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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.09.2020

Naomi Klein trifft genau den richtigen Ton

Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann
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Endlich habe ich es mal geschafft, ein Buch von Naomi Klein zu lesen! Ihre Sammlung zum Thema Green New Deal vereint Kolumnen, Essays und Reden zum Thema Klimawandel/Umweltzerstörung, Folgen, Lehren und ...

Endlich habe ich es mal geschafft, ein Buch von Naomi Klein zu lesen! Ihre Sammlung zum Thema Green New Deal vereint Kolumnen, Essays und Reden zum Thema Klimawandel/Umweltzerstörung, Folgen, Lehren und Forderungen nach mehr Gerechtigkeit. Nach einer längeren aktuellen Einführung geht es dabei zunächst zurück ins Jahr 2010 (Deepwater Horizon) um sich dann, in zahlreichen weiteren Kapiteln unterschiedlicher Länge und Tiefe, langsam wieder der Gegenwart anzunähern. Der Weg dorthin ist gesäumt mit gut recherchierten und sehr lesbaren Berichten über weitere erschreckende Umweltsünden, interessante Hintergründe, berührende Schicksale, innovative Ideen und unerschrockene Optimisten.

Einige Geschichten haben mich mehr begeistert als andere, einiges war bekannt, vieles neu. Ich emfand die Zusammenstellung so gesehen als sehr ausgewogen und gelungen.

Naomi Klein trifft hier genau den richtigen Ton: Radikal (zumindest vermutlich augenscheinlich zunächst für die Menschen, die sich kaum oder erst wenig mit dem Thema Klimaungerechtigkeit usw. befasst haben), dabei aber nie belehrend oder moralinsauer. Sie schafft es, ihre akribischen Recherchen nicht nur sehr gefällig zu präsentieren, sondern erzeugt durch den sehr gekonnten Einsatz persönlicher Noten schnell eine verbindende Sympathie zur Leserschaft. Ich freue mich jetzt schon darauf, mir nach und nach mehr von ihr zu lesen.

Veröffentlicht am 04.09.2020

Ein sehr aufregendes Leseerlebnis

Dunkelgrün fast schwarz
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Puh, was für ein Ritt. Ich habe viele Reviews gelesen, die die Sogwirkung dieses Buches in den Vordergrund stellen und muss sagen: Ja, das stimmt. Auch ich konnte mich der Erzählung kaum entziehen, zu ...

Puh, was für ein Ritt. Ich habe viele Reviews gelesen, die die Sogwirkung dieses Buches in den Vordergrund stellen und muss sagen: Ja, das stimmt. Auch ich konnte mich der Erzählung kaum entziehen, zu vielfältig und abwechslungsreich waren die einzelnen Plotstränge - vom Aufbau her genau mein Beuteschema.

Im Mittelpunkt stehen toxische Beziehungen, allen voran die der besten Freunde Moritz und Raffael. Klassische Aufteilung: Raffael, ein narzistischer, persönlichkeitsgestörter Meistermanipulator von Kindesbeinen an vs. Moritz, eher zurückhaltend und schüchtern und durch seine (für ihn als Kind unerklärliche) Synästhesie (er sieht Menschen auch farblich) verunsichert. Als junge Erwachsene trennen sich die beiden - die Gründe dafür bilden quasi das mysteriöse Grundgerüst des Romans (wie auch die Frage, warum die beiden überhaupt so lange als unzetrennlich galten). Bekannt ist nur: Es hat mit Johanna zu tun, die erst spät dazustoß und aus dem Duo ein Trio machte.

