in einem Seniorenheim in London.

Reflektionen:

Es gibt kaum ein Buch, das mich bisher mehr bedrückt und berührt hat, als Der letzte Überlebende von Sam Pivnik. Es hat mich nicht nur emotional tief betroffen gemacht, sondern es hat auch einen unfassbar großen Zorn und eine brennende Wut in mir entfacht. Es hat mir eine besondere Sichtweise auf ein historisches Geschehen offenbart, von der ich bisher, in dieser intensiven und persönlichen Form, noch nicht gelesen habe, obwohl ich bereits einschlägige Literatur über diese Zeit gelesen haben. Es hat mir zudem mein Wissen über diese schicksalsträchtige, grauenbehaftete Zeit, bereichert, wenn es mich auch unfassbar traurig gestimmt hat und nunmehr nicht mehr loslässt.

Inzwischen sind bereits vier Wochen vergangen, nach dem ich das Buch beendet habe und noch immer geistern ganze Kapitel, Sätze und Bilder immer wieder durch meinen Kopf, die ich ungewollt, wohl noch nicht in ihm archivieren kann. Die folgend zusammengestellten Zitate, werden sicher andeutungsweise aufzeigen, wie sehr die Worte dieser wahren, absurden Geschichte fesseln und zunächst nicht mehr loslassen.

Das Sam Pivniks Geschichte ist lebendig von ihm erzählt und ein reales Zeugnis des Schreckens. Das er Auschwitz überlebt hat, während seine Familie von den Nazis im Konzentrationslager ausgelöscht wurde, ist ein Wunder.

Seine jüngste Kindheit empfindet er wie ein Leben im Garten Eden. Als 1939 die Deutschen in Polen einmarschierten, war Sam dreizehn Jahre alt. Er sieht mit an, wie die Synagoge seines Heimatdorfes niedergebrannt wird, die Welt Stück für Stück zerfällt und die Tage zu tief dunkler Nacht werden, die sich niemals mehr erhellen.

Er ist siebzehn Jahre alt, als er nach Auschwitz Birkenau deportiert wird. Seine Familie verliert er bereits bei Ankunft an der Rampe, als eine Selektion von hunderten die noch folgen sollten, mit einem Wink nach Links oder Rechts, willkürlich über Tod und Leben entschied.



Sam Pivnik erzählt nicht nur von großen, zusammengefassten, bereits bekannten Ereignissen, sondern auch von den kleinen, persönlichen und alltäglichen Dingen im Konzentrationslager. Besonders diese Schilderungen spiegeln die grauenhafte gelebte, endlose und hilflose Verzweiflung und Ausweglosigkeit wieder, denen er und seine KZ-Mithäftlinge, Tag und Nacht ausgeliefert waren.

Als Rezensentin stellt sich mir bei diesem Werk nicht die Frage nach Stil, Ausdruck und Plot, denn Sam Pivniks Leben führt die schreibende Feder und kein literarischer Anspruch. Dennoch bewerte ich Der letzte Überlebende mit fünf Bewertungssternen, da es für uns Nachkommen, trotz der schrecklichen und grauenvollen Schilderungen, so wichtig, beeindruckend und wertvoll ist.

Ich möchte dieses Buch gern als Pflichtlektüre deklarieren, für Schüler und Lehrer, für all diejenigen, die versuchen zu ergründen, zu verstehen und für die, die ihr Wissen etwas vervollständigen möchten.

Im Besonderen möchte ich all jene „zwingen“ dieses Buch zu lesen, die sich verachtenswerterweise erlauben, unwissend wie sie sind, zu urteilen und zu verhöhnen.

Nichts auf der Welt kann diese absurden Taten jemals rechtfertigen und jemals entschuldigen.

Diese Verbrechen, an mehreren Generationen von Menschen, erfüllen mich mit ehrlicher und tief empfundener Scham und ich werde diese Verbrechen, ihre Entstehung und die scheinbar unmögliche Verhinderung niemals begreifen.

Fazit und Bewertung:

Der letzte Überlebende ist das bedrückende, wahre Zeugnis absurder, menschenverachtender Verbrechen des zweiten Weltkriegs. Es ist die Lebensgeschichte von Sam Pivnik, der das unfassbare Grauen in Auschwitz überlebt hat.

