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Veröffentlicht am 08.04.2022

Wichtig, eindringlich, grandios erzählt

Die Wut, die bleibt
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TW: Suizid, sexualisierte und körperliche Gewalt, Essstörung, selbstverletzendes Verhalten

Inhalt:
Es wird ihr alles zu viel. Der Mental Load, der scheinbar in einer Parallelwelt lebende Ehemann, die ...

TW: Suizid, sexualisierte und körperliche Gewalt, Essstörung, selbstverletzendes Verhalten

Inhalt:
Es wird ihr alles zu viel. Der Mental Load, der scheinbar in einer Parallelwelt lebende Ehemann, die Kinder, welche stets verlangen, rufen, toben, die Pandemie, die Einsamkeit und der Satz "Haben wir kein Salz" am viel zu lauten, viel zu vollen Esstisch. Und Helene steht auf, geht auf den Balkon und springt wortlos in den Tod, verlässt ihre Familie, ihre beiden kleinen Söhne Maxi und Lucius ihre fünfzehnjährige Tochter Lola, ihre beste Freundin Helene.
Und diese Menschen versuchen, weiterzuleben. Sarah übernimmt allzu schnell und allzu leicht Helenes Rolle und merkt erst nach Wochen, was schief läuft, Lola kann vor Verachtung für die Frauen in ihrem Leben nicht mehr essen und schlafen und so sucht jede ihren Weg, mit der Trauer umzugehen oder ihr Ventil, um die Wut zu kanalisieren.

Der Beginn:
Natürlich war es klar, dass ich dieses Buch einfach lesen musste, nachdem mir "Dunkelgrün fast schwarz" so sehr und "Das Licht ist hier viel heller" immer noch sehr gut, wenn auch weniger gut gefallen hat. Angefixt durch die begeisterten Rezensionen, die lobenden Worte, die tiefgründigen, lauten, wütenden, rotzigen, packenden Schnipsel, welche Mareike Fallwickl bei Instagram bereits veröffentlicht hatte, habe ich mir das Buch vorbestellet und hielt es dann wenige Tage nach dem Erscheinungstermin in den Händen. Aber die ersten Seiten haben nicht das geweckt, was ich zu spüren erwartete. Einige schrieben von Tränen, von Schmerz, mir war dieser Anfang zu schlicht und offensichtlich. Bei mir dauerte das ein wenig länger, aber dann wurde ich um so heftiger gepackt.

Die Wut, die bleibt:
Irgendwann kam die Wut. Vielleicht, als Sarah plötzlich beginnt, bei Helene zu putzen, vielleicht, als Helenes Mann Johannes einmal mehr mitten im grössten Chaos das Haus verlässt und sich um nichts kümmert, auch nicht um seine Kinder, vielleicht, als diese kleinen Kinder nicht mehr aufhören, sich gegenseitig zu ärgern, vielleicht, als Lola und ihre beste Freundin erleben müssen, wie ihre Grenzen von Männern nicht respektiert werden.
Was wurde ich - einmal mehr - wütend auf eine ganze Generation von Frauen, welche sich ganz selbstverständlich in den Haushalt hineingefügt, ihrem Mann den Rücken freigehalten, ihre Kinder bespasst und dabei ihre eigenen Ziele und Träume aufgegeben haben. Ohne zu fordern, ohne für sich einzustehen, ohne ihren Kindern gute Vorbilder zu sein, ohne diesen eigentlich genau die Werte mitzugeben, welche sie ihnen mitgeben wollten, weil es schlicht nur zum Überleben gereicht hat. Und was wurde ich wütend auf diese Männer, welche - von ihren Müttern so erzogen (und diese unendliche Wut auf diese Mütter) - nur fordern, nur verlangen, nur Raum einnehmen, nur laut sind, stark, gewalttätig. Die es gewagt haben, unsere Gesellschaft nach ihren Rahmenbedingungen zu formen.

