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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2024

sehr detailliert und authentisch geschrieben

Co-Fucking
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Die Autorin Anna ist seit 20 Jahren mit ihrem Mann Alex zusammen, beide lebten bisher in einer monogamen Beziehung. Doch Alex ist bisexuell und möchte beide Seiten ausleben. Nach langen und intensiven ...

Die Autorin Anna ist seit 20 Jahren mit ihrem Mann Alex zusammen, beide lebten bisher in einer monogamen Beziehung. Doch Alex ist bisexuell und möchte beide Seiten ausleben. Nach langen und intensiven Gesprächen entschließen sich beide, ihre Ehe zu öffnen.

Anna schreibt sehr offen über den Prozess der Öffnung, ihre Erlebnisse und die Chancen und Risiken, die dieser Schritt sowohl für Anna und Alex als Einzelpersonen als auch beide als Paar mit sich bringt. Ein Kapitel ist zudem aus der Sicht von Alex verfasst. Die Beschreibungen der außerehelichen sexuellen Erfahrungen sind teilweise sehr detailliert. Dass die Autorin hier unter ihrem Klarnamen schreibt (mit Foto auf der Buchrückseite), hat mich angesichts dessen doch sehr erstaunt. Für Paare, die eine offene Ehe erwägen, sind Annas ehrliche Schilderungen sicherlich sehr hilfreich und können dabei helfen, Missverständnisse und Fehler zu vermeiden.

Für mich selbst käme eine offene Beziehung niemals infrage, ich habe nicht das geringste Interesse daran. Dennoch habe ich dieses Buch gelesen, um über meinen Tellerrand zu blicken und einmal eine andere Perspektive kennenzulernen. An einigen Stellen kann man auch als monogam Lebende/r wichtige Impulse gerade für langjährige Beziehungen aus dem Buch mitnehmen, insbesondere was Kommunikation in der Partnerschaft, Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung des Partners und Eigenständigkeit innerhalb der Beziehung angeht.

Ein großer Kritikpunkt, der mir hier und bei vielen Verfechter/innen alternativer Beziehungs- und Lebensformen immer wieder auffällt ist, dass sie ihre Lebensweise über konservative monogame Partnerschaften stellen und als fortschrittlicher und generell besser propagieren. Auch die im Buch anklingende These, dass der Großteil der Menschen nicht heterosexuell veranlagt sei, und dies aufgrund moralischer und gesellschaftlicher Zwänge nur nicht erkenne, ist für mich nicht haltbar. Blasphemisch wird die Autorin, wenn sie über die Art der Beziehung zwischen Jesus und seinen zwölf Jüngern sinniert. Auch als wenig religiösem Menschen geht mir das deutlich zu weit. Wer eine offene und/oder polyamore Beziehung leben möchte, soll dies gerne tun, solange alle Beteiligten einverstanden sind. Das Herabsehen auf heterosexuelle monogame Partnerschaften ist jedoch nicht angebracht und auch eine Form von Intoleranz.

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Veröffentlicht am 10.07.2024

skurrile Charaktere

Heim schwimmen
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Ich habe mich sehr schwergetan, in dieses Buch hineinzufinden. Der Schreibstil ist zwar angenehm zu lesen, doch zu den Figuren fand ich leider überhaupt keinen Zugang. Da ist ein erfolgreicher, aber tieftrauriger ...

Ich habe mich sehr schwergetan, in dieses Buch hineinzufinden. Der Schreibstil ist zwar angenehm zu lesen, doch zu den Figuren fand ich leider überhaupt keinen Zugang. Da ist ein erfolgreicher, aber tieftrauriger und Dichter, eine sehr skurille, stets nackt herumlaufende und magersüchtige Botanikern, die Gedichte schreibt, ein merkwürdiger kiffender Hippie-Hausmeister, ein notorisch schlecht gelaunter Waffennarr, und weitere ähnlich merkwürdige Charaktere, die mir allesamt fremd blieben. Dies führte leider dazu, dass ich mit keiner Figur mitfühlen konnte und mich die Handlung nicht berührte.
Die Stimmung ist durchwegs angespannt, es hängt Unheil in der Luft. Die scheinbare Urlaubsidylle ist ein Trugbild. Da dies jedoch bereits auf den ersten Seiten überdeutlich spürbar ist und das sich anbahnende Unglück offensichtlich ist, fehlt mir das Überraschende. Wasser, Regen, ein Swimmingpool, Blut - alles ist überdeutlich mit einer doppelten Bedeutung aufgeladen.
Da er seinerzeit auf der Shortlist für den Man Booker Prize 2012 stand, hatte ich große Erwartungen an den Roman. Leider haben sich diese nicht erfüllt.

