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Veröffentlicht am 13.05.2020

Faszinierender Digby

Digby #01
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Ich liebe die Jugendbücher von Oetinger. Daher habe ich mich über den Gewinn dieses Buches wirklich gefreut. Sehr gern hätte ich auch sogar volle fünf Sterne vergeben, was nicht so oft vorkommt, denn ich ...

Ich liebe die Jugendbücher von Oetinger. Daher habe ich mich über den Gewinn dieses Buches wirklich gefreut. Sehr gern hätte ich auch sogar volle fünf Sterne vergeben, was nicht so oft vorkommt, denn ich habe mich stets aufs Weiterlesen richtig gefreut. Aber die Optik soll ja auch mit bewertet werden, und ich muss es leider sagen: In der Buchhandlung hätte ich diese Buch komplett übersehen. Dabei kann ich nur das Taschenbuch-Leseexemplar bewerten, das ich bekommen habe. Tatsächlich kommt das Buch wohl zunächst in einer gebundenen Variante heraus. Dann macht es sicherlich einen hochwertigeren Eindruck. Darüber kann ich aber nur mutmaßen. Die mir vorliegende Variante ist sehr unscheinbar mit Passbild-artigen Fotos von einen Mädchen und einem Jungen, die weder der Beschreibung im Roman noch meiner Vorstellung von der jungen Ich-Erzählerin Zoe und ihres Freundes Digby entsprechen. Auch den eingestreuten Spruch "Why so serious?!" kann ich überhaupt nicht mit der Handlung in Verbindung bringen.
Die Geschichte selbst und die Erzählweise haben mich aber restlos überzeugt und besitzen gewohnte Oetinger-Qualität. Vor allem Zoe und Digby sind plastische Charaktere fernab von den Abziehbild-Protagonisten, die man selbst in Erwachsenen-Romanen oft finden kann. Digby selbst ist so herrlich skurril und witzig, dass ich mich bis zum Schluss nicht entscheiden konnte, ob ich Zoe eine Romanze mit Digby wünsche oder mit ihrem Schwarm, dem sympathischen Footballspieler Henry, der aber eigentlich nicht zu haben ist... Da es jedoch glücklicherweise Nachfolgebände geben wird, bleibt diese Frage ohnehin offen.
Digbys Schwester ist als kleines Kind entführt worden, was ihn nicht nur traumatisiert hat, sondern noch immer beschäftigt. Daher lässt ihn auch das Verschwinden der jugendlichen Marina nicht kalt. Gemeinsam mit Zoe und Henry beginnt er zu ermitteln, und ist dabei durch seine ungewöhnlichen Methoden der Polizei oft voraus. Digbys Zuhause ist mehr als fragwürdig, aber auch Zoe hat mit Eltern-Problemen zu kämpfen. Ihre oft
überforderte Mutter fand ich liebenswert und originell geschildert. Sie versucht noch in ihrem Leben als Geschiedene Fuß zu fassen, während Zoes Vater seine Ehefrau gegen ein jüngeres "Modell" ausgetauscht hat. Er wirkte sehr unsympathisch und daher ein wenig eindimensional. Da er aber nur eine sehr kleine Nebenrolle spielt, fiel das nicht ins Gewicht.
Zwar kann das Rätsel um Marina gelöst werden (nebenbei werden sogar noch andere Verbrechen aufgedeckt), aber das Verschwinden von Digbys Schwester bleibt ein Rätsel. Nachfolgebände werde ich auf jeden Fall lesen, nicht nur deswegen, sondern weil mir Zoe, Digby und Henry mit ihren witzigen Dialogen wirklich schnell ans Herz gewachsen sind.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Stets gültiger Satz

Auch das wird vergehen
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Der Titel des Romans geht zurück auf eine Geschichte um einen chinesischen Kaiser, der seine Ratgeber beauftragte, ihm einen Satz zu nennen, der unter allen Umständen immer gültig ist. Dieser Satz lautet ...