Lola:
Ich denke, dass wir alle uns in unterschiedlichen Figuren in diesem Buch wiedererkennen und ich selbst habe mich Helenes Tochter Lola so unendlich verbunden gefühlt. Habe mich gefragt, wann Sarah sich für ihre "Dienste" endlich bezahlen lässt, endlich einmal aufbegehrt, für sich einsteht, reinen Tisch macht. Habe mich - einmal mehr - gefragt, weshalb Frauen Kinder haben mit Männern, die schon als Partner nichts taugen, nur eine Last sind, zusätzliche Arbeit machen. Und die sich dann irgendwann zwischen vollen Windeln und dem unerledigten Abwasch fragen, wo sie eigentlich falsch abgebogen sind.
Und wisst ihr, was meine Wut noch grösser gemacht hat?
Lola begehrt auf. Sie gewinnt die Kontrolle zurück über ihren Körper, sie nimmt ab, mehr und mehr. Ungesund viel, verletzt sich selber, leidet und entscheidet sich dann, zurückzuschlagen und wieder zuzunehmen und schliesslich auf die Ansprüche an den weiblichen Körper, die Rollenbilder und die Bewertungen zu scheissen. Und dies alles zeigt doch um so deutlicher, wie sehr wir alle in diesem Patriarchat unterdrückt sind, weil es eben genau dann, wenn wir entscheiden, sämtliche Bewertungen, alle diese Verletzungen und Einschränkungen nicht mehr zu akzeptieren, eben doch wieder um genau diese Einschränkungen geht und um die Menschen, welche dafür verantwortlich sind. Lola nimmt also nicht zu, weil sie selber einfach wieder so richtig Lust auf geile Gerichte hat, sie nimmt zu, um der Gesellschaft zu zeigen, dass es in Ordnung ist, zuzunehmen. Sie trainiert nicht, weil sie Freude am Sport gewonnen hat, sondern um ihre Wut und Angst zu kanalisieren und im Notfall zurückschlagen zu können.
Und so sind alle Frauenfiguren in diesem Buch durch eine gemeinsame traurige Wahrheit verbunden. Es ist die selbe traurige Wahrheit, welche uns alle vereint: wir werden oft erst aktiv und laut und wütend, wenn uns bereits etwas angetan worden ist, das unsere Welt erschüttert, unsere Grenzen, Körper und Seelen verletzt hat.

Der Humor:
Überrascht hat mich, wie humorvoll dieses Buch neben aller Ernsthaftigkeit ist. Es ist ein schwarzer aber mitten aus dem Leben gegriffener Humor. Ein Humor, der schallend lachen lässt und dann ein wenig Bitterkeit hinterlässt.
Vor allem diese eine Szene hat mich bestens unterhalten: Sarah betritt Helenes Wohnung und trifft eine laute Diskussion an, ein Kind, das ihr entgegenrennt und dabei einmal der Länge nach hinfällt und ein zweites Kind, das in der auf den Sturz folgenden Stille mitten ins Wohnzimmer kotzt, unmittelbar, bevor der Vater das Haus verlässt, um arbeiten zu gehen. Was habe ich gelacht, kannte ich doch genau solche und ähnliche Szenen von meiner jahrelangen Arbeit als Nanny. Der Unterschied zu einer Mutter oder einer besten Freundin genau dieser kürzlich vom Balkon in den Tod gesprungenen Mutter? Ich bin für meine Arbeit bezahlt worden, wenn auch nicht immer angemessen... (und jetzt seht ihr, wie die Bitterkeit ins Spiel kommt).