Vom Aufbau und der Struktur her ist das hier ein Buch wie für mich geschrieben. Wir hören drei Erzählstimmen aus verschiedenen Zeiten, die Handlung umfasst rund 35 Jahre. Erzähler 1 ist Moritz, der in der Gegenwart nach 16 Jahren plötzlich wieder Raffael gegenübersteht steht. Moritz nimmt den alten Kumpel bei sich und seiner hochschwangeren Freundin auf. Dieser Strang lotet aus, wie die Manipulationen von Raffael auf den erwachsenen (und ihm entwachsenen?) Moritz wirken. Parallel dazu erinnert sich Moritz an prägende Momente aus der gemeinsamen Kinder- und Jugendzeit. Moritz ist ein extrem passiver Charakter, der viel will, aber wenig kann. Man fragt sich beim Lesen: Ist das alles nur Raffaels Schuld? Oder die anderer Bezugspersonen? Oder ist Moritz einfach grundsätzlich "schwach"?

Zweite Erzählstimme ist Johanna, die über all die Jahre "dazwischen" über eine ziemlich spezielle, nicht minder verkorkste Beziehung mit Raffael berichtet, auch hier wieder in Form von Erinnerungen und ihrer gegenwärtigen Probleme. Johannas Kapitel sind besonders düster, sie wird von starken Selbstzweifeln (Selbsthass?) gequält, die sich durch physische und psychische Selbstschädigung manifestieren und durch extrem ablehnende Coolness verdeckt werden. Die Frage, inwiefern Raffael am Gemütszustand dieser traurigen Gestalt verantwortlich ist, wird ziemlich schnell beantwortet: Johanna wirkt wie ein verzweifelter Junkie, auf der Suche nach dem nächsten Schuss Raffael.

Dritte Erzählstimme, und das war für mich das Highlight des Buches, ist Marie, die Mutter von Moritz. Ihre Berichte spielen ausschließlich in der Vergangenheit und reichen bis in ihre eigene Jugend zurück. Ihre Aufgabe ist es, die Frage "Aber warum hat die Mutter/haben die Eltern denn nichts unternommen?" zu beantworten. Und das macht die Autorin wirklich richtig toll: Ganz tief reingehen in die Geschichte, alle alten Schichten abkratzen und zurückgehen bis zu dem Punkt, an dem die (vermeintlich?) erste falsche Abzweigung genommen wurde. Auch Marie ist eher passiv und "schwach": Eine etwas weltfremde junge Frau, die mit zwei kleinen Kindern in ein abgelegenes Bergdorf zieht (der Mann ist aus beruflichen Gründen anfangs kaum anwesend) und nirgendwo richtig dazugehört - ich konnte kaum aufhören, vor allem ihre Seiten zu lesen.

Es geht hier also nicht nur um toxische Beziehungen an sich - wie sie entstehen, was sie am Leben hält - sondern auch darum, wie sie verhindert oder unterbunden werden könnten (müssten?) - und warum das manchmal einfach nicht möglich ist, weil das nicht jede*r aus eigener Kraft kann. Alles das bis hierhin aufgezählte hat mich beim Lesen stark angezogen, ich konnte es kaum erwarten, noch eine Schicht (v.a. aus der Vergangenheit) aufzudecken - nicht nur, um dem Geheimnis des Zerwürfnisses auf die Schliche zu kommen, sondern auch, um noch mehr zu vestehen, wie es überhaupt alles soweit kommen konnte.

Ein sehr aufregendes Leseerlebnis und tolles Debüt also, und dennoch mit Luft nach oben. Das Ende war mir persönlich zu wenig, auch die Andeutung der möglichen Zukunft der Charaktere hat mich eher gewundert als befriedigt. Inhaltlich war das Buch an einigen Stellen zu repetitiv, das hätte noch gestrafft werden können. Etwas mehr gehadert, vor allem am Anfang, habe ich mit der Sprache, die mein erträgliches Level an blumiger Umschreibung und hemmungloser, teils auch schiefer Übermetaphorisierung an seine Grenzen gebracht hat. Ich habe mir das ein bisschen mit Moritz' Synästhesie schön geredet, hat aber nicht immer gut geklappt. A propos: Die Synästhesie an sich hätte vielleicht noch mehr "genutzt" werden können. So erklärt sie eigentlich nur einen Großteil der (farbenfrohen) Sprache und, wenn man es so sagen will, verdeutlicht den Umstand, dass der, der eigentlich am meisten sehen kann (Moritz), der Blindeste von allen ist (in Bezug auf Raffael).

