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Veröffentlicht am 28.06.2017

Achtung! Historischer Kriminalfall aus dem Alten Ägypten, somit kein “typischer” AC (AC 35)

Rächende Geister
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O: Death Comes as the End, Ich lese eine Hardcover-Ausgabe aus vermutlich den 1980er Jahren aus dem “Verlag Buch und Welt”, nach Internetrecherchen wohl aus Klagenfurt am Wörthersee in Österreich, gegründet ...

O: Death Comes as the End, Ich lese eine Hardcover-Ausgabe aus vermutlich den 1980er Jahren aus dem “Verlag Buch und Welt”, nach Internetrecherchen wohl aus Klagenfurt am Wörthersee in Österreich, gegründet 1969 von Heide und Hans Kaiser, daher dann auch der “Neue Kaiser Verlag” 1978. Übergang an Ingrid Sammüller für Edition XXL in 2011
in. https://www.buchmarkt.de/meldungen/buchhandel/antiquariatema/edition-xxl-wachst-weiter-und-ubernimmt-neuen-kaiser-verlag/
https://www.xxl-medien-service.de/
Das Buch ist das zweite in einem Doppelband gemeinsam mit “Der Tod wartet” – nach meiner Erinnerung handelt es sich um eines von mehreren AC-Büchern, die von der Regionalzeitung in deren Shop angeboten wurden, für mich damals mein günstiger Einstieg für die Autorin.

Rächende Geister ist der 35. Kriminalroman der Autorin, weitere Bücher mit Kurzgeschichten sind in dieser Zählung nicht eingeschlossen. Das Original erschien zuerst in den USA im Oktober 1944 bei Dodd, Mead and Company, dann in Großbritannien im März 1945. Die deutsche Erstausgabe ist vom Scherz Verlag von 1947 in der Übersetzung von Ursula von Wiese https://de.wikipedia.org/wiki/UrsulavonWiese
, die in meiner Ausgabe nicht genannt wird, aber wohl die einzig verwendete Übersetzung geliefert hat. https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4chende_Geister

Es ist der sicher untypischste Roman der Autorin, da die Handlung im Alten Ägypten angesiedelt ist und somit als einziger nicht im 20. Jahrhundert; auf S. 195 heißt es„…bald wird es ein geeintes Land sein…Ober- und Unterägypten in ein Reich verschmolzen, das seine frühere Größe erlangt…“. Der Wikipedia-Artikel zum Buch entnimmt daraus 2000 v. Chr. mit Verortung in Theben, der entsprechende Artikel zur Reichseinigung eher kurz vor 2980 v. Chr. und eigentlich wird nur der Süden genannt...

Die junge Renisenb kehrt nach dem Tod ihres Mannes mit ihrer kleinen Tochter zurück ins Haus ihres Vaters, des wohlhabenden Totenpriesters. Zum Haushalt gehören noch ihre Brüder samt Frauen und Kindern, die Großmutter, eine alte Dienerin, der Verwalter und ein Schreiber. Als Renisenb sich in der bislang von Sticheleien und Missgunst getragenen Atmosphäre unwohl fühlt, unkt Verwalter Hori: „Du begreifst nicht, Renisenb. Es gibt das Übel, das von außen kommt, das sichtbar ist, wenn es angreift, aber es gibt auch noch eine andere Verderbnis, die innerlich ausgebrütet wird, die sich äußerlich nicht zeigt. Sie wächst langsam, Tag für Tag, bis schließlich die ganze Frucht verfault ist, von Krankheit zerfressen.“ S. 147
Als der Vater von einer Geschäftsreise mit einer neuen jungen Frau zurückkehrt, kippt die Stimmung, es wird gefährlich: bald gibt es eine Leiche. Es soll nicht die einzige bleiben….

Der Roman bleibt auch beim Re-Read nach vielen Jahren einer meiner ungeliebtesten Agatha Christies, wohl nicht nur durch die an anderen Werken geschulte Erwartungshaltung, sondern auch wegen der vielen Toten, Mordmethoden und der diesen geschuldeten doch stark schrumpfenden Anzahl von Verdächtigen – es gibt schlicht zu wenig zum Mit-Ermitteln. Letztlich bleiben mir Ort und Zeit fremd, dafür lässt sich der recht kurze Roman zügig lesen.

