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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2024

Unterhaltsam aber eine nicht wirklich neue Idee

Die Liste der vergessenen Wünsche
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Inhalt:
Clara hat mit dem Tod ihres Verlobten nicht nur ihren liebsten Menschen, sondern auch ihren Lebenswillen verloren. Auch ihre beste Freundin und ihre Familie hat sie von sich gestossen und in ihrem ...

Inhalt:
Clara hat mit dem Tod ihres Verlobten nicht nur ihren liebsten Menschen, sondern auch ihren Lebenswillen verloren. Auch ihre beste Freundin und ihre Familie hat sie von sich gestossen und in ihrem Job, in dem vor dem tragischen Unfall noch eine baldige Beförderung gewinkt hatte, ist sie kaum noch leistungsfähig. Während eines Besuchs bei ihrer Familie öffnet sie ein Päckchen, das eine Zeitkapsel mit Wünschen und Plänen enthält, die sie als Kind festgehalten und in der Zwischenzeit vergessen hat. Sie hat nichts zu verlieren und pausiert ihr gesamtes Leben, um wieder ein wenig Freude zu finden.

Meine Meinung:
Der Partner stirbt, die Partnerin verliert allen Lebenswillen und wird dann durch eine ganz persönliche Challenge (Briefe, Wunschliste, Bucket-List, Aufgabe...) herausgefordert und zurück zum Leben und vielleicht sogar zur Lebensfreude geführt? Kennen wir, mögen wir, passt und unterhält wunderbar. Robin Gold hat eine sympathische Protagonistin geschaffen, die aber für mich ein wenig oberflächlich blieb, während ich ihren Bruder, der immer für sie da ist, sehr ins Herz geschlossen habe.
Die einzelnen Wünsche oder eher To Do's, denen Clara nachgeht, waren einfallsreich gestaltet. Weniger gut gefallen haben mir die riesigen Zeitsprünge. Manchmal begleiten wir unsere Protagonistin über Tage hinweg intensiv, dann wieder springen wir einen ganzen Monat in die Zukunft und das "Erfüllen" der Aufgabe wird nur ganz kurz abgehandelt und abgehakt. Schade, hier hätte ich mir mehr Details gewünscht, das Bearbeiten und Erfüllen einzelner Aufgaben wird nämlich sogar ganz ausgeklammert. Gerade dann hätte das Buch in meinen Augen aber durchaus einige Seiten mehr vertragen können, zumal ich gerne Zeit mit den Figuren verbracht habe. Alles in allem hat mich die Geschichte aber gut unterhalten und auf langen Zugfahrten begleitet.

Meine Empfehlung:
Die Idee ist nicht neu aber mit viel Charme und Humor umgesetzt und somit beinhaltet das Buch zwar definitiv keine Geschichte, die lange nachhallt, aber eine Handlung, die unterhält, berührt und gemütliche, hoffnungsvolle Lesestunden schenkt. Die perfekte Lektüre für unterwegs oder nebenher.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Vom Loslassen. Und vom Durchbrechen toxischer Strukturen

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Inhalt:
Ihre eigene Kindheit hat Valerie nicht sehr glücklich in Erinnerung, weshalb sie es bei ihrem Sohn anders, besser machen will und ihm ein Zuhause schafft, in dem er nach Strich und Faden verwöhnt ...

Inhalt:
Ihre eigene Kindheit hat Valerie nicht sehr glücklich in Erinnerung, weshalb sie es bei ihrem Sohn anders, besser machen will und ihm ein Zuhause schafft, in dem er nach Strich und Faden verwöhnt wird. Doch der sechzehnjährige Tobias will seinen eigenen Weg gehen, ein wenig räumliche Distanz zwischen sich und seiner Mutter schaffen. Als Valeries eigene Mutter Christina an Krebs erkrankt und mit ihrem plötzlichen Bedürfnis nach ungeteilter Aufmerksamkeit alte Wunden aufreisst, kommt Valerie an ihre Grenzen und muss sich intensiv mit dem Loslassen und der Befreiung von eigenen Vorurteilen und eingeredeter Schuld auseinandersetzen.

