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Veröffentlicht am 03.11.2024

Fesselnde, clevere Psychospannung!

Der Steg
1

Priskas Leben ist perfekt, sie hat alles unter Kontrolle: Sie hat es dank harter Arbeit beruflich weit gebracht, sie ist sportlich, sie hat einen liebevollen Ehemann sowie ein tolles Haus am Plöner See. ...

Priskas Leben ist perfekt, sie hat alles unter Kontrolle: Sie hat es dank harter Arbeit beruflich weit gebracht, sie ist sportlich, sie hat einen liebevollen Ehemann sowie ein tolles Haus am Plöner See. Sie freut sie sich auf den Besuch ihres Halbbruders Moritz und dessen neuer Freundin Anna, doch das Timing könnte nicht schlechter sein, denn als die Gäste ankommen, steht sie auf dem Bootssteg, der zu ihrem Grundstück gehört, und blickt auf einen toten Mann im Waser ...

Die Handlung ist von Anfang an rätselhaft und packend: Wer ist der Tote? Hat Priska ihn getötet? Oder hat sie ihm “nur” nicht geholfen, als er am Ertrinken war? Was ist hier los?

Erzählt wird hauptsächlich aus Priskas und Annas Sicht, aber auch zwei Ermittelnde kommen zu Wort - ein Polizist der alten Schule sowie seine junge Kollegin. Das Innenleben von Priska wird faszinierend geschildert: Sie fühlt sich einerseits schuldig, andererseits findet sie, sie hatte keine Wahl. Ihr wird klar, dass sie einen Fehler gemacht hat, der sie verdächtig aussehen lässt, das macht sie nervös, doch sie kümmert sich darum. Und als die Leiche schließlich auftaucht, was zu Ermittlungen führt, wirkt der Todesfall aufgrund von Priskas geschickter Aussage sowie glücklichen Zufällen eher nach einem Unfall, weniger nach Fremdverschulden. Dann bekommt sie Drohbriefe, sie wird erpresst, was sie fahrig und reizbar macht. Sie verstrickt sie sich in Ausreden und ihre Fast-Schwägerin geht dem auf den Grund, sodass ein subtiles Katz-und-Maus-Spiel beginnt!

Die Charaktere sind großartig gestaltet, alle sind total interessant, ungewöhnlich, zugleich jedoch absolut realistisch! Der Begriff “moralisch grau” scheint für Priska erfunden worden zu sein: Sie ist herrlich ambivalent, auch weil sie sich ihrer Schattenseiten bewusst ist und mal mehr, mal weniger erfolgreich dagegen ankämpft. Sie kann knallhart sein, urteilend, sie hat wenig Verständnis für Schwächen bzw. dafür, dass andere nicht über die Leistungsbereitschaft verfügen, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Sie ist der Typ Hirn über Herz. Anna ist Veganerin und führt auch sonst einen “alternativen Lebensstil”. Sie ist sehr sensibel sowie unsicher, sie will gemocht werden, sich allerdings gleichzeitig treu bleiben. Das führt zu inneren, manchmal auch äußeren Konflikten. Als sie den begründeten Verdacht hegt, dass Priska für den Tod des Mannes im See verantwortlich ist, will sie das Richtige tun, aber keinen Unfrieden stiften ...

Dann sind noch der Ehemann und Anna Freund bzw. Priskas Halbbruder, die interessante Nebenfiguren darstellen. Zudem gibt es eigentümliche Nachbarn, die undurchsichtige Lebensgefährtin des Verstorbenen sowie eine mysteriöse Person, die spät ins Spiel kommt und einiges erklärt ...

“Der Steg” ist ein brillant komponiertes Kammerspiel mit Tiefgang: Der intensive, ausdrucksstarke Schreibstil sorgt dafür, dass sich alles hautnah anfühlt, die Figurendynamik zeugt von viel psychologischem Gespür zeugt und die überraschenden Wendungen haben es in sich!




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Veröffentlicht am 31.10.2024

Außergewöhnlich!

