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Veröffentlicht am 24.05.2020

NinaBlazon kann einfach alles

Liebten wir
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Fünf Sterne vergebe ich am liebsten. Dennoch tue ich es hier wohl auch wirklich selten. Im Falle dieses Romans tue ich es nun aus vollem Herzen. Frau Blazon ist mir als großem Fantasyfan schon durch ihre ...

Fünf Sterne vergebe ich am liebsten. Dennoch tue ich es hier wohl auch wirklich selten. Im Falle dieses Romans tue ich es nun aus vollem Herzen. Frau Blazon ist mir als großem Fantasyfan schon durch ihre Romane aus dieser Kategorie ein Begriff. Dieser Roman hat nun mit Fantasy überhaupt nichts zu tun und entzieht sich gekonnt einer genaueren Genreklassifikation. Beziehungs-/Familien-/Zeitgeschichte-/Finnland-Roman, Krimi, Roadmovie? All das und noch viel mehr. Und vor allem eins war mir ein Hochgenuss: Die Figuren dieses Romans scheinen zu atmen und zu bluten, so lebensnah, so unverwechselbar sind sie. So oft klappe ich ein Buch am Ende zu und denke, naja, ganz nett, aber das waren ja bloße Abziehbilder, vollkommen austauschbar. Mit dieser hervorragenden Autorin droht das dem Leser nicht. Hinzu kommt die atmosphärisch dichte Erzählweise und eine wunderbar bildhafte Sprache, die Menschen und Situationen aufs Genaueste quasi zu sezieren vermag. Hier meine drei Lieblingsstellen zur Einstimmung, die mich, auch aus persönlicher Betroffenheit, sehr beeindruckt haben: "Das ist nämlich mein Geheimnis: Meine Mutter ist nicht tot. Auch in den Märchen sterben Mütter niemals ganz, sie raunen in Bäumen, schicken Botschaften, überbracht von verzauberten Tieren, oder sie kommen nachts zu ihren Kindern zurück, um sie in die Arme zu nehmen und zu wiegen."..."Weißt du, es gibt Momente im Leben, die wie ein Fallbeil sind. Sie trennen das Vorher vom Nachher."...."Er ist immer auf dem Sprung; sein Zuhause ist das Dazwischen - Türschwellen und Grauzonen ohne Verbindlichkeiten."
Um so vieles geht es hier: Familien und ihre Geheimnisse, Finnland, Fotografie, Kriegsgeschehnisse vor langer Zeit... Vor allem ist es die Geschichte von Moira, deren Kindheit alles andere als normal war. Erst allmählich begreift der Leser, was es mit Moira auf sich hat, warum sie, die autodidaktische Berufsfotografin, ihre Kamera fast wie eine Spannerin benutzt. Sie entreißt den Menschen ihre Geheimnisse und hält gleichzeitig die Welt auf Abstand. Sie selbst bezeichnet sich als Kuckucks-Seele, immer auf der Suche nach einem warmen Nest. Selbst ihren jeweiligen Freund sucht sie wegen seiner harmonisch wirkenden Familie aus, so auch Leonid mit russischen und finnischen Wurzeln. Ruft sie ihre eigene Schwester an, nimmt diese jedoch automatisch an, sie müsse lebensbedrohlich erkrankt sein. Wie ein Kaleidoskop, aus vielen Andeutungen und Begebenheiten, erschließt sich im Laufe des Buches die Vergangenheit von Moira und ihrer Schwester Danae, gipfelt schließlich sogar in der Aufklärung eines Mordfalls.
Da das erste tatsächliche Treffen mit Leonids Famile auf unerwartete Weise eskaliert, findet sich Moira auf einmal auf der Flucht mit der Großmutter ihres Freundes, Ainu, in deren Heimat Finnland wieder. Auch das eine originelle Idee. Der Hauptteil des Buches spielt denn auch dort und hat in mir großes Interesse an diesem Land geweckt. Auch Ainus Vergangenheit und deren Geheimnisse entfalten sich nach und nach, und führen letztendlich dazu, dass Moira nach dem Scheitern ihrer Beziehung zu Leonid eine neue Liebe findet und ihre eigene traumatische Vergangenheit ein Stück weit loslassen kann.
Harmlos-verspielt kommt das Cover des Buches daher, mit rosa Wolken und Schlieren, wie sie die Flugszeuge im Sommerhimmel hinterlassen. Obwohl sonst kein rosa-Fan, hat mir die grau/neonrosa-Kombination ausnehmend gut gefallen. Ich wünschte nur, der Roman wäre als gebundenes Buch erschienen, denn er hat das Zeug zum Lieblingsbuch, so wie auch Nina Blazon nun endgültig zu meinen Lieblingsautoren gehört. Es ist definitiv eine Geschichte zum Wiederlesen. Ich fühle mich jetzt seltsam ambivalent: Selten war ich so dankbar für den Gewinn eines Buches. Wunderbar, dass ich es schon vor dem Erscheinen lesen durfte. Die Banderole des Verlages "Ein besonderes Buch für Sie" lasse ich dran, weil das Buch wirklich besonders ist. Gleichzeitig beneide ich alle, die den Lesegenuss noch vor sich haben. Wie gut, dass ich von der Autorin noch "Ascheherz" auf meinem Stapel ungelesener Bücher habe!