Meine Meinung:
Ich bin froh, dieses Buch in einer Leserunde gelesen zu haben, es bietet viel Diskussionsstoff und noch mehr Handlung auf wenigen Seiten. Prokopetz arbeitet mit Leerstellen und webt doch einen sehr dichten Text, den ich gerne als Buch gelesen hätte, weil ich beim Lesen von eBooks immer das Gefühl habe, oberflächlicher zu lesen. Leider gab es Probleme mit den Leseexemplaren und damit wir das Buch trotzdem rechtzeitig lesen konnten, haben wir alle ein eBook erhalten, was natürlich eine gute Lösung war und wofür ich auch dankbar bin.
Leider war es tatsächlich so, dass ich während des Lesens permanent das Gefühl hatte, nie wirklich Tiefgang zu erfahren, den Figuren nie richtig nahe zu kommen. Klar lässt Prokopetz einige sehr wichtige, grosse Themen wie verschiedene Facetten von Mutterschaft oder den Kampf um Frauenrechte in ihre Geschichte einfliessen und ja, es wird immer wieder einmal emotional, es geht hitzig zu. Und doch kann ich mir keine Figur (vor allem nicht Valeries Vorfahren) bildlich vorstellen, ihr Handeln kann ich begrenzt nachvollziehen, ihre Dramen berühren mich kaum. Das liegt sicher auch am Medium, aber ich denke auch, dass ein paar Seiten und Details mehr der Geschichte alles andere als geschadet hätten. Die Idee hat mich sehr überzeugt, auch wenn das Ende vorhersehbar war. Die Umsetzung hätte aber noch runder sein können. Vielleicht liegt es daran, dass feministische Texte zu meinem Alltag gehören und ich schon viele Bücher gelesen habe, welche ähnliche Themen, wie das Durchbrechen toxischer, patriarchisch geprägter Familienstrukturen, beinhalten. "Blutbuch" von Kim de l'Horizon erzählt beispielsweise eine ähnliche Familiengeschichte, es beleuchtet ebenfalls mehrere Generationen von Frauen. Dennoch denke ich, dass "Wir sitzen im Dickicht und weinen" aufwühlender und unangenehmer hätte sein, den Finger noch mehr in die Wunde hätte legen dürfen.

Schreibstil und Aufbau:
In den eher kurzen Kapiteln wird in zwei Handlungssträngen die Geschichte von Valeries Familie erzählt. Die Gegenwart zeigt Valeries gerade eher ausweglos scheinende Situation aus, in der Vergangenheit begegnen wir Valeries Urgrosseltern und nähern uns nach und nach der Gegenwart an. Es tauchen sehr viele Personen auf, die Zeitsprünge sind oft eher gross und weil sich im Buch kein Stammbaum findet, ist es empfehlenswert, sich selber einen zu skizzieren.
Es ist spannend und fordernd zugleich, sich mit den familiären Strukturen in diesem Buch auseinanderzusetzen. Es waren natürlich andere Zeiten, die Verantwortung für die Erziehung und den Haushalt lag fast immer fast vollständig bei den Müttern, die Gewalt, die ihnen von ihren Männern und ihren eigenen Müttern angetan worden war, belastete sie und alle ihre Beziehungen. Valerie versucht, dieses transgenerationale Trauma hinter sich zu lassen, toxische Strukturen aufzubrechen, Grenzen zu ziehen, es anders zu machen. Beim Lesen wird schmerzlich bewusst, welche Opfer Valerie auch dafür bringen muss, für sich und ihre eigenen Entscheide einzustehen und dass wir leider noch weit von einer Gesellschaft entfernt sind, in der Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten haben.

Meine Empfehlung:
Ich bin beeindruckt von der Wucht und Fülle dieser Geschichte, die auf so wenigen Seiten Platz hat, von dieser grossen Idee, dieser klugen, aufwändigen Umsetzung. Ein wenig detaillierter hätte ich mir alles gewünscht, ein wenig näher hätte ich den Figuren sein wollen, aber insgesamt überzeugt dieses Debüt und macht Lust auf mehr.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Traurig, aber hoffnungsvoll, tolle Figuren

Das Brombeerzimmer
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Inhalt:
Nora ist seit einem Jahr verwitwet, noch vor ihrem dreissigsten Geburtstag hat sie ihren Mann ganz plötzlich verloren und muss Schritt für Schritt ein neues Leben beginnen. Wie besessen geht die ...