The Wilderness of Girls
0

Rhi hat es nicht leicht: sie wurde von ihrer Stiefmutter schikaniert (ich finde ja, dass diese stereotypische Begebenheit nicht nötig gewesen wäre), dann wurde ihr krimineller Vater verhaftet, jetzt wohnt ...

Rhi hat es nicht leicht: sie wurde von ihrer Stiefmutter schikaniert (ich finde ja, dass diese stereotypische Begebenheit nicht nötig gewesen wäre), dann wurde ihr krimineller Vater verhaftet, jetzt wohnt sie bei ihrem Onkel, der im Happy Valley Wildreservat arbeitet.

Als sie dort sie eine Gruppe von “verwilderten” Mädchen entdeckt, will sie helfen, auch weil eins der Vier verletzt ist. Sie landen also im Krankenhaus, wo schnell wird klar, die Zivilisation ist nichts für sie. Sie haben in einem hohlen Baumstamm gelebt, bei einer Person, die sich als Mutter bezeichnet hat und ihnen ein Leben in der Wildnis “anerzogen” hat. Sie lebten im Einklang mit der Natur: erwachen bei Sonnenaufgang, schlafen legen bei Sonnenuntergang. Sie aßen Fisch, Bärenfett und Nüsse. Sie waren wild, frei, glücklich, denn Mutter hat ihnen ein Märchen aufgetischt, über ihre Identität, über ihr Leben ...

Die Mädchen werden zu einer öffentlichen Sensation, man will sie zivilisieren, zähmen, und sie werden von einer Psychiaterin betreut.

Man findet Angehörige eines Mädchens, die anderen kommen in Pflegefamilien. Zwischen Rhi und ihnen besteht eine interessante Nähe, aber alle zwischenmenschlichen Beziehungen (innerhalb der Pflegefamilien etc.) sind faszinierend (verstörend).

Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven: Es gibt Rhis Sicht, die der einzelnen Mädchen, Einblicke in ihre Vergangenheit, in E-Mails, in Notizen der Psychiaterin und einiges mehr.

“The Wilderness of Girls” ist spannend, ergreifend, erschütternd, überraschend sowie feministisch gestaltet. Es geht um (überholte) Rollenbilder, Bodyshaming, psychische und physische Misshandlungen, Kannibalismus, Suizid. Keine leichte Kost, das Schmerzliche macht allerdings auch das Schöne in dieser Geschichte aus: Stärke, die aus Zusammenhalt erwächst, Verständnis und Aufgeschlossenheit fühlen sich intensiver bzw. wertvoller an, wenn sie in der Not entstehen bzw. zur “Heilung” beitragen.

Die außergewöhnliche, mutige, gehaltvolle sowie bewegende Geschichte mit komplexen, Figuren und unerwarteten Wendungen wird ungemein einfühlsam erzählt. Die Autorin schildert die Verzweiflung der Mädchen, angesichts der einengenden Konventionen der zivilisierten Welt, emotional, nachvollziehbar, hautnah.

In “The Wilderness of Girls” prallen eine Fantasiewelt und die Realität aufeinander. Das Buch regt zum Nachdenken an, lässt tiefverwurzelte Normen hinterfragen, hallt lange nach!

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Veröffentlicht am 30.10.2024

Ganz großes Kino!

Coldhart - Deep & Shallow
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Vor einigen Monaten musste Elijah die Frau, die er liebt, von sich stoßen, um sie zu beschützen. Beide leiden darunter – auf unterschiedliche Weise. Dann kommt Bewegung in ihre tragische Liebesgeschichte, ...

Vor einigen Monaten musste Elijah die Frau, die er liebt, von sich stoßen, um sie zu beschützen. Beide leiden darunter – auf unterschiedliche Weise. Dann kommt Bewegung in ihre tragische Liebesgeschichte, aber auch in alle anderen Bereiche ihres Lebens ...