Zeitgeist oder der Handlung geschuldet?
„Die meisten Männer sind Narren“ „es gibt keinen größeren Narren als einen alten Narren“ S. 153
Hori: wir haben keinen richtigen Glauben an einen Gott S. 167
„Wie die meisten herrschsüchtigen Frauen war sie feige.“ S. 251

Personal:
Da mir die Namen erst Probleme bereiteten, hier eine Liste:
•Renisenb, junge Witwe von Khay, nach 8 Jahren Ehe
ihre Tochter Teti, 4 Jahre alt
•ihr Vater, Ka-Priester Imhotep, der Totenpriester, verantwortlich für das Grab des großen Edlen Meriptah
• ihr ältester Bruder Yahmose, sorgt sich stets, bedachtsam, sieht überall Probleme
•seine Frau Satipy, groß, tatkräftig, laut, herrisch
die zwei kleinen Söhne der beiden
•ihr älterer Bruder Sobek, fröhlich, vertrauensselig
•seine Frau Kait, breitgebaut, häßlich, eigensinnig, nur auf ihre Kinder fixiert
die kleine Ankh ist die Jüngste, zwei weitere Jungs
•Ashayat, die tote Frau von Imhotep und Mutter von Yahmose, Sobek, Renisenb
•Ipy, 16 Jahre alt – der jüngste Sohn von der zweiten verstorbenen Frau des Vaters, Ankh.
•Großmutter Esa
•Henet, die alte Dienerin, eine ärmer Verwandte von Ashayat, selbstmitleidig, manipulativ,
•Hori, Geschäftsverwalter des Vaters
•Kebsweib des Vaters (= Nebenfrau, Konkubine) Nofret. jung, anmaßend, schön, 19.
•Schreiber Kameni aus dem Norden
•Priesterarzt Mersu

Trivia:
Ich zitiere weiter aus dem Wikipedia-Artikel: „Dieser Roman ist der einzige Roman Christies, der nicht im 20. Jahrhundert spielt. Die Anregung zu diesem Roman erhielt sie von dem englischen Ägyptologen Stephen Glanville, einem Freund der Familie. Er half Christie auch, das Leben in der ägyptischen Familie vor 4000 Jahren richtig zu beschreiben. Auch hat er vehement ein anderes Ende für den Roman gefordert. Christie kam dem nach, stellte aber in ihrer Autobiografie klar, dass das unveröffentlichte Ende ihrer Meinung nach besser gewesen sei.
Der Roman ist bekannt durch die hohe Anzahl an Opfern und ist im Schaffen Christies nur mit „Und dann gab's keines mehr“ (alt: Zehn kleine Negerlein) zu vergleichen.
Für die Kapitelüberschriften verwendet Christie die Monate des Ägyptischen Kalenders. Ein Vorgehen, das man auch in anderen Romanen, zum Beispiel in „Das unvollendete Bildnis“ findet.“

Verwendete Mordmethoden: Gift, Sturz/Schubs, Ertrinken, Ersticken, Pfeil und Bogen.

Veröffentlicht am 27.06.2017

1946, Palästina und Deutschland, eine Spurensuche zwischen Literatur, Krimi und Historienroman

Morgenland
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Fast inhaliert habe ich dieses Buch über die Zeit, als sowohl die Nachfolgestaaten des Deutschen Reichs als auch Israel noch vor der Gründung standen; man kann es lesen als historischen Roman, gar historischen ...

Fast inhaliert habe ich dieses Buch über die Zeit, als sowohl die Nachfolgestaaten des Deutschen Reichs als auch Israel noch vor der Gründung standen; man kann es lesen als historischen Roman, gar historischen Krimi, spannend genug finde ich es allemal, ein wenig Liebesgeschichte kommt dazu (nein, KEIN Kitschroman), ein Hauch Agentengeschichte und viel Hintergrundwissen.

