Historische Eifel-Saga mit Schwächen
GinsterhöheDer Roman, „Ginsterhöhe“, ist zeitlich nach „Perlenbach“ angesiedelt, und ich habe “Perlenbach“ zuerst gelesen. Da die Geschichten jedoch inhaltlich nicht aufeinander aufbauen und lediglich sehr lose zusammenhängen, ...
Der Roman, „Ginsterhöhe“, ist zeitlich nach „Perlenbach“ angesiedelt, und ich habe “Perlenbach“ zuerst gelesen. Da die Geschichten jedoch inhaltlich nicht aufeinander aufbauen und lediglich sehr lose zusammenhängen, können diese völlig unabhängig voneinander gelesen werden.
„Ginsterhöhe“ spielt zeitlich zwischen 1919 und 1949 im Eifeldorf Wollseifen und beginnt mit der Rückkehr des Jungbauern Albert Lintermann, dem Sohn von Wilhelm Lintermann aus „Perlenbach“, aus dem Ersten Weltkrieg. Durch eine Granate im Gesicht entstellt, trägt er nicht nur schwer an den körperlichen und psychischen Folgen des Krieges, sondern auch an der Ablehnung seiner Ehefrau und dem Spott einiger Dorfbewohner aufgrund seiner Kriegsverletzung.
Stück für Stück kämpft er sich zurück, und die Geschichte beschreibt eindrücklich das damalige Dorfleben, den Alltag auf dem Hof, die beginnende Umstellung der Landwirtschaft von reiner Handarbeit und Zugtieren auf Maschineneinsatz. Auch der Aufstieg der Nationalsozialisten, die im realen Wollseifen die Ordensburg Vogelsang zur Ausbildung von nationalsozialistischen Kadern errichteten, und der daraus resultierende Artilleriebeschuss gegen Ende des Zeiten Weltkrieges werden thematisiert. Diese historischen Aspekte zu Wollseifen fand ich sehr interessant.
Der Roman ist kurzweilig und flüssig zu lesen, konnte mich jedoch insgesamt nicht überzeugen. Die Figurenzeichnung empfand ich als oberflächlich und eindimensional, eine echte Charakterentwicklung fand nicht statt. Die Figur des Wilhelm Lintermann, die einzige Person, die nennenswert in beiden Büchern vorkam, war für mich nicht stimmig und ich konnte den sensiblen Wilhelm aus „Perlenbach“ nur schlecht mit dem älteren, unterkühlten Wilhelm aus „Ginsterhöhe“ zusammenbringen. Der spätere Nazi Johann Meller wurde von Anfang an sehr plump und ausschließlich negativ gezeichnet, so dass er beinahe zur Karikatur wurde. Die meisten anderen Wollseifener wurden als Gegner oder höchstens Mitläufer des Systems beschrieben. Diese Sichtweise ist mir zu einfach, denn die meisten Menschen dürften komplexer und ambivalenter strukturiert gewesen sein.
Durch die fiktiven Tagebucheinträge des Dorflehrers streut Anna-Maria Caspari immer wieder historische Fakten sowie Ereignisse aus dem Dorfleben in die Geschichte ein. Dieser Kunstgriff ist allerdings recht plump umgesetzt, merklich aus der heutigen Perspektive verfasst und enthält einen groben Schnitzer: So lässt sie den Lehrer am 30. Oktober 1939 schreiben: „Es war schon erstaunlich, wie schnell unsere Truppen Belgien und Teile von Frankreich eingenommen haben.“. Erstaunlich ist vor allem, dass der Lehrer dies bereits im Herbst 1939 weiß, da der Westfeldzug mit der Einnahme Belgiens und großer Teile Frankreichs erst im Mai 1940 begann. Im Herbst 1939 befanden sich die Kriegsparteien noch im sogenannten „Sitzkrieg“ (sehr empfehlenswert hierzu das kürzlich erschienene Sachbuch „Frühling 1940“ von Raffael Scheck).
Fazit: Für Fans historischer Romane, die vor allem eine leichte, abwechslungsreiche und unterhaltsame Geschichte suchen, sicher eine empfehlenswerte Lektüre. Wer Wert auf Tiefgang und komplexe Figurenzeichnung legt, wird eher nicht fündig werden.