Die Sprache:
Ja, die Männerfiguren in diesem Buch sind und bleiben eher blass, unbeholfen und so gar nicht empathisch, ja, die (erwachsenen) Frauen im Roman sind ein wenig gar selber verantwortlich für die scheinbar ausweglose Situation, in die sie sich in ihrer Beziehung manövriert haben, aber dies spielt eine untergeordnete Rolle, vielmehr werden nämlich Lola und ihre Freundinnen ins Zentrum gestellt. Junge Frauen, welche sich nichts vorschreiben lassen wollen, welche zurückschlagen, sich wehren, ihre weiblichen Vorbilder hinterfragen und am Ende zusammenstehen. Und sich - auch wenn sie rational gesehen einen falschen Weg wählen, um ihre Wut auszudrücken - unterstützen anfeuern und damit sich selber und der älteren Generation Steine aus dem Weg räumen. Wortgewaltig reisst Fallwickl Fassaden ein, um Missstände aufzuzeigen und baut Brücken, um Frauen einander die Hand reichen zu lassen.
Wie Sarah immer noch mit ihrer besten Freundin Helene spricht, sich an gemeinsame Erlebnisse erinnert und Kraft aus diesen "Unterhaltungen" zieht, hat mich tief berührt. Die Lücke, welche Helene in Sarahs und Lolas Leben hinterlassen hat, ist permanent spürbar. Dieser Verlust, diese Liebe und dieser Schmerz sowie der Umgang und auch das Hadern mit diesem Verlust sind äusserst realistisch und bewegend beschrieben und in diesen Szenen wird fast schon zart erzählt, während andere Szenen brutal sind, roh, ungezähmt und messerscharf.

Meine Empfehlung:
Lest dieses Buch, sprecht darüber, sprecht über euch und eure Belastungen, sprecht über Ängste, Sorgen, Bedürfnisse, über angemessene Bezahlung und Freizeit und hört endlich auf, alle Probleme dieser Welt alleine lösen zu wollen, weil ihr anderen nicht zugestehen wollt, ihren Teil beitragen zu müssen. Aber noch einmal und vor allem: lest dieses Buch.

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Düster, packend und erschütternd

Löwenzahnkind
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Inhalt:
Die Stockholmer Kommissarin Charlie Lager kehrt an den Ort ihrer zerrütteten Kindheit und Jugend zurück um dort das Verschwinden einer jungen Frau aufzuklären. Sie arbeitet gegen die Zeit und das ...

Inhalt:
Die Stockholmer Kommissarin Charlie Lager kehrt an den Ort ihrer zerrütteten Kindheit und Jugend zurück um dort das Verschwinden einer jungen Frau aufzuklären. Sie arbeitet gegen die Zeit und das Schweigen der Jugendlichen dieser Stadt an und entdeckt dabei weitere unangenehme Wahrheiten über ihre eigene Familie, welche sie zuerst zu verbergen versucht, welche ihr aber schliesslich Wege weisen, um dem Fall der verschwundenen Annabelle auf die Spur zu kommen.

Meine Meinung:
Vor einigen Monaten habe ich "Mohnblumentod" - den dritten Band der Reihe um Kommissarin Charlie Lager - gelesen und war begeistert. Mittlerweile habe ich den ersten und zweiten Band der Reihe gebraucht gekauft und den Reihenauftakt "Löwenzahnkind" vor einigen Tagen förmlich verschlungen. Die düstere Atmosphäre des Romans hat es mir angetan und es hat mich beim Lesen ein Sog erfasst, der mich nicht mehr losgelassen hat. Ausserdem äussert Lina Bengtsdotter eine scharfe Gesellschaftskritik, welche vor allem darauf abziehlt, wie sehr einzelne Regionen Schwedens der Armut überlassen werden, was dazu führt, dass dort viele Kinder und Jugendliche durch fehlende berufliche und gesellschaftliche Rückhalte und Perspektiven in die Kriminalität und/oder Sucht abrutschen.
Diese schwierigen Bedingungen haben dazu geführt, dass Charlie Lager ebenfalls nicht gefeit ist vor Rückfällen und dass sie sich erst aus den Fängen ihrer Jugend befreien musste, um ihren Weg gehen zu können, weshalb es ihr besonders schwer fällt, an den Ort ihrer Jugend zurückzukehren. Diese Bedingungen haben aber auch dafür gesorgt, dass überhaupt eine junge Frau verschwunden ist und dass sich vor allem niemand mehr an den Abend des Verschwindens erinnern kann.
Dieses Buch ist spannend, erzeugt beim Lesen durchgehend ein mulmiges Gefühl und nimmt mit. Der Inhalt ist definitiv nichts für schwache Nerven und hat mich noch lange beschäftigt. Trotzdem kann ich es kaum erwarten zum nächsten Band zu greifen und mich mit dem zweiten Fall von Charlie Lager zu befassen. Hoffentlich erfahre ich noch mehr über den Werdegang dieser vielschichtigen und hochintelligenten Protagonistin, welche mich definitiv für sich eingenommen hat.