Der Titel des Romans geht zurück auf eine Geschichte um einen chinesischen Kaiser, der seine Ratgeber beauftragte, ihm einen Satz zu nennen, der unter allen Umständen immer gültig ist. Dieser Satz lautet "Auch das wird vergehen". Für mich birgt er gleichzeitig Hoffnung (in schlimmen Zeiten) als auch allergrößten Schrecken (weil man alles, egal wie sehr geliebt, irgendwann verliert), und ist daher wirklich beeindruckend gewählt. Sehr berührt hat mich auch die Art, wie die vierzigjährige Ich-Erzählerin Blanca die Trauer um ihre kürzlich verstorbene Mutter schildert. Manches ist so realistisch, dass ich es aus eigenem Erleben kenne, etwa das Gefühl, bei jeder Beerdigung im Grunde innerlich die eigene Mutter erneut zu Grabe zu tragen. Überhaupt alles in diesem kleinen Roman ist unglaublich feinsinnig, fast sezierend, beobachtet und eloquent geschildert.
Für Blanca ist das Gegenteil des Todes nicht das Leben, sondern Sex. Sie kennt leider nur dieses eine Mittel, um die Trauer zu verarbeiten. Überhaupt gibt es sehr viele Männer in ihrem Leben, zwei Ex-Ehemänner, von denen sie mit einem noch sexuell verkehrt trotz dessen neuer Beziehung, einen verheirateten Liebhaber und unzählige Flirtpartner, nach denen sie in der flirrenden Hitze Spaniens unaufhörlich auf der Suche ist. Blanca führt ein unglaublich priviligiertes Leben. Um ihre beiden Söhne kümmert sich eine Kinderfrau, obwohl man nicht erfährt, dass sie selbst je gearbeitet hätte. Ihrer Trauer kann sie sich im wunderbaren Strandhaus der Mutter so richtig hingeben. Um den Haushalt kümmert sich eine Freundin. Als diese ihr vorwirft, Blanca täte nichts anderes als von Zinsen zu leben, hatte ich großes Verständnis für diese Freundin, zumal sie - nicht ganz unberechtigt - das Gefühl hatte, dass die bekiffte Blanca nun sogar mit ihrem Freund anbandeln wollte.
Trotz allem Mitempfinden mit Blancas Trauer gewann ich daher im Lauf der Geschichte immer mehr Abstand zu ihr als Protagonistin. Wenn der Verlust auch tief empfunden wirkte, erweckte Blanca dennoch auf mich irgendwann einen sehr oberflächlichen und eindimensionalen Eindruck und verlor daher einen Teil meiner Sympathien. Deshalb, und weil das schmale Bändchen vorbeirauschte wie ein Sommertag, reicht es trotz der hervorragenden Stilkunst nur zu vier Sternen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Elementar, Dr. Watson

Holmes und ich – Die Morde von Sherringford
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Dieser berühmte Satz taucht im vorliegenden Buch zwar nicht auf. Dennoch wurde Sherlock Holmes hier gekonnt in die Moderne übertragen, und zwar in Form seiner fiktiven Nachfahrin, der jungen Internatsschülerin ...