Dieses Buch wird bei jedem Leser Spuren bedrückenden Wissens hinterlassen, die mit dem Zuklappen des Buchs nicht verwischt werden können.

Veröffentlicht am 12.03.2017

Verschluckte Finsternis - Spannende Debüt mit Schwächen

Der Tod so kalt
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Südtirol, 1985. Drei junge Freunde kehren von einer Wanderung vom Siebenhoch nicht zurück, nach dem ein schweres Unwetter über der Bletterbach-Schlucht gewütet hat. Ein Suchtrupp von Bergrettern findet ...

Südtirol, 1985. Drei junge Freunde kehren von einer Wanderung vom Siebenhoch nicht zurück, nach dem ein schweres Unwetter über der Bletterbach-Schlucht gewütet hat. Ein Suchtrupp von Bergrettern findet die drei tot auf und der Tatort zeugt von einem äußerst brutalen und blutigen Massaker.

Dreißig Jahre später nimmt der Dokumentarfilm-Journalist Jeremiah Salinger eigene Ermittlungen auf. Sein Schwiegervater Werner gehörte zu dem damaligen Suchtrupp. Es scheint, als läge sich ein Fluch auf all jene, die sich mit dem Massaker beschäftigen, doch ein ganzes Dorf schweigt und Salinger bleibt der Fremde.

Der Autor:

Luca D'Andrea wurde 1979 in Bozen geboren, wo er heute noch lebt. "Der Tod so kalt" ist sein erster Roman. Direkt zu Erscheinen stieg das Buch in die Top Ten der italienischen Bestsellerliste ein; die Übersetzungsrechte haben sich in rund 35 Länder verkauft. Die Geschichte führt nach Südtirol, in die Heimat des Autors, über die er auch journalistisch gearbeitet hat: Am bekanntesten ist seine TV-Produktion "Mountain Heroes", in der er für das italienische Fernsehen die Bergrettung porträtierte.

Reflektionen:

Jeremiah Salinger folgt seinem Herz, seiner großen Liebe Anneliese, in das Dorf Siebenhoch, in norditalienischer Provinz. Als der Dokumentarfilmer mit einem Helikopter der Bergwacht in die Luft steigt, um einen Dreh über die Bergretter der Dolomiten zu drehen, gerät dieser in ein Unwetter und stürzt ab. Um Salinger herum wird es plötzlich dunkelste Finsternis, in die er monatelang immer wieder depressiv versinkt, denn nur er überlebt verletzt. Die Dörfler werden ihm später die Schuld an dem Absturz geben.

Seit dem Unfall wird Salinger in seinen Träumen von der Bestie der Bletterdach-Schlucht verfolgt und Anneliese nimmt ihm das Versprechen ab, sich ein Jahr lang eine Auszeit zu nehmen, um seelisch wieder zu genesen. Doch Salinger ist wie besessen, den Schuldigen des Bletterbach-Massakers aufzuspüren. Er recherchiert heimlich, wird von den Dorfbewohnern verhöhnt, die ihm nur journalistisches Interesse unterstellen, um Geld damit zu verdienen. Trotz allen Gegenwinds recherchiert Salinger unermüdlich weiter und durchschaut bald, dass tief in der Finsternis der Schlucht, etwas Uraltes zum Leben erweckt ist.

Luca D’Andrea hat mich anfangs sehr tief in seine Geschichte hineingesogen. Nach den ersten einhundert Seiten war ich mir sogar sicher, dass dieser Thriller etwas ganz Besonderes sei. Doch umso mehr ich in den Seiten und in der Geschichte vorankam, umso mehr verabschiedete sich mein erstes Leseempfinden immer mal wieder und ich fühlte mich ab und an durchaus gelangweilt. Ganze Kapitel kamen mir nichtssagend vor, sie trugen die Story in ihrer Entwicklung einfach nicht weit genug voran.

Die Kernhandlung dieses Debüt-Thrillers ist wirklich hoch spannend und auf Grund der ungewöhnlichen Thematik, die sich mit Bergrettern, Unwettern und verschwiegenen, mysteriösen Dörflern befasst, interessant geplottet, wenn man darüber hinwegsieht, dass einige Seiten merkwürdiges bis belangloses Drumherum enthalten, allen voran die, die Salingers Tochter Clara betrafen, die nach meinem persönlichen Empfinden nur die Seitenanzahl pusht. Dies hat meine Lesefreude etwas reduziert und diesem Debüt einen Bewertungsstern gekostet.