Erzählsprache:
Lina Bengtsdotter kommt mit leisen Tönen aus, ihr Erzählstil ist unendlich eindringlich, detailliert und teilweise äusserst einfühlsam, manchmal aber auch schockierend nüchtern gehalten. Sie ist ihren Figuren sehr nahe, macht die ambivalenten Gefühle ihrer Protagonistin fassbar und konstruiert glaubwürdig, wie es zum Unvollsterbaren kommen konnte. Bengtsdotter erzählt auf zwei Zeitebenen eine Geschichte, welche sich erst so nach und nach fassen lässt und mit jeder Zeile transparenter wird, bis sich die einzelnen Andeutungen und Fasern zu einem schlüssigen, abgrundtief düsteren Bild zusammensetzen.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine dringende Empfehlung für dieses packende, düstere, erschütternde Buch, das aber definitiv nichts für schwache Nerven ist.

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Veröffentlicht am 25.01.2022

Ein Buch wie Sommerregen, wärmt das Herz und prickelt angenehm

Wovon du träumst
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Inhalt:
Emilia ist gehörlos, was sie vor ihren Mitstudierenden versteckt, weil sie einer mögichen Andersbehandlung entgehen möchte. Ausserdem hat sie eine Liste mit den Träumen erstellt, welche sie sich ...

Inhalt:
Emilia ist gehörlos, was sie vor ihren Mitstudierenden versteckt, weil sie einer mögichen Andersbehandlung entgehen möchte. Ausserdem hat sie eine Liste mit den Träumen erstellt, welche sie sich nach und nach erfüllen möchte, damit sie eine schwerwiegende Entscheidung besser treffen kann.
Im Studentenwohnheim trifft sie auf Nick, der seine Liebe zur Musik und seine eigenen Dämonen vor Emilia verbirgt.
Zwischen ihnen entspinnt soch so etwas wie eine Freundschaft und ihre beiden scheinbar unendlich weit voneinander entfernten Welten kommen sich näher und näher, bis die Wahrheit über Nicks Vergangenheit ans Tageslicht kommt...

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich mir vor einigen Jahren einmal gratis von einem Büchertisch mitnehmen dürfen. Ohne zu wissen, worum es geht und ohne bereits ein Buch von Kira Gembri gelesen zu haben, habe ich mich auf die Geschichte eingelassen und habe einen wunderbaren Erzählstil, eine sehr vielschichtige Protagonistin und einen ebenso spannenden Protagonisten sowie eine berührende und wunderbar recherchierte Geschichte entdecken dürfen.
Kira Gembri hat sich als Hörende intensiv mit der Gehörlosencommunity auseinandergesetzt. Dies ist meiner Meinung nach - obwohl ich es ebenfalls nur aus Sicht einer Hörenden beurteilen kann - hervorragend gelungen. Sehr sensibel lässt Gembri in eine Welt blicken, welche alles andere als still und leise ist, von der Gesellschaft aber immer wieder durch zahlreiche Hürden und Vorurteile zum Schweigen gebracht wird.
Auch spielt die Musik und dabei vor allem Nicks Geigenspiel eine grosse Rolle. Ihr wisst: sobald es um die Musik geht, werde ich besonders kritisch Abgesehen davon, dass Nick ständig "trainiert", statt zu üben, hat Gembri sich aber keine Fehler geleistet und erfasst sogar überraschend authentisch die positive Anspannung, die vor einem Konzert herrscht oder die Freiheit, welche sich beim Musizieren einstellen kann, aber auch der Druck, der von Institutionen und Lehrpersonen auf junge Nachwuchskünstler:innen ausgeübt wird.