Inhalt:
Nora ist seit einem Jahr verwitwet, noch vor ihrem dreissigsten Geburtstag hat sie ihren Mann ganz plötzlich verloren und muss Schritt für Schritt ein neues Leben beginnen. Wie besessen geht die Lebensmitteltechnologin ihrem Hobby, dem Zubereiten von Marmelade, nach und stapelt Glas um Glas im Arbeitszimmer ihres verstorbenen Mannes Julian. Dort findet sie auch einen Brief, der nicht nur ein Rezept, sondern auch ein Geheimnis birgt, das Julians Familie akribisch hütet. Nora hat nichts zu verlieren und macht sich auf, um eine noch lebende und bisher verschollene Verwandte zu finden und tritt dabei in Erfahrung zu bringen, was es mit einem alten Nussbaum, einem verborgenen Keller und einem Versteck in Marmeladengläsern auf sich hat.

Meine Meinung:
Das Buch habe ich von Irene vom Blog Igelabooks bekommen. Ich habe es mir aus ihren aussortierten Büchern ausgesucht, weil das Cover und der Titel mich für sich eingenommen haben. Ich wurde nicht enttäuscht und habe sehr unterhaltsame Lesestunden mit Nora, einer liebenswerten Protagonistin mit riesigem Herz, einer einfühlsamen besten Freundin und einer charmanten Fellnase verbringen dürfen. Auch die ältere Dame Klara und Mandy, welche etwa in Noras Alter ist und mit Rat und Tat zur Seite steht, haben dazu beigetragen, dass ich diesen Ostseeroman, der zusätzlich mit wundervollen Beschreibungen der Landschaft auftrumpft, kaum noch aus den Händen legen konnte.
Sehr gerne wäre ich sofort nach Kinnbackenhagen gereist, um mich dem bunt zusammengewürfelten Abenteuertrupp anzuschliessen und die kulinarischen Köstlichkeiten zu geniessen. Zum Glück lässt uns die Autorin Anne Töpfer an ihren Leckerein teilhaben und im Buch finden sich sieben verschiedene Rezepte, die ich mir definitiv noch einmal näher ansehen werde.

Meine Empfehlung:
Diese Geschichte entwickelt sich nach einem sehr traurigen Start zu einem abenteuerlichen und sehr lustigen Roman, der voller Lebensweisheiten steckt, ein Geheimnis aus Kriegszeiten, einige rüstige alte Damen, viele tolle Freundschaften, ein wenig Romantik und einige schmackhafte Rezepte beinhaltet. Ein echtes Lesevergnügen und eine herzliche Empfehlung.

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Veröffentlicht am 10.03.2024

Sehr unterhaltsam, liebevoll erzählt und berührend

Hummeln im Herzen
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Inhalt:
Gestern noch hat Lena sich mit der intensiven Hochzeitsplanung beschäftigt, heute steht sie als Single da und als wäre das nicht schon genug schlimm, verliert sie auch noch ihre Arbeit. Ohne Wohnung, ...

Inhalt:
Gestern noch hat Lena sich mit der intensiven Hochzeitsplanung beschäftigt, heute steht sie als Single da und als wäre das nicht schon genug schlimm, verliert sie auch noch ihre Arbeit. Ohne Wohnung, Job und Partner beschliesst sie, ein neuer Mensch zu werden und beginnt mit Hilfe ihrer besten Freundin und deren Mitbewohner an sich zu feilen. Um wenigstens ein paar Euros zu verdienen, tritt sie ausserdem einen Gelegenheitsjob an, der ihr Leben schon bald auf den Kopf stellen wird.

Meine Meinung:
"Hummeln im Herzen" habe ich im Herbst bei der Aktion Lesefreude Schweiz von Ex Libris entdeckt, weil ich schon lange einmal ein Buch von Petra Hülsmann lesen wollte. Sofort war ich mitten in der Geschichte und der leichte, äusserst unterhaltsame Schreibstil, die maximal tollpatschige Protagonistin (und ich kann leider nicht sagen, dass ich mich nicht komplett in ihr wiedererkannt habe, was das fröhliche Betreten sämtlicher Fettnäpfchen betrifft) sowie ein schrulliger Buchhändler, eine Freundschaft zum Pferdestehlen, ein paar schräge Dates und ein Taxifahrer, der mit Liebes- und Lebensweisheiten um sich wirft, machen den ganzen Charme dieser Geschichte aus. Ja, wahrscheinlich ist alles ein wenig überzogen dargestellt, aber die Figuren und ihre Ecken und Kanten habe ich sofort ins Herz geschlossen und das Ende des Buches hat mich zu Tränen gerührt, weil es Hülsmann gelungen ist, auch tiefgründigere Themen mit viel Fingerspitzengefühl in die sonst so leichte Geschichte zu integrieren und das Leben einfach spielen zu lassen. Ausserdem ist die (sehr nachvollziehbare) Liebe zu Hamburg in vielen Szenen spürbar, die wunderschöne, geschichtsträchtige Stadt wird nämlich immer wieder passend in Szene gesetzt, was mir sehr gut gefallen hat.

