Wunderbar erzählt - aber kein Buch für nebenbei
Das PhilosophenschiffAnouk Perleman-Jacob, eine 100-jährige Architektin mit russischen Wurzeln, möchte ihr Leben dokumentieren lassen. Dafür wählt sie einen zunächst wenig bekannten Autor aus – später stellt sich heraus, dass ...
Anouk Perleman-Jacob, eine 100-jährige Architektin mit russischen Wurzeln, möchte ihr Leben dokumentieren lassen. Dafür wählt sie einen zunächst wenig bekannten Autor aus – später stellt sich heraus, dass dieser niemand anderes als Michael Köhlmeier selbst ist.
In ausführlichen Gesprächen entfaltet sich Anouks Geschichte schrittweise. Mal wirkt sie sprunghaft und verwirrend, mal klar und geordnet. Köhlmeier schildert ihre Kindheit in Russland, die Deportation auf dem "Philosophenschiff" (ein Begriff, der mir bisher nicht geläufig war), und ihren Neuanfang im Westen. Dabei kombiniert er historische Fakten mit fiktiven Elementen, was die Erzählung umso facettenreicher macht.
Das Buch ist meisterhaft erzählt und gewinnt gerade angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen im Osten an zusätzlicher Tiefe. Die gut recherchierten Details nehmen uns mit auf eine Reise von der russischen Revolution 1922 bis in die Gegenwart. Viele historische Persönlichkeiten und Ereignisse bilden den Rahmen der Geschichte. Für Leserinnen und Leser ohne Vorkenntnisse zur russischen Geschichte können diese Details jedoch überwältigend und teils schwer nachzuvollziehen sein. Kenner der Epoche dürften sich leichter in diesem komplexen Geflecht aus Geschichte und Erzählung zurechtfinden.
Dieses Buch ist definitiv keine leichte Lektüre für zwischendurch, doch es regt tiefgehendes Nachdenken an. Mich hat es nachhaltig beeindruckt und beschäftigt.