Lilya Wasserfall erhält einen Auftrag: sie soll von Palästina aus nach Deutschland, jetzt, 1946, und recherchieren zu dem vermeintlich in der Zeit des Nationalsozialismus umgekommenen älteren Bruder eines knapp vorher ausgewanderten Schriftstellers. Der hat das Gefühl, dass da etwas nicht stimmen kann an der ihm aufgetischten Geschichte: Warum teilen ihm ausgerechnet die Briten, die im Land verhassten Mandatsträger, die die Einwanderung von Holocaust-Überlebenden zu verhindern trachten, den Tod seines Bruders mit? Und was hat es mit dem seltsamen Lesezeichen auf sich, das ihm zusammen mit einem Buch aus der früheren Bibliothek seines Bruders zugespielt wurde?

Lilya wurde in Palästina geboren, beide Eltern hatten bereits 1920 von Posen aus die Alyah gemacht, die Rückkehr aus der Diaspora ins Gelobte Land, als Anhänger von Herzls politischem Zionismus, die Tochter selbst ist in der Hagana, von der sie diesen Auftrag erhält, der paramilitärischen Untergrundorganisation während des britischen Mandats (man KANN das Buch auch lesen, ohne hier jeweils nachzuschlagen, doch es empfehlen sich ohne entsprechende Kenntnisse schon vielleicht knappe 10 Minuten Wikipedia, nichts Wildes). Ihre Recherche führt sie nach Großbritannien und quer durch Deutschland. Während sie über den sie faszinierenden David Guggenheim Einblick erhält in die noch weit nach Kriegsende schwierige Lage der überlebenden Juden in Europa, fühlt sie sich zunehmend verfolgt. Noch ahnt sie nicht, welche Konsequenzen sich durch ihre Ermittlungen auch für sie ergeben werden…

Das Buch lässt sich flott weglesen, ich habe fleißig mit ermittelt und fand es spannend (nein, bitte, KEIN moderner Thriller oder ähnliches), es gab hinlänglich viel zum Nachschlagen und Lernen (mit dringend fälligem Folgebuch), ich mochte das Personal und es gab häufig eine angenehm leise Ironie in den Sätzen, so beim Konzert "...eine Gitarre mit Strom habe ich noch nie zuvor gehört. ich weiß allerdings nicht, ob dieses Experiment eine Zukunft hat. Sie ist so laut." S. 237 Die leichte Schwäche ist bei dem etwas „glatten“ Ende und den doch durchgängig eher unterstützenden Begegnungen Lilyas (wobei sie zugegeben natürlich weniger bei früheren Nazis ermittelt, sondern bei überlebenden Juden, Hilfsorganisationen etc.). Definitiv eine Leseempfehlung!

Folgebuch:
Leon Uris: „Exodus“ über die Gründung des Staates Israel, die Hagana, die Irgun, die Briten in Palästina. Es ist wirklich viele Jahre her, dass mir eine Freundin das geliehen hat, ich muss es dringend wieder lesen. Auch die Verfilmung mit Paul Newman ist toll, ich meine, man hat nur aus der Abtreibung o.ä. eine Fehlgeburt gemacht?! Irgendetwas war da wohl aus „politscher Korrektheit“…

Brigitte Glasers „Bühlerhöhe“ wäre ein Tipp für wenig später in der Zeit der jungen Bundesrepublik, etwas stärker in Richtung des Krimis tendierend, um einen zu der Zeit heruntergespielten Attentatsversuch auf Adenauer und was die Staatsgründung Israels damit zu tun haben könnte, mit wesentlich mehr zur deutschen Zivilbevölkerung, von Gewinnlern über Opfer über Unbelehrbare.

Veröffentlicht am 27.06.2017

Ungleiches Ermittler-Paar

Dunkle Flut
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"Irgendwann werden sie Kollegen sein. Sie ist hautnah dabei.“ S. 10. Kyra Slagter ist 19, im Abiturjahr, liest forensische und andere Fachliteratur, um ihrem Traumjob bei der Kriminalpolizei näher zu kommen. ...