Meine Empfehlung:
"Hummeln im Herzen" hat mich wunderbar unterhalten, mit schöne, lustige, berührende Lesestunden geschenkt und mich neugierig auf die weiteren Bücher der Hamburg-Reihe gemacht, die man wohl auch unabhängig voneinander lesen kann.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Beeindruckend und lesenswert, verdient auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023

Maman
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Meine Meinung:
Denke ich an "Maman", sehe ich sofort die berühmte Spinnenskulptur von Louise Bourgeois vor mir. Bourgeois hat sich dazu entschieden, ihre Mutter als Spinne abzubilden, weil sie der Spinne ...

Meine Meinung:
Denke ich an "Maman", sehe ich sofort die berühmte Spinnenskulptur von Louise Bourgeois vor mir. Bourgeois hat sich dazu entschieden, ihre Mutter als Spinne abzubilden, weil sie der Spinne sehr positive Attribute, wie Klugheit und Stärke zuordnet und weil Spinnen nützliche Tiere sind, die ihre Brut beschützen, ihre Netze reparieren und potentiell todbringende Moskitos fressen (ein toller deutscher Artikel zur Skulptur findet sich HIER: https://www.daskreativeuniversum.de/louise-bourgeois-maman/ ).

Was hat das aber nun mit Sylvie Schenks "Maman" zu tun? Vielleicht hat sich nur mir dieser Vergleich aufgedrängt und er spielt im Buch auch gar keine Rolle, ich möchte euch aber an meinen Gedanken dazu teilhaben lassen, denn obwohl sich die Mütter von Schenk und Bourgeois wohl stark unterschieden haben - während Bourgeois ihre Mutter als ihre beste Freundin und als warm, freundlich und aufmerksam bezeichnet, ist Schenks Mutter eine von ihren Lebensumständen tief traumatisierte, freudlose Person, die keine Nähe zulässt - habe ich beim Lesen mehr und mehr Gemeinsamkeiten entdecken können. Denn letztendlich ist sowohl Schenks als auch Bourgois' "Maman" vor allem eines: eine nicht zu übersehende Hommage an die eigene Mutter.
Je mehr wir beim Lesen über Schenks Mutter und Grossmutter und deren Leben erfahren, desto mehr können wir Vergleiche zur Skulptur "Maman" ziehen. Auch Schenks Mutter ist eine Überfigur, die still leidet, unmenschliches Leid totschweigt und ihre Kinder damit vielleicht sogar schützt, obwohl sie ihnen Zärtlichkeiten oder auch nur Zuwendung ein Leben lang verwehrt, weil es einfach nicht anders geht.

Mit um so zarteren und zugleich kraftvollen Worten tastet sich Schenk an die Geschichte ihrer Mutter heran und beleuchtet ein tristes Leben voller Scham, Schuld und Armut. Schenks Grossmutter, die zu keinem ihrer Kinder einen Vater vorzuweisen hat, stirbt nach der Geburt von "Maman", Maman kommt zu Pflegeeltern und wird adoptiert, erlebt die Nachwehen des ersten Weltkriegs und überlebt den zweiten Weltkrieg in Lyon, eine glücklose Ehe an der Seite eines Zahnarztes und die Geburt ihrer Töchter, denen sie vor allem Selbstzweifel und die Angst vor Männern und ungewollten Schwangerschaften mitgibt.

Ungewollte Kinder gebären ungewollte Kinder und so schliesst sich ein Kreis, aber mit dem Schreiben, Erzählen, mit dem Zusammentragen von Lebensdaten und dem kunstvoll literarischen Vermischen von Realität und Fiktion schafft Schenk ein einzigartiges Werk, das von einer ganz speziellen Liebe, einer düsteren Zeit, einem schwierigen Leben erzählt und vielleicht am Ende auch ein wenig Versöhnung und Frieden anbietet.

Meine Empfehlung:
"Maman" überrascht und hallt nach. Es erzählt eine schmerzhafte Geschichte voller Missbrauch und Vernachlässigung, ist aber auch eine Annäherung an die eigene Mutter, die so viele Dinge ungesagt gelassen hat, weil ihr oft die Worte gefehlt haben, die ihr nun aber von ihrer Tochter nachträglich geschenkt werden. Lasst euch darauf ein.

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