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Veröffentlicht am 10.07.2024

Bleibt inhaltlich hinter den Erwartungen zurück, sprachlich gekünstelt

Das Lied des Propheten
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In einem Podcast hatte ich eher zufällig von der englischen Original-Ausgabe von „Das Lied des Propheten“ gehört. Da ich ein Faible für Dystopien habe, war ich sofort neugierig, und auch die Auszeichnung ...

In einem Podcast hatte ich eher zufällig von der englischen Original-Ausgabe von „Das Lied des Propheten“ gehört. Da ich ein Faible für Dystopien habe, war ich sofort neugierig, und auch die Auszeichnung mit dem Booker Prize 2023 hat meine Erwartungen entsprechend hoch gesteckt.

Nach der Lektüre bleibe ich nun mit gemischten Gefühlen zurück.
Die Thematik ist hochaktuell, extreme Parteien gewinnen an Zulauf und das kostbare Gut der Demokratie und der freiheitlichen Grundrechte ist auch in Europa in Gefahr. Paul Lynchs in Irland angesiedelter Roman wirkt daher erschreckend realistisch.

Zentrale Figur ist die Mittvierzigerin Eilish, promovierte Mikrobiologin, Ehefrau des Lehrers und Gewerkschaftsführers Larry und Mutter von Ben (ca. 1), Bailey (12), Molly (14) und Mark (16). In Irland wurden aufgrund nicht näher bezeichneter politischer Umstände die Grundrechte per Notverordnung eingeschränkt und die Gewerkschaften vom neu installierten Geheimdienst massiv unter Druck gesetzt. Nach einer gewerkschaftlich organisierten Demonstration kehrt Larry eines Tages nicht mehr nach Hause zurück. Eilish sieht sich mit der Ungewissheit um ihren Mann und die Sicherheit ihrer Kinder konfrontiert, hinzu kommt die Sorge um ihren demenzkranken Vater. Die Lage spitzt sich zu, die Medien werden gleichgeschaltet, Posten in der Wirtschaft, dem öffentlichen Dienst und im Bildungswesen regimetreu besetzt, es kommt zu Ausschreitungen zwischen dem Militär und Rebellengruppen. In einer Welt, in der plötzlich alles auseinanderbricht, versucht Eilish verzweifelt, ihre Familie zusammenzuhalten.

Paul Lynch legt den Fokus klar auf Eilish und ihre Emotionen und Gedanken. Die politischen und ideologischen Hintergründe bleiben im Dunkeln, auch die gesellschaftlichen Umbrüche, die internationalen Reaktionen, Taktik und Formierung der Rebellengruppen, die Möglichkeiten der Überwachung bleiben vage. Hierdurch wirkt der Roman einerseits universell, andererseits auch etwas beliebig. Ich hätte mir hier an manchen Stellen eine etwas stärkere Ausgestaltung gewünscht.

Sehr anschaulich zeigt Lynch hingegen, wie schwer es für die Menschen ist, ihre gewohnte Umgebung und ihr bisheriges Leben samt sozialen Zusammenhängen, Beruf und Haus zurückzulassen. Von außen betrachtet fällt es oft leicht, zur Flucht zu drängen, doch für die Betroffenen selbst ist die Entscheidung unsagbar schwierig und wird lange, manchmal zu lange hinausgezögert. In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz im Buch ganz besonders im Gedächtnis geblieben, gesprochen von Eilishs Schwester in Kanada: „Die Geschichte ist eine stumme Liste derer, die nicht wussten, wann sie gehen müssen.“

Etwas befremdlich fand ich Paul Lynchs Schreibstil, und es gelang mir bis zum Schluss nicht, damit wirklich warm zu werden. Er verzichtet komplett auf Abschnitte/Absätze und in der direkten Rede auf Anführungszeichen. Dies soll wohl ein gewisses Tempo erzeugen, bewirkte bei mir jedoch das Gegenteil. Viele Passagen musste ich mehrfach lesen, um in Dialogen die Textanteile den jeweiligen Sprecher/innen korrekt zuzuordnen. Durch die fehlenden Absätze findet man sich zudem immer wieder unvermittelt in einer neuen Situation wieder, die man erst einmal zeitlich und räumlich einordnen muss.