Luca D’Andrea schreibt in einem sehr klaren, flüssigen Stil, der einlädt mit hohem Tempo von Seite zu Seite zu lesen. Sein Ausdruck ist angenehm schnörkellos, stets auf das wesentliche konzentriert und er bietet vereinzelt humorvolle Einschübe.

Besonders gut hat mir die Stimmung dieses Thrillers gefallen. Sie ist verlässlich düster, passend dramatisch und manchmal ungreifbar mystisch und geheimnisvoll.

Gut recherchiert führt Luca D’Andrea den Leser in die Welt der Berge und der Bergretter. Die Beschreibungen von Schauplätzen zeichnen ein umfassendes Bild der Örtlichkeiten, sodass man fast glaubt, schon einmal dort gewesen zu sein.

Ebenso gut und feinmaschig sind die Zeichnungen der Charaktere. Sie bieten tiefe Einblicke in das emotionale Seelenleben der lebendigen Figuren, sodass ihre Handlungen authentisch und fast auch nachvollziehbarer werden. Viele Lebensläufe der Protagonisten sind bis tief in die jeweiligen Vergangenheiten miteinander verstrickt und Luca D’Andrea gelingt es, die Auflösungen mit geschickt inszenierten Wendungen bis zu Letzt rätselhaft und unlösbar dastehen zu lassen.

Das ureigene Geheimnis der Bletterbach-Schlucht allerding, entzieht sich für mich jedoch jeder logischen und möglichen Authentizität und schickt mich gedanklich ansatzweise in Richtung des Genre Fantasy und Mystik, was mir nicht gefällt.

Fazit und Bewertung:

Trotz einiger Schwächen ist Luca D’Andrea ein spannendes und lesenswertes Thriller-Debüt gelungen, dass den Leser mit Tempo durch die Seiten schickt. Auf der Suche nach dem Schuldigen, der das Bletterbach-Massaker zu verantworten hat, recherchiert ein Journalist, der tief hinab in die Düsternis dieser nicht ganz authentischen Geschichte gezogen wird.

Veröffentlicht am 11.03.2017

Der Zweifel bleibt - Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?

Eisenberg
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Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen ...

Dr. Rachel Eisenberg ist Strafverteidigerin einer angesehenen Münchner Kanzlei. Um eine Medienpräsenz der Kanzlei zu erreichen, übernimmt Rachel den Fall des Obdachlosen, der ein Tötungsdelikt begangen haben soll. Doch als sie ihm erstmalig gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe, den Jungprofessor der Physik, Heiko Gerlach. Rachel ist sich sicher, dass er dieses Verbrechen nicht begangen haben kann, doch dann nimmt der Fall eine Wendung ein, die Rachel vor scheinbar unauflösbare Rätsel stellt.

Der Autor:

Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, mit Schwerpunkt im Bereich Krimi. Zusammen mit Thomas Letocha schrieb er u.a für „SOKO 5113“, „Ein Fall für zwei“ und „Der Bulle von Tölz“. Für seinen Debütroman „Der Prinzessinnenmörder“ ist Andreas Föhr mit dem begehrten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet worden. Mit „Schwarze Piste“ stand Föhr monatelang unter den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt bei Wasserburg.

Er weiß, wovon er schreibt: Andreas Föhr, Jahrgang 1958, hat Jura studiert und in München promoviert. Jahrelang war er als Anwalt tätig, bevor er sich mit dem Schreiben von Drehbüchern einen Namen machte. Jetzt hat der SPIEGEL-Bestsellerautor eine Figur geschaffen, die nicht nur sein juristisches Fachwissen teilt, sondern auch seinen Glauben daran, dass jeder, ob schuldig oder nicht, einen Verteidiger verdient, der ganz auf seiner Seite steht: Dr. Rachel Eisenberg (Quelle: Droemer Knaur Verlag)

Reflektionen:

Eisenberg ist mein erster Kriminalroman von Andreas Föhr und er hat mich restlos überzeugt. Ich habe schon lange keinen derartig intensiven und guten Kriminalroman mehr gelesen, der sich angenehm komplex mit zahlreichen, spannenden Wendungen, Rätseln und Nebengeschichten zu einem großen genialen Werk entpuppte.

Fasziniert von einer klaren Sprache und einem angenehm unverblümten Ausdruck, genoss ich das juristische Flair dieses Kriminalromans. Man spürt, dass der promovierte Autor weiß wovon er schreibt, da er selbst jahrelang als Rechtsanwalt tätig war. Dieses Wissen nutzend, kreierte Andreas Föhr seine Hauptfigur, Dr. Rachel Eisenberg.

Dr. Rachel Eisenberg ist eine taffe, kompetente und kühl wirkende Strafverteidigerin. Attraktiv und mit einem Hauch von Arroganz gesegnet beherrscht sie eine Kommunikationsfähigkeit mit einer feinen Note Ironie. Selbstbewusst und souverän setzt sie sich in der von männlichen Advokaten dominierenden justiziaren Umgebung mühelos durch.

Zunächst übernimmt Dr. Rachel Eisenberg den Fall des Obdachlosen, dem ein Tötungsdelikt vorgeworfen wird, nur, um eine Medienpräsenz für die Kanzlei zu erwirken, in der sie als Partnerin tätig ist. Doch als sie dem Obdachlosen gegenübersitzt, erkennt sie in ihm ihre erste große Liebe. Rachel ist entsetzt, dass der ehemalige Jungprofessor Heiko Gerlach auf der Straße lebt. Sie ist sich sicher, dass Heiko den Mord an der Frau nicht begangen hat, obwohl die Beweislage fundamental erscheint. Rachel entwickelt eine Vertretungsstrategie, doch plötzlich gesteht Heiko den Mord an der jungen Studentin Johanna Mend, die äußerst zurückgezogen in einer Münchner WG lebte und lehnt jede weitere Verteidigung von Rachel ab. Rachel lässt sich nicht beirren und entwickelt taktisch kluge Ermittlungsstrategien, um die Beweise der Anklage zu widerlegen. Ihre Methoden sind dabei nicht immer ganz legal, aber ihren Recherchen zu folgen bereitet ein großes Lesevergnügen, bis sich Rachel letztendlich in akuter Lebensgefahr befindet.

Neben dem Haupterzählstrang switcht Andreas Föhr mit seiner Geschichte zu der Albanerin Leonora, die sich mit ihrer kleinen Tochter Valentina auf der Flucht vor einer Blutrache befindet. Illegal nach Deutschland eingereist gerät sie scheinbar willkürlich in die Fänge von zwei brutalen Gestalten, die sie zunächst verschleppen und einsperren, bis sie fliehen kann.

Lange ist nicht klar, wie beide Erzählstränge zusammenhängen könnten und als Leser steht man vor zahlreichen, scheinbar unlösbaren Rätseln, die Andreas Föhr stetig mit Cliffhangern und einem zeitlichen und inhaltlichen Perspektivwechsel in seinem interessanten und gut konstruierten Plot untermauert. Er eröffnet mehrere Nebenschauplätze und verwischt mögliche Auflösungen an Hand von verstrickten Wendungen, die auch immer wieder psychologische und geheimnisvolle Thriller-Elemente beherbergen.

Beispielsweise ist von Rachels pubertierenden Tochter zu lesen, die beabsichtigt sich religiös zu orientieren und die in böswilliger Absicht auf dem Schulhof einen Schüler mit dem Fahrrad weg rammt und verletzt. Und dann ist da Nicole, eine minderjährige Obdachlose, die sich mit ihrem Hund Heiko Gerlach angeschlossen hat. Die freundschaftliche Beziehung von Heiko und Nicole erzählt die Geschichte einer besonderen Freundschaft, die im Laufe der Handlung von Enttäuschungen geprägt ist. Als Nicole von einem mysteriösen Unbekannten auf der Straße aufgesammelt wird, verliebt sich diese, doch Rachel vermutet, dass Nicole in höchster Gefahr schwebt.

Der Spannungsmotor wir von mehreren interessant inszenierten Nebenschauplätze angekurbelt, die einen großen Raum in der Geschichte einnehmen, ohne die Handlung zu überladen. Sie ist komplex und erfordert ein gesundes Maß an Konzentration, aber die anspruchsvoll und authentisch gezeichneten Charaktere und die interessant geführten Dialoge benötigen diese Reichweite, um die Geschichte abschließend harmonisch zu erzählen.

Die klugen Auflösungen erfolgen erst auf den letzten Seiten, nicht bevor ein fulminanter, dramatischer und actionreicher Showdown einen Schauplatz der Erkenntnis zeichnet.

Großartig. Ich möchte mehr davon.

Fazit und Bewertung:

Eisenberg ist ein angenehm komplexer Kriminalroman, der vor rätselhaften Wendungen nur so strotzt und bei dem die Zusammenhänge der Perspektiven bis zu Letzt angenehm unklar bleiben. Großartig geschrieben, hoch spannend und niemals vorhersehbar, was will man mehr als Krimi-Fan?

Veröffentlicht am 03.03.2017

Unsere Perle, unser Iran Intensives Debüt über Revolution und der Suche nach Identität

Nachts ist es leise in Teheran
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Iran, 1979: Der Schah ist vertrieben und Hoffnung breitet sich in Iran aus. Der junge kommunistische Revolutionär Beshad engagiert sich für eine neue Ordnung, plant gefährliche, politische Aktionen mit ...

Iran, 1979: Der Schah ist vertrieben und Hoffnung breitet sich in Iran aus. Der junge kommunistische Revolutionär Beshad engagiert sich für eine neue Ordnung, plant gefährliche, politische Aktionen mit einer kommunistischen Gruppierung, deren Anführer er ist. Bevor es in Iran für ihn brenzlig wird, lernt er die Literatur Studentin Nahid kennen, die Liebe seines Lebens. Als die Mullahs die Macht übernehmen, wird es für die junge Familie gefährlich und sie müssen mit ihren zwei kleinen Kindern, ohne jeden Abschied fliehen. Ihr Weg führt sie nach Deutschland.

Zwischen Hoffen und Bangen, warten sie auf Neuigkeiten von ihren Freunden, die untertauchen mussten und sie hoffen weiter, auf eine politisch ruhigere Lage, denn eines Tages möchten sie aus ihrem Exil zurück.

Viele Jahre später besucht Nahid mit ihrer Tochter Laleh die iranische Heimat. Während Nahid aufblüht, sieht sich Laleh mit einer Welt konfrontiert, die nichts mehr mit ihren Kindheitserinnerungen gemein hat. Als Teenager fällt es ihr sichtlich schwer, sich dem Leben dort anzupassen

Beshads und Nahids Sohn Mo widmet sich allem lieber, als an den von seinen Studienkollegen veranstalteten Pseudodemonstrationen teilzunehmen, während sich der arabische Frühling langsam entwickelt. Er kann sich, aufgewachsen in Deutschland, nur schwer mit all den politischen Dingen identifizieren, doch sein gesellschaftliches Umfeld erwartet es von ihm. Erst als sich die Grüne Revolution abzeichnet, dreht sich Mos Welt plötzlich außer Takt und seine Welt gerät ins Wanken.

Die Autorin:

Shida Bazyar, geboren 1988 in Hermeskeil, studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim, bevor sie nach Berlin zog, um ein Doppelleben zu führen. Halbtags ist sie Bildungsreferentin für junge Menschen, die ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Brandenburg machen, die verbleibende Zeit verbringt sie als Autorin. Neben Veröffentlichungen von Kurzgeschichten in Zeitschriften und Anthologien war sie Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses 2012 und Studienstipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

Reflektionen:

Nachts ist es leise in Teheran ist die Geschichte einer iranischen Familie, die nach der Revolution im Jahr 1979, nach dem das Land von einer geistlichen Führung regiert wird, nach Deutschland emigrieren muss.

Shida Bazyar erzählt eindrucksvoll, wie mutig Beshad und seine kommunistische Bewegung gegen eine geistliche Staatsform kämpfen. Wie sie selbstlos jeder Gefahr entgegentreten, bis es für die junge Familie zu gefährlich wird, entdeckt und verhaftet zu werden. Mitreißend und intensiv erzählt, nah am politischen Geschehen, bekommt der Leser eine Ahnung, wie dramatisch und gefährlich diese Widerstandskämpfe geführt wurden. Die Aktionen der Gruppierung, von denen Shida Bazyar sehr anschaulich erzählt, lesen sich so spannend wie ein Kriminalroman, wohl wissend, dass diese Bewegungen in Wahrheit stattgefunden haben.

Vollends entwurzelt und große Steine aus dem Weg räumend, meistern Beshad und Nahid ihren Alltag, um zu immigrieren, nach dem klar wird, dass der Aufenthalt in Deutschland nicht mit einem vorübergehenden Exil gleichzusetzten ist. Der Weg dorthin ist eindrucksvoll geschildert, ohne die Integration überschwänglich und aktuell trendmäßig zu thematisieren, was ich sehr positiv empfand.

Unglaubwürdig und enttäuschend hingegen fand ich es, dass Shida Bazyar den islamischen Glauben kaum benannt hat. Von einem Roman, der das Leben von Iranern beleuchtet und es veranschaulicht, erwarte ich viel von traditioneller, islamischer Kultur und auch von religiösen Konflikten zu lesen. Doch außer kaum erwähnenswerten islamischen Riten im Alltag der Teheraner, kann ich kaum von derartigem lesen und erfahren. Aus meiner Sicht verliert dieser Roman dadurch sogar ein Stück weit Authentizität.

Trotzdem gelingt es der Autorin in einer fesselnden, atmosphärischen Dichte zu schreiben, wenn man bereit ist, sich auf den anfänglich unrhythmisch wirkenden Schreibstil einzulassen. Literarisch anspruchsvoll zwar, sogar anmutig bis poetisch, aber dennoch so außergewöhnlich, dass sicher nur wenige Mainstream-Leser damit eine wohlige Leseatmosphäre genießen können.

Mit vier individuellen Erzählperspektiven, 1979 Behsad, 1989 Nahid, 1999 Tochter Laleh und 2009 Sohn Morad, greift Shida Bazyar die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Figuren auf. Sie schildert ihre Empfindungen und ihre jeweiligen, kritischen Auseinandersetzungen mit ihrer Herkunft eindringlich, vielschichtig und häufig hoch emotional. Die Figur gebundenen Perspektiven spiegeln auch wider, wie sich die Herkunft, die Kultur und die politische Wertigkeit sowie die Suche nach Identität von Generation zu Generation natürlich verändern. Und doch durchzieht der rote Faden Hoffnung jede Perspektive, dieses literarisch anspruchsvollen und komplexen Werks, die nie aufhört zu klingen.

Fazit und Bewertung:

Nachts ist es leise in Teheran ist zwar literarisch anspruchsvoll, sogar anmutig bis poetisch, aber auch so außergewöhnlich, dass sicher nur wenige Mainstream-Leser damit eine wohlige Leseatmosphäre genießen können.

Dieses Debüt ist die Geschichte einer iranischen Familie, die die Revolution mit vorantreibt, die gezwungen wird aus ihrer Heimat zu fliehen, die in Deutschland ein Exil findet, die sich anstrengt zu immigrieren und die stetig auf der Suche ist, ihre Identität zu finden.

Veröffentlicht am 25.02.2017

Überlebt. Gegen jede Wahrscheinlichkeit – Ein glanzvoller Lesegenuss

Die Nachtigall
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Zwei Schwestern im von Deutschen besetzten Frankreich, 1939. Die eine kämpft für die Freiheit und die andere für die Liebe.

Viannes Ehemann Antoine wird in den Krieg einberufen und Vianne muss sich fortan ...

Zwei Schwestern im von Deutschen besetzten Frankreich, 1939. Die eine kämpft für die Freiheit und die andere für die Liebe.

Viannes Ehemann Antoine wird in den Krieg einberufen und Vianne muss sich fortan allein um die kleine Tochter und das Haus Le Jardin kümmern. Die Schrecken des Krieges rücken immer näher an Vianne heran und bald schon muss sie um ihr aller Überleben ringen. Viannes Freundin Rachel ist Jüdin und Mutter eines kleinen Jungen. Als Rachels Deportation bevorsteht müssen die beiden Freundinnen eine schwere Entscheidung treffen, um Rachels Sohn zu retten.

Während dessen begegnet Viannes rebellische Schwester Isabell Gaëton, einem Kämpfer der Résistance. Sie verliebt sich in ihn und schließt sich einem äußerst gefährlichen Unternehmen an. Isabell führt abgeschossene Piloten der Alliierten zu Fuß über die Pyrenäen. Doch die Deutschen bekommen Wind von der Fluchtroute, von dem Pfad der Nachtigall, und sie setzen alles dran, um die Nachtigall zu fangen.

Die Geschichte basiert auf den wahren Schicksalen französischer Frauen.

Die Autorin:

Kristin Hannah, geboren 1960 in Südkalifornien, arbeitete als Anwältin, bevor sie zu schreiben begann. Heute ist sie eine internationale Top-Bestseller-Autorin und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Pazifischen Nordwesten der USA und auf Hawaii.

In den USA begeisterte „Die Nachtigall“ Millionen von Lesern und steht seit über einem Jahr auf der Bestsellerliste. Die Nachtigall ist der Weltbestseller – die Nr. 1 aus den USA.

Reflektionen:

Dieser Roman hat mich zutiefst beeindruckt und berührt. Manchmal las ich mit einem von Tränen verschleiertem Blick, obwohl ich alles andere als nah am Wasser gebaut bin. Die Geschichte besitzt eine unglaubliche Tiefe und mit dem Gedanken daran, dass dieser Roman auf Grund von wahren Erzählungen französischer Frauen entstanden ist, konnte ich meine Emotionen bei diesem kraftvollen Werk kaum im Zaume halten.

Kristin Hannah erzählt die Geschichte zweier Frauen im besetzten Frankreich, die jeweils ihr Schicksal auf ihre eigene Weise meistern müssen. Die beiden Frauen sind Schwestern und sie könnten nicht unterschiedlicher sein.

Als die Mutter der Schwestern früh stirbt, wendete sich der Vater von ihnen beiden ab und schiebt die Kinder von sich. Während Vianne diese Gegebenheiten akzeptiert, büxt Isabell immer wieder aus Internaten und Klöstern aus, um zu ihrem Vater zurück zu kommen, der sie jedoch immer wieder zurückweist und fortschickt.

Vianne ist Lehrerin und Mutter einer kleinen Tochter. Nach der Einberufung ihres Ehemanns Antoine ist sie auf sich selbst gestellt. Sie hält sich an die Sitten und Gebräuche der Zeit, immer in Sorge und in der Verantwortung für ihr Kind. Sie hält sich auch an die Regeln, die die Nazis aufstellen, vor allem als ein Deutscher Hauptmann in ihr Haus einquartiert wird.

Viannes Leben wird immer schwieriger. Sie opfert sich auf für ihre Tochter und doch leiden sie unter der eisigen Kälte der Winter, unter den Entbehrungen, Hunger, Verzweiflung und Angst.

Der deutsche Hauptmann, ein verheirateter Mann und Vater, ist äußerst höflich und behandelt Vianne mit großem Respekt. Und trotz Viannes vorsichtigem und zurückhaltendem Verhalten, ergeben sich emotional geschwängerte Momente zwischen ihnen. Vianne ist im Konflikt mit sich. Einerseits benötigen sie die kleinen Zugaben des Hauptmanns, andererseits ist er der Feind.

Isabell, die zehn Jahre jüngere Schwester, fühlt sich von aller Welt ungeliebt. Sie ist rebellisch, vorlaut, undiszipliniert und sie hat sich in den Kopf gesetzt, den Krieg so nicht zu akzeptieren. Sie will für ihr Vaterland kämpfen und das tut sie auch sehr temperamentvoll, nachdem sie den Widerstandskämpfer Gaëton trifft und sich in ihn verliebt. Als Leser hat man jedoch das Gefühl, dass Isabell eine unreife Entscheidung getroffen hat und den Widerstand wie ein Abenteuer ansieht. Isabell wird zur „Nachtigall“, die abgestürzten Piloten der Alliierten zur Flucht verhilft und die sie unter unglaublichen Entbehrungen und Anstrengungen zu Fuß über die Pyrenäen führt.

In dieser Zeit wendet sich Isabell von der Schwester ab, da sie sie nicht Gefahr bringen will. Und als die Gefahr doch plötzlich präsent ist, müssen die beiden Schwestern einen Menschen töten, um sich selbst zu retten. Letztendlich müssen sie sich wieder trennen und sie fehlen sich fast ein ganzes Leben lang.

Kristin Hannah verdeutlicht in ihrem Roman, wie die Entbehrungen und Grausamkeiten des Krieges aussahen, in dem sie ihre Figuren einen dramatischen Alltag leben lässt, an dem der Leser so auch im Kleinen sehr intensiv teilhaben kann. Es sind die Frauen, die Kristin Hannah in ihrem Roman in den Vordergrund rückt, denn sie waren diejenigen, die in dieser Zeit so sehr litten. Gleichzeitig erzählt Kristin Hannah wie unglaublich stark und bewundernswert diese Frauen waren, die nie mit Worten ihr Leid beklagten. So kommt die Geschichte sehr emotional und nah an den Leser heran und die mehr als 600 Seiten lesen sich wie im Fluge dahin. Ich empfand dieses Buch als einen Pageturner, den ich aber recht langsam und sehr bewusst gelesen habe, um die außergewöhnliche Tiefe der Geschichte nicht leichtfüßig an mir vorbeiziehen zu lassen.

Die liebevoll erschaffenen, wohlgeformten Charaktere sind verantwortlich für eine in sich harmonische Geschichte. Natürlich sind nicht alle Figuren sympathisch, wie sollten sie es in dieser bedrückenden und historischen Zeit auch sein, aber sie besitzen alle ein sehr interessant zu lesendes Leben, dass oftmals mit vielen zahlreichen Figuren untereinander verknüpft und verwoben ist.

Fast bis zu Letzt kann ich eine Perspektive keiner Figur aus den beiden Haupterzählsträngen zuordnen. Es ist eine Perspektive die in der Ich-Erzählweise geschrieben ist und die zeitlich in der Gegenwart der USA beginnt. Eine alte, gebrechliche Frau, der man erneut Krebs diagnostiziert hat, wird von ihrem Sohn umsorgt. Doch dann nimmt sie trotz ihrer gesundheitlichen Schwäche spontan und eigenwillig eine Einladung zu einem Passeur-Treffen (Fluchthelfer) in Paris an. Sie bucht einen Flug und ist sehr überrascht, dass sich ihr Sohn, für ihn selbstverständlich, ihr anschließt. Er ahnt nicht, wie die Begegnungen in Frankreich sein Leben nachhaltig verändern werden.

Kristin Hannahs Schreibstil ist federleicht und glasklar. Man gleitet sanft durch die Seiten und wird immer tiefer in die bedrückend düstere Stimmung des Romans hineingesogen. Die Nachtigall ist ein historisch wertvoller Roman, über das von deutschen besetzte Frankreich, und eine anmutige und rührende Geschichte, in einem literarisch sprachgewaltigen Stil. Die Nachtigall ist ein vollendeter Lesegenuss.

Ich bewundere diese hoch spannend geschriebene Geschichte. Kristin Hannahs Recherchen müssen sehr aufwendig betrieben worden sein, denn die Lebensläufe der Figuren strotzen vor Authentizität. Diese Authentizität ist das, was den Leser einfängt und berührt, denn wir wissen alle, welch geschichtsträchtiges Grauen die damaligen Schicksale der Menschen gezeichnet hat und dieser Roman erinnert an diese Gräueltaten, die niemals vergessen werden dürfen.

Diese Rezension ist doch sehr lang geworden. All meine seitenlangen Notizen liegen dennoch unbeachtet neben mir, da die Worte dieser Rezension einfach so aus mir herausfließen. Ich wünsche mir, dass dieser Roman gelesen wird, denn er ist etwas ganz Besonderes und er wird sicher zu meinen Lesehighlights zählen.

Fazit und Bewertung:

Die Nachtigall ist ein historisch wertvoller Roman, über das von deutschen besetzte Frankreich, und eine anmutige und rührende Geschichte, in einem literarisch sprachgewaltigen Stil. Die Nachtigall ist ein vollendeter Lesegenuss.