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Slàinte

How To Be Irish
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Mit herrlich schrägem schwarzen Humor schildert der irische Anthropologe David Slattery, wie es vielleicht auch uns gelingen kann, sich wie ein waschechter Ire zu verhalten. Trotzdem macht er uns wenig ...

Mit herrlich schrägem schwarzen Humor schildert der irische Anthropologe David Slattery, wie es vielleicht auch uns gelingen kann, sich wie ein waschechter Ire zu verhalten. Trotzdem macht er uns wenig Hoffnung, dass wir ggf. je mehr sein werden als sogenannte Hereingeschneite oder auch Plastic Paddys. Vieles war mir wirklich grundlegend neu. Zum Beispiel hatte ich noch nie gehört, dass es früher eine traditionelle Art des Heiratsantrages war, die Angebetete zu fragen, ob sie gern zusammen mit der Sippe des Fragestellers beerdigt werden würde. „Überraschenderweise fasste die heiratswillige Frau das nicht als Drohung auf.“ Herrlich! Da die Iren nicht nur gern klagen, sondern offensichtlich auch eine morbide Ader haben, widmet sich das erste Kapitel der typisch irischen Beerdigung. Das darin Beschriebene kam mir wirklich sehr irisch vor, während andere Kapitel zwar auch äußerst unterhaltsam waren, aber fast ebenso in Deutschland spielen könnten, zum Beispiel das Kapitel über das Berufsleben mit dem wunderbaren Titel „Unverschämt genug für zwei Ärsche“, oder das Kapitel über Handwerker. Andererseits kennzeichnet es den deutschen Handwerker eher, zu vereinbarten Terminen zu Beginn erst gar nicht aufzutauchen. Zumindest das heben sich irische Handwerker anscheinend für spätere Bauphasen auf. Mich hat das Buch wirklich bestens unterhalten, auch wenn das hohe Humorniveau natürlich nicht ununterbrochen aufrecht erhalten werden kann. Als großer Fan der keltischen Vergangenheit Irland hätte ich mir lediglich mehr Ausflüge dorthin oder ins Gälische erhofft. Als Eigentümerin dreier in Irland gezüchteter Irish Tinker (Pferde der Irish Travellers) hätte ich mir auch ein Kapitel über die Irish Travellers gewünscht. Lediglich eines ihrer gescheckten Ponys galoppiert mal am Rande durch Dublin. Das werden aber nahezu alle anderen Leser nicht vermissen und ist daher kein Kritikpunkt. Einzig das Ende war mir zu aprupt, hier fehlte ich mir noch eine Art Schlusswort.
Die Innenseite des Buchcovers zeigt ein Foto von Slattery mit sympathischem verschmitzten Lächeln in der Marsh’s Library in Dublin. Unter dem Tisch sind seine Füße in einer Schüssel. Skurril und liebenswert, auch die Einbandgestaltung hat mir sehr gut gefallen. Passenderweise sind Vor- und Rückseite grün wie die grüne Insel und zeigen wollige Schafe. Dank des Buches weiß ich nun, dass Irlands Nationalfarbe aber Blau ist.