Lynch nutzt teils ungewöhnliche Sprachbilder ( „(…) und ist die Lüge erst erkannt, bleibt sie aus dem Mund gewachsen wie eine tot züngelnde Giftblume.“) und verknüpft Motive aus der Natur mit Eilishs Empfinden: „Sie hört einen langen, seufzenden Atemzug, dann statische Stille gleich einem Regendunkel, das fühlbar ist, ein Regen, der aus dem Dunkel fällt und sie alle wäscht, der dunkle Regen, der in den Mund ihres Sohnes fällt.“ (Kapitel 4, Telefonat zwischen Eilish und ihrem Sohn). Hier muss ich gestehen, dass mir der Sprachstil nicht entgegen kam. Wollte Lynch hierdurch Eilishs Denken und Fühlen besonders intensiv und nachdrücklich beschreiben, so erreichte es bei mir leider nicht den gewünschten Effekt. Ich empfand die Bilder als konstruiert und künstlich und blieb daher emotional eher auf Distanz zu Eilish. An manchen Stellen wirkte das Buch auch grammatikalisch nicht stimmig („Der Geldautomat am Ende der Straße zeigt auf dem Display einen Briefkasten aus geborstenem Licht, ein Schild im Fenster des Lädchens mit Edding sagt:“) oder sprachlich schief (etwa wenn „Amtsbezeichnungen“ mit „Insignien“ synonym verwendet werden, obwohl letztere Amtsabzeichen oder Hoheitssymbole sind). Hier habe ich mich des Öfteren gefragt, ob dies bereits im englischen Original so formuliert ist, da mit Eike Schönfeld ein äußerst renommierter Übersetzer am Werk war.

Die Geschichte wird anfangs sehr detailliert erzählt und nicmmt nur allmählich Fahrt auf, gewinnt vor allem im letzten Drittel an Dynamik, um dann, wenn es wirklich packend wird, Einzelheiten zu überspringen und relativ abrupt zu enden. An einigen Stellen erschien mir die Handlung in sich etwas unrund, etwa wenn der Autor unbedingt Parallelen zu Geflüchteten in Schlauchbooten ziehen möchte, die hier doch etwas aufgesetzt wirken.

Insgesamt bin ich hin- und hergerissen, wie ich „Das Lied des Propheten“ einordnen soll. Ich möchte dieses Buch so gerne mögen, und hadere doch mit dem gekünstelt-poetischen Sprachstil und manchen Unstimmigkeiten. Leider erreicht es für mich weder die sprachliche und konzeptionelle Wucht noch die enorme Weitsicht von Dystopie-Klassikern wie „1984“.

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Veröffentlicht am 05.07.2024

Ein Kinderbuch zum Thema Neurodiversität

Hat irgendjemand Oscar gesehen?
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Aurora und Oscar sind auf den ersten Blick ziemlich unterschiedlich, und dennoch sind beide beste Freunde. Während Aurora impulsiv und energiegeladen ist, laut und viel redet, spricht Oscar nicht, ist ...