Trotzdem dieser stilistischen Anmerkungen, die nicht so ganz meinen persönlichen Geschmack trafen, gibt's hier vier Sterne, denn in so einen Lesesog bin ich schon lange nicht mehr geraten.

Veröffentlicht am 04.09.2020

Wichtige Zeitgeschichte

Wuhan Diary
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Dieses Buch ist allein schon deshalb spannend und lesenswert, weil es ein Stück Zeitgeschichte abbildet, in der wir uns alle, weltweit, gerade befinden. Alles ist so frisch und - da die Corona-Pandemie ...

Dieses Buch ist allein schon deshalb spannend und lesenswert, weil es ein Stück Zeitgeschichte abbildet, in der wir uns alle, weltweit, gerade befinden. Alles ist so frisch und - da die Corona-Pandemie bekanntlich in Wuhan ihren Anfang nahm und diese Stadt uns entsprechend ein paar Monate voraus ist - sind viele Fragen und Themen, die hier zur Sprache kommen nach wie vor relevant, auch für uns westliche Länder.

Mehr als zwei Monate war Wuhan im Lockdown, und die chinesische Schriftstellerin Fang Fang hat während dieser Zeit täglich ein Online-Tagebuch geführt. Alle Einträge sind in diesem Buch gesammelt, übersetzt und mit (wenigen, aber ausreichenden) hilfreichen Fußnoten versehen von Michael Kahn-Ackermann. Karten der Stadt Wuhan und China, eine Chronologie der Ereignisse, ein Vorwort (wie es zum Tagebuch kam) und Nachwort (über die Stadt Wuhan) der Autorin runden das Paket ab.

Fang Fang beschreibt das Leben im Lockdown - und wir reden hier von einem mehr als zweimonatigen striktem Ausgangsverbot. Sie schildert die Stimmung der WuhanerInnen (sie ist gut vernetzt und pflegt via Internet und Telefon zahlreiche Kontakte zu Menschen aus den verschiedensten Bevölkerungs- und Berufsgruppen), ihre eigenen Ängste und Sorgen und gibt auch Antworten auf die scheinbar banalsten Fragen (z.B. wie die Lebensmittelverteilung organisiert wird, wenn man seine Wohnung nicht verlassen darf, was mit den Menschen ist, die vor dem Lockdown in Wuhan gestrandet waren usw.).

Fang Fang erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit - immer und immer wieder betont sie, dass sie nur ihre Sicht der Dinge erzählt ("Alles, was wir tun können, ist, zu dokumentieren."). Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, reicht ihren KritikerInnen aber lange nicht - und davon gibt es genug. Denn Fang Fang wagt etwas, das in China nicht gerne gesehen wird: Sie übt Kritik. Und zwar berechtigte; Kritik jener Art, die wir für angebracht und relativ harmlos halten, in China aber zu Shitstorm und wiederholten Löschungen ihrer Einträge geführt hat (dank des Internets und ihrer 3,5 Millionen Follower konnten die Einträge aber immer rechtzeitig weitergeleitet werden). Ihre Kritik? Nun, z.B.: Dass den Menschen zu lange die Wahrheit vorenthalten wurde (noch am 10.1. verkündete ein Funktionär, das Virus sei nicht von Mensch zu Mensch übertragbar und eindämmbar; noch am 20.1. fanden in Wuhan große, von der Stadt organisierte Feste statt - die Geburt zahlreicher Superspreader). Dass man aus dem Umgang mit SARS wenige Jahre zuvor anscheinend nichts gelernt hat (auch in Wuhan fehlte es z.B. zu Beginn an Schutzmasken, und für die Restbestände wurden geradezu astronomische Preise aufgerufen). Dass gewisse StaatsdienerInnen einfach nur stumpf Befehle ausführen ohne auf die aktuelle Situation einzugehen usw.