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Noch so ein wunderbares Buch

Noch so eine Tatsache über die Welt
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Ich freue mich, schon wieder kann ich fünf Sterne vergeben. Meisterhaft vermag es die junge australische Autorin, Gefühle von Trauer und Verlust zu beschreiben. Das kann man nur, wenn man selbst tief getrauert ...

Ich freue mich, schon wieder kann ich fünf Sterne vergeben. Meisterhaft vermag es die junge australische Autorin, Gefühle von Trauer und Verlust zu beschreiben. Das kann man nur, wenn man selbst tief getrauert hat, habe ich die ganze Zeit über gedacht, und tatsächlich erfährt man im Nachwort, im allerletzten Satz, vom Tod ihrer Mutter. Drei Protagonisten erfand Brooke Davis, die ihrem Schmerz Ausdruck verleihen. Das sonderbare, aber liebenswerte siebenjährige Mädchen Millie, dessen Vater stirbt und das daraufhin von ihrer Mutter einfach in einem Kaufhaus zurückgelassen wird. Den 87jährigen Karl, dem Millie dort begegnet. Carl ist ein Altersheim-Flüchtling und nennt sich selbst der Tasttipper, weil er alles, was er sagt, gleichzeitig mit den Fingerspitzen vor sich hin tippt. Er hat seine geliebte Frau verloren. Dann ist da noch die alte Agatha, die nach dem Tod ihres Mannes eine aus ihrem Fenster schreiende Frau wurde und ihr Haus nicht mehr verließ. Stattdessen folgt ihr Leben unsinnigen, immer gleichförmigen Ritualen, um der Einsamkeit zu entkommen. Agatha wohnt gegenüber von Millies Familie und kennt, wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt, auch Karl vom Sehen.
Sehr schnell ans Herz gewachsen ist mir Millie. Sie kann dem Leser einfach nur leid tun. Ihre Mutter hat gar kein Interesse an ihr. Selbst als Millies Vater noch lebt, sitzt er eigentlich nur vor dem Fernseher. Alleingelassen, treibt Millie ihre eigenen Studien und versucht der Vergänglichkeit zu begegnen, indem sie alles in ihr "Buch der toten Dinge" einträgt. Die kindliche Perspektive war dabei sehr gut eingefangen. Millie hat mich oft nicht nur zu Tränen gerührt, sondern ihre Studien habe mich manchmal auch zum Lachen gebracht. Da werden zum Beispiel bei einem Mitschüler, der Millie Geburten erklären soll, Plazentas mal eben zu Placebos.
Auch Agatha war mir mit wenigen Ausnahmen überraschend sympathisch. Im wahren Leben würde man wohl schnell die Straßenseite wechseln, wenn man ihr begegnet, aber Brooke Davis hat für mich Agathas Verhalten begreifbar gemacht. Außerdem hat es mich, wenn Agathas zu Beginn alles laut herausschreit, was sie gerade macht ("Ich wasche mich gerade!") und eigentlich nur aus Ausrufezeichen besteht, nicht nur gerührt, sondern bei allem Mitleid irgendwie auch zum Schmunzeln gebracht. Nur "Tasttipper" Karl ist mir nicht so nahe gekommen. Die Idee des Tasttippens hat mir auch nicht so gut gefallen und ich habe nicht verstanden, was es Karl genau bedeutet. Mehr habe ich aber wirklich nicht auszusetzen.
Agatha, Karl und Millie begeben sich auf eine verrückte Reise quer durch Australien, immer auf der Suche nach Millies Mutter, obwohl man doch weiß, dass diese von ihrer kleinen Tochter nicht gefunden werden will. Aber zum Glück gibt es noch eine Tante... Agatha und Karl kommen sich immer näher und finden langsam zurück ins Leben. Das Ganze wird in einer ganz eigenen Sprache berichtet, überwiegend im Präsens, die vielen Dialog kursiv gesetzt und ohne Anführungszeichen. Manche Sätze möchte man sich notieren, so gehen sie unter die Haut, z.B. "Das Fehlen seines Namens fühlte sich an wie ein Schwindelanfall". So beschreibt Davis das Fehlen des Namens von Agathas verstorbenen Mann auf dem Anrufbeantworter.
Sicher wird das Buch nicht jedem gefallen. Daher war ich überrascht und erfreut, dass es in Australien ein Bestseller ist. Wer oberflächliche Schönwetterliteratur mag, wird den Roman schnell aus der Hand legen. Wer Verlust kennt und selbst tief getrauert hat, wird das Buch zu schätzen wissen.