Aurora und Oscar sind auf den ersten Blick ziemlich unterschiedlich, und dennoch sind beide beste Freunde. Während Aurora impulsiv und energiegeladen ist, laut und viel redet, spricht Oscar nicht, ist sehr zurückgezogen und lebt in seiner eigenen Welt. Beide gehen in eine Klasse, und Aurora kümmert sich rührend und sehr fürsorglich um Oscar. Im neuen Schuljahr jedoch kommen beide in unterschiedliche 6. Klassen, und eines Tages ist Oscar plötzlich verschwunden. Der ganze Ort sucht fieberhaft nach ihm, allen voran Aurora.
Im Buch wird das nicht explizit erwähnt, aber es ist anzunehmen, dass Aurora ADHS hat und Oscar eine Form von Autismus. Die Idee, neurodiverse Protagonist/innen in den Mittelpunkt zu stellen, hat mir sehr gut gefallen. Auroras Charakterisierung finde ich sehr gelungen. Da ein wesentlicher Teil des Buches aus ihrer Perspektive erzählt wird, konnten mein Sohn und ich uns gut in sie hineinversetzen, und sie war uns auf Anhieb sympathisch. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist fürsorglich und offen. Etwas schade fanden wir, dass Oscar im Buch ein wenig kurz kommt, insbesondere auch seine Sicht der Dinge und seine Emotionen. Die Autorin erzählt im Buch aus verschiedenen Blickwinkeln, und es ist ein bisschen verwunderlich, dass ausgerechnet Oscar hier den geringsten Anteil hat. Hierdurch verschenkt das Buch leider etwas an Potential, das autistische Spektrum jungen Leser/innen begreiflich zu machen.
Generell ist die Thematik des Buches für jüngere Kinder, die das Buch alleine lesen und bisher noch keinen Kontakt zu neurodiversen Kindern hatten, nicht ganz einfach zu verstehen, gerade im Bezug auf Oscar. Mein Sohn und ich haben das Buch zusammen gelesen, und ich konnte ihm so vieles erklären. Auch aufgrund der komplexeren Erzählweise mit verschiedenen Rückblenden würde ich das Buch eher für etwas ältere Kinder ab 11 oder 12 Jahren empfehlen oder es entsprechend begleiten.
Etwas unrealistisch fand ich die idealisierte Heile-Welt-Darstellung, in der es quasi keine Konflikte gibt. Aurora eckt mit ihrer Art gelegentlich etwas an, aber im Grunde gibt es keine größeren zwischenmenschlichen Probleme, Oscar ist zwar meist für sich, er wird von den Mitschüler/innen aber auch nicht getriezt. In der Realität wäre das vermutlich leider nicht ganz so schön. Nun kann man das Buch als Beispiel einer Welt ansehen, wie sie sein sollte, in der neurodiverse Kinder ganz selbstverständlich dazugehören. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass Kinder, die selbst betroffen sind, und in ihrem Leben auf weniger verständnisvolle Mitmenschen treffen, ernüchtert sind, wenn ihnen das Buch nur ein Ideal zeigt. Hier hätte es ermutigend wirken können, wenn Konflikte und Lösungsansätze thematisiert worden wären.

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Veröffentlicht am 05.07.2024

Starke Fortsetzung!

Signum
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Nachdem mich „Refugium“ richtig gefesselt hat, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung. Diese schließt inhaltlich an Teil 1 an, und man sollte diesen im jeden Fall zuerst gelesen haben.

Kim hat inzwischen ...

Nachdem mich „Refugium“ richtig gefesselt hat, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung. Diese schließt inhaltlich an Teil 1 an, und man sollte diesen im jeden Fall zuerst gelesen haben.

Kim hat inzwischen seinen Peiniger aus der Kindheit gekidnappt, hält ihn in seinem Keller gefangen und foltert ihn, während Julia im rechtsextremen Milieu ermittelt. Hierdurch erhält die Handlung eine weitere, gesellschaftliche und politische Ebene, die gerade leider sehr aktuell ist.

Der Schreibstil ist packend und spannend geschrieben, mit vielen spektakulären Szenen, und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Lindqvist verfolgt mehrere Handlungsstränge parallel, so dass der Thriller sehr abwechslungsreich ist und auch noch viele weitere Ansätze für den dritten Band bietet.
Einige Szenen sind ziemlich brutal geraten, das war für mich stellenweise grenzwertig. Ich hätte die Schilderungen nicht in allen Details gebraucht, das war schon extrem. Faszinierend finde ich nach wie vor die Hauptfiguren Kim und Julia, die mir zwar beide nicht wirklich sympathisch sind, aber sehr interessante Charaktere darstellen. Sie überschreiten allerdings immer wieder die Grenzen der Legalität, was es mir als Leserin schwer macht, sie zu mögen.

Ich bin nun sehr gespannt auf den dritten und letzten Teil!

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