Meine Empfehlung:
Beim Lesen bin ich nur so durch die Seiten geflogen und habe diese feinfühlig erzählte Geschichte sehr gerne gelesen, weshalb ich euch dieses bunte, romantische und kurzweilige Jugendbuch sehr gerne empfehle.

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Veröffentlicht am 26.10.2021

Berührend, voller Düfte, Liebe und Familiensinn

Ein Rezept fürs Glück
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Inhalt:
Laura ist eine begnadete Köchin und liebt es, ihre Kinder und ihren Mann, aber auch ihre Grossmutter, beste Freundin oder liebe Gäste zu bewirten und findet selber auch Trost und Halt in den Rezepten, ...

Inhalt:
Laura ist eine begnadete Köchin und liebt es, ihre Kinder und ihren Mann, aber auch ihre Grossmutter, beste Freundin oder liebe Gäste zu bewirten und findet selber auch Trost und Halt in den Rezepten, welche seit Jahrzehnten in Familienbesitz sind. Als sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellt, muss sie sich aufrappeln und neu erfinden und wird dabei von ihrer besten Freundin und ihrer Grossmutter mit Rat und Tat unterstützt.

Meine Meinung:
Veronica Henry hat mich zum dritten Mal mit einem ihrer Bücher überzeugen können und in dieses Buch bin ich besonders gerne eingetaucht, weil es auf zwei Zeitebenen erzählt wird. Der Vergangenheitsstrang, dessen Handlung im Jahr 1942 im Haus Nummer 11 an der Lark Hill in Bath beginnt, thematisiert die Bombardierungen der Stadt Bath und beschreibt, wie die junge Jilly und ihre beste Freundin Ivy sich gegenseitig beistehen, durch die dunkelsten Stunden helfen und sich nach den Bombennächten wieder aufraffen und anderen Menschen beistehen. Ich hätte nie erwartet, hinter diesem Cover eine solche Geschichte und einen so brutalen Beginn anzutreffen. Und wohl genau deshalb war ich von der ersten Seite an gefesselt und wollte unbedingt erfahren, was in den 75 Jahren bis zum Gegenwartsstrang alles noch geschehen würde.
Im Gegenwartsstrang, der 2017 spielt, begleiten wir die sympathische Laura, die Enkelin von Jilly, welche in diesem Erzählstrang von allen Kanga genannt wird. Laura wohnt ebenfalls im Haus Nummer 11 an der Lark Hill und befindet sich gerade an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Nachdem ihre ältere Tochter Jaz das Haus bereits verlassen hat, zieht ihre Tochter Willow ebenfall aus, um in York zu studieren. Zudem erfährt Laure auch noch, dass ihr Mann Dom sie betrügt. Lauras Schicksal und ihre Verzweiflung gingen mir nahe und ihr Mut und ihre Energie, aus allem das Beste zu machen, haben mir imponiert. Sie ist eine starke und zugleich sehr gefühlvolle Protagonistin, die durch die Umstellungen in ihrem Alltag beginnt, zu sich selber zu finden.
Besonders gut gefallen hat mir, wie mit den Veränderungen im Haus - Laura räumt einige Zimmer aus und um - auch die Figuren einige Veränderungen durchleben und wie Laura durch das Kochen und Einmachen, das Kreieren und Gestalten Trost findet und neuen Lebensmut gewinnt.

Schreibstil:
Veronica Henry beschreibt äusserst eindringlich und gefühlvoll. Sie schafft es, das Kriegsgeschehen, die zerstörte Stadt und die Trauer, Wut und Verzweiflung der Menschen genau so greifbar zu machen, wie die Liebe, welche die Figuren füreinander empfinden. Auch die Gartenarbeit und die daraus resultierende köstliche Ernte sowie das Verarbeiten der hochwertigen Nahrungsmittel in der gemütlichen kleinen Küche werden so intensiv beschrieben, dass ich die Speisen, Chutneys und Saucen förmlich gerochen habe. Henrys Sprache ist liebevoll beschreibend, flüssig und packend zugleich und hat mich verzaubert.

