Wert der Bildung
BefreitTara Westover beschreibt in "Befreit - Wie Bildung mir die Welt erschloss" ihre eigene Lebensgeschichte. Sie wurde 1986 in Idaho, USA als siebtes und jüngstes Kind einer Mormonenfamilie geboren. Die Kinder ...
Tara Westover beschreibt in "Befreit - Wie Bildung mir die Welt erschloss" ihre eigene Lebensgeschichte. Sie wurde 1986 in Idaho, USA als siebtes und jüngstes Kind einer Mormonenfamilie geboren. Die Kinder mussten auf dem Schrottplatz des Vaters mitarbeiten und zum Familienunterhalt beitragen. Die Kinder waren nicht registriert, hatten keine Geburtsurkunden und gingen nicht zur Schule. Der Vater misstraute allen Institutionen, allen voran dem Staat, zudem war er vom baldigen Ende der Welt überzeugt. Die Mutter arbeitete illegal als Hebamme. Sehr anschaulich erzählt die Autorin über ihre harte Kindheit, mit für uns unglaublichen Erlebnissen. Erst als sie fast erwachsen ist gelingt es ihr sich von der Familie und deren Anschauungen zu lösen. Sie geht zur Schule und kann einige Jahre später auf eine akademische Laufbahn zurückblicken. Laut Klappentext hat sie einen schmerzhaften Abnabelungsprozess hinter sich. Die letzten Kapitel des Buches haben einen sachlicheren Erzählton als die Ersten, dennoch lassen sie sich ebenso gut lesen, wie der Anfang. Ich denke nicht, dass es Tara Westover bereits gelungen ist, sich von der Familie abzunabeln, da liegt wohl noch einiges vor ihr. Verständlich, so schwierig Familie sein mag, eine Entwurzelung ist es auch.
Das Wissen Macht bedeutet, zeigt diese Geschichte sehr anschaulich, auch was es für die Beeinflussten und unwissenden Gehaltenen bedeutet. Die Anschauungen des Vaters waren wie Gesetze für die Familie. "Dad war immer ein harter Mann gewesen - einer, der bei jedem Thema die Wahrheit kannte und sich für das, was andere zu sagen hatten nicht interessierte. Wir hörten ihm zu, nie umgekehrt: Wenn er einmal nicht redete, brauchte er Stille." (Seite 308)
Bildung hat auch sehr viel mit "Persönlichkeitsbildung" zu tun, mit dem reflektierten Verhältnis zu sich selbst. Die Bildungsdebatte in Deutschland geht mit Begriffen wie "soziale Abgrenzung", "politische Ziele", "Mündigkeit" und "Bildungsmisere" einher. Jedem, der sich an dem Thema aufreibt, kann man dieses Buch ans Herz legen. Es ist möglich gegen Ressentiments Bildung zu erlangen, es ist möglich Grenzen zu überwinden. Es sollte Einzelnen nicht so schwer gemacht werden wie Tara, andererseits sollte man auch nicht leichtfertig auf Bildung verzichten, die sich einem bietet. Bildung zu erlangen ist auch ein Privileg, hierzulande wird dies gelegentlich zu wenig wertgeschätzt.
Das Buch kann ich sehr empfehlen. Die 440 Seiten lesen sich gut, die Unterteilung in 40 Kapitel unterstützt den Lesefluss. Der Stoff gibt reichlich Anreiz zum Nachdenken, das Thema begleitet einen auch nach Abschluss der Lektüre weiter. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt und zum Thema.