Dieser berühmte Satz taucht im vorliegenden Buch zwar nicht auf. Dennoch wurde Sherlock Holmes hier gekonnt in die Moderne übertragen, und zwar in Form seiner fiktiven Nachfahrin, der jungen Internatsschülerin Charlotte Holmes, die ebenso brillant, kompliziert und drogengefährdet ist wie ihr Vorfahr. Auch ihr steht ein Watson zur Seite, James, der Nachkomme des bekannten Doktors, den seine Familie auf dasselbe Internat in den USA schickt, das auch Charlotte besucht. Charlotte hat schon in frühester Kindheit für Aufsehen gesorgt und der Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen geholfen. Seitdem ist Charlotte so etwas wie eine imaginäre Freundin für James und er träumt davon, mit ihr gemeinsam zu ermitteln. Nun ist Charlotte auch noch faszinierend und hübsch. James Wunsch erfüllt sich schneller als gedacht, als ein Mitschüler ermordet wird, mit dem sich James kurz zuvor geprügelt hat, um Charlottes Ehre zu verteidigen. Doch ausgerechnet Charlotte ist die Hauptverdächtige! Zudem erinnern dieser Mordfall und folgende Überfälle auch noch fatal an Sherlock Holmes berühmte Fälle.
Das Buch hat sich in Windeseile nur so weggelesen. James, der in der Ich-Perspektive erzählt, ist ein äußert sympathischer Protagonist, und auch die schwierige Charlotte habe ich schnell ins Herz geschlossen. Daher bin ich sicher bin, dass ich eventuelle Folgebände auf jeden Fall kaufen werde. Gelungen fand ich auch die mehr als zarte, nur angedeutete Liebesgeschichte zwischen Charlotte und James. Charlotte ist so hochbegabt, dass es unrealistisch gewirkt hätte, wenn sie in Liebesdingen funktioniert hätte wie durchschnittliche Menschen. Der Epilog, in dem Charlotte dann selbst zu Wort kommt, war so erfrischend und exzentrisch, dass ich mir wünsche, sie möge vielleicht im nächsten Teil die Ich-Erzählerin sein. Der Untertitel "Die Morde von Sheringford" lässt ja auf eine Reihe schließen.
Der Buchumschlag hat mir in der Realität besser gefallen als auf der Abbildung, auch wenn ich ihn noch immer etwas schlicht finde. Das dargestellte Paar entspricht aber tatsächlich sehr gut meiner Vorstellung der beiden Ermittler.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Heiße Wüstenluft

Willkommen in Night Vale
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Ich liebe fantastische Literatur, mag es, wenn es skurril wird, und vor allem, wenn etwas so für mich als Vielleserin noch nicht da war. All dies trifft hier zu. Warum dieser Roman mich dennoch nicht ganz ...

Ich liebe fantastische Literatur, mag es, wenn es skurril wird, und vor allem, wenn etwas so für mich als Vielleserin noch nicht da war. All dies trifft hier zu. Warum dieser Roman mich dennoch nicht ganz von sich überzeugen konnte? Vieles kommt mir hier vor wie nur um des Effektes willen geschrieben. Wenn man dann genau hinsieht, war mir persönlich einfach nicht genug dahinter.
Das isoliert in der Wüste gelegene Städtchen Night Vale wirkt wie von Aliens beherrscht. Die Pfandleiherin Jackie ist seit vielen Jahren 19 Jahre alt. Verpfändet man etwas, so stirbt an einen Augenblick (Warum eigentlich?). Der Sohn der alleinerziehenden Diane ist ein Gestaltwandler. Plötzlich taucht sein Vater Troy wieder auf, und sowohl Jackie als auch Diane erhalten von einem mysteriösen Mann im hellbraunen Jackett, den sich einfach niemand merken kann, einen Zettel mit der Aufschrift "King City". Diesen Zettel wieder los zu werden, erweist sich als unmöglich, Jackie kann sogar nichts mehr anderes schreiben als King City. Als Josh verschwindet, machen sich die beiden Frauen auf die Reise nach King City, und kommen sowohl dem Geheimnis dieses Örtchens, dem von Joshs Vater als dem des Mannes im hellbraunen Jackett auf die Spur. Diese Auflösung, wenn man sie denn so nennen will, hat mich nicht völlig zufrieden gestellt. Zwar erfährt man, warum in King City die Dinge so sind wie sie sind, aber für Night Vale selbst kann man sich hier allenfalls etwas zusammenreimen. Dessen unendliche Skurrilitäten muss man hinnehmen, wie sie sind, und nein, mit Außerirdischen haben sie nichts zu tun.
Zwar strotzt der Roman nur so vor originellen Einfällen, aber sprachlich war er mir häufig zu gewollt redundant ("Über Engel wusste man wenig. Ein wenig wusste man.").
Auch das Cover konnte hier nichts aufwerten, es ist stilistisch sehr einfach gehalten. Das Buch erscheint wohl gebunden mit Schutzumschlag, was sicherlich dann einen hochwertigeren Eindruck macht als das kostenlose kartonierte Leseexemplar, das durch die weiße Umrandung leider schon nach einmaligem schonendem Lesen recht abgegriffen aussieht.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Hormonmangel

Sommerreise
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Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim ...