Meine Empfehlung:
Ganz überraschend spielt dieses Buch nicht nur in der Gegenwart, sondern auch mitten im zweiten Weltkrieg und erzählt eine humorvolle, rührende Geschichte voller Düfte, Freundschaft, Liebe und unerschütterlicher Familienbande. Von mir gibt es eine herzliche Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Dicht und zugleich durchlässig erzählt, wichtig und grausam, absolut lesenswert

Die Unbezwingbare
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Inhalt:
Die Ich-Erzählerin Lempi ist die Tochter des finnischen Immigranten Ettu und der dem Ojibawe-Stamm angehörigen Rose. Sie erzählt die Geschichte vom Verschwinden ihrer Mutter, die zugleich die ...

Inhalt:
Die Ich-Erzählerin Lempi ist die Tochter des finnischen Immigranten Ettu und der dem Ojibawe-Stamm angehörigen Rose. Sie erzählt die Geschichte vom Verschwinden ihrer Mutter, die zugleich die Geschichte der systematischen Unterdrückung, Vergewaltigung, Zwangsprostitution und -sterilisierung zahlreicher weiterer junger Frauen und Mädchen ist. Briefe, die Rose in den 1970er Jahren unmittelbar vor ihrem Verschwinden verfasst hat, wechseln sich dabei mit Lempis Erinnerungen aus dem Jahr 2018 ab. Lempi und Rose stehen stellvertretend für zahlreiche in Reservaten lebende Frauen und Mädchen und haben von Katja Kettu eine Stimme bekommen. Diese Stimme, die ihnen von behördlicher Seite aus genommen und auch von Historiker:innen jahrzehntelang mundtot gemacht und ignoriert worden ist.

Es gab ein ganzes System von Internaten, in denen man indigene Kinder prügelte, damit sie ihre Sprache und Kultur aufgaben. Sie wurden missbraucht und getötet – und niemand schreibt über sie. Ich wollte ihnen eine Stimme geben. Meine Stimme.
- Katja Kettu in einem Interview mit dem Ecco Verlag -

Meine Meinung:
Weil ich erst gerade "Wildauge" von Katja Kettu gelesen habe, wollte ich unbedingt weitere Bücher dieser überzeugenden Autorin lesen und wurde von "Die Unbezwingbare" nicht enttäuscht. Das im neuen Ecco Verlag erschienene Buch hat mir sogar noch besser gefallen, als "Wildauge". Einmal mehr hat es die Autorin geschafft, mich mit ihrer wortgewaltigen, kraftvollen und ungezähmten Sprache für sich einzunehmen und mir dabei eine grausame und zugleich packende Geschichte zu erzählen, die definitiv erzählt und verbreitet werden muss.

Erzählsprache:
Entgegen einiger anderer Leser:innen hatte ich nicht das Gefühl, dass dieses Buch verwirrend oder unübersichtlich erzählt ist, die Kapitelüberschriften ordnen nämlich ganz klar ein, in welchem Jahr man sich gerade befindet. Auch hat mich nicht gestört, dass die direkte Rede nicht gekennzeichnet ist und dass Traum und Wirklichkeit stets ein wenig verschwimmen. Dies macht den einzigartigen Erzählstil der Autorin schliesslich aus und sie schafft es, ihre Geschichte unendlich dicht und trotzdem durchlässig zu weben und das Leben der indigenen Bevölkerung sowie die Geschichte hinter dem Verschwinden der Mädchen und Frauen bewegend zu erzählen.

Meine Empfehlung:
Dieses Buch lege ich euch ausdrücklich ans Herz. Aber bitte seid euch bewusst, dass es heftige Themen beinhaltet und deshalb unter Umständen triggernd sein kann. Die unglaublich intensive Sprache und die wissenswerte Aufklärungsarbeit, welche Katja Kettu damit leistet, lassen aber gerne zum Buch greifen und nach wenigen Sätzen entsteht ein Sog, der nicht mehr loslässt.

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