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Liebe unterm Hollerbusch

Holunderherzen
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Wirklich begeistert hat mich das Cover diese Taschenbuches. Blätter in zartem Blau auf weißen Grund mit auberginefarbenen Holunderbeeren auf weißem Grund, dazwischen ein Vogel, der sich auch auf dem Buchrücken ...

Wirklich begeistert hat mich das Cover diese Taschenbuches. Blätter in zartem Blau auf weißen Grund mit auberginefarbenen Holunderbeeren auf weißem Grund, dazwischen ein Vogel, der sich auch auf dem Buchrücken wiederfindet: Das sieht im Buchregal sehr hübsch aus. Leider konnte nach meinem Geschmack die Geschichte nicht ganz mit der hübschen Verpackung mithalten. Nach einer gescheiterten Beziehung flieht Anne zu ihrer Tante Tilly auf ein heruntergekommenes Grundstück an der Lübecker Bucht. Anne wirkte auf mich häufig nicht wie über 40, sondern wie ein unreifer Teenager. Sie geht noch in diesem Alter gern "starke Männer gucken", indem sie sich vor ein Fitness-Studio setzt beispielsweise. Dass innere Stärke zählt, muss sie erst mühselig begreifen. Die Teenagerin Kyra scheint häufig reifer als Anne, während Anne verblüffenderweise schon überfordert ist, wenn Kyra ihr von Problemen mit ihrem Freund berichtet. Dass Kyras Vater, der verwitwete Arzt Carsten, Annes neuer Auserwählter wird, daran lässt die Autorin von Beginn an keinen Zweifel. Dieser Carsten wird mal als Vogelscheuche, mal als schöner Mann beschrieben, normale Mitteldinger scheint es nicht zu geben. Schon nach der ersten Begegnung entbrennt Anne in Sehnsucht nach ihm, obwohl sie ihn ewig nicht wieder trifft. Bei der zweiten Begegnung stolpern sie ineinander, und nun ist es endgültig um Anne geschehen. Eben wie ein Teenie...
Die Highlights des Buches waren für mich die exzentrische Tante Tilly und ihr bisisiger Mops Hugo sowie dass Holunderbüsche, die ich einfach liebe, in der Story eine Rolle spielen. Anne eröffnet ein Café auf dem Grundstück, dessen Angebot auf Holunderprodukten basiert. Zum Glück wird man hier aber nicht mit endlosen Rezepten genervt wie in manch anderem Roman, in dem die Protagonistin in der kulinarischen Branche tätig ist.
Leider ist Tilly an Alzheimer erkrankt. Sie möchte niemandem zur Last fallen und wählt einen ziemlich drastischen Ausweg. Das ermöglicht, dass der Roman sein reines Unterhaltungsniveau beibehalten kann. Einen endlosen Verfall, das muss ich fairerweise sagen, hätte ich aber nicht gern miterlebt. Auch bei Tilly finden sich manche Motive, die ich übertrieben fand, so die plötzliche hingebungsvolle Liebe eines alten Fischers, der sich willig von ihr beschimpfen und von Hugo wiederholt bis aufs Blut beißen lässt.
Insgesamt habe ich die Geschichte nicht ungern gelesen, wenn mir auch der Vorläufer "Winterapfelgarten" einen Tick besser gefallen hat. Bedauerlicherweise ist auch das Strickmuster sehr ähnlich. In den "Holunderherzen" findet sich zudem ein Stilmittel, das mir beim letzten Roman nicht aufgefallen ist: Die unentschlossene Anne führt Monologe nach dem Strickmuster "Ja? Nein? Oder doch?" wiederholt, was sie noch unreifer erscheinen lässt und nervt. Auch wirkt es ein wenig, als sollte die Wortzahl künstlich gesteigert werden.
Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht.