Eli sucht den Mann, der für seine Entführung vor 13 Jahren verantwortlich ist. Seine Recherchen führen ihn nach England und als er endlich erfährt, wer er ist, wird das Gefühlschaos in seinem Kopf unerträglich. Dann ist da noch Felicity, die erschütterndes über ihren Vater entdeckt, sodass ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...

Band 2 steht dem Reihen-Auftakt in nichts nach: ganz großes Kino!

Mir war das Buch manchmal ein bisschen zu gefühlsbetont, ich lese die Reihe allerdings auch hauptsächlich wegen der Spannungselemente und dem Setting! Insgesamt empfinde ich Band 2 eine tolle Mischung aus Romantik, Spannung, Gefahren, Drama, Freundschaft und Familie.

Ein paar Kleinigkeiten waren für mich nicht ganz überzeugend, aber ich hatte überwiegend viele packende, bewegende sowie nervenaufreibende Lesestunden mit diesem Buch und freue mich schon auf Band 3 – denn der Cliffhanger am Ende ist wirklich fies 😉

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Veröffentlicht am 26.10.2024

Ich möchte 10 Sterne vergeben!

Last Seen
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Südengland, Sommer 2010: Zwei 10-jährige Jungs schwimmen ins Meer hinaus, zu weit. Sie drohen zu ertrinken, einer wird von einem Fischer gerettet, an Land gebracht. Derweil machen sich zwei Mütter Sorgen ...

Südengland, Sommer 2010: Zwei 10-jährige Jungs schwimmen ins Meer hinaus, zu weit. Sie drohen zu ertrinken, einer wird von einem Fischer gerettet, an Land gebracht. Derweil machen sich zwei Mütter Sorgen um ihre Söhne, weil sie sie aus den Augen gelassen haben und sie am Strand nicht finden können. Sie hoffen, sie bangen, die Hände eng miteinander verflochten. Eine ist schließlich erleichtert, die andere am Boden zerstört.

Südengland, Sommer 2017: Sarah und Isla sind seit ihrer Jugend beste Freundinnen. Sie verbringen fast jeden Sommer zusammen, in einer abgelegenen Bucht in Südengland, in nebeneinander liegenden Strandhütten. Am Abend des 17. Geburtstags von Sarahs Sohn Jacob kommt es allerdings zum Streit: zwischen den Freundinnen sowie zwischen Mutter und Sohn. Er stürmt wütend davon, bleibt über Nacht weg. Er kommt auch am nächsten Tag nicht nach Hause. Sarah und ihr Mann bleiben zunächst relativ ruhig, doch ihre Verzweiflung wächst mit jedem weiteren Tag, dann tauchen allmählich beunruhigende Informationen auf ...

Jacob verschwand am selben Tag, an dem vor sieben Jahren ein Junge im Meer verloren ging – gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Ereignissen?

Schnell wird klar, Sarah hat dunkle Geheimnisse, sogar vor ihrem Mann. Am meisten belügt sie sich jedoch selbst. Aber hier verheimlichen alle etwas und die Dynamik zwischen den undurchsichtigen Charakteren ist herrlich kompliziert, problembelastet sowie vertrackt.

Erzählt wird aus Sarah und Islas Sicht, auf mehreren Zeitebenen. Von Sarah erfährt man hauptsächlich was 2017 passiert, Isla berichtet größtenteils was zwischen 1991 und 2017 geschah bzw. geschieht: was die Freundinnen erlebt bzw. durchgestanden haben, wie sich ihre Freundschaft im Lauf der Zeit veränderte. Ich fand die Schilderungen ihrer unbeschwerten Jugend sehr berührend: Sie waren wild, frei, unvernünftig sowie unvorsichtig, sind dennoch unbeschadet geblieben. Besonders Isla musste jedoch, unabhängig von jugendlichem Wagemut, einige schmerhafte Schicksalsschläge ertragen ...