"Irgendwann werden sie Kollegen sein. Sie ist hautnah dabei.“ S. 10. Kyra Slagter ist 19, im Abiturjahr, liest forensische und andere Fachliteratur, um ihrem Traumjob bei der Kriminalpolizei näher zu kommen. Während der ältere Bruder Jarno sie dabei unterstützt, sind die Eltern mehr mit sich selbst beschäftigt, Gründe gibt es durchaus. Maud Mertens arbeitet bei der Kriminalpolizei – die beiden ungleichen Protagonistinnen begegnen einander bei einer Leiche, die an einen Laternenmast am früheren Galgenfeld (sic!) geknüpft wurde. Der Tote war zufällig Lehrer an Kyras Schule. Die Schülerin beginnt mit ihren Ermittlungen parallel zur Polizei. Doch die Informationen, die sie über den an der Schule beliebten Lehrer hat, bringen Kyra nicht nur Probleme mit ihren Freundinnen ein.

DAS wäre genau das Buch gewesen, das ich liebend gerne als Teenager gelesen hätte, irgendwie die erwachsenere, realistische Version nach meinen Kindheits-Enid-Blyton-Abenteuern, über Agatha Christie hinaus, nahe an meinem „damaligen Ich“. Kyra wirkt auf mich durch und durch glaubwürdig – wäre mir damals die Literatur zugänglich gewesen, wären die Internet-Recherchen möglich gewesen – ich hätte die gleichen Texte wie sie gelesen. Heute kann ich natürlich auch Maud verstehen, die bei ihrer Teenager-Tochter Roos das Gefühl beschleicht, wohl phasenweise auf verschiedenen Planeten zu leben…Die Figurenzeichnung im Buch gefällt mir also richtig gut, und man kann quasi mit ermitteln. Das Ermittler-„Duo“ ist eine richtig gute Idee.

Dazu kommt, dass es mindestens eine Geschichte neben und hinter der aktuellen gibt: Sarina, Kyras ältere Schwester, ist vor vier Jahren spurlos verschwunden. Und irgendwie sehe ich kommendes Unheil bei Roos und bei Kyras Schulleiter, aber es gibt ja noch bislang zwei weitere Bände – wobei die niederländische Autorin Isa Maron mit diesem ersten Band in der Reihe der „Nordsee-Morde“ es beherrscht, einen Fall wirklich abzuschließen und DENNOCH Fragen offen zu lassen, ohne diese fiesen Cliffhanger zu nutzen, bei denen man eigentlich alle Bücher lesen MUSS. „Dunkle Flut“ erschien in deutscher Sprache im März 2016, auf Niederländisch als „Galgenveld“ 2014 – soviel kann selbst ich von der Sprache erraten, der Originaltitel passt wesentlich besser (warum nur, liebe Verlage???).

Manko? Ein winziges: Es gibt so einen, ich nenne es einmal „modernen Zug“ bei Krimis und Thrillern: in den älteren Werk hieß es „das Opfer wurde vom Täter gefoltert und mit Messerstichen verletzt“. Heute wird gerne die Tat selbst aus der Sicht des Täter oder des Opfers beschrieben, währenddessen, dabei, direkt. Das ist sicherlich realistischer – aber auch irgendwie ekliger. Jetzt ist Maron nicht Cody McFadyen, aber es gibt einige etwas unappetitlichere Details – weniger jedoch auf sexueller Ebene, für hierbei empfindlichere Leser.

Veröffentlicht am 27.06.2017

„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

Gehen, ging, gegangen
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„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

Ich wollte das Buch unbedingt toll finden ...

„…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“

Ich wollte das Buch unbedingt toll finden angesichts des wichtigen aktuellen Themas – doch leider gelang mir das immer nur im steten Wechsel mit ziemlichem Genervtsein. Worum es geht? Rentner Richard redet mit Flüchtlingen, so der Grundplot dieses Buches. Man könnte noch ergänzen: und verlässt seine Komfortzone oder und erweitert seinen Horizont, aber das liegt vielleicht schon im Auge des Betrachters bzw. Lesers.