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Veröffentlicht am 24.05.2020

Wirklich mal etwas ganz Anderes

Das gläserne Meer
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Zunächst einmal dies: Schon allein von der Optik her hat der Dumont-Verlag hier ein wunderschönes Buch geschaffen, das auch nach dem Lesen ein echtes Schmuckstück im Regal ist. Die Zeichnung einer beinahe ...

Zunächst einmal dies: Schon allein von der Optik her hat der Dumont-Verlag hier ein wunderschönes Buch geschaffen, das auch nach dem Lesen ein echtes Schmuckstück im Regal ist. Die Zeichnung einer beinahe märchenhaft anmutenden Landschaft, in der sogar Phönixe fliegen, zieht sich über den gesamten Buchumschlag und ziert so auch den Buchrücken. Alles ist in Weiß und Rot gehalten. Normalerweise mag ich Rottöne gar nicht, aber hier handelt es sich um ein sehr sanftes, dezentes Hummerrot. Dann ist der Roman auch noch herrlich dick und kann den Leser so eine etwas längere Zeit begleiten.
Anklänge an russische Märchen hat auch die Geschichte um die Zwillinge Jarik und Dima. In ihrem Heimatort Petroplawilsk wird ein gigantisches Gewächshaus errichtet, eben das gläserne Meer aus dem Titel. Es dehnt sich immer mehr aus, verschluckt ganze Landstriche, alle Gebäude, die zu hoch sind, werden einfach gekappt. Ununterbrochen soll es produzieren und so wird es von gigantischen Spiegeln erhellt, die nachts das Sonnenlicht aus dem All heranlenken. Dunkelheit gibt es nicht mehr, und so verschwindet nach und nach auch beinahe alle Freizeit. Nur wer daran mitwirkt, das Gewächshaus weiter zu bauen, gilt etwas. Zunächst arbeiten Jarik und Dima gemeinsam dort, bis Jarik von dem dahinter stehenden Investor, dem Miliardär Basarow, quasi entdeckt und immer weiter gefördert wird. Jarik soll den Arbeitern als Leitbild dienen und vorgaukeln, auch sie könnten den Aufstieg schaffen. Beschrieben wird Basarow bei der ersten Begegnung wie der leibhaftige Teufel, und genauso führt er Jarik, der für Frau und Kinder sorgen muss, auch erfolgreich in Versuchung.
Dima hingegen war schon immr ein Träumer. Lange Zeit interessiert er sich überhaupt nicht für Frauen, sondern lebt nur für das beinahe symbiotische Verhältnis mit seinem Bruder. Er ist dem Arbeitsdruck nicht lange gewachsen und hört eines Tages ganz auf zu arbeiten. Von da an geht sein Abstieg immer weiter, Strom und Gas werden in der gemeinsam mit der Mutter bewohnten Wohnung nach und nach abgestellt, sie leben von verdorbenen Essensresten. Alles Geld, das Dima von Jarik erhält, spart er, um davon eines Tages die Datsche ihres verstorbenen Onkels zurückzukaufen und mit seinem Bruder dort wie in Kindertagen zu leben. Eher unfreiwillig wird Dima zur Leitfigur der Revolutionäre, die zum alten Leben zurückkehren wollen, und bringt später sogar einen kleinen Teil des Glashaus-Daches zum Einsturz. Seine Verwandtschaft mit Dima wird für Jarik immer gefährlicher und er muss weitere Kompromisse eingehen, um Dima zu schützen. Doch im Grunde hat er sich längst gegen seinen Bruder und ihre Herkunft entschieden.
Der Roman wirft viele Fragen auf, die auch ich mir manchmal schon gestellt habe. Ab wann ist der Preis für den Erfolg zu hoch? Ist nicht Zeit im Grunde komplett unbezahlbar? Die Brüder stehen dabei für zwei Extreme, denn so wie Dima möchten sicher die wenigsten leben.
Nur zum Ende hin hatte die Geschichte für mich leichte Längen, ansonsten hat sie mich unerwartet gefesselt. Außerdem ist dies mal ein ganz eigener Roman, der mich wirklich an keinen anderen erinnert hat. Das Ende war mir persönlich zu offen gestalten und ich hätte mir noch mehr Märchenmotive gewünscht. Das ist aber auch die einzige Kritik. Dieses Buch werde ich in sehr guter Erinnerung behalten!


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