Der Schreibstil ist intensiv, ausdrucksstark und manchmal poetisch - “So fand uns Nick am nächsten Morgen – wie die beiden Schalen einer Muschel um die verborgenen Perlen unserer Trauer geklammert.” oder “All diese alten Ungewissheiten, die wie Falken über uns kreisten und nur auf den rechten Moment warteten, um sich auf uns herabzustürzen.”

Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind ungemein interessant und nuanciert gestaltet, die zahlreichen erschütternden Enthüllungen haben es wirklich in sich, sind zugleich absolut glaubwürdig, und die rätselhafte, beklemmende, tiefschürfende Handlung ist nonstop fesselnd – ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen!

“Last Seen” ist ein hoch komplexes Geflecht aus widersprüchlichen Gefühlen sowie Kindheitstraumata, Schuld, Trauer, Mutterliebe, Misstrauen, Täuschungen, und Lügen rund um eine Freundschaft, eine Ehe und eine herzzerreißende Tragödie. Der brillante Handlungsaufbau erzeugt immer wieder neue Spannung, es gibt viele atemberaubende Überraschungen, zudem ist das Ende ergreifend sowie stimmig!

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Veröffentlicht am 21.10.2024

Familiendrama

Lost Sister
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Als Anna zurück in ihr Heimatdorf kehrt, weil ihre Mutter gestorben ist, wird sie von düsteren Erinnerungen geflutet. Vor 30 Jahren (sie war zwölf, ihre Schwester fünfzehn) verschwand ihre Schwester spurlos. ...

Als Anna zurück in ihr Heimatdorf kehrt, weil ihre Mutter gestorben ist, wird sie von düsteren Erinnerungen geflutet. Vor 30 Jahren (sie war zwölf, ihre Schwester fünfzehn) verschwand ihre Schwester spurlos. Die Familie brach danach auseinander und Anna zog nach ihrem Schulabschluss zunächst nach London, später nach Griechenland. Da es sie sich nicht nur um den privaten, sondern auch um den unerwartet umfangreichen geschäftlichen Nachlass ihrer Mutter kümmern muss, bleibt sie länger als geplant. Beim Wühlen im Leben ihrer Mutter kommen schmerzhafte Erinnerungen auf, aber auch neue Erkenntnisse ...

Erzählt wird auf zwei Zeitebenen: 1982 und jetzt. Anna bewunderte ihre schöne, coole, beliebte Schwester und war ziemlich besitzergreifend. Einige Wochen vor dem Verschwinden ihrer Schwester war die Stimmung zuhause wegen einiger Konflikte angespannt, Anna hat jedoch kaum etwas Konkretes mitbekommen. Ihre behütenden Eltern haben sie ausgeschlossen, da sie die Zwölfjähre nicht mit schwierigen Themen belasten wollten. Dann war da noch die beste Freundin ihrer Mutter: Anna konnte die allgegenwärtige, dominante Frau nicht leiden, die wohlmeinend sowie tatkräftig hilfsbereit war. Und auch jetzt ist sie ständig da: klopft an, will unterstützen, mischt sich ein, macht kryptische Andeutungen ...

Es gibt zudem einige Dorfbewohner, die damals mehr oder weniger indirekt mit dem Verschwinden von Annas Schwester in Verbindung gebracht wurden, zu Recht?

Die vielen offenen Fragen, die interessanten Charaktere bzw. die Dynamik zwischen ihnen, die melancholische Grundstimmung und der atmosphärische, stellenweise subtil poetische Schreibstil haben mich gefesselt, obwohl es sich bei “Lost Sister” um einen eher ruhigen Spannungsroman handelt, der sich Zeit nimmt, die Gegebenheiten zu entfalten.

Da auf dem Cover Roman steht habe ich keine temporeiche, nervenaufreibende Spannung erwartet, die Beschreibungen von Annas Innenleben und die der Umgebung waren mir dennoch manchmal ein bisschen zu ausführlich bzw. Redundant, sodass ich nicht 5 Sterne vergeben, obwohl ich “Lost Sister” insgesamt absolut lesenswert finde!

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