Ohne Leserunde hätte ich wohl nicht durchgehalten, ich war zwischen Gegensätzen auf der Skala zerrissen. Da ist zum einen die Sprache, oft wunderbar treffend: S. 174 „Sich vom Wünschen zu verabschieden, ist am Alter wahrscheinlich das, was man am schwersten lernt.“ oder „…immer ist im Zuhören die Frage enthalten: Was soll man verstehen, was will man verstehen, und was wird man nie verstehen, will es aber bestätigt bekommen.“ S. 95 (ich hoffe dabei nicht, dass DAS mein Problem ist?!). Auf der anderen Seite sind da verschachtelte Sätze und das Stilmittel der häufigen Wiederholungen, die teils schlicht nerven, hier zu „Freude“: „Die Freude an dem, was am richtigen Platz ist, was nicht verlorengeht, was auf die richtige Weise gehandhabt wird und nicht verschwendet, die Freude an dem, was gelingt, ohne ein anderes am Gelingen zu hindern, ist, so sieht er das, in Wahrheit die Freude an einer Ordnung, die nicht von ihm errichtet, sondern von ihm nur gefunden werden muss, die außer ihm liegt, und ihn gerade deshalb verbindet mit dem, was wächst, fliegt oder gleitet, ihn dafür zwar von manchen Menschen entfernt, aber das ist ihm gleich.“ S. 25

Und dann ist da, viel wichtiger, das Thema, zum einen Flüchtlinge, zum anderen aber wohl auch das Altern, die Auseinandersetzung mit der DDR/deren Ende und, etwas diffuser vielleicht, so etwas wie Ziele, Lebensgrundsätze. Die Leserunde rettete mir hier ein wenig den Zusammenhang, alles sind Wendepunkte, dennoch: Mir gerät das Ganze zu überladen – schon sprachlich, dann in der Ausweitung des Haupt-Themas um weitere, zuletzt beim eigentlichen Thema selbst. Ja, natürlich ist das Thema Flucht manifest, relevant und drängend, wobei Erpenbeck ihr Buch bereits VOR der Kulmination 2015 geschrieben hatte. Aber VOR ALLEM durch die Ereignisse seit 2015 finde ich ihr Buch schlicht zu wenig, zu theoretisch: sie erzählt brilliant-einfühlsam von Kriegsflüchtlingen – aber nichts an „Widerhaken“ sonst in der Geschichte: keine Einwände bei Richards Freunden (von einem idiotischen Spruch abgesehen), nur lauter sympathische Flüchtlinge (von einem eher angedeuteten Ereignis abgesehen), selbst die Behörden sind vielleicht teils hilflos, aber ebenfalls irgendwie farblos nett (abgesehen von Überforderungen, Bürokratie). Realistisch?

Die Erzählung selbst stellt die nacherzählten Flucht- und Heimatgeschichten dar, den Kampf im Behördendschungel in Deutschland. Das hat Stärken, so wenn Richard den Bezug sieht zwischen griechischer Mythologie und der Historie Libyens, oder bei der grandiosen Gegenüberstellung von Richards Einkaufszettel mit einer Art Wunschzettel der Flüchtlinge je nach Herkunftsland. Und dann liefert Autorin Erpenbeck Fakten, die man eher in einem Sachbuch erwarten würde, einer der Presserezensenten spricht hier von einem „Tatsachenroman“ (FAZ 27.08.2015). Für mich ist der Bruch zum Rest zu stark.

Woran soll ich mich da als Leser reiben? Es wird reichlich viel erklärt, fast vorgegeben durch die Autorin – da bleibt wenig, dass ich mir selbst zusammen-lesen kann (Gegenbeispiel eines aktuellen Jugendbuchs, "The Hate U Give", ein schwarzer Teenager wird von einem Polizisten in den USA erschossen: hier wird der Leser durch verschiedene Phasen geschoben von rein der Sicht seiner Jugendfreundin als unbeteiligter Zeugin, über seine Drogendeals – war er selbst mitschuldig? – bis hin dazu, was denn das bitte rechtfertigen dürfe).

