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Veröffentlicht am 02.04.2018

DER Poirot/Christie Klassiker (Poirot 8)

Mord im Orientexpress
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O: "Murder on the Orient-Express", erschienen 1. Januar 1934 (US Version: "Murder on the Calais Coach", umbenannt zur Vermeidung einer Verwechslung mit einem Buch von Graham Greene von 1932, „Stamboul ...

O: "Murder on the Orient-Express", erschienen 1. Januar 1934 (US Version: "Murder on the Calais Coach", umbenannt zur Vermeidung einer Verwechslung mit einem Buch von Graham Greene von 1932, „Stamboul Train“, das in den USA veröffentlich wurde als „Orient Express“, siehe englischsprachige Wikipedia). Mein Buch heißt „Der rote Kimono“, ein alternativer Titel, der sich weiter unten in meinem Text erklärt, und so zuerst 1934 in deutscher Sprache erschien. Ich lese das Taschenbuch von 1984 aus dem Goldmann-Verlag mit der Uhr auf dem Cover (als Referenz zu der später gefundenen). Alte Rechtschreibung, bei den Zitaten erkennbar.

„Hoffen wir, daß sie im Taurus nicht einschneien.“ S. 6 So wünscht man es dem Meisterdetektiv Hercule Poirot, als er in Aleppo, Syrien, den Taurus-Expreß besteigt, um dann nach Besuch Istanbuls in den Orient-Express wechseln zu können. Beim Aufenthalt zwischen den beiden Zugfahrten erhält er ein gutdotiertes Angebot von dem US-Amerikaner Ratchett, der nach Erhalt von Drohbriefen Schutz wünscht. Der Meisterdetektiv lehnt ab. Beide besteigen den Orient-Express im selben Wagen, es finden sich weitere Mitreisende. Bald hat Poirot eine unruhige Nacht: „Mit einem Sprung war er aus dem Bett, riß die Tür auf und schaute hinaus. Nichts! Nur zur Rechten ging eine Frau in scharlachrotem Kimono den Gang hinab.“ S. 29 Dann wird morgens Ratchett erstochen aufgefunden – da der Zug in einer Schneewehe zwischen Vincovci und Brod fest steckt, nimmt Poirot die Ermittlungen auf.

Die Handlung ist Christie/Poirot extrem: generell erhält der Leser hier „Whodunnits“, kennt die Beteiligten und kann selbst mitermitteln. Es gibt nicht den unbekannten, durchreisenden Täter. Allerdings gibt es mehrere Fälle, in denen vermeintliche Nebenpersonen sich als Täter entpuppen, gar der Ich-Erzähler oder ein vermeintliches Opfer. Hier hingegen stellt sich der Kreis der Verdächtigen aufgrund der Kammerspiel-Situation von vorneherein als geschlossen dar (o.k., nicht ganz…). Ein Zug im Schnee, keiner konnte rein, keiner kommt raus, die Türen zu den anderen Zugteilen waren nicht nutzbar. Dazu ist der Leser quasi an der Seite von Poirot bei der Ausführung des Verbrechens dabei und entdeckt gemeinsam mit ihm so einiges an Spuren.

Vermutlich kenne ich diese Romanhandlung am besten von allen Christies, auch wegen der von mir geliebten Verfilmung mit unter anderem Ingrid Bergman, Lauren Bacall, Sean Connery, Vanessa Redgrave, Michael York und Anthony Perkins. Ich lese das Buch und sehe die Schauspieler aus dem Film vor mir, den ich als sehr werkgetreu empfinde (siehe dazu weiter unten). Nur die übliche „Konfrontation“ aller mit ihren kleinen Geheimnissen verläuft im Buch zunächst einzeln oder grüppchenweise, erst dann erfolgt der Showdown, im Gegensatz zum Film, bei dem man dieses zusammengefasst hat. Die Schauspieler sind gut, gerade Ingrid Bergman mit ihrer Darstellung als reichlich schlicht und dem Gerede über ihre „armen braunen Babys“...