Nun habe ich es Schwarz auf Weiß: angeblich leide ich unter Hormonmangel. Zumindest, wenn man Sara, einer der Protagonistinnen dieses Romans glaubt. Das behauptet sie jedenfalls von Frauen, die nicht beim Anblick eines Mannes, der allmählich auf die 60 zugeht, auf einem Motorrad unverzüglich dahinschmelzen. Wenn dieser Mann dann noch stolz berichtet, dass er früher sein Kleinkind im Beiwagen transportiert hat, fasse ich persönlich mir eher an den Kopf. Eigentlich müsste ich zur Zielgruppe von "Sommerreise" gehöre, denn mit Anfang 50 sind die Personen in diesem Buch nur wenige Jahre älter als ich. Oft lese ich auch Jugendbücher, und zu mindestens in den sehr guten davon erschienen mir die Protagonisten stets wesentlich reifer als diese hier, und außerdem sympathischer! Sara, schwedische Journalistin, beschließt nach ihrer Scheidung urplötzlich an den Urlaubsort ihrer Kindheit zu reisen, ein Schloss in der Toskana. Dort wurde ihr Großvater, der dortige Gärtner, einst von den Schlossherren um seine Weinsammlung betrogen. Kurzerhand entführt Sara nicht nur das Motorrad ihres Exmanns, sondern auch ihre Freundin Jessica, die eigentlich nur ein Stück mitfahren wollte, bis zu einem für sie wichtigen Autorentreffen in Malmö. Doch Sara verschleppt Jessica einfach über die Grenze nach Dänemark. Überhaupt sind Saras Handlungen oft kaum nachvollziehbar. Hat sie zum Beispiel endlich das Thema ihrer diesjährigen Reisereportage gefunden (Wie ergeht es einer Einzelperson auf einer einsamen Insel), lädt sie plötzlich Jessica ein, als würde sie selbst nicht davon leben und das Thema damit komplett zunichte machen.
Jessica schreibt Liebesromane, die mir wahrscheinlich die Haare zu Berge stehen lassen würden: "Wäre er eine Figur aus Jessicas Romanen gewesen, hätte diese ihn als schweigsamen Helden beschrieben, einen, der sich seine Angebetete über die Schulter warf und sie auf das nächste Bett schmiss, wenn sie zu viel redete. Dort hätte er sie dann geküsst, bis sie endlich den Mund hielt." Oh graus. Jessica selbst ist auch jedes Mal in Gefahr, in Ohnmacht zu fallen, wenn sie ihre Jugendliebe JP, den einzigen Mann, mit dem sie jemals intim war, nur berührt. Die eingestreuten Sexszenen haben zumindest mich höchstens genervt, auch finde ich, dass Wörter wie "geil" einfach billig sind und in Mainstream-Romanen deplatziert. Weder die Figuren noch die Handlung konnten lange Interesse bei mir wecken. Am besten hat mir noch das schöne sommerlich-blaue Cover gefallen. Der Verlag bewirbt hinten im Buch Bücher von Corinna Bomann, Brigitte Janson und Nina Blazon. Am Anfang des Romans dachte ich noch: Nina Blazon, das ist natürlich eine viel hochklassigere Liga, zwischen ihren Romanen und "Sommerreise" liegen Welten, aber Bomann und Janson, das passt. Zum Schluss musste ich mich zum Teil korrigieren: Nina Blazon schreibt natürlich um Längen besser, aber die Bomann- und Janson-Bücher übertrumpfen das vorliegende immerhin auch. Schade!

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