Wie auch hier die Flüchtlinge, fühlte sich wohl schon jeder genervt von deutschen Verwaltungen, jedoch fehlen mir im Buch Ideen für Alternativen zu den bemängelten Behördenprozessen. Es gibt „nur“ Opfer von Kriegshandlungen als Flüchtlinge, keine Frauen, keine alleinreisenden Jugendlichen, keine Opfer sexueller Gewalt – niemanden, der kriminell ist oder radikal auf beiden Seiten. Natürlich werden gerade die letzteren beiden gerne instrumentalisiert, doch wiederum ist mir insgesamt die Darstellung da zu wenig. Und: ALLES wird nicht in einem Buch erfassbar sein, aber doch vielleicht "mehr".

Für mich erfasst "Exit West" das Thema besser, demnächst auch in deutscher Übersetzung
https://www.lesejury.de/mohsin-hamid/buecher/exit-west/9783832198688?tab=reviews&s=1&o=0#review_51217

Veröffentlicht am 23.06.2017

“never stop doing right“

The Hate U Give
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Wieder einmal ein Buch, das ich im Original gelesen habe. Aber, egal wie: unbedingt lesen!

Must-read book – and I am German, white, grown-up, recommending you a YA novel heavily in with the US-centred ...

Wieder einmal ein Buch, das ich im Original gelesen habe. Aber, egal wie: unbedingt lesen!

Must-read book – and I am German, white, grown-up, recommending you a YA novel heavily in with the US-centred “Black Lives Matters“ movement, issues we rather hear about on TV whenever there is a major riot or shooting.

Why? The book is great, it gets you BOTH, to understand better and to think about matters. Matters? Racism, society, friendship, family, loyalty, fear, bravery´,... Well, as I said, I am a white German - the situation IS obviously different. Germany does not have that black history, does limitate the possession of weapons, has education mostly for free.

Racism in general tends to show its ugly face in about every place in the world, let’s say “different variations same sh**“. Germany may not have areas like “Garden Heights“ – but some of the municipal areas have developed “no-go“ areas and quarters with mostly ethnical settlement, here, too, often combined with unemploymency and poverty – although not "black", anyway – being stigmatized for where you live is the same – and no good either. So no book on “them“ – way to close to “us“.

So, yes, the situation IS different, and you learn more about racism specifically in its US-version. Still, there are those other matters. Society, friendship, family, loyalty, fear, bravery. Confront that with “your local brand“ of racism and you will easily get why I got hooked – and you will probably more easily re-position the story to your own place. Down to core, Starr is just a teenage girl – with a boy friend, siblings, loving parents, girls she hangs around with, hobbies, school. She’s not cool in her “hood“ – she is cool with the white kids for being one of the few black kids at a mostly white “better“ school. She witnesses what no kid should see – death. Violently. Of someone close. Khalil who gets shot by a cop.

And here comes what I found great about author Angie Thomas‘ writing: she makes you stand in other persons‘ shoes. I admit I DID take sides – and shift and shift and shift. I did feel like “hey, why did Khalil have to ask Starr whether she felt safe rather than not move when the cop told him“ or “why did he have to get involved with drug dealers“. I DID put the blame on the victim! He did not: shoot at the officer – and was shot in the back. He did not threaten the officer – and was shot in the back three times. He did not have a gun on him. He was not out dealing or stopped for dealing – just stopped for driving. Reconsider. Same on – how often do we all laugh at stupid snide remarks – for someone being too old, too big, too…whatever. Only kidding? No harm meant?

“ That’s the problem. We let people say stuff, and they say it so much that it becomes okay to them and normal for us. What’s the point of having a voice if you’re gonna be silent in those moments you shouldn’t be?“

„Sometimes you can do everything right and things will still go wrong. The key is to never stop doing right.“ p 154

See for yourself. The book is a great captivating read. It most automatically will make you discuss about it. I do sincerely hope many students will read it in school. For the German mother tongue? Mostly, the language is easy to understand, despite of some portion of slang – Starr is slang at home and rather does not want to be associated with slang at school. So prepare for just some few words to look up, not many, like “dope“ for cool. You’ll be up to date
Serious 6 stars out of 5 – and fun, anger, sympathy, understanding, shock, laughter,…