Dafür ist das Buch bissiger. Da darf sich Poirot freuen: „Noch vor einer Stunde überlegte ich, wie ich mir über die Langeweile unseres erzwungenen Aufenthalts hinweghelfen könnte, und nun wird mir das herrlichste Problem beschert.“ S. 36 Übersetzt: Wie schön, jemand ist ermordet worden! Weiter: „„Mit mehr Kraft als Ritterlichkeit brachte der Direktor die ohnmächtige Dame auf einem Stuhl unter…“ S. 116

Andere Gedanken bringt: „Auch Poirot wußte über Mrs. Hubbards Tochter schon hinlänglich Bescheid, und mit ihm jedermann im Zug, der einigermaßen die englische Sprache verstand! Daß sie und ihr Gatte zu dem Lehrerkollegium einer großen amerikanischen Schule in Smyrna gehörten und daß dies Mrs. Hubbards erster Aufenthalt im Orient gewesen war, und was sie von den Türken und ihrer schlampigen Art hielt und von dem hanebüchenen Zustand ihrer Straßen.“ S. 24 Bevor jemand sich auf die Zehen getreten fühlt: nicht Agatha Christie übt hier Kritik, sondern Mrs Hubbard. Es gibt einiges, was man der Autorin anlastet (ich bin da noch unentschlossen), unter anderem einen gewissen Nationalchauvinismus: in diesem Buch spielt sie munter mit den Vorurteilen jeder Art. Die US-Amerikaner ziehen über die Briten her und umgekehrt, der belgische Bekannte von Poirot wähnt den italienischstämmigen US-Amerikaner natürlich bei der Mafia und so fort. Im Prinzip findet wohl die meisten von Christies Lesern etwas, dem sie heimlich zustimmen und in die komfortable Situation geraten, es nicht selbst sagen zu müssen…während ich den Eindruck gewann, dass die Autorin einen Heidenspaß dabei gehabt zu haben schien. Herrlich unterhaltsam statt humorfreier Political Correctness (ja, ich weiß, es gibt auch andere Textstellen in anderen Büchern, die mindestens fraglich sind).


Trivia
Poirot spricht deutsch! Zumindest steht das so in meiner deutschen Ausgabe, er führt dort das Verhör mit der Zofe der Prinzessin in deutscher Sprache S. 107.
Das Buch spielt eindeutig an auf die Entführung des Lindbergh-Babys

Zum Film von 1974:
der Freund Poirots bei der Eisenbahngesellschaft hat im Film einen anderen Namen, eher ein Italiener statt eines Belgiers. Martin Balsam spielt diesen Signor Bianchi statt M. Bouc aus dem Buch
Der Diener wird im Film gespielt von John Gielgud und heißt Mr. Beddoes statt Masterman. Mehr dazu https://de.wikipedia.org/wiki/MordimOrient-Expre%C3%9F_(1974)
Der Film ist wirklich toll!!

Zeitgeist
Wieder finde ich gehäuft Ausdrücke, die ich noch nie (mindestens in dieser Nutzung) gehört habe – oder seeeehr lange nicht mehr:
„Nimm ein Heftchen mit Abonnementskarten für das Essen; dann hast du keine Weiterungen.“ S. 21 Weiterungen?
S. 27 „Babuschen“ Puschen?
S. 47 „schnurrig“ ich LIEBE dieses Wort schon lange.
S. 53 „Nun können wir ungesäumt mit dem Verhör beginnen.“ Ähnlich wird ungesäumt auf S. 148 genutzt, es erschließt sich aus der gemeinsamen Wortherkunft mit versäumen bzw. aus dem Gegensatz dazu.
„Und der andere willfahrte seinem Wunsch.“ S. 97 willfahren?
S. 97 „gutsagen“ anscheinend statt bürgen
S. 123 „revidieren“ für durchsuchen – wir kennen den Revisor in Banken.
…von der schieren Anzahl dieser Begriffe her ist das wohl der bisher „altmodischste“ Poirot, dennoch wirkt der Text auch mich frisch, charmant.
Kognak hilft gegen Mrs. Hubbards Ohnmacht S. 116.
S. 123 ein Fehler – einmal steht Mrs. Hardman statt Mr. Hardman.
S. 151 ein Fehler – die achte Tochter statt die echte Tochter
S. 170 man kann am Bett einen Uhrhaken – für die Taschenuhr