Alles nachvollziehbar und legitim in meinen Augen, und dennoch: Fang Fang wird angefeindet, und das nicht zu knapp, und auch darauf geht sie hier ein. Dass ihre Quellen, darunter diverses medizinisches Personal, meist anonym auftritt - wer kann es ihnen verdenken, siehe Li Wenliang? Aber auch das nehmen die KritikerInnen natürlich dankbar an (übrigens auch hier nachzuvollziehen, siehe einige der 1-Sterne-Bewertungen für dieses Buch).

Natürlich kann ich den Wahrheitsgehalt der Einträge nicht überprüfen. Aber, und das ist der "Vorteil" an der Aktualität der Thematik: Auch wir haben mittlerweile so einiges über diese Pandemie mitbekommen. Und Fang Fang will hier letztlich auch keine "neue Wahrheit" verkaufen, sondern sie dokumentiert, was die WuhanerInnen umtreibt, was sie ärgert, was sie verstört, welche Entbehrungen sie ertragen mussten, und wie sie die Hoffnung nicht verloren haben. Bemerkenswert, auf vielen Ebenen.

P.S.: Das Buch gibt es momentan nur auf deutsch und englisch - zwar hatten auch zehn chinesische Verlage Interesse bekundet, dieses auf Druck der Regierung aber wieder zurückgezogen, nachdem die VÖ in D und USA bekannt und Fang Fang als Marionette des Westens beschimpft wurde.

Veröffentlicht am 04.09.2020

Interessante, spannende China-Parabel

Alles was Sie sehen ist neu
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Ein Buch, das so ganz anders war, als ich es erwartet hatte - was in diesem Fall aber nicht schlecht war. Zunächst war ich davon ausgegangen, dass das fiktive Land Kirthan, in dem diese Geschichte spielt, ...

Ein Buch, das so ganz anders war, als ich es erwartet hatte - was in diesem Fall aber nicht schlecht war. Zunächst war ich davon ausgegangen, dass das fiktive Land Kirthan, in dem diese Geschichte spielt, an Nordkorea angelehnt ist - tatsächlich stellte sich aber ziemlich schnell heraus, dass hier von einem "verkleideten China" die Rede ist. Außerdem dachte ich, dass die westliche Reisegruppe, die dieses Land erkundet, im Mittelpunkt des Geschehens steht - tatsächlich ist es aber der geheimnisvolle Reiseleiter Nime, anhand dessen Biographie der Weg Kirthans von einer eher dörflich geprägten Nation zu einem Handelspartner des Westens erzählt wird.

Nichtsdestotrotz beginnt die Geschichte mit den Touristen, geschildert von einer Frau, die jährlich große Urlaubsreisen mit ihrem alten Vater unternimmt. In Kirthan gibt es viel zu sehen, und Nime führt die bunt zusammen gewürfelte Gruppe an Orte, die sowohl traditionell als auch modern sind ("Alles, was Sie sehen, ist neu"). Die anderen Touris kommen nur am Rande vor, werden teilweise - wie die Erzählerin - nicht mal namentlich vorgestellt, doch Annette Pehnt verleiht ihnen mit geschickt gesetzten Charakterzügen und Beschreibungen genug Kontur. Der Westen erkundet also Kirthan, oder zumindest den Teil des Landes, den die Touristen sehen sollen. Nime hält die Gruppe nicht nur zusammen und liefert Informationen, er ist auch ein echter "Kümmerer", löst kleine und große Probleme, hat immer ein Lächeln parat und wenn er erst anfängt zu erzählen...

Dann, nach etwas einem Drittel, verlassen wir die Gruppe und die Gegenwart. Nun wird in mehreren Kapiteln die Geschichte von Nime erzählt, und zwar immer aus wechselnden Perspektiven (die ihm mal näher, mal ferner sind) und verschiedenen Zeiten. Das gibt nicht nur weitere spannende Einblicke in das Leben des enigmatischen Mannes, sondern auch in die Geschichte, die dem Aufschwung Kirthans zugrunde liegt. Ob Landflucht der "jungen Leute", die Zersplitterung von familiären Strukturen oder die Umsiedlung alter Dörfer für Bauprojekte ("Alles, was Sie sehen, ist neu"), die "schöne neue Welt" in Kirthan hat so einige Schattenseiten.