Bleibt nur die Frage, warum JEDER aus dem Kreis der Verdächtigen anscheinend ehrlich erschrickt, wenn bei ihnen etwas gefunden wird (Hildegarde und der Inhalt ihres Koffers, Mrs Hubbard und ihr Schwammbeutel) sowie die Frage, wie realistisch ein von den anderen Waggons abgeschirmter Waggon ist. Nun ja.

6 Sterne. Immer und immer und immer wieder.

Veröffentlicht am 29.03.2018

Herrlich kniffelig - Beschäftigung für viele Stunden

Samurai-Sudoku 1 mittel bis extrem
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Wer hat noch nie ein Sudoku gelöst? Sudokus sind Kombinatorik-Rätsel, bei denen es darum geht, Kästchen mit Zahlen auszufüllen. Die Zahlen sind (wiederholt) die Zahlen von 1 bis 9 und die Kästchen sind ...

Wer hat noch nie ein Sudoku gelöst? Sudokus sind Kombinatorik-Rätsel, bei denen es darum geht, Kästchen mit Zahlen auszufüllen. Die Zahlen sind (wiederholt) die Zahlen von 1 bis 9 und die Kästchen sind ebenfalls ein Vielfaches von 9: Basis ist ein Quadrat von 9 auf 9 Kästchen, wiederum aufgeteilt in 9 Unterquadrate von 3 auf 3 Kästchen.
In jeder Reihe, in jeder Zeile und in jedem 3-auf-3-Unterquadrat darf jede der Zahlen von 1 bis 9 nur je einmal stehen – als Lösungshilfe sind stets bereits einige Zahlen vorgegeben. Der Schwierigkeitsgrad ergibt sich daraus, wie viele Zahlen bereits vorgegeben sind und wo.

Es gibt dann noch verschiedene Sonderformen von Sudokus wie die hier vorliegenden Samurai-Sudokus; bei diesen bilden 5 normale Sudokus den „Samurai“. Um ein mittleres 9-auf-9er-Kästchen gruppieren sich vier weitere, die jeweils äußeren Unterquadrate des mittleren Quadrates überschneiden sich quasi mit den inneren Unterquadraten der außen angeordneten Quadrate. Dadurch gelten die Regeln über ein Quadrat hinaus, was mehr Aufmerksamkeit erfordert, dadurch aber auch mehr Vorgaben gibt.

Ich bin Sudoku-Fan, seit ich diese Sorte Rätsel das erste Mal vor mir hatte. Mir gefallen Kombinatorik-Rätsel mehr als normale Kreuzworträtsel, da ich Kombinatorik sozusagen rein aus der Logik heraus lösen kann und ich damit meine Denkfähigkeit mehr auf dem Prüfstand sehe als beim häufig eher mechanischen Ausfüllen bestimmter Sorten von Kreuzworträtseln, bei den beispielsweise „fränkischer Hausflur, 3 Buchstaben“ reflexhaft „ERN“ nach sich zieht, ohne dass man überlegt, was der Begriff bedeuten soll (ich habe es gerade eben zum ersten Male nachgeschlagen https://de.wikipedia.org/wiki/Ern).

Häufig sind Sudokus leicht und schneller zu lösen, als die Kollegen für die Zigarette brauchen. Früher fand ich meine Favoriten in einer eigenen PM-Zeitschrift nur mit Sudokus, diese wurde aber zusammengefasst mit mehreren anderen Kombinatorik-Heften des Verlags. Danach habe ich lange gesucht nach Ersatz und jetzt in der Reihe von „Heines Rätselbibliothek“ gefunden (das ist Stefan Heine, ein Rätselmacher, mehr über ihn erfährt man auf der Rückseite).

Enthalten sind mittelschwere und schwere Sudokus stets im Wechsel, wobei ich für die schweren wirklich schön lange brauche (ich rede hier von Stunden, also nichts mehr für die Mittagspause). Die Lösungen stehen je auf der übernächsten Seite. Eigentlich braucht man die nicht: ein Sudoku geht entweder auf oder eben (noch) nicht.

Einziges Manko: in der genannten PM-Reihe gab es regelmäßig Lösungs-Tricks, sozusagen einen Kurs, wie man die Lösung schneller herausfindet. So etwas hätte mich als Ansatz auch hier gefreut. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.

5 Sterne. Leider kann ich kein Beispiel anhängen

Veröffentlicht am 29.03.2018

Flederwisch

Das Haus an der Düne
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O: Peril at Endhouse von 1932, der zwölfte Roman von Agatha Christie, der sechste Poirot, der dritte mit Japp, der vierte mit Hastings. Meine deutsche Ausgabe ist von 1985, aus dem Englischen übertragen ...

O: Peril at Endhouse von 1932, der zwölfte Roman von Agatha Christie, der sechste Poirot, der dritte mit Japp, der vierte mit Hastings. Meine deutsche Ausgabe ist von 1985, aus dem Englischen übertragen von Dr. Otto Albrecht van Bebber, bei Goldmann. 2003 gab es noch eine Neuübersetzung durch Monika von Gripenberg bei Fischer.

St. Loo, an der Küste Cornwalls, im Hotel Majestic. Hercule Poirot und Hastings sind zur Erholung vor Ort und lernen die junge Nick Buckley kennen. Doch eine Kugel auf dem Boden und ein Loch im Hut der jungen Frau bedeuten nichts Gutes – als Nick berichtet, bereits weitere drei beinahe tödliche Unfälle erlebt zu haben, ist es mit dem Urlaub für den Meisterdetektiv vorbei. Doch sein Problem ist nicht nur die unbekümmerte Sorglosigkeit der Frau, auch fehlt anscheinend jedes Motiv. Dafür hat er bald im Umfeld seiner unfreiwilligen Mandantin gut zwei Handvoll möglicher Verdächtiger (netterweise hat mein Buch zu Beginn eine Liste aller relevanten Personen).

Weshalb erzählt Frederica „Freddie“ Rice, ihre Freundin Nick würde lügen? Warum behauptet Charles Vyse, Nicks Cousin und Anwalt, der Brief mit ihrem Testament wäre nie bei ihm eingetroffen? Wozu wollte der Kunsthändler Jim Lazarus ein wortvolles Bild für gutes Geld kaufen? In was mischt sich der Mieter Bert Croft ein – und warum? Warum tragen Nick und Freddie die gleiche Uhr? Hier hat mehr als eine Person etwas zu verbergen. Nun, der letzte Satz im Buch gebührt Poirot „Jetzt weiß ich alles.“ S. 191

Wenn der Leser hier angekommen ist, weiß nicht nur auch er oder sie alles, das Buch ist auch eine äußerst unterhaltsame Lektüre für mich gewesen – Ermittlungen, bei denen es zunächst einmal darum geht, gerade KEIN Mordopfer zu haben, kein erkennbares Motiv. Wieder wird die Geschichte vom Ich-Erzähler Hastings dargeboten, der sich wie üblich oft selbst im Weg steht mit seiner Rechtschaffenheit, aber gelegentlich als „blindes Huhn, das auch ein Korn findet“ zufällig in die richtige Richtung deutet. Den Wink konnte dann auch ich verstehen, allerdings so spät, dass ich vorher arg im Dunkeln tappte – der klassische „Whodunnit“, ohne grauslige Szenen, wenn auch mit einer stattlichen Auswahl an Mord(versuchs)waffen.

Trivia
Der Diener von Poirot heißt hier Georges (z.B. S. 6), nicht George wie im vorangehenden Buch. Damit wäre er eher frankophon, kein Brite.
Intertextualität:
Poirot und Hastings siezen einander wieder in der deutschen Übersetzung, nach dem „Ausrutscher“ im letzten Poirot, „Der blaue Express“. Zu Beginn wird auf diese Ereignisse Bezug genommen, es sei im letzten Winter gewesen.
Hastings weist darauf auf Poirots Liebe zu Ordnung und Symmetrie hin – er habe durch das Zurechtrücken von Nippsachen auf einem Kaminsims schon einen Fall gelöst (14. Kapitel, S 118 – s. „Das fehlende Glied in der Kette“ / The Mysterious Affair at Styles“
mit Hilfe von Wikipedia zum Buch:
Poirot erinnent in Anwesenheit von Commander Challenger an den Fall „Die Pralinenschachtel“ aus „Poirot’s Early Cases“ (Kapitel 15, S. 131)
Inspector Japp spielt an auf Alibi / The Murder of Roger Ackroyd, als er Poirot damit aufzieht, dass dieser sich doch schon einmal zum Züchten von Kürbissen zurückgezogen hätte, statt weiter Mordfälle aufzuklären (Kapitel 16)
Ich zitiere weiter Wikipedia:
• Das im Roman beschriebene Hotel hat sein reales Vorbild nicht in Cornwall, sondern in Devon. Es ist das Imperial Hotel in Torquay.
• In Kapitel 7 sprechen die Personen über eine Fliegerin, die nach Australien geflogen ist. Damit ist Amy Johnson gemeint, die vom 5. bis zum 24. Mai 1930 den ersten Soloflug einer Frau von England nach Australien vollbrachte.

Zeitgeist
Mich irritierte an einigen Stellen die Wortwahl: „Durch lange Bekanntschaft gewitzigt, mißtraute ich seinen Komplimenten.“ S. 5 Gewitzigt? Poirot bezeichnet Nick als „Flederwisch“ S. 113 – nie gehört vorher, ehrlich. https://de.wikipedia.org/wiki/Flederwisch
Wiederum werden Damen (nicht das Personal) in besonderer Art und Weise geschont, dieses spezielle Ehrenverständnis irritiert mich eher. Gar nicht nachvollziehen kann ich hingegen die gleiche Rücksicht gegenüber dem Lieferanten des Nachschubs am Ende (ja, kryptisch, spoilert sonst). Niemand beschäftigt Personal, das gebildet ist, engagiert, hübsch,…

Dann besorge ich mir jetzt ein Packung Cailler-Schokolade, ohne Füllung, und vergebe vorher sehr gerne
5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.03.2018

Das Luftschloss, das gesprengt wurde

Vergebung
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Lisbeth Salander kommt lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus – in genau das Krankenhaus, in das auch ihr verletzter Vater eingeliefert wird. Und als wäre es noch nicht genug, dass sie hier um ihr Leben ...

Lisbeth Salander kommt lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus – in genau das Krankenhaus, in das auch ihr verletzter Vater eingeliefert wird. Und als wäre es noch nicht genug, dass sie hier um ihr Leben kämpfen muss, wetzen bald schon auch ihre alten Widersacher fast wörtlich die Messer (nun ja, andere Waffen – aber…selbst lesen!). Schließlich ist Lisbeth diejenige, die aufdecken könnte, was unbedingt verborgen bleiben soll. Und so kommt es zur mehrfachen Anklage wegen Mordes gegen sie unter Androhung von lebenslanger Einlieferung in die Psychiatrie. Doch die Mitarbeiter der Zeitschrift Millenium unter Mikael Blomquist beginnen zu ermitteln – und noch weitere Helfer finden sich, allerdings auch weit mehr Gegner, als erwartet.

Wie bereits bei den Bänden 1 und 2, habe ich das ungekürzte Hörbuch gehört. Beim Vorgänger war ich ja nicht ganz so glücklich mit der Art des Endes gewesen, doch wurde ich durch diese völlig „runde“ Folge wieder versöhnt mit der Trilogie, die ursprünglich als 10-bändige Serie angelegt war, wodurch es jedoch durch den frühen Tod von Autor Stieg Larsson nicht kam (ich kenne Band 5, von David Lagercrantz in Nachfolge geschrieben, also theoretisch das übernächste Buch, und war eher wenig angetan – vielleicht schließe ich noch die Lücke, vielleicht auch besser nicht). Dieser dritte Band könnte im Gegensatz zu Band 2 für sich gehört/gelesen werden, wenn auch mit kleineren Abstrichen (das wesentliche wird erklärt).

Dieses Mal gibt es Neben-Handlungen, die mir nicht wie reine Alibi-Geschichten erschienen, so war ja meine Beschwerde zu Teil 2. Der Exkurs von Erika Berger zum Beispiel ist eine ganz eigene Erzählung, selbst viele der eingebetteten Erlebnisse der Hauptakteure neben dem „großen Ganzen“ sind für sich spannend oder zumindest unterhaltsam. Da ich bisher den Vergleich zu den Verfilmungen gezogen habe: hier ist die Verfilmung im Vergleich zum (Hör-)Buch wesentlich gekürzt – einiges ist dabei zwar vermutlich für eine Verfilmung zu detailliert, wie die medizinische Behandlung oder die Vorbereitung des Prozesses, wird von mir aber als nicht zu lang empfunden. Im Gegenteil, es werden genau Unzulänglichkeiten des schwedischen Rechtssystems erläutert wie auch generell der genau Ablauf - also durchaus sowohl etwas zum Lernen als auch Gesellschaftskritik.

Ich mag den trockenen Humor, der regelmäßig aufblitzt, ebenso wie die „Helden“ der Handlung – eine Schwäche habe ich für Holger Palmgren entwickelt, neben Lisbeth natürlich. Dazu die tolle Darbietung durch Dietmar Wunder (wie gehabt, nur ein wenig holpriger bei Fakten aus dem IT-Umfeld, was weniger ins Gewicht fällt, weil diese dann doch bereits eher veraltet sind – z.B. Handy mit 72 dpi-Fotos, na danke).
Nur wieder die völlig sinnlose deutsche Übersetzung von „Das Luftschloss, das gesprengt wurde“
Volle 5 Sterne!

Veröffentlicht am 09.03.2018

"Es gab für alles einen Preis"

Tausend Teufel
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Dresden, Februar 1947. Es ist eiskalt, vieles ist zerbombt, es fehlt an fast allem, zwischen den sowjetischen Besatzern und der deutschen Bevölkerung herrscht meist Misstrauen. Oberkommissar Max Heller ...

Dresden, Februar 1947. Es ist eiskalt, vieles ist zerbombt, es fehlt an fast allem, zwischen den sowjetischen Besatzern und der deutschen Bevölkerung herrscht meist Misstrauen. Oberkommissar Max Heller kommt zum Fundort einer Leiche, doch da es sich um einen toten Russen handelt, noch dazu um einen Offizier, sind er und sein Mitarbeiter, Kommissar Werner Oldenbusch, schnell außen vor. Ein Mädchen will sich mit einem Rucksack vom Fundort entfernen, doch die Polizisten können nur den Rucksack sicherstellen: er enthält einen abgetrennten Kopf. Als wäre das noch nicht genug in einer Zeit, in der Menschen bereits ausreichend zu Gewalt neigen wegen des Hungers, wird Heller von seinem Kontakt bei der Stadtkommandatur der Sowjetischen Militäradministration, der SMAD, Generalleutnant Medvedev, beauftragt, inoffiziell zu ermitteln. Ein Ritt auf der Rasierklinge zwischen Ewiggestrigen, Verzweifelten, Gewinnlern und der harten Hand der sowjetischen Militärs. Dann mischt sich auch noch sein Kontakt vom Geheimdienst ein, Ovtscharov.

Die Geschichte wird aus der Sicht Hellers erzählt. Der Polizist ist ein Getriebener, interessiert an der Aufklärung der Taten, stur bis zur Selbstverleugnung. In der SED will man ihn sehen, höhere Essenszuteilungen würde das bewirken. „Und dass ihn alle so bedrängten wegen des Parteieintritts. Sie mussten doch wissen, dass das reine Heuchelei war. Wollten sie denn das, eine Gefolgschaft von Heuchlern? Hatten die Menschen denn nichts gelernt aus den zwölf Jahren Naziherrschaft?“ S. 78 Ein Problem, das er auch schon bezüglich der NSDAP hatte, im Vorgänger „Der Angstmann“ (es gibt nur die zwei Max-Heller-Bände). Ich hatte diesen als Hörbuch genossen, man sollte jedoch „Tausend Teufel“ auch ohne den Vorgänger lesen oder hören können (hören sollte kein Problem sein, ich wollte jedoch lieber in der Lage sein, die Strecken in Dresden auf einer Karte nachverfolgen zu können).

Wieder schafft es Autor Frank Goldammer die Atmosphäre glaubwürdig einzufangen (beim Band 1 war mir kalt mit Heller, jetzt hatte ich irgendwie Hunger). Wieder wird klar, dass letztlich viele den Krieg gezeichnet überstanden haben: „Es gab für alles einen Preis. In den Augen seines Sohnes hatte er gesehen, dass dieser ihn schon bezahlt hatte.“ S. 143 Doch wieder gibt die, die es schaffen, ihre Posten zu behalten, die sie schon unter den Nazis hatten. Der Roman ist spannend, es folgen weitere Tote, doch am meisten bedrückt hat mich die Situation der Menschen, besonders der sogenannten Wolfskinder, die allein, elternlos und auf sich allein gestellt versuchen, sich irgendwie durchzuschlagen, die teils nicht einmal mehr ihre Namen wissen. Ihrer Situation setzt dieses Buch ein Denkmal, ohne dabei die fesselnde Handlung jemals aus den Augen zu verlieren, denn bald hat man in ihren Reihen Verdächtige.

Während ich „Der Angstmann“ eher als Thriller empfand mit doch recht blutrünstigen Taten und einer gewissen Folterkomponente (eine Bekannte brach nach wenigen Minuten ab und nannte es krank, so etwas zu lesen), ist „Tausend Teufel“ eher ein klassischer „Whodunnit“, ja, auch mit Toten, aber weniger dieser Folterkomponente (nein, ganz gewaltlos ist es nicht). Ich kann beide Teile empfehlen, gerade wegen ihrer Schilderungen Dresdens kurz vor und nach 1945 und wegen eines glaubwürdig in diesen Kontext eingebetteten Motivs. Vom Tatverlauf fand ich diesen zweiten Teil glaubwürdiger als den ersten, die Auflösung hier fand ich jedoch nicht ganz befriedigend. Für mich war es aufgewogen dadurch, wie sich Karin Heller hier mit einbrachte.




Wieder 5 Sterne.

Ich könnte mir das gut verfilmt vorstellen. Und ein Folgeband könnte vielleicht mal im Sommer angesiedelt sein – oder in fernerer Zukunft mit Bald-Polizist Klaus…