Eine interessante, spannende China-Parabel, schön geschrieben und klug konstruiert - leider hat mir am Ende dann doch irgendwas gefehlt, eine alles zusammen fassende Folgerung, ein noch stärkerer Zusammenhalt der Einzelteile. So verhält sich das Buch wie eine von Nimes Geschichten: Sie hört einfach so auf, und auf Nachfragen gibt es nur ein höfliches Lächeln.

Veröffentlicht am 04.09.2020

Schock nur um des Schockens willen

Das wirkliche Leben
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Teenie-Mädchen will ihren Bruder davor bewahren, so wie ihr gewalttätiger Vater zu werden und entdeckt dabei ihre eigene Stärke - mehr muss man inhaltlich zu diesem Buch eigentlich nicht wissen. Und ja, ...

Teenie-Mädchen will ihren Bruder davor bewahren, so wie ihr gewalttätiger Vater zu werden und entdeckt dabei ihre eigene Stärke - mehr muss man inhaltlich zu diesem Buch eigentlich nicht wissen. Und ja, das Buch ist sehr explizit, was Gewalt angeht - gegen Menschen und Tiere. Trotzdem (oder dennoch?) fand ich es über weite Strecken einfach ziemlich... langweilig. Dabei hat es richtig stark begonnen, die ersten paar Kapitel schaffen gleich eine unangenehme Unwohlfühlatmosphäre - ein Buch, das packt. Dachte ich. Leider entwickelt sich der Plot nach dem schon früh eintretenden tragischem Ereignis nur sehr langsam weiter - zu langsam für ein Buch, das mit einer solchen Wucht begonnen hat.

Die Gewaltdarstellungen - ja, das sind einige und auch recht explizit. Aber das ist nichts, womit ich grundsätzlich ein Problem habe, wenn z.B. die Gewalt die Story vorantreibt oder für die Charakterzeichnung nötig ist. Hier war es mir aber oft zu willkürlich eingesetzt, und Schock nur um des Schockens willen brauche ich nicht (da fangen meine LeserIinnenmanipulationssirenen leise an zu heulen). Dabei hat das Buch durchaus einige interessante Ansätze und Gedankengänge. Vor allem die verschiedenen Ebenen, auf denen die Protagonstin versucht, sich selbst zu ermächtigen - sei es durch Bildung, sei es durch den Umgang mit ihrem pubertierenden Körper - fand ich spannend und erforschenswert. Leider blieben mir da am Ende zu viele Fragen offen. Das alles hat letztlich dazu geführt, dass ich das Buch ohne übermäßigen Enthusiasmus gelesen habe. Auch die Sprache konnte da nicht mehr viel rausholen. Nicht, dass ich zwingend literarische Finesse brauche, gerade so ein Werk lebt ja eher von direktem, "in your face"-Sprech. Doch das hat es nicht (nur), hier und da sind Metaphern eingestreut, deren Verwendung recht, nun ja, kreativ sind. Ich war mir nicht immer sicher, ob das zur jungen Erzählerin und/oder zur hier und da durchschimmernden fantastischen bzw. Märchenthematik passen sollte. Letzlich war es mir aber auch recht egal, und diese Haltung spiegelt sich dann ja auch in meiner Bewertung wider: Joa, war okay.

Querverweisliche Randnotiz: Ich habe dieses Buch und Das Holländerhaus direkt hintereinander gelesen. Beide Bücher haben ein überraschend ähnliches Grundgerüst: Geschwister, die leiden; große Schwester, kleiner Bruder; sie beschützt ihn (und sich) gegen alles Böse; Märchenmotive en masse. Wenn euch so eine Grundlage interessiert, könnt ihr es in diesen Büchern also völlig unterschiedlich umgesetzt erlesen: Entweder als episches Familiendrama (Das Holländerhaus) oder als Coming-of-Age-Pulp